TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/28 W153 2220971-1

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Veröffentlicht am 28.10.2019
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Entscheidungsdatum

28.10.2019

Norm

AVG §78 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §60 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W153 2220971-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , StA. VR China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2019, Zl. 1017627602-190490484, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 60 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 2013/33 idgF, stattgegeben und dieser ersatzlos aufgehoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und reiste laut eigenen Angaben Anfang Mai 2014 illegal nach Österreich ein.

Am 06.05.2014 wurde der BF bei Verrichten einer Tätigkeit, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen, betreten. Er ging einer Beschäftigung ohne Beschäftigungsbewilligung in Österreich nach. Der BF war im Besitz eines ungarischen Aufenthaltstitels und hielt sich nicht rechtmäßig in Österreich auf.

In seiner Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 28.05.2014 betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot gab der BF an, dass er über keine Arbeitsgenehmigung verfüge und ihm bewusst sei, dass er einer illegalen Beschäftigung nachgegangen sei und sich illegal in Österreich aufhalte. Er sei ledig, habe keine Sorgepflichten und seine Familienangehörigen seien in China aufhältig. Er könne nach China oder Ungarn zurückkehren und werde nach Ausfolgung seines ungarischen Aufenthaltstitels heute oder morgen das Bundesgebiet verlassen. Dem BF wurde der Ausreiseauftrag ausgehändigt.

Mit Bescheid des BFA vom 28.05.2014 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG 2005 erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach China zulässig sei (Spruchpunkt I). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG wurde ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.).

Eine Anfrage des BFA beim zuständigen Standesamt bzw. die Einsicht in das ZMR ergab, dass der BF seit August 2018 in Österreich gemeldet ist und am 12.08.2018 in Österreich geheiratet hat.

Am 19.12.2018 brachte der BF in einer Stellungnahme vor, dass der BF unmittelbar nach Rechtskraft des Einreiseverbotes vom 28.05.2014 das Bundesgebiet verlassen habe. Dem BF sei zuletzt ein Aufenthaltstitel in Ungarn (September 2018 bis August 2020) erteilt worden. Auch sei der BF in der Zwischenzeit von Ungarn nach China und retour gereist. Der BF sei davon ausgegangen, dass das vierjährige Einreiseverbot mittlerweile abgelaufen sei. Diesbezüglich wurden der ungarische Aufenthaltstitel des BF, die Heiratsurkunde vom 12.08.2018 sowie die Kopie der Rot-Weiß-Rot-Karte plus der Gattin des BF vorgelegt.

Am 23.01.2019 wurden ergänzend der Aufenthaltstitel des BF aus Ungarn Zeitraum 2016-2018, Einkommensbestätigungen aus Ungarn im Zeitraum 2015-2017 und Flugtickets Budapest-Shanghai und retour vorgelegt. Auch wurde auf die mittlerweile engen familiären Bindungen im Bundesgebiet hingewiesen.

Mit Schreiben des BFA vom 11.02.2019 wurde der BF aufgefordert, einen Nachweis über die erfolgte Ausreise nach der Erlassung des Einreiseverbotes vom 28.05.2014 vorzulegen.

Am 28.02.2019 teilte der BF mit, unmittelbar nach Rechtskraft des Einreiseverbotes vom 28.05.2014 das Bundesgebiet verlassen zu haben. Er legte eine ungarische Einkommensbestätigung aus 2014 vor. Er könne keine weiteren Nachweise mehr bringen, da er bei seiner Ausreise im Jahr 2014 das ihm vom BFA ausgehändigte Formular nicht verwendet und keinen Ausreisestempel erhalten habe.

Das BFA forderte den BF am 04.03.2019 erneut auf, einen Nachweis in Form eines Ausreisestempels bzw. eines datierten Tickets vorzulegen.

Am 15.03.2019 beantragte der BF die Aufhebung des Einreiseverbotes. Begründend wurde ausgeführt, dass der BF unmittelbar nach Rechtskraft des Einreiseverbotes vom 28.05.2014 das Bundesgebiet verlassen habe und erst nach Ablauf des Einreiseverbotes wieder eingereist sei. Es seien mehrere Unterlagen betreffend den langjährigen rechtmäßigen Aufenthalt in Ungarn vorgelegt worden. Der BF habe bei der Ausreise im Jahr 2014 das vom BFA übermittelte Formular nicht verwendet und auch keinen Ausreisestempel am Grenzübergang erhalten. Der BF habe in Ungarn gearbeitet und sei unbescholten. Seine Ehegattin lebe rechtmäßig in Österreich und erwarte ein gemeinsames Kind.

Mit Bescheid der MA 35 vom 28.03.2019 wurde der Antrag des BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck Rot-Weiß-Rot-Karte plus vom 16.10.2018 abgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass gegen den BF ein aufrechtes Einreiseverbot bestehe.

