TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/11 I412 2149524-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2019
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Entscheidungsdatum

11.11.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §52
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I412 2149524-2/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. MAROKKO, vertreten durch Caritas Erzdiözese Wien Asylrechtsberatung, gegen den Bescheid des BFA, RD Wien, Außenstelle Wien vom 04.09.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm §§ 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte III. bis VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 Abs. 2 und 58 Abs. 2 AsylG 2005 der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin verließ im Mai 2013 legal ihren Herkunftsstaat Marokko per Flugzeug.

Sie hält sich seit spätestens 22.05.2015 in Österreich auf und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach mehrfachen Verschiebungen einer Einvernahme wegen psychisch schlechtem Zustand der Beschwerdeführerin, konnte sie schließlich am 24.11.2015 befragt werden. Das Verfahren wurde daraufhin zugelassen.

In der niederschriftlichen Einvernahme am 23.01.2017 gab sie befragt zu ihren Fluchtmotiven an, bei einer Beerdigung eines Verwandten auf ihre Halbbrüder getroffen zu sein und dass diese sie wegen der Ausübung von Prostitution umbringen wollen hätten. Die Beschwerdeführerin sei von ihrer Stiefmutter als Kind misshandelt worden, sodass sie mit etwa 12 Jahren von zu Hause weglief und bei einer entfernt Verwandten unterkam. Diese Frau habe sich als Zuhälterin entpuppt und sei sie ab ihrem 15. Lebensjahr zwangsprostituiert worden. 2004 und 2008 habe sie eine Tochter bzw. einen Sohn geboren. Die Väter seien unbekannt. Die Tochter lebe weiterhin bei der Zuhälterin, der Sohn sei bei einer anderen Frau untergekommen, der sie Geld schicke. Da ihre Halbgeschwister streng gläubig seien, hätten sie die Prostitution ihrer Schwester nicht geduldet.

Der Bescheid der belangten Behörde vom 16.02.2017, mit welchem der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, ein Aufenthaltstitel nicht erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Abschiebung nach Marokko für zulässig erklärt wurde, wurde nach Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13.03.2017, GZ I407 2149524-1/3E, aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen.

Nach Einholung einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu den Themen "Bildungsprogramme, Förderungen, NGOs, Frauenhäuser und alleinstehende Mütter" und einer weiteren niederschriftlichen Befragung der Beschwerdeführerin am 21.08.2017 erging die nunmehr angefochtene Entscheidung vom 04.09.2017.

Die belangte Behörde wies den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Marokko (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Marokko zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).

Nach rechtzeitig und zulässig erhobener Beschwerde wurde durch das Bundesverwaltungsgericht, GZ I412 2149524-2/3Z, die aufschiebende Wirkung zuerkannt, da Fragen zu familiären Verhältnissen offen geblieben sind.

In einer ergänzend eingebrachten Stellungnahme vom 19.10.2018 wurde ergänzend vorgebracht, dass die Beschwerdeführerin seit längerem ausschließlich gleichgeschlechtliche Beziehungen führe und auf eine Stellungnahme von Queer Base verwiesen, welche bestätige, dass sich die Beschwerdeführerin regelmäßig dort aufhalte und sich dort mit Gleichgesinnten treffe.

Am XXXX2019 wurde die Beschwerdeführerin Mutter eine Tochter, welche die österreichische Staatsangehörigkeit besitzt und mit dem Kindsvater und der Beschwerdeführerin im gemeinsamen Haushalt lebt. Außerdem wurde die oben angeführte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige Marokkos. Die Identität der Beschwerdeführerin steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest.

Sie ist volljährig, ledig und ist Mutter dreier Kinder. Die in den Jahren 2004 und 2008 geborenen Kinder halten sich in Marokko auf. Das jüngste Kind ist im August 2019 in Österreich geboren.

Die Beschwerdeführerin bekennt sich zum moslemischen Glauben, ist gesund und arbeitsfähig.

