TE Lvwg Erkenntnis 2019/7/12 VGW-001/032/2676/2019

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Veröffentlicht am 12.07.2019
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Entscheidungsdatum

12.07.2019

Index

0 Vertretungskörper und allgemeine Verwaltung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

Winterdienst-VO Wr 2003 §8 Abs2 lita
Winterdienst-VO Wr 2003 §10 Abs1
Winterdienst-VO Wr 2003 §10 Abs2 litb
Winterdienst-VO Wr 2003 §10 Abs4
VStG §45 Abs1 Z1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde des Dipl.-Ing. A. B., vertreten durch Rechtsanwälte OG, vom 15. Februar 2019 gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 18. Jänner 2019, Zl. MA 58 – ..., betreffend eine Übertretung des § 8 Abs. 2 Verordnung des Magistrats der Stadt Wien betreffend das Verbot und die Einschränkung der Verwendung von bestimmten Auftaumitteln und bestimmten abstumpfenden Streumitteln –Winterdienst-Verordnung 2003, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung am 2. Juli 2019

zu Recht e r k a n n t:

I.       Gemäß § 8 Abs. 2 lit. a iVm § 10 Abs. 1, Abs. 2 lit. b und Abs. 4 Winterdienst-Verordnung 2003, ABl. für Wien 48/2003 idF ABl. für Wien 23/2011, wird das angefochtene Straferkenntnis behoben und das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.

II.      Gegen dieses Erkenntnis ist die ordentliche Revision – soweit die Revision nicht nach § 25a Abs. 4 VwGG ausgeschlossen ist – nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.   Verfahrensgang

1.       Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien, Zl. MA 58 - ..., vom 18. Jänner 2019 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als gemäß § 9 VStG verantwortlicher Beauftragter der C. GmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft am 13. März 2018 um 7:05 Uhr in Wien, D.-straße, nicht für die Splittkehrung am Gehsteig gesorgt habe, obwohl abstumpfende Streumittel für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nicht mehr erforderlich gewesen seien und daher die Gehsteigflächen zu reinigen gewesen wären. Dadurch habe der Beschwerdeführer § 8 Abs. 2 der Winterdienst-Verordnung 2003 verletzt. Wegen dieser Verwaltungsübertretung wurde über ihn eine Geldstrafe von € 120,— und für den Fall, dass jene uneinbringlich ist, eine Ersatzfreiheitsstrafe im Ausmaß von zwölf Stunden verhängt. Ferner wurden gemäß § 64 VStG € 12,— als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt und gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der mitbeteiligten C. GmbH für die verhängte Geldstrafe und die Verfahrenskosten ausgesprochen.

2.       Dagegen richtet sich die frist- und formgerecht eingebrachte Beschwerde vom 15. Februar 2019, mit welcher der Beschwerdeführer die Aufhebung des Straferkenntnisses und die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens, in eventu die Herabsetzung der verhängten Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe begehrt.

3.       Die belangte Behörde nahm von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung Abstand und legte die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Verwaltungsgericht Wien (einlangend am 20. Februar 2019) vor.

4.       Das Verwaltungsgericht Wien holte für den hier interessierenden Zeitraum Wetterprognosen und Messdaten der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ab hier: ZAMG) ein. Die Stellungnahmen wurden den Parteien mit Schreiben vom 25. März 2019 bzw. mit Ladung vom 15. Mai 2019 übermittelt und dazu eine Stellungnahmemöglichkeit eingeräumt.

5.       Am 2. Juli 2019 fand vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, der – trotz ordnungsgemäßer Ladung – sowohl die belangte Behörde, als auch der Beschwerdeführer und die mitbeteiligte C. GmbH fernblieben.

