TE Lvwg Erkenntnis 2020/5/11 LVwG-2020/36/0829-2

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Veröffentlicht am 11.05.2020
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Entscheidungsdatum

11.05.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §36a
AVG §7

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Dr.in Gstir über die Beschwerde des AA, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Z vom 30.03.2020, Zl ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Z vom 30.03.2020, Zl ***, aufgehoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Entscheidungswesentlicher Verfahrensgang und Sachverhalt:

Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Z vom 30.03.2020, Zl ***, wurde AA (in der Folge: Beschwerdeführer) Folgendes aufgetragen:

„I. Gemäß § 46 Abs. 1 TBO 2018 wird Herr AA, Adresse 1, Z verpflichtet, die auf der Liegenschaft Gst. Nr. **1, KG Z widerrechtlich errichteten Baulichkeiten (Verschlag unter einer Außentreppe, Holzgebäude als Stall (siehe dazu beiliegende Lichtbilddokumentation), bis längstens 31.05.2020 abzutragen und gänzlich zu entfernen.

II. Gemäß § 46 Abs. 6 lit. a TBO 2018 wird Herrn AA, Adresse 1, Z die weitere Benützung der in Spruchpunkt I. genannten baulichen Anlage untersagt. Insbesondere wird die Nutzung als Hühnerstall untersagt.“

Dagegen erhob der nunmehrige Beschwerdeführer fristgerecht die Beschwerde vom 20.04.2020 und führte darin ua auch Folgendes aus:

„Der Bescheid ist nichtig - ich verweise u. a. auf § 7 Verwaltungsgesetz. Die Bürgermeisterin der Gemeinde Z ist meine Schwester. Damit ist sie, ohne weitere Erörterungen, schon von Gesetzes wegen befangen und der ergangene Bescheid daher nichtig.“

Aufgrund dieses Vorbringens wurde im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Bürgermeisterin der Gemeinde Z aufgetragen mitzuteilen, ob diese Ausführungen in der Beschwerde zutreffen.

Mit Eingabe von 08.05.2020 bestätigte die Bürgermeisterin der Gemeinde Z die vorstehenden Ausführungen in der Beschwerde und teilte mit, dass der Beschwerdeführer ihr Bruder ist.

II.      Beweiswürdigung:

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den übermittelten Akt der Baubehörde.

Daraus hat sich – wie im Folgenden im Detail dargetan - ergeben, dass der gegenständlich bekämpfte Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Z ihr selbst zuzurechnen ist.

Aufgrund der Ausführungen in der Beschwerde wurde der Bürgermeisterin der Gemeinde Z im verwaltungsgerichtlichen Verfahren aufgetragen mitzuteilen, ob, und wenn ja, in welchem Verwandtschaftsverhältnis sie zum gegenständlichen Beschwerdeführer steht und wurde dazu von ihr bestätigend mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer ihr Bruder ist.

Daraus ergibt sich, dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt nach Ansicht des erkennenden Gerichts im gegenständlichen Verfahren aufgrund der Aktenlage feststeht.

Die Akten lassen bereits erkennen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, sodass einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstanden.

Es konnte daher nach § 24 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung, die im Übrigen auch von keiner der Parteien des Beschwerdeverfahrens beantragt wurde, abgesehen werden.

III.     Rechtslage:

Gegenständlich sind insbesondere folgende Rechtsvorschriften entscheidungsrelevant:

Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, in der hier maßgeblichen Fassung:

„Befangenheit von Verwaltungsorganen

§ 7

(1) Verwaltungsorgane haben sich der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen:

1.

in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (§ 36a) oder eine von ihnen vertretene schutzberechtigte Person beteiligt sind;

2.

in Sachen, in denen sie als Bevollmächtigte einer Partei bestellt waren oder noch bestellt sind;

3.

wenn sonstige wichtige Gründe vorliegen, die geeignet sind, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen;

4.

im Berufungsverfahren, wenn sie an der Erlassung des angefochtenen Bescheides oder der Berufungsvorentscheidung (§ 64a) mitgewirkt haben.

(2) Bei Gefahr im Verzug hat, wenn die Vertretung durch ein anderes Verwaltungsorgan nicht sogleich bewirkt werden kann, auch das befangene Organ die unaufschiebbaren Amtshandlungen selbst vorzunehmen.“

„Angehörige

§ 36a

(1) Angehörige im Sinne dieses Bundesgesetzes sind

1.

der Ehegatte,

2.

die Verwandten in gerader Linie und die Verwandten zweiten, dritten und vierten Grades in der Seitenlinie,

3.

die Verschwägerten in gerader Linie und die Verschwägerten zweiten Grades in der Seitenlinie,

4.

die Wahleltern und Wahlkinder und die Pflegeeltern und Pflegekinder,

5.

