TE Vwgh Beschluss 2020/5/6 Ra 2020/08/0001

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Veröffentlicht am 06.05.2020
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz

Norm

ASVG §4 Abs2
ASVG §539a

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2020/08/0002
Ra 2020/08/0003
Ra 2020/08/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revisionen des M P in W, vertreten durch Jank Weiler Operenyi Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottengasse 1, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. November 2019, Zlen. 1. W229 2004467-1/4E (Ra 2020/08/0001), 2. W229 2008186-1/3E (Ra 2020/08/0002), 3. W229 2008184-1/3E (Ra 2020/08/0003) und 4. W229 2008185-1/3E (Ra 2020/08/0004), betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und dem AlVG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien; mitbeteiligte Parteien: 1. Österreichische Gesundheitskasse, 2. Pensionsversicherungsanstalt, 3. Unfallversicherungsanstalt, 4. M D, 5. A W, 6. J M, 7. M K); den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Mit den in Revision gezogenen Erkenntnissen hat das Bundesverwaltungsgericht ausgesprochen, dass der Viert-, Fünft-, Sechst- und Siebtmitbeteiligte in näher angeführten Zeiträumen zwischen dem 28. Februar 2005 und 30. Dezember 2007 auf Grund ihrer Tätigkeit für den Revisionswerber als Bauarbeiter in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung nach dem ASVG sowie in der Arbeitslosenversicherung pflichtversichert sind. Der Revisionswerber betreibe ein Unternehmen mit den Schwerpunkten Fußbodenreparatur, Parkettverlegung, Sanierung bzw. Herstellung von „Altwienertüren“ und Fenstersanierung. Er lasse diese Arbeiten nach mündlichen Vorbesprechungen und Vereinbarungen von dem von ihm bestimmten Mitbeteiligten auf von ihm bestimmten Baustellen - teilweise gemeinsam mit anderen Mitarbeitern des Revisionswerbers - durchführen. Die genannten Mitbeteiligten würden ihre Arbeitsleistungen persönlich mit eigenem Werkzeug erbringen. Sie hätten keine eigene unternehmerische Struktur, allerdings einen Gewerbeschein. Das Material für die Auftragserfüllung sei vom Revisionswerber zur Verfügung gestellt worden. Die genannten Mitbeteiligten würden auf Grund von Honorarnoten nach Einheitspreisen (zB pro Quadratmeter) bezahlt. Bauliche Beanstandungen würden von den genannten Mitbeteiligten behoben. Sie würden insgesamt betrachtet ihre Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit vom Revisionswerber verrichten und seien als Dienstnehmer iSd § 4 Abs. 2 ASVG pflichtversichert.

5        Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revisionen vor, das Bundesverwaltungsgericht habe beurteilen müssen,

„ob die ... Tätigkeiten isoliert von der Qualifikation des Rechtsverhältnisses auf anderen Rechtsgebieten sowie von dem durch die Parteien verliehenen äußeren Erscheinungsbild zu beurteilen sind.“

6        Das Bundesverwaltungsgericht habe die Merkmale der persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit der genannten Mitbeteiligten einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung unterzogen, sei nicht auf den „expliziten Sachverhalt“ eingegangen und habe auf Nebenkriterien der Abgrenzung zwischen einer selbständigen und einer unselbständigen Tätigkeit, wie zB das Eingehen eines Unternehmerwagnisses, nicht Bedacht genommen. Dies würde Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung aufwerfen.

7        Dem ist zu erwidern, dass die Beurteilung der Eigenschaft als Dienstnehmer iSd § 4 Abs. 2 ASVG schon in Anbetracht des § 539a ASVG nicht von der „Qualifikation des Rechtsverhältnisses auf anderen Rechtsgebieten sowie von dem durch die Parteien verliehenen äußeren Erscheinungsbild“ abhängt (vgl. außerdem zur Eingliederungstheorie VwGH 4.12.1957, 1836/56, VwSlg. 4495 A).

8        Im Übrigen ist die Entscheidung über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung iSd § 4 Abs. 2 ASVG das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Gesamtabwägung der maßgeblich für bzw. gegen das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprechenden Umstände und Merkmale. Wurde diese - wie hier - auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen, so ist eine solche einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht diese Gesamtabwägung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Das war hier nicht der Fall (vgl. zur Dienstnehmereigenschaft von Bauarbeitern insbesondere bei Integration in einen Betrieb etwa VwGH 21.8.2017, Ra 2016/08/0119). Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt keine grundsätzliche Bedeutung zu (VwGH 12.01.2018, Ra 2017/08/0032, mwN).

9        In den Revisionen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher zurückzuweisen.

Wien, am 6. Mai 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020080001.L00

Im RIS seit

09.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.07.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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