II. Sachverhalt

1. Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Der Beschwerdeführer wurde mit Urkunde vom 13. Juni 2012 zum verantwortlichen Beauftragten der C. GmbH (ab hier: haftungsbeteiligte Gesellschaft) ab dem 1. Juli 2012 für den sachlichen Zuständigkeitsbereich der Einhaltung der Vorschriften der Straßenverkehrsordnung sowie der Winterdienst-Verordnung 2003 bestellt. In räumlicher Hinsicht bezieht sich die Zuständigkeit unter anderem auf Wien.

Die haftungsbeteiligte Gesellschaft war zumindest am 13. März 2018 für die Hausbetreuung und den "Winterservice" in Wien, D.-straße, und insbesondere für die Einhaltung der Vorschriften der Winterdienst-Verordnung 2003 vertraglich beauftragt worden.

Am 13. März 2018 um 7:05 Uhr war auf dem Gehsteig in Wien, D.-straße, Streusplitt aufgetragen.

Für Wien waren auf Grund der Wettervorhersagen für den 13. März 2018 Tiefsttemperaturen von 7 °C und kein Niederschlag zu erwarten. Die Tiefsttemperatur am 13. März 2018 betrug in Wien fünf Zentimeter über Grund tatsächlich 3,7 °C, die Höchsttemperatur 17,9 °C, Niederschlag gab es keinen. In den Tagen vor dem 13. März 2018 gab es in Wien am 11. und 12. März 2018 geringen Niederschlag, die Tagehöchstemperaturen betrugen vom 10. März bis zum 13. März 2018 fünf Zentimeter über Grund jeweils mindestens 15 °C, die Tagestiefstemperaturen am 11. März 2018 0,2 °C und am 12. März 2018 5,7 °C; zuletzt Temperaturen unter dem Gefrierpunkt fünf Zentimeter über dem Grund gab es am 9. März 2018.

2. Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen und –gerichtlichen Akt, Würdigung des Parteienvorbringens, Einholung von Stellungnahmen der ZAMG sowie von Auszügen aus den Verwaltungsstrafregistern der Landespolizeidirektion Wien und des Magistrats der Stadt Wien und Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 2. Juli 2019.

Die Urkunde vom 13. Juni 2012, mit welcher der Beschwerdeführer zum verantwortlichen Beauftragten der haftungsbeteiligten Gesellschaft ab dem 1. Juli 2012 bestellt wurde, liegt dem verwaltungsbehördlichen Akt ein. Der Umfang dieser Bestellung ist der Urkunde zweifelsfrei zu entnehmen. Die Bestellung des Beschwerdeführers zum verantwortlichen Beauftragten blieb im gesamten Verfahren unbestritten.

Ebenso unbestritten blieb der Umstand, dass die haftungsbeteiligte Gesellschaft zum hier maßgeblichen Zeitpunkt für die Hausbetreuung und den "Winterservice" in Wien, D.-straße, verantwortlich war und auf dem Gehsteig vor dieser Liegenschaft Streusplitt aufgetragen war. Dies ergibt sich auch aus den dem verwaltungsbehördlichen Akt einliegenden Lichtbildern vom 13. Juli 2018.

Die Feststellungen zu den zu erwartenden und den tatsächlichen Witterungsverhältnissen vor und am 13. März 2018 ergeben sich aus vom Verwaltungsgericht Wien eingeholten Stellungnahmen der ZAMG und den darin enthaltenen tabellarischen Aufstellungen über Wettervorhersagen und tatsächlich gemessene Temperaturen und Niederschlagsmengen.

Eine nähere Erörterung dieses Datenmaterials mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien unterblieb mangels deren Erscheinens. Das Verwaltungsgericht Wien zweifelt nicht an der Echtheit, Richtigkeit und Vollständigkeit dieser Daten. Insofern der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde auf ein schon vor der belangten Behörde beantragtes "Gutachten aus den Bereichen Meteorologie und Verkehrsflächenreinigung" verweist, hat er es unterlassen, dem vom Verwaltungsgericht Wien eingeholten Datenmaterial ZAMG entsprechend substantiiert und auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten. Welche weiteren Erkenntnisse die Einholung eines Gutachtens in diesem Zusammenhang bringen hätte können, erschließt sich vor diesem Hintergrund nicht.

