TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/30 G308 2193110-1

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Veröffentlicht am 30.03.2020
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Entscheidungsdatum

30.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
VwGVG §47

Spruch

G308 2193110-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX, geb. XXXX alias XXXX alias XXXX, StA: Nigeria, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wien, gegen den Bescheid des BFA, RD Steiermark, Außenstelle Leoben vom 12.04.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. In Stattgebung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

III. Der Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in Höhe von 1.659,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Bundes (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, ASt Leoben (im Folgenden: belange Behörde oder kurz: BFA), Zl. XXXX, vom XXXX.04.2018 wurde über den Beschwerdeführer (im Folgenden kurz BF) gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Gegen diesen, dem Beschwerdeführer am XXXX.04.2018 durch persönliche Ausfolgung zugestellten Bescheid erhob er im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung am 20.04.2018 binnen offener Frist Beschwerde, beantragte beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung rechtswidrig erfolgt seien, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zu einer weiteren Anhaltung seiner Person nicht vorliegen und der belangten Behörde den Ersatz seiner Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung sowie die Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, aufzuerlegen.

3. Am 25.04.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein des BF, der erschienenen Rechtsvertretung und einer Dolmetscherin für die englische Sprache durchgeführt, anlässlich der die Beschwerde im Rahmen des mündlich verkündeten Erkenntnisses als unbegründet abgewiesen wurde (Spruchpunkt I.), weiters festgestellt wurde, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen (Spruchpunkt II.), dem BF aufgetragen wurde, dem Bund binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution die Aufwendungen zu ersetzen (Spruchpunkt III.) und sein Antrag auf Ersatz der Aufwendungen abgewiesen wurde (Spruchpunkt IV.).

4. Gegen dieses mündlich verkündete Erkenntnis erhob der BF am 14.05.2018 die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und verband diese mit den Anträgen, die außerordentliche Revision für zulässig zu erklären, gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden und in Stattgebung der Revision und der eingebrachten Schubhaftbeschwerde - unter Kostenzuspruch - der Beschwerde stattzugeben und den Schubhaftbescheid sowie die gesamte darauf gestützte Anhaltung des Revisionswerbers für rechtswidrig zu erklären und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen, hilfsweise gemäß § 42 Abs. 2 VwGG das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und/oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben und gemäß §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung den Bund schuldig zu erkennen, die dem Revisionswerber durch das Revisionsverfahren entstandenen Kosten im gesetzlichen Ausmaß zu Handen seines Rechtsvertreters zu ersetzen bzw. der Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

5. Mit Beschluss vom 25.05.2018, Zl. Ra 2018/21/0094-7, gab der Verwaltungsgerichtshof dem Antrag des BF, der gegen das mündlich verkündete Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25.04.2018, Zl. G308 2193110-1/6Z, betreffend Schubhaft erhobenen Revision die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, Folge und sprach aus, dass dem Antrag in Bezug auf Spruchpunkt A.II. des angefochtenen Erkenntnisses (Ausspruch über die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft) stattgegeben werde.

In der Begründung heißt es im Wesentlichen kurz zusammengefasst, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seines Asylfolgeantrages vom 15.01.2018 gemäß § 12 Abs. 1 AsylG erneut faktischer Abschiebeschutz zugekommen sei, der nur gemäß § 12a Abs. 2 AsylG bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen vom BFA mit Bescheid hätte aberkannt werden können. Ein solcher Bescheid sei im gegenständlichen Fall nicht ergangen. Die mit Bescheid vom 31.03.2018 erlassene Rückkehrentscheidung, gegen die in weiterer Folge mit Schriftsatz vom 30.04.2018 Beschwerde erhoben wurde, sei in Hinblick auf die Anordnung des § 16 Abs. 4 zweiter Satz BFA-VG noch nicht durchführbar. Davon ausgehend habe im Zeitpunkt des in Rede stehenden Fortsetzungsausspruches am 25.04.2018 für den Revisionswerber die Aufnahmerichtlinie (RL 2013/33/EU) gegolten, sodass gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG Schubhaft gegen ihn nicht in Betracht gekommen sei. Der für die Aufrechterhaltung der Schubhaft aktuell als Titel dienende Spruchpunkt A. II. des angefochtenen Erkenntnisses sei rechtswidrig, sodass die darauf gegründete Haft, die ohne neuen Schubhaftbescheid nicht nachträglich konvalidieren könne, zu beenden sei.

Mit dem vorliegenden Erkenntnis wird diesem Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs nun auch formal entsprochen.

6. In weiterer Folge kam es zu einem Zweitverfahren zur Zahl G305 2193110-2, welches mit Erkenntnis vom 17.09.2019 rechtskräftig abgeschlossen wurde.

7. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.05.2018 über die Beschwerde des BF gegen den am XXXX.05.2018 neuerlich erlassenen, ebenfalls auf die Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützten Mandatsbescheid der belangten Behörde, durchgeführte mündliche Verhandlung brachte zu Tage, dass der BF am 15.01.2018 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat (Asylfolgeantrag), und dass über den in der Folge ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31.03.2018, Zl. XXXX, eine am 30.04.2018 erhobene Beschwerde zu Zl. I 401 2194382-1 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig war.