Die Beschwerdeführerin verfügt über keine Schulbildung, sammelte aber Arbeitserfahrungen als Kellnerin und Altenpflegerin in Marokko. Ihren Lebensunterhalt finanzierte ihre Zuhälterin, eine entfernte Verwandte, die sie zur Prostitution zwang.

In Marokko leben noch ihre Eltern, die Stiefmutter und zahlreiche Stiefgeschwister. Die Beschwerdeführerin steht in Kontakt mit einer Cousine und einer Freundin, deren Mutter sie eine Zeit lang gepflegt hatte.

Die Beschwerdeführerin ist unter anderem Mutter einer österreichischen Staatsbürgerin, welcher am XXXX2019 geboren wurde. Sie lebt mit ihrer Tochter und dem Kindsvater in einem gemeinsamen Haushalt in Wien und führt mit diesen ein Familienleben.

Der Kindsvater, ein österreichischer Staatsbürger, hat die Vaterschaft anerkannt und wurde eine Erklärung über die gemeinsame Obsorge des Kindes abgegeben.

Die Beschwerdeführerin weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Sie geht und ging in Österreich keiner Beschäftigung nach und bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

Die Beschwerdeführerin ist strafrechtlich unbescholten, es erging jedoch eine Meldung wegen gefährlicher Drohung gegen einen Polizeibeamten am XXXX Hauptbahnhof. Am 19.08.2018 wurde gegen sie ein Straferkenntnis wegen der Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs 1 SPG erlassen.

Das von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Fluchtvorbringen entfaltet keine Asylrelevanz im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Sie wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr nach Marokko keiner wie auch immer gearteten Bedrohung oder Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird.

1.2. Zur allgemeinen Situation in Marokko:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat wird zunächst auf das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für Marokko verwiesen und fallbezogen nachstehende Feststellungen hervorgehoben:

Marokko ist ein sicherer Herkunftsstaat. Es ist politisch wie sicherheitspolitisch ein stabiles Land. Marokko ist fähig und willig, seine Bürger zu schützen. Justiz und Sicherheitsapparate funktionieren. Die Justiz ist gemäß der geltenden Verfassung unabhängig. Ein rechtsstaatliches, faires Verfahren mit dem Recht, Berufung einzulegen, ist gesetzlich gewährleistet. Über Beeinflussung der Gerichte durch Korruption oder durch außergerichtliche Einflussmaßnahmen wird berichtet. Der Sicherheitsapparat besteht aus Polizei- und paramilitärischen Organisationen. Eine zivile Kontrolle über Sicherheitskräfte ist abgesehen von Einzelfällen effektiv. Folter steht unter Strafe, wobei Berichte über Folterungen und Gewaltanwendung gegenüber Gefangenen bestehen. Die in Marokko verbreitete Korruption steht unter Strafe, welche aber nicht effektiv vollzogen wird. Eine Reform der Korruptionsbekämpfungsbehörde ist geplant, aber noch nicht verwirklicht.

Marokko verfügt über einen umfassenden Grundrechtebestand, lediglich das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit fehlt. Die Grundrechte werden durch den Vorbehalt in Bezug auf die Monarchie, den islamischen Charakter von Staat und Gesellschaft und die territoriale Integrität beschränkt. Ferner fehlen zT Durchführungsgesetze. Allgemein bestehen grundrechtliche Probleme hinsichtlich der Sicherheitskräfte sowie schlechter Haftbedingungen. Staatliche Repressionen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer religiösen Überzeugung können nicht festgestellt werden. Die Haftbedingungen sind generell schlecht und entsprechen nicht internationalen Standards. Hygienische Verhältnisse und die medizinische Versorgung in Gefängnissen sind nicht gut. Gefängnisse sind in Marokko überbelegt. Es existieren Berichte über folterähnliche Praktiken in Gefängnissen. Die Todesstrafe wird weiterhin in Marokko verhängt. Seit 1993 wurden aber keine Todesstrafen mehr vollstreckt.