III. Rechtliche Beurteilung

1.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Winterdienst-Verordnung 2003, ABl. 48/2003, lauten in ihrer – zum Tatzeitpunkt geltenden und hiernach unveränderten – Fassung ABl. 23/2011 – auszugsweise – wie folgt:

"Begriffsbestimmungen

§ 2. (1), (2) [...]

(3) Abstumpfende Streumittel sind natürlich vorkommende, wasserunlösliche Mittel wie insbesondere Gesteine in unterschiedlichen Korngrößen (Splitt), künstliche Mittel wie insbesondere geblähte Tone, die geeignet sind die Rutschfestigkeit zu erhöhen, oder Verbrennungsrückstände wie insbesondere Schlacke oder Asche.

[...]

Ablagerung und Reinigung

§ 8. (1) [...]

(2) Sobald aufgebrachte Auftaumittel und abstumpfende Streumittel für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nicht mehr erforderlich sind, sind

a) die für den öffentlichen Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsflächen (z. B. Gehsteige, Gehwege) durch den angrenzenden Liegenschaftseigentümer und

b) die für den öffentlichen Fahrzeugverkehr bestimmten Verkehrsflächen (z. B. Fahrbahnen, Radwege) durch den Straßenerhalter

zu reinigen. Diese Verpflichtung erstreckt sich auch auf unversiegelte Bodenflächen, die an die in lit. a und b genannten öffentlichen Verkehrsflächen angrenzen. Die Verlagerung von abstumpfenden Streumitteln auf andere Grundflächen (z.B. von Gehsteigen auf Fahrbahnen) ist dabei unzulässig.

(3) [...]

Strafbestimmungen

§ 10. (1) Wer den Ge- oder Verboten des § 3 Abs. 1 bis 4, § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 und 2, § 8 Abs. 1 und 2, § 10 Abs. 3 und 4 oder den in Bescheiden gemäß § 6 vorgesehenen Auflagen zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und unterliegt der hiefür im § 108 Abs. 2 der Wiener Stadtverfassung – WStV, LGBl. für Wien Nr. 28/1968, in der jeweils geltenden Fassung, vorgesehenen Strafe.

(2) Wurde

a) […]

b) die in § 8 Abs. 2 vorgesehene Verpflichtung durch Vertrag zur Gänze an Dritte übertragen und wurde § 8 Abs. 2 zuwider gehandelt,

so sind nur diese Dritten verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Wurde die in lit. a genannte Tätigkeit oder die in lit. b genannte Verpflichtung durch Vertrag nicht zur Gänze an Dritte übertragen und wurde den in lit. a oder lit. b genannten Bestimmungen zuwider gehandelt, so ist auf für den öffentlichen Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsflächen nur der angrenzende Liegenschaftseigentümer und auf für den öffentlichen Fahrzeugverkehr bestimmten Verkehrsflächen nur der Straßenerhalter verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich.

(3) Der Beschuldigte hat der Verwaltungsstrafbehörde auf deren Verlangen den Vertrag, in dem Dritten die Einhaltung der in Abs. 2 genannten Bestimmungen übertragen wird, vorzulegen.

(4) Wird für die Einhaltung einzelner oder aller Bestimmungen dieser Verordnung ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 Verwaltungsstrafgesetz – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 111/2010, bestellt, so ist dessen Bestellung der Verwaltungsstrafbehörde innerhalb von zwei Wochen ab der Bestellung schriftlich bekannt zu geben. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung bestellte verantwortliche Beauftragte sind der Verwaltungsstrafbehörde bis längstens 30. September 2011 bekannt zu geben. Die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten wird erst rechtswirksam, nachdem bei der Verwaltungsstrafbehörde die schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist."

