TE Vwgh Beschluss 2020/4/27 Ra 2019/02/0229

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Veröffentlicht am 27.04.2020
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Index

L70309 Buchmacher Totalisateur Wetten Wien
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
VwGG §21 Abs1 Z2
VwGG §36 Abs1
VwGG §46 Abs1
VwGG §48 Abs2 Z1
VwGVG 2014 §17
WettenG Wr 2016 §25 Abs1 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der A GmbH in G, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 27. September 2019, Zl. VGW-104/040/3308/2019-9, betreffend Zurückweisung eines Feststellungsantrages in einer Angelegenheit nach dem Wiener Wettengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 9. Jänner 2019 hat die belangte Behörde den Antrag der revisionswerbenden Partei, die belangte Behörde möge feststellen, dass 1. die "Handicap-Wette" (inklusive der "Asian-Handicap" Wette), 2. die "Over/Under-Wette", 3. die Wette "Summe der erzielten Punkte bzw. Tore?", 4. die Wette "Ergebnis pro Team/Spieler", 5. die Wette "Teilergebnis mit dem höchsten Wert?",

6. die Wette "Erzielen beide Teams ein Tor" und 7. die Wette "Wie viele Abschnitte werden gespielt" als zulässige Livewetten im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz zu qualifizieren seien, zurückgewiesen.

2 Im Wesentlichen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass im Spruch eines Feststellungsbescheides nicht über abstrakte Rechtsfragen entschieden werden könne, also weder über die Geltung bzw. Anwendbarkeit von Gesetzen oder von gesetzlichen Bestimmungen noch über ihre Auslegung. Durch die begehrte Feststellung, ob die genannten Wetten als zulässige Livewetten im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz zu qualifizieren seien, beantrage die revisionswerbende Partei eine Interpretation des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz. Ein zulässiger Gegenstand eines Feststellungsbescheides liege somit nicht vor.

3 Die revisionswerbende Partei erhob daraufhin Beschwerde an das Verwaltungsgericht Wien und führte u.a. aus, die belangte Behörde lege § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz unrichtig aus. Folge man der Rechtsansicht der belangten Behörde, seien lediglich die 1X2-Wette, die Resultatwette und Wetten auf Hauptabschnitte eines Matches/Spieles zulässig; alle anderen Livewetten würden nicht mehr angeboten werden dürfen. Diese Rechtsansicht schränke das Recht der revisionswerbenden Partei auf Ausübung der - von der Behörde bewilligten - Tätigkeit als Wettunternehmer ein. Wegen des vermeintlichen Anbietens "illegaler" Livewetten habe die belangte Behörde bereits Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet, darunter auch gegen die revisionswerbende Partei. Konkret seien Verwaltungsstrafverfahren eingeleitet worden, weil sie Restzeitwetten und Tennisgame-Wetten angeboten hätte. Deshalb seien diese aus dem Wettprogramm genommen worden, wodurch die revisionswerbende Partei schon jetzt zwei Fünftel ihrer Umsätze im Bereich der Livewetten eingebüßt habe. Nachdem sich die revisionswerbende Partei nicht weiteren Verwaltungsstrafverfahren aussetzen wolle und könne (Gefahr des Verlustes der Bewilligungen), habe sie nun auch die Handicap-Wetten, die Over/Under-Wetten u.a. aus dem Wettprogramm genommen. 4 Mit dem vorliegenden Feststellungsantrag werde die Feststellung des der revisionswerbenden Partei zustehenden Rechtes beantragt, im Rahmen ihrer Bewilligung nach dem Wiener Wettengesetz auch weiterhin die antragsgegenständlichen Handicap-Wetten, Over/Under-Wetten u.a. anbieten zu dürfen. Die im Antrag aufgeworfenen Rechtsfragen seien in keinem Gerichts- oder Verwaltungsverfahren angängig. Die Feststellung durch die mitbeteiligte Partei sei für die revisionswerbende Partei unmittelbar von Relevanz, weil dadurch der rechtliche Rahmen des in Wien zulässigen Wettprogrammes festgestellt werde. Der gegenständliche Feststellungsantrag sei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung, weil sich die revisionswerbende Partei aufgrund der ungeklärten Rechtslage Verwaltungsübertretungen gemäß § 24 Abs. 1 Z 16 Wiener Wettengesetz aussetzen würde. Hinzu komme, dass gemäß § 8 Abs. 2 lit d Wiener Wettengesetz die Bewilligung "von der Behörde zu entziehen" sei, wenn ein Wettunternehmer zwei Mal rechtskräftig bestraft werde.