Diese wurde zwischenzeitig mit Erkenntnis vom 10.01.2020 rechtskräftig abgewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF behauptet den Namen XXXX zu führen, am XXXX alias XXXX alias XXXX geboren und Staatsangehöriger Nigerias zu sein. Er ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Er ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Er ist zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt illegal und unter Umgehung der Grenzkontrolle ins Bundesgebiet eingereist und hielt sich hier zumindest seit dem 21.09.2015 auf. Am angeführten Tag stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3. Mit Bescheid vom 31.10.2017, Zl. XXXX wies die belangte Behörde seinen auf die Gewährung von internationalen Schutz gerichteten Antrag vom 21.09.2015 gemäß den §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab, erließ eine auf die Bestimmung des § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützte Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihm gemäß §§ 57 und 55 AsylG kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde und seine Abschiebung in den Herkunftsstaat zulässig sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer jedoch keine Beschwerde, sodass dieser am 29.11.2017 in Rechtskraft erwuchs.

1.5. Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt reiste er illegal ins Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland aus und stellte am 03.08.2017 einen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter in Deutschland.

Nachdem die infolge dieses Asylantrages von den deutschen Asylbehörden durchgeführte EURODAC-Auswertung einen Treffer für Österreich erbrachte, beantragte die in Deutschland zuständige Behörde gemäß Art. 18.1 b der VO (EU) Nr. 604/2013 ein Übernahmeansuchen. Diesem Ersuchen erteilte die in Österreich zuständige Behörde am 11.08.2017 die Zustimmung, während der in Deutschland gestellte, auf die Zuerkennung des Status als Asylberechtigter gerichtete Antrag abgelehnt wurde.

1.6. Infolge seines Untertauchens konnte die offizielle Überstellung bzw. Übernahme des BF aus Deutschland nicht durchgeführt werden und führte dies zu einer Verlängerung der Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf den 24.05.2019.

1.7. In der Folge reiste er abermals illegal ins Bundesgebiet ein und stellte am 15.01.2018 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 31.03.2018, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den auf die Zuerkennung von internationalem Schutz gerichteten Antrag des BF vom 15.01.2018 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ab.

Mit Schriftsatz vom 30.04.2018 erhob der BF gegen diesen Bescheid Beschwerde, diese wurde zwischenzeitig zur Zl. I 401 2194382-1/7E vom 10.01.2020 rechtskräftig abgewiesen.

1.8. Am XXXX.2018, XXXX Uhr, wurde er von einer Polizeistreife in Graz fremdenpolizeilich kontrolliert und am selben Tag, um XXXX Uhr, festgenommen und in der Folge ins Anhaltezentrum XXXX überstellt.

Mit § 76 Abs. 2 Z 1 FPG Bescheid vom XXXX.2018, Zl. XXXX, ordnete die belangte Behörde gem. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gegenüber dem Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung an.

Der BF wurde erstmals am XXXX.2018 in Schubhaft genommen.

1.9. Am 04.05.2018 wurde er zur Überprüfung seiner Identität der Botschaft von Nigeria vorgeführt.

1.10. Am XXXX.2018, um XXXX Uhr, wurde er wegen Wegfalls der Haftgrundlage (Beschluss des VwGH vom 25.05.2018, Zl. Ra 2018/21/0094-7) aus der Schubhaft entlassen und erging zeitgleich gem. § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG mit dem Zweck der Sicherstellung der beabsichtigten Abschiebung ein neuerlicher Festnahmeauftrag wider ihn. Dieses Verfahren wurde zwischenzeitig zur Zahl G305 2193110-2/19E vom 17.09.2019 rechtskräftig abgeschlossen.

1.11. Abgesehen von seinen beiden Paten (XXXX und XXXX), konnte nicht festgestellt werden, dass der BF im Bundesgebiet aufhältige bzw. hier lebende Verwandte bzw. ein nennenswertes Privatleben hätte. Er ist weder beruflich noch sozial integriert.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

zu Spruchpunkt A.I.):

3.1. Gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 1), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2).

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG liegt Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Der mit "Haft" betitelte Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. L 180 vom 29.06.2013 S. 31 (im Folgenden: Dublin-VO), lautet:

"Artikel 28

Haft

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU."

3.1.2. Mit Mandatsbescheiden vom XXXX.2018 und vom XXXX.2018 ordnete die belangte Behörde gegenüber dem BF die Schubhaft zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung an. In beiden Fällen stützt sich der jeweilige Mandatsbescheid auf die Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (Erlassung einer durchsetzbaren - wenn auch nicht rechtskräftigen - Rückkehrentscheidung).

3.2. Zu Spruchpunkt AI. und II.:

Im Lichte der Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs im Erkenntnis vom XXXX.2018, Zl. Ra 2018/21/0094-7, war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen, und der angefochtene Bescheid aufzuheben war.

3.3. Zu Spruchpunkt A.III. und A.IV.:

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ra 2016/21/0144).

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da in Stattgebung der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom XXXX.2018 auszusprechen war, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht gegeben sind und die weitere Anhaltung in Schubhaft unzulässig ist, ist der BF gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die belangte Behörde unterlegene Partei.

Der Beschwerdeführer hat fristgerecht beantragt, ihm den Ersatz der Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatzverordnug sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß dem Beschwerdeführer der von der belangten Behörde als unterlegenen Partei zu leistende Aufwandersatz in der Gesamthöhe von 1.659,60 Euro aufzuerlegen.

Der Antrag der belangten Behörde auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.

3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Zlen. Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines "Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Schubhaft, Schubhaftbeschwerde, Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G308.2193110.1.00

Zuletzt aktualisiert am

04.06.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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