§ 108 WStV, LGBl. 28/1968, lautet in seiner – im Tatzeitpunkt geltenden und hienach unveränderten – Fassung LGBl. 41/2017 – auszugsweise – wie folgt:

"Ortspolizei

§ 108

(1) [...]

(2) In den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde hat der Magistrat das Recht, ortspolizeiliche Verordnungen nach freier Selbstbestimmung zur Abwehr unmittelbar zu erwartender oder zur Beseitigung bestehender, das örtliche Gemeinschaftsleben störender Mißstände zu erlassen sowie deren Nichtbefolgung als Verwaltungsübertretung zu erklären. Diese Verordnungen dürfen nicht gegen bestehende Gesetze und Verordnungen des Bundes und des Landes verstoßen. Übertretungen ortspolizeilicher Verordnungen sind mit Geld bis zu 700 Euro zu bestrafen. Überdies kann der Verfall von Gegenständen ausgesprochen werden, mit denen die strafbare Handlung begangen wurde und deren Wert 700 Euro nicht übersteigt.

(3), (4) [...]"

2.       Gemäß § 8 Abs. 2 lit. a Winterdienst-Verordnung 2003 sind, sobald abstumpfende Streumittel für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nicht mehr erforderlich sind, die für den öffentlichen Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsflächen (z. B. Gehsteige, Gehwege) durch den angrenzenden Liegenschaftseigentümer zu reinigen. Wurde die in § 8 Abs. 2 vorgesehene Verpflichtung durch Vertrag zur Gänze an Dritte übertragen und wurde § 8 Abs. 2 zuwider gehandelt, so sind gemäß § 10 Abs. 2 lit. b Winterdienst-Verordnung 2003 nur diese Dritten verwaltungsstrafrechtlich verantwortlich. Wird für die Einhaltung einzelner oder aller Bestimmungen dieser Verordnung ein verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt, so ist gemäß § 10 Abs. 4 Winterdienst-Verordnung 2003 dessen Bestellung der Verwaltungsstrafbehörde innerhalb von zwei Wochen ab der Bestellung schriftlich bekannt zu geben. Die Bestellung des verantwortlichen Beauftragten wird erst rechtswirksam, nachdem bei der Verwaltungsstrafbehörde die schriftliche Mitteilung über die Bestellung samt einem Nachweis der Zustimmung des Bestellten eingelangt ist.

3.       Unbestritten ist im Beschwerdefall, dass am 13. März 2018, um 7:05 Uhr am Gehsteig in Wien, D.-straße, Streusplitt aufgetragen war. Es waren sohin abstumpfende Streumittel – natürlich vorkommende, wasserunlösliche Mittel wie insbesondere Gesteine in unterschiedlichen Korngrößen (Splitt) – im Sinne des § 2 Abs. 3 Winterdienst-Verordnung 2003 auf einer für den öffentlichen Fußgängerverkehr bestimmten Verkehrsfläche aufgetragen.

Weiters steht fest, dass für den hier gegenständlichen Bereich in Wien, D.-straße, zum Tatzeitpunkt am 13. März 2018 gemäß § 10 Abs. 2 lit. b Winterdienst-Verordnung 2003 die haftungsbeteiligte Gesellschaft und für diese – als verantwortlicher Beauftragter gemäß § 9 Abs. 2 VStG – der nunmehrige Beschwerdeführer zur Einhaltung der Winterdienst-Verordnung 2003 – insbesondere auch des § 8 Abs. 2 – verantwortlich war. Die Bestellungsurkunde wurde der belangten Behörde vorgelegt und liegt dem verwaltungsbehördlichen Akt ein (vgl. § 10 Abs. 4 Winterdienst-Verordnung 2003).

4.       Vom Beschwerdeführer wird jedoch in Abrede gestellt, dass zum angelasteten Tatzeitpunkt am Tatort die dort aufgebrachten abstumpfenden Streumittel für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs nicht mehr erforderlich gewesen seien.