5 Mit dem nun angefochtenen Erkenntnis vom 27. September 2019 wies das Verwaltungsgericht Wien - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die Beschwerde ab. Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichthof erklärte es für nicht zulässig.

6 Es begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die revisionswerbende Partei mit ihrem Antrag eine rechtlich verbindliche Rechtsauskunft über die - ihrer Meinung nach - zulässigen Livewetten nach § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz begehre. Damit begehre sie eine Interpretation einer Gesetzesbestimmung des Wiener Wettengesetzes, nicht aber das Feststellen des Bestehens eines strittigen Rechtes oder Rechtsverhältnisses. Die Behörde könne (gemeint wohl: dürfe) im Spruch eines Feststellungsbescheides nicht über abstrakte Rechtsfragen, also weder über die Geltung bzw. Anwendbarkeit von Gesetzen oder gesetzlichen Bestimmungen noch über ihre Auslegung entscheiden, sodass gegenständlich kein zulässiger Gegenstand eines Feststellungsbescheides vorliege. Die Zurückweisung des Antrages sei daher zu Recht erfolgt.

7 Gegen diese Entscheidung erhob die revisionswerbende Partei erkennbar wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes die vorliegende Revision.

8 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung. 9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 12 Die Revision rügt in ihrer Zulässigkeitsbegründung zunächst, mit den Ausführungen zur Zulässigkeitsfrage des Verwaltungsgerichtes Wien fehle jegliche Bezugnahme auf den entscheidungsgegenständlichen Sachverhalt und Begründung, warum im vorliegenden Fall keine Rechtsfrage von grundsätzliche Bedeutung vorliege.

13 Dem ist zu entgegnen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch eine fehlende Begründung des Ausspruches über die Zulässigkeit der Revision nicht dazu führt, dass die Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig wäre. Die Zulässigkeitsbegründung der außerordentlichen Revision muss vielmehr Gründe anführen, aufgrund derer anzunehmen wäre, dass die Lösung des Revisionsfalles von einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung abhinge (vgl. VwGH 8.10.2019, Ra 2019/22/0191, mwN).

14 Die revisionswerbende Partei erachtet die Revision zusammengefasst als zulässig, weil das Wiener Wettengesetz die Erhebung eines Feststellungsantrages zwar nicht ausdrücklich vorsehe, jedoch nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch bei Fehlen einer materiengesetzlichen Möglichkeit ein Feststellungsantrag dann zulässig sei, wenn dem Feststellungsbescheid die Eignung zukomme, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch eine Rechtsgefährdung des Antragstellers zu beseitigen. Durch die beantragte Feststellung würde zum einen die unklare Rechtslage geklärt werden, weil zulässige von unzulässigen Livewetten abgegrenzt würden. Zum anderen komme dem Feststellungsantrag die konkrete Eignung zu, die der revisionswerbenden Partei drohenden Rechtsgefährdungen zu beseitigen. Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (u.a. mit Hinweis auf VwGH 22.4.1991, 90/12/0329 sowie 15.11.2007, 2006/07/0113).

15 Nach § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz ist die Ausübung der Tätigkeit als Wettunternehmerin und Wettunternehmer während eines laufenden Ereignisses (Livewetten), ausgenommen Livewetten auf Teilergebnisse oder das Endergebnis, verboten.

16 Der gegenständliche Antrag ist auf die Feststellung gerichtet, dass die näher angeführten Wetten als zulässige Livewetten im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz zu qualifizieren seien.

17 Unstrittig ist, dass das Wiener Wettengesetz die Möglichkeit zu dieser Antragstellung bzw. zu einer entsprechenden Feststellung nicht vorsieht.

18 Mangels einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage für die begehrte Feststellung kommt im Revisionsfall nur die Erlassung eines auf allgemeinen Verfahrensgrundsätzen beruhenden Feststellungsbescheides in Betracht.

