TE Vwgh Erkenntnis 2020/4/17 Ra 2019/21/0251

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Veröffentlicht am 17.04.2020
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Asylrecht
41/02 Melderecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
41/02 Staatsbürgerschaft
50/04 Berufsausbildung
72/01 Hochschulorganisation

Norm

AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §55 Abs2
BAG 1969 §27a Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs2
BFA-VG 2014 §9 Abs3
IntG 2017 §10 Abs2
IntG 2017 §10 Abs2 Z3
IntG 2017 §10 Abs2 Z7
IntG 2017 §9
IntG 2017 §9 Abs4 Z3
IV-V 2006 §9 Abs2 idF 2011/II/205
IV-V 2006 §9 Abs3 idF 2011/II/205
MRK Art8
NAG 2005 §14a
NAG 2005 §14a Abs4 Z2
NAG 2005 §81 Abs36
UniversitätsG 2002 §64 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2019/21/0252
Ra 2019/21/0253

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision 1. des F D, 2. der Y B, und 3. des Z D, alle in W und alle vertreten durch Mag.a Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes je vom 9. Juli 2019, 1. G306 2205765-1/9E (Erstrevisionswerber) und 2. G306 2205763-1/9E sowie G306 2205766-1/9E (Zweitrevisionswerberin und Drittrevisionswerber), jeweils betreffend Feststellung nach § 9 Abs. 3 BFA-VG und Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision gegen das zweitangefochtene Erkenntnis wird, soweit es den Drittrevisionswerber betrifft, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Das erstangefochtene Erkenntnis und das zweitangefochtene Erkenntnis insoweit, als es die Zweitrevisionswerberin betrifft, werden im bekämpften Umfang (Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerberin jeweils Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die Revisionswerber sind kosovarische Staatsangehörige. Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind Lebensgefährten, der im August 2016 in Wien geborene Drittrevisionswerber ist ihr gemeinsamer Sohn.

2        Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin befinden sich bereits längere Zeit - zunächst auf Basis von Aufenthaltstiteln „Studierende“ und „Schüler“ - in Österreich. Nach Ablauf der Gültigkeit der zuletzt erteilten Aufenthaltstitel stellten sie Anträge auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005; der Drittrevisionswerber stellte einen Antrag auf Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005.

3        Mit Bescheiden je vom 29. August 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diese Anträge ab und erließ gegen die Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen nach § 52 Abs. 3 FPG. Außerdem stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass eine Abschiebung der Revisionswerber in den Kosovo zulässig sei, gewährte gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und erkannte gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG Beschwerden die aufschiebende Wirkung ab.

4        Den dagegen erhobenen Beschwerden gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit den beiden angefochtenen Erkenntnissen vom 9. Juli 2019 (einerseits den Erstrevisionswerber sowie andererseits die Zweitrevisionswerberin und den Drittrevisionswerber betreffend) insoweit statt, als es jeweils eine Rückkehrentscheidung „in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo“ gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärte und den Revisionswerbern gemäß §§ 54 Abs. 1 Z 2, 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 2 AsylG 2005 Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilte.

5        Diese Entscheidungen werden mit der gegenständlichen außerordentlichen Revision - das BVwG hat jeweils gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei - nur insoweit angefochten, als den Revisionswerbern statt einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ lediglich eine „Aufenthaltsberechtigung“ erteilt worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über diese Revision nach Aktenvorlage und Durchführung eines Vorverfahrens, in dessen Rahmen keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:

6        Was zunächst den Drittrevisionswerber anlangt, so wird außer Acht gelassen, dass dessen Antrag lediglich auf die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung“ nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005 gerichtet war. Wenn ihm das BVwG mit dem zweitangefochtenen Erkenntnis in Entsprechung dieses Antrags einen derartigen Aufenthaltstitel erteilte, so kann der Drittrevisionswerber dadurch nicht in Rechten verletzt sein. Seine Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat - zurückzuweisen.

7        In der Revision wird aber zutreffend darauf hingewiesen, dass sich das BVwG nicht ausreichend mit der Frage beschäftigt hat, ob die Voraussetzungen für die - vom Erstrevisionswerber und der Zweitrevisionswerberin beantragte - Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ nach § 55 Abs. 1 AsylG 2005 vorliegen. Die Revision ist daher entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des BVwG unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG, soweit sie vom Erstrevisionswerber und von der Zweitrevisionswerberin erhoben wurde, zulässig und berechtigt.

8        Die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 - sei es als „Aufenthaltsberechtigung“ oder als „Aufenthaltsberechtigung plus“ - setzt jedenfalls voraus, dass dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist. Davon ist im Hinblick auf die in Bestandskraft erwachsenen Feststellungen des BVwG nach § 9 Abs. 3 BFA-VG im vorliegenden Fall auszugehen, und zwar ungeachtet dessen, dass derartige Feststellungen bei Stattgebung eines Antrags nach § 55 AsylG 2005 im Gesetz gar nicht vorgesehen sind (VwGH 30.6.2016, Ra 2016/21/0103, Rn. 14).