Personen, die miteinander in Lebensgemeinschaft leben, sowie Kinder und Enkel einer dieser Personen im Verhältnis zur anderen Person sowie

6.

der eingetragene Partner.

(2) Abs. 1 Z 3 gilt für eingetragene Partner sinngemäß.

(3) Die durch eine Ehe, Lebensgemeinschaft oder eingetragene Partnerschaft begründete Eigenschaft einer Person als Angehöriger bleibt aufrecht, auch wenn die Ehe, die Lebensgemeinschaft oder die eingetragene Partnerschaft nicht mehr besteht.“

IV.      Erwägungen:

1.       Soweit der Beschwerdeführer unter Verweis auf § 7 AVG vorgebracht hat, dass die Bürgermeisterin der Gemeinde Z seine Schwester sei und sie damit ohne weitere Erörterungen schon von Gesetzes wegen befangen und der bekämpfte nichtig sei, ist dazu zunächst Folgendes grundsätzlich auszuführen:

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 AVG haben sich Verwaltungsorgane in Sachen, an denen sie selbst, einer ihrer Angehörigen (§ 36a) oder eine von ihnen vertretene schutzberechtigte Person beteiligt sind, der Ausübung ihres Amtes zu enthalten und ihre Vertretung zu veranlassen.

Angehörigen gemäß § 36a Abs 1 Z 2 AVG sind ua auch die eigenen Geschwister.

Bei den Fällen des § 7 Abs 1 Z 1 AVG handelt es sich um absolute Befangenheitsgründe und gilt daher – wie der VwGH in ständiger Judikatur ausführt - in diesen Fällen ein Verwaltungsorgan jedenfalls als befangen, ohne dass zu prüfen ist, ob im jeweils konkreten Fall tatsächlich Zweifel an dessen "Unbefangenheit" bestehen (vgl VwGH 16.10.2008, 2004/09/0209; uva).

2.       Der gegenständlich bekämpfte Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Z vom 30.03.2020, Zl ***, enthält folgende Fertigungsklausel samt leserlicher Unterschrift im Original (Nachnamen) und Rundsiegel der Gemeinde:

„Die Bürgermeisterin:

BB“

Daraus ergibt sich daher zweifelsfrei, dass der gegenständlich bekämpfte Bescheid der Bürgermeisterin der Gemeinde Z Frau BB ihr selbst zuzurechnen ist.

3.       Mit dem gegenständlich bekämpften Bescheid ergingen an den nunmehrigen Beschwerdeführer baupolizeiliche Aufträge gemäß § 46 Abs 1 und 6 TBO 2018.

Auf Nachfrage seitens des Landesverwaltungsgerichts Tirol bestätigte die Bürgermeisterin der Gemeinde Z mit Eingabe vom 08.05.2020 das diesbezügliche Vorbringen in der Beschwerde und teilte mit, dass der gegenständliche Beschwerdeführer ihr Bruder ist.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer ein Angehöriger der Bürgermeisterin der Gemeinde Z iSd des § 36a AVG ist und sohin in der gegenständlichen Sache für die Bürgermeisterin der Gemeinde Z ex lege der absolute Befangenheitsgrund nach
§ 7 Abs 1 Z 1 AVG gegeben war.

Aufgrund des Vorliegens eines absoluten Befangenheitsgrundes war – wie vorstehend bereits dargetan – auch nicht weiter zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall auch tatsächlich Zweifel an der "Unbefangenheit" der Bürgermeisterin der Gemeinde Z bestehen würden.

4.       Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH wird die sachliche Zuständigkeit der Behörde (zB Bürgermeister) nicht dadurch beseitigt, dass ein Organwalter für diese Behörde handelt, der iSd befangen ist (VwGH 09.11.1990, 90/18/0192; VwGH 18.03.2013, 2011/05/0010; uva).

Das Tätigwerden eines befangenen Organs bildet auch - entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers - keinen Nichtigkeitsgrund, sondern stellt einen Verfahrensmangel dar, der im Fall seiner Relevanz aufzugreifen ist. (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG § 7, Rz 22 - Stand 1.1.2014, rdb.at)

Setzt ein tatsächlich bzw ex lege befangenes Organ entgegen den Vorgaben des eine Amtshandlung, so ist diese objektiv rechtswidrig.

5.       Zusammengefasst ergibt sich sohin, dass der gegenständlich bekämpfte Bescheid bereits aus vorstehenden Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben war.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Dazu ist insbesondere auf die in dieser Entscheidung angeführte höchstgerichtlichen Judikatur zu den absoluten Befangenheitsgründen und deren Rechtsfolgen zu veweisen.

Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr.in Gstir

(Richterin)

Schlagworte

absoluter Befangenheitsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.36.0829.2

Zuletzt aktualisiert am

28.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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