Die Winterdienst-Verordnung 2003 geht in ihrem § 8 Abs. 2 davon aus, dass abstumpfende Streumittel nur soweit zu verwenden sind, als "sie für die Sicherheit des öffentlichen Verkehrs" erforderlich sind und, sobald dieser Umstand nicht mehr gegeben ist, zu entfernen sind. Schon aus § 1 Abs. 2 Winterdienst-Verordnung 2003 geht hervor, dass Streumittel nur im unbedingt erforderlichen Ausmaß zu verwenden sind, woraus für das Verwaltungsgericht Wien in Zusammenschau mit § 8 Abs. 2 Winterdienst-Verordnung 2003 zu schließen ist, dass eine Entfernung möglichst umgehend zu erfolgen hat, wenn die Witterungsverhältnisse eine Belassung bereits aufgebrachter Streumittel nicht mehr erforderlich machen. Ein Belassen von Streumitteln über eine gesamte Jahreszeit hinweg auf die bloße Möglichkeit hin, dass es neuerlich zu Schnee und Glatteisbildung in mittlerer oder ferner Zukunft kommen könnte, ist mit dem Wortlaut des § 8 Abs. 2 Winterdienst-Verordnung 2003 jedenfalls nicht zu vereinbaren (vgl. hingegen VwGH 20.12.1996, 96/02/0397, zum seinem Wortlaut nach weniger strengen § 92 StVO).

Gleichzeitig ist nicht anzunehmen, dass jede kurzfristige Witterungsänderung umgehender Entfernungsmaßnahmen bedurfte, müssten ansonsten Streumittel in der kalten Jahreszeit mitunter täglich aus- und eingebracht werden, was dem Gebot der sparsamen Verwendung in § 1 Abs. 1 Winterdienst-Verordnung 2003 zuwiderliefe.

Im Ergebnis geht das Verwaltungsgericht Wien davon aus, dass erst eine Schönwetterperiode von nicht unerheblichem zeitlichem Gewicht die Entfernung aufgebrachter Streumittel erfordert, dies wird jedenfalls bei wärmerer Witterung über einen Zeitraum von mehreren Wochen anzunehmen sein.

Eine solche Schönwetterperiode liegt im Beschwerdefall jedoch nicht vor. So herrschten zwei Tage vor dem Tatzeitpunkt noch Bodentemperaturen um den Gefrierpunkt und war zumindest leichter Niederschlag zu vermerken. Am Tag vor der Tatbegehung gab es ebenfalls leichten Niederschlag, am Tag der Tatbegehung selbst war es zwar trocken, die Bodentemperaturen näherten sich aber wieder dem Gefrierpunkt. Im Lichte dieser Witterungsbedingungen war nicht davon auszugehen, dass Streumittel über einen signifikanten Zeitraum hinweg nicht mehr erforderlich sein würden, weshalb § 8 Abs. 2 Winterdienst-Verordnung 2003 eine Entfernung nicht erforderte.

5.       Das dem Beschwerdeführer angelastete Verhalten bildet keine Verwaltungsübertretung, weshalb das angefochtene Straferkenntnis aufzuheben und das gegen den Beschwerdeführer geführte Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen ist.

Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zu leisten.

6.       Zur Auslegung des § 8 Abs. 2 Winterdienst-Verordnung 2003 insbesondere in Zusammenhang mit dem Gebot der sparsamen Verwendung von Streumitteln in § 1 Abs. 1 Winterdienst-Verordnung 2003 liegt – soweit für das Verwaltungsgericht Wien überblickbar – keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Wann eine Entfernung von Streugut nach dieser Bestimmung erforderlich ist, ergibt sich nicht unzweifelhaft aus dem Gesetzeswortlaut und ist darüber hinaus für eine Vielzahl von Verfahren maßgeblich, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt und die ordentliche Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zuzulassen ist.

Schlagworte

Auftaumittel; abstumpfende Streumittel; Verbot; Verwendung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.001.032.2676.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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