19 Nach ständiger Rechtsprechung ist die Erlassung eines Feststellungsbescheides, der im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen ist, dann zulässig, wenn die Erlassung eines solchen Bescheides im öffentlichen Interesse liegt oder insofern im Interesse der Partei, als sie für die Partei ein notwendiges Mittel zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung darstellt. Ein rechtliches Interesse einer Partei an einer bescheidmäßigen Feststellung ist gegeben, wenn der Feststellungsbescheid für die Partei ein geeignetes Mittel zur Beseitigung aktueller oder zukünftiger Rechtsgefährdung ist. Der Feststellung muss die Eignung zukommen, ein Recht oder Rechtsverhältnis für die Zukunft klarzustellen und dadurch die Gefährdung eines subjektiven Rechtes der Antragstellerin bzw. des Antragstellers zu beseitigen (vgl. VwGH 24.10.2013, 2010/07/0171, mwN).

20 Gegenstand eines, ohne ausdrücklicher gesetzlicher Grundlage, begehrten Feststellungsantrages kann grundsätzlich nur die Feststellung eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses sein; darüber hinaus kann die Behörde weder über die Anwendbarkeit von gesetzlichen Vorschriften noch über ihre Auslegung und über das Vorliegen von Anspruchsvoraussetzungen spruchmäßig entscheiden (vgl. VwGH 20.9.1993, 92/10/0457, mwN).

21 Auch die rechtliche Qualifikation eines Sachverhaltes kann nicht Gegenstand eines Feststellungsantrages sein (VwGH 21.12.2001, 98/02/0311, VwGH 20.9.1993, 92/10/0457; siehe auch VwGH 27.11.1958, VwSlg. Nr. 4822/A, Z 57/58).

22 In diesem Sinne erweist sich der gegenständliche Antrag auf Feststellung, dass näher angeführte Wetten als zulässige Livewetten im Sinne des § 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz zu qualifizieren seien, als unzulässig.

23 Die dem gegenständlichen Feststellungsantrag zu Grunde liegende Vorschrift (§ 25 Abs. 1 Z 4 Wiener Wettengesetz) begründet nämlich weder eine bestimmte rechtlich geregelte Beziehung zwischen der revisionswerbenden Partei und der belangten Behörde noch eine bestimmte Rechtsposition der revisionswerbenden Partei. Ein "Recht oder Rechtsverhältnis", das einer bescheidmäßigen Feststellung zugänglich wäre, kann dem vorgetragenen Sachverhalt nicht entnommen werden. Vielmehr betrifft das Begehren die Auslegung einer Vorschrift, die nicht Gegenstand eines Feststellungsantrages sein kann (vgl. neuerlich VwGH 20.9.1993, 92/10/0457).

24 Der Antrag der revisionswerbenden Partei wurde daher von der belangten Behörde zu Recht zurückgewiesen und die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde vom Verwaltungsgericht Wien zutreffend abgewiesen.

25 In der Revision werden demnach keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

26 Von der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

27 Die Revisionsbeantwortung der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht wurde beim Verwaltungsgerichtshof verspätet eingebracht.

28 Auf verspätete Revisionsbeantwortungen, welche außerhalb der eingeräumten Frist dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt wurden, darf Bedacht genommen werden. Es besteht kein Hindernis, solche Revisionsbeantwortungen bei der Behandlung der Revision zu berücksichtigen (vgl. VwGH 3.4.2019, Ro 2019/08/0003). 29 Die von der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht verspätet eingebrachte Revisionsbeantwortung hindert die Zuerkennung des Aufwandersatzes nicht, weil deren Berücksichtigung kein Hindernis entgegenstand und auch ein Kostenantrag nach Ablauf der nach § 36 Abs. 1 VwGG für die Erstattung einer Revisionsbeantwortung gesetzten Frist nicht unbeachtlich ist (VwGH 28.1.2016, 2013/07/0087).

30 Da diese Rechtsprechung für die Frist zur Erstattung der Revisionsbeantwortung fortzuschreiben ist, war dem Kostenantrag der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht stattzugeben. 31 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 51 VwGG, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 27. April 2020

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020229.L00

Im RIS seit

08.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.06.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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