Dem BF wurde am 14.05.2019 im Rahmen der Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt. Der BF sei mehrmals aufgefordert worden, einen Nachweis der erfolgten Ausreise im Jahr 2014 vorzulegen. Dem sei er jedoch nicht nachgekommen. Die Frist des Einreiseverbotes beginne erst nach nachweislicher Ausreise zu laufen. Der Antrag des BF sei daher abzuweisen.

Am 29.05.2019 wurde in einer Stellungnahme ausgeführt, dass der BF erst jetzt erfahren habe, dass er bei seiner Ausreise im Jahr 2014 das vom BFA übermittelte Formular verwenden hätte müssen. Er habe dies nicht gewusst, da die Dolmetscherin ihn nicht darüber informiert hätte. Auch sei er nicht mehr im Besitz dieses Dokumentes. Er sei im Juni 2014 mit dem Zug nach Ungarn ausgereist. Ihm sei mitgeteilt worden, dass er Österreich - und nicht Europa - verlassen müsse; deshalb sei er nach Ungarn gereist. Er habe bis heute nicht gewusst, dass es sich um ein europaweites Einreiseverbot handle. Er habe vier Jahre lang in Ungarn gelebt und habe gedacht, dass das Einreiseverbot nach vier Jahren automatisch aufgehoben sei. Seine Frau erwarte ein gemeinsames Kind. Durch die nicht erfolgte Übersetzung des die Ausreise betreffenden Dokumentes sei er in seinem Recht auf ein faires Verfahren gemäß Art. 6 EMRK verletzt worden. Es wurden Einkommensnachweise der Ehefrau des BF, eine Stellenzusage des BF im Bundesgebiet, die Deutschprüfungsbestätigung A1 vom 19.06.2018 und weitere Unterlagen vorgelegt.

Mit Bescheid des BFA vom 05.06.2019 wurde der Antrag des BF vom 19.12.2018, auf Aufhebung des mit Bescheid des BFA vom 28.05.2014, XXXX , gegen den BF erlassenen Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 1 FPG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 78 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF, wurde gegen den BF die Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe in der Höhe von Euro 6,50 angeordnet, wobei die Zahlungsfrist vier Wochen betrage (Spruchpunkt II.). Dazu wurde unter anderem festgestellt, dass gegen den BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung iVm einem rechtskräftigen Einreiseverbot für Dauer von vier Jahren bestehe. Die Eheschließung habe nach Verhängung des Ausreiseverbotes stattgefunden. Begründend wurde ausgeführt, dass Voraussetzung für die Verkürzung bzw. für die Aufhebung eines Einreiseverbotes nach § 60 FPG einerseits das fristgerechte Verlassen Österreichs, andererseits eine Änderung der Umstände, die erwarten lässt, dass durch die Verkürzung bzw. Aufhebung des Einreiseverbots die öffentliche Ordnung und Sicherheit nicht weiter gefährdet wäre sowie nach § 60 Abs. 2 FPG, dass mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes bereits im Ausland verbracht worden sei. Die fristgerechte Ausreise habe der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Im Fall des BF könne sohin vom Vorliegen der oben genannten Voraussetzung, die eine Verkürzung oder Aufhebung des Einreiseverbotes verlangen würde, nicht ausgegangen werden. Zu Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass gemäß § 78 Abs. 1 AVG Parteien in Angelegenheiten der Bundesverwaltung unter anderem für wesentliche in ihrem Privatinteresse gelegene Amtshandlungen Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden können. Gemäß Tarif A Z 2 Bundesverwaltungsabgabenverordnung, BGBl. Nr. 235/1984 idgF, hätten Parteien für sonstige Amtshandlungen, die wesentlich in ihrem Privatinteresse liegen, soweit nicht eine andere Tarifpost zur Anwendung komme, eine Bundesverwaltungsabgabe in der Höhe von Euro 6,50 zu entrichten. Da die Erlassung des gegenständlichen Bescheides über den Antrag der BF in deren Privatinteresse liege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben und im Wesentlichen auf den vom BF gestellten Antrag auf Aufhebung des gegen ihn erlassenen Einreiseverbotes verwiesen, welcher mit dem bekämpften Bescheid der Behörde abgewiesen worden sei. Der angefochtene Bescheid sei mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. Der BF bereue zutiefst, dass er eine unerlaubte Beschäftigung ausgeübt habe. Er sei direkt nach der Erlassung der Rückkehrentscheidung nach Ungarn ausgereist und habe dort rechtmäßig gearbeitet. Die Behörde hätte nach dem Gesamtbild die Persönlichkeit des BF beurteilen müssen und zu einer positiven Prognose und nicht zu einer gegenwärtigen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit kommen müssen. Die Behörde habe keine konkreten Feststellungen und Beurteilungen dahingehend vorgenommen, aufgrund welcher Umstände die Gefährdung der Gesellschaft anzunehmen sei. Der BF habe einen Arbeitsvorvertrag aus Österreich vorgelegt. Dies zeige seine ernsten Erwerbsabsichten. Darüber hinaus liege eine Mangel bei der Rechtsbelehrung und der damaligen Einvernahme vor. Er habe nicht gewusst, dass er einen Stempelnachweis über die Ausreise benötige. Auch habe er die Rechtsgrundlagen inhaltlich wenig bis gar nicht verstanden, sonst hätte er ja den Aufhebungsantrag schon nach zwei Jahre stellen können. Er habe nur gewusst, dass er Österreich verlassen müsse und vier Jahre lang nicht zurückkehren dürfe. Daran habe er sich auch gehalten. Auch habe keine Abwägung nach Art. 8 EMRK stattgefunden. Aufgrund der Geburt seines Kindes in Österreich bestehe ipso iure ein Familienleben. Der BF habe wenig soziale Kontakt zu seinem Heimatstaat. Sein Vater lebe in China, zu diesem habe er keine gute Beziehung. Letztlich wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der BF, Staatsangehöriger der Volksrepublik China und damit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG, hat keinen ihn zum Aufenthalt berechtigenden Titel in Österreich.