9        Erfüllt der Drittstaatsangehörige überdies das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) oder übt er zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit aus, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze nach § 5 Abs. 2 ASVG erreicht wird, so ist nach dem ersten Absatz des § 55 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ auszustellen, andernfalls nach dem zweiten Absatz dieser Bestimmung nur eine „Aufenthaltsberechtigung“, mit der (auf beschäftigungsrechtlicher Ebene) ein geringerer Berechtigungsumfang verbunden ist.

10       Der erwähnte § 9 IntG sowie § 10 IntG lauten - jeweils in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 41/2019 - samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige ... sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels ... zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. ...

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels ... nachzukommen. ...

(3) ...

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.   einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

3.   über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

...

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) ...

Modul 2 der Integrationsvereinbarung

§ 10. (1) Drittstaatsangehörige ... müssen mit der Stellung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 45 NAG das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt haben.

(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.   ...

3.   minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule ... besucht oder im vorangegangen Semester besucht hat,

4.   minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule ... besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand ‚Deutsch‘ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5.   einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach ‚Deutsch‘ positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach ‚Deutsch‘ auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat oder eine positive Beurteilung im Prüfungsgebiet ‚Deutsch - Kommunikation und Gesellschaft‘ im Rahmen der Pflichtabschluss-Prüfung gemäß ... nachweist,

6.   einen positiven Abschluss im Unterrichtsfach ‚Deutsch‘ nach zumindest vierjährigem Unterricht in der deutschen Sprache an einer ausländischen Sekundarschule nachweist,

7.   über eine Lehrabschlussprüfung gemäß dem Berufsausbildungsgesetz, BGBl. Nr. 142/1969, oder eine Facharbeiterprüfung gemäß den Land- und forstwirtschaftlichen Berufsausbildungsgesetzen der Länder verfügt oder

8.   mindestens zwei Jahre an einer postsekundären Bildungseinrichtung inskribiert war, ein Studienfach mit Unterrichtssprache Deutsch belegt hat und in diesem einen entsprechenden Studienerfolg im Umfang von mindestens 32 ECTS - Anrechnungspunkten ... nachweist bzw. über einen entsprechenden postsekundären Studienabschluss verfügt.

(3) ...“

11       Die eben auszugsweise wiedergegebenen §§ 9 und 10 IntG sind die Nachfolgebestimmungen zu den zunächst mit BGBl. I Nr. 68/2017 und letztlich mit BGBl. I Nr. 145/2017 zum 30. September 2017 (siehe § 82 Abs. 24 NAG) aufgehobenen §§ 14a und 14b NAG. Insoweit ordnet die Übergangsbestimmung des § 81 Abs. 36 NAG im Ergebnis an, dass das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt gilt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG bis zu dessen Außerkrafttreten mit Ablauf des 30. September 2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

12       §14a NAG sah - auszugsweise - Folgendes vor:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 14a. (1) Drittstaatsangehörige sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels ... zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. ...

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels ... nachzukommen. ...

(3) ...

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1.   ...

2.   einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

...

(5) ...

(6) Nähere Bestimmungen über ... die Nachweise gemäß Abs. 4 Z 2 hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

(7) ...“

13       Die (u.a.) aufgrund der Ermächtigung in § 14a Abs. 6 NAG erlassene Integrationsvereinbarungs-Verordnung, IV-V, idF BGBl. II Nr. 205/2011, sieht in ihrem § 9 - auszugsweise - vor:

„Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse

§ 9. (1) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 ... NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von folgenden Einrichtungen:

1.   Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;

2.   Goethe-Institut e.V.;

3.   Telc GmbH.

(2) Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis gemäß Abs. 1 schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest

1.   auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder

2.   auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen

verfügt.

(3) Fehlt eine Bestätigung nach Abs. 2, gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe als nicht erbracht.

(4) ...“

14       Das BVwG hat in den angefochtenen Erkenntnissen die Erteilung von „Aufenthaltsberechtigungen“ anstelle von „Aufenthaltsberechtigungen plus“ lediglich damit begründet, dass es an der Erbringung der erforderlichen Nachweise hinsichtlich der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung iSd § 9 IntG sowie iSd § 81 Abs. 36 iVm § 14a NAG mangle und dass keine rechtmäßige, die Geringfügigkeitsgrenze überschreitende Erwerbstätigkeit ausgeübt werde.