Gegen den BF wurde mit Bescheid des BFA vom 28.05.2014 eine (seit 16.06.2014) rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung samt einem auf die Dauer von vier Jahre befristeten Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen.

Der BF ist seiner Verpflichtung, aus dem Schengen-Raum auszureisen bis dato nicht nachgekommen bzw. konnte er eine Ausreise aus dem Bundegebiet nicht nachweisen.

Die Feststellungen sowie der im Verfahrensgang zusammengefasste Sachverhalt ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) I.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG ist gegen einen Drittstaatsangehörigen, sofern nicht anderes bestimmt ist, mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält. Die Rückkehrentscheidung wird mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 VwGVG auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

§ 53 FPG lautet auszugsweise:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(Anm.: Abs. 1a aufgehoben durch BGBl. I Nr. 68/2013)

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

[...]

7. bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

[...]

(4) Die Frist des Einreiseverbotes beginnt mit Ablauf des Tages der Ausreise des Drittstaatsangehörigen.

[...]

Der mit "Verkürzung, Gegenstandslosigkeit und Aufhebung" betitelte § 60 FPG lautet:

"§ 60. (1) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(2) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(3) Die Rückkehrentscheidung wird gegenstandslos, wenn einem Drittstaatsangehörigen

1. der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird;

2. ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 erteilt wird.

(Anm.: Abs. 4 und 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Daraus geht eindeutig hervor, dass unabdingbare Bedingung für eine Verkürzung oder Aufhebung eines Einreiseverbotes (und der damit verbundenen Rückkehrentscheidung) die nachgewiesene fristgerechte Ausreise ist. Der BF konnte eine fristgerechte Ausreise aus Österreich nicht nachweisen bzw. wurde eine - dem vierjährigen Einreiseverbot entsprechende - Ausreise aus dem Gebiet der Mitgliedstaaten weder behauptet noch nachgewiesen. Es erübrigt sich daher eine Überprüfung, ob sich die für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot maßgeblichen Umstände geändert haben.

Dem BF kommt aktuell auch weder ein Status eines Asylberechtigten noch ein Aufenthaltstitel nach §§ 55 bis 57 AsylG 2005 zu.

Zu einer möglichen Verletzung von Art. 7 GRC bzw. Art. 8 EMRK wird Folgendes erwogen:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Im vorliegenden Fall ist das Privat- und Familienleben erst nach Erlassung des Einreiseverbotes entstanden. Die Lebensgemeinschaft wurde somit zu einem Zeitpunkt begründet, zu dem weder der BF, noch seine nunmehrige Gattin davon ausgehen konnten, dass sich der BF in Österreich rechtmäßig aufhalten kann. Zudem handelt es sich bei der Gattin selbst um eine chinesische Staatsbürgerin, die jederzeit mit dem gemeinsamen Kind, nach China reisen kann, um dort zumindest zeitweise ein gemeinsames Familienleben aufrecht zu erhalten.

Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, die einen Aufenthaltstitel erlangen wollen, etwa auch - wie im vorliegenden Fall - zwecks Familienzusammenführung. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung kann ein allein durch beharrliche Missachtung der fremden- und aufenthaltsrechtlichen Vorschriften erwirkter Aufenthalt keinen Rechtsanspruch aus Art. 8 EMRK bewirken (vgl. z. B. VfGH 12.06.2010, U 613/10; VfSlg. 14.681/1996; VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Eine andere Auffassung würde sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu verhaltenden Drittstaatsangehörigen führen. Daher ist es dem BF auch unter dem leichte von Art. 8 EMRK zumutbar, nachweislich aus dem Schengen - Raum auszureisen und dem Einreiseverbot somit Folge zu leisten.

Da die Voraussetzungen für die Aufhebung des Einreiseverbots nicht vorlagen, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid abzuweisen.

Zu A) II.

Das BFA sprach mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides aus, dass der BF gemäß § 78 AVG eine Bundesverwaltungsabgabe in Höhe von Euro 6,50 zu entrichten habe.

Gemäß § 78 Abs. 1 AVG können den Parteien in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung (unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung, übertragener Wirkungsbereich der Gemeinden in Bundesangelegenheiten) für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgesetzt ist. Wenn ein im Verwaltungsverfahren als Partei auftretender Rechtsträger zur Vollziehung der Gesetze berufen ist, so unterliegt er insoweit der Verpflichtung zur Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben nicht, als die Amtshandlung eine unmittelbare Voraussetzung der dem Rechtsträger obliegenden Vollziehung der Gesetze bildet. Die Gebietskörperschaften unterliegen ferner der Verpflichtung zur Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe nicht, wenn diese der als Partei einschreitenden Gebietskörperschaft zufließen würde.

Gemäß § 78 Abs. 2 AVG sind für das Ausmaß der Bundesverwaltungsabgaben, abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen, durch Verordnung der Bundesregierung zu erlassende Tarife maßgebend, in denen die Abgaben mit festen Ansätzen, die nach objektiven Merkmalen abgestuft sein können, bis zum Höchstbetrag von 1.090 Euro im einzelnen Fall festzusetzen sind.

Bundesverwaltungsabgaben können nur für "Amtshandlungen" der Behörde vorgesehen werden (zB. für Bescheide und Beurkundungen), die Amtshandlungen müssen weiters "wesentlich im Privatinteresse" der Partei liegen, sie also begünstigen (zB. die Verleihung von Berechtigungen), so Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht (2011), Rz 685. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Verleihung einer Berechtigung eine wesentlich im privaten Interesse der solcherart berechtigten Partei liegende Amtshandlung (vgl. VwGH 12.10.1964, Zl. 0139/63). "Nach dem klaren Wortlaut des § 78 Abs. 1 AVG ist jedoch bei Verweigerung der Verleihung einer Berechtigung - im Gegensatz zur Erteilung unter belastenden Nebenbestimmungen - (insbesondere Auflagen [vgl. Mannlicher/Quell AVG § 78 Anm 2]) eine Verwaltungsabgabe nicht einzuheben (vgl. Hellbling 522; Herrentritt 152)" (Hengstschläger/Leeb AVG § 78 RZ 8). Auch eine Amtshandlung, welche die Rechtslage der Partei nicht verändert, liegt nicht wesentlich in ihrem Privatinteresse (vgl. VwGH 02.10.1973, VwSlg. 8473A/73; VwGH 28.01.2004, Zl. 2002/04/0193).

Im vorliegenden Verfahren wies das BFA den Antrag der BF zur Gänze ab, weshalb nach oben Gesagtem nicht von einem "wesentlich im Privatinteresse der Partei" liegenden Sachverhalt ausgegangen werden kann. Aus diesem Grund war der Tatbestand für die Vorschreibung einer Verwaltungsabgabe im gegenständlichen Fall nicht erfüllt, weshalb dieser Spruchteil ersatzlos zu beheben war.

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Den Umfang der Verhandlungspflicht aufgrund dieser Bestimmung umschrieb der Verwaltungsgerichtshof in seinem grundlegenden Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017, worin die Kriterien für die Annahme eines geklärten Sachverhaltes folgendermaßen zusammengefasst wurden (vgl. zum grundrechtlichen Gesichtspunkt auch VfGH 14.03.2012, U 466/11, U 1836/11, betreffend die inhaltsgleiche Bestimmung des § 41 Abs. 7 AsylG 2005): "Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen."

Auch unter Berücksichtigung der vom VwGH immer wieder postulierten Wichtigkeit (jüngst wieder VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0200) der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung, stellt sich der vorliegende Fall nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes als eindeutiger Fall dar, in dem bei Berücksichtigung aller zu Gunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten wäre, wenn sich das Verwaltungsgericht - im vorliegenden Fall erneut - von ihm einen persönlichen Eindruck verschaffen würde (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0068, Rn. 12).

Da für das Bundesverwaltungsgericht im gegenständlichen Fall die diesbezüglichen Voraussetzungen gegeben sind und sich insbesondere aus der Beschwerde kein Hinweis auf die Notwendigkeit ergab, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem BF nochmals zu erörtern, wurde von einer Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs.1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Revision ist sohin gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Einreiseverbot, Interessenabwägung,
öffentliche Interessen, Verwaltungsabgabe, Voraussetzungen, Wegfall
der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W153.2220971.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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