15       Dem widersprechen die Revisionswerber - bezogen auf Erstrevisionswerber und Zweitrevisionswerberin - unter anderem mit Bezugnahme auf § 81 Abs. 36 NAG damit, dass sie im Jahr 2011 (Erstrevisionswerber) bzw. im Jahr 2016 (Zweitrevisionswerberin) die „Ergänzungsprüfung aus Deutsch des Vorstudienlehrgangs der Wiener Universitäten“ erfolgreich abgelegt hätten, sodass sie gemäß dem seinerzeitigen § 14a Abs. 4 Z 2 NAG über einen „allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse“ verfügt und insofern bereits damals Modul 1 der Integrationsvereinbarung - mit der sich aus § 81 Abs. 36 NAG ergebenden Konsequenz - erfüllt hätten.

16       Diese Argumentation ist - unabhängig vom näheren Verständnis des § 81 Abs. 36 NAG, worauf daher nicht näher eingegangen werden muss (vgl. aber im Zusammenhang mit § 21a NAG VwGH 28.5.2019, Ra 2018/22/0228) - nicht zielführend. Die von den Revisionswerbern vorgelegten Zeugnisse über die bestandenen Ergänzungsprüfungen enthalten nämlich nicht die in § 9 Abs. 2 IV-V geforderten Bestätigungen über die dort genannten Sprachkenntnisse. Fehlt eine derartige Bestätigung, gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe gemäß § 9 Abs. 3 IV-V aber als nicht erbracht, sodass § 14a Abs. 4 Z 2 NAG nicht erfüllt wurde (zum Erfordernis der Vorlage eines entsprechenden Nachweises vgl. VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0203 bis 0205, Rn. 18).

17       Die Revisionswerber haben zum Nachweis dafür, dass der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG erfüllt haben, aber weitere Unterlagen vorgelegt, auf die sie sich in der gegenständlichen Revision auch beziehen. Im Besonderen ist auf einen an den Erstrevisionswerber ergangenen Zulassungsbescheid der Universität Wien sowie auf einen die Zweitrevisionswerberin betreffenden Bescheid des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft nach § 27a Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz zu verweisen. Im erstgenannten Bescheid wird u.a. ausgeführt, dass der Erstrevisionswerber gemäß § 64 Abs. 1 UG 2002 die allgemeine Universitätsreife nachgewiesen habe, im zweitgenannten Bescheid wird darauf Bezug genommen, dass die Zweitrevisionswerberin im Kosovo an einer „Medizinischen Hochmittelschule“ eine Ausbildung im Beruf Apothekentechniker abgeschlossen habe.

18       Warum am Boden dieser Urkunden nicht von der Erfüllung der Voraussetzung nach § 9 Abs. 4 Z 3 IntG (Schulabschluss, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002 [Erstrevisionswerber] oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule [Zweitrevisionswerberin] entspricht) auszugehen sei, stellt das BVwG nicht dar (zu ähnlichen Konstellationen im Zusammenhang mit § 21a Abs. 1 NAG vgl. VwGH 28.2.2019, Ra 2018/22/0129, Rn. 12; VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0062, Rn. 12; VwGH 27.2.2020, Ra 2019/22/0203, Rn. 13).

19       Mit dem erwähnten, die Zweitrevisionswerberin betreffenden Bescheid nach § 27a Berufsausbildungsgesetz wurde ausgesprochen, dass die von der Zweitrevisionswerberin im Kosovo abgeschlossene Ausbildung im Beruf Apothekentechniker der österreichischen Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf pharmazeutisch-kaufmännische Assistentin gemäß § 27a Abs. 2 Berufsausbildungsgesetz gleichgehalten werde. In Bezug darauf ist noch festzuhalten, dass damit - entgegen dem Standpunkt der Revision - nicht schon § 10 Abs. 2 Z 7 IntG erfüllt wurde. Denn dort wird an eine tatsächlich in Österreich abgeschlossene Lehrabschlussprüfung angeknüpft, was sich über den Wortlaut hinaus auch daraus ergibt, dass die an eine Ausbildung anknüpfenden Tatbestände des § 10 Abs. 2 IntG - mit Ausnahme des Sonderfalls der Z 3 - auf Deutschkenntnisse abstellen, was nur durch eine Lehrabschlussprüfung im deutschen Sprachraum gewährleistet ist. Mit diesem Verständnis steht in Einklang, dass der „nur“ auf ein allgemeines Ausbildungsniveau abstellende § 9 Abs. 4 Z 3 IntG - anders als § 10 Abs. 2 Z 7 IntG - lediglich die Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung gewährleistet.

20       Aus dem zuvor Gesagten (Rn. 18) und ungeachtet der obigen Ausführungen unter Rn. 16 ergibt sich aber, dass nicht nur das den Erstrevisionswerber betreffende erstangefochtene Erkenntnis, sondern auch das zweitangefochtene Erkenntnis, soweit es die Zweitrevisionswerberin betrifft, mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet ist. Beide Erkenntnisse waren daher - das zweitangefochtene Erkenntnis im die Zweitrevisionswerberin erfassenden Umfang - gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

21       Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 52 Abs. 1 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 17. April 2020

Schlagworte

Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019210251.L00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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