1.3. Zur Situation von Frauen in Marokko:

Die Lage der Frauen in Marokko ist gekennzeichnet durch die Diskrepanz zwischen dem rechtlichen Status und der Lebenswirklichkeit. Insbesondere im ländlichen Raum bestehen gesellschaftliche Zwänge aufgrund traditioneller Einstellung fort. Zwar garantiert die Verfassung von 2011 in Art. 19, dass "Männer und Frauen gleichberechtigt die Rechte und Freiheiten ziviler, politischer, wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und ökologischer Natur" genießen, schränkt diese Rechte durch Bezugnahme auf den Islam als Staatsreligion aber wieder ein. In internationalen Abkommen hat sich Marokko zur Beseitigung der Diskriminierung von Frauen verpflichtet, aber auch hier den Vorrang des Islams geltend gemacht (AA 14.2.2018).

Obwohl die Änderung des Familienrechts zugunsten der Frauen vom 6.2.2004 ("Moudawana") mit den Grundsätzen

-Abschaffung der Gehorsamspflicht der Ehefrau" (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 7.2018b),

-Anhebung des grundsätzlichen Ehefähigkeitsalters der Frau auf 18 Jahre (AA 14.2.2018),

-Abschaffung der Hinzuziehung eines Vormunds zur Eheschließung für volljährige Frauen (AA 14.2.2018; vgl. GIZ 7.2018b),

-Einführung der gerichtlichen Ehescheidung (GIZ 7.2018b),

-Abschaffung der einseitigen Verstoßung für den Ehemann, Einführung des Zerrüttungsprinzips, relativ weitgehende Gleichstellung von Männern und Frauen im Scheidungsrecht (GIZ 7.2018b),

-Polygamie nur noch in genehmigten Ausnahmefällen (AA 14.2.2018),

und mit der Einrichtung von Familiengerichten eine deutliche Verbesserung der Rolle der Frau geschaffen hat, gibt es weiter Defizite in der Gleichberechtigung, wie z. B. die ungleiche Behandlung im Erb- und Familienrecht. Der Menschenrechtsrat CNDH kritisiert Gesetzentwurf das Fehlen von Definitionen von Gleichstellung und Diskriminierung und fordert Reformen (AA 14.2.2018).

Von einer wirklichen rechtlichen und sozialen Gleichstellung sind Frauen und Männer in Marokko noch weit entfernt. In der marokkanischen Gesellschaft dominieren weiterhin patriarchale Einstellungen und diskriminierende Verhaltensweisen. Viele der ehrgeizigen Gesetzesreformen werden bislang nur partiell umgesetzt (GIZ 7.2018b).

Außerehelicher Geschlechtsverkehr ist strafbar. Alle ledigen Mütter sind damit von strafrechtlicher Verfolgung bedroht. Tatsächlich wird außerehelicher Geschlechtsverkehr nur in Ausnahmefällen strafrechtlich verfolgt. Meist geschieht dies auf Anzeige von Familienangehörigen und nur in Ausnahmefällen auch direkt durch den Staat (AA 14.2.2018).

Seit Mitte der 1980er Jahre sind in Marokko immer mehr NGOs entstanden, die sich gleichzeitig für Demokratie und für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern einsetzen. Die politisch einflussreichsten dieser NGOs sind die Association Démocratique des Femmes Marocaines (ADFM), die Fédération de la Ligue Démocratique pour la Défense des Droits des Femmes (FLDDF), die Association Marocaine des Droits des Femmes (AMDF) und die Union de L'Action Féminine (UAF) (GIZ 7.2018b).

Vergewaltigung steht unter Strafe. Das Strafmaß beträgt fünf bis zehn Jahre; wenn das Opfer minderjährig ist, zehn bis zwanzig Jahre (USDOS 20.4.2018). Es kommt häufig zu Gewalt gegen Frauen. Die Straftaten Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe sind nicht gesondert kodifiziert. Diese Fälle werden von den betroffenen Frauen in aller Regel nicht zur Anzeige gebracht. Kommt es zu einer Anzeige, gestaltet sich der Nachweis der Straftat schwierig (AA 14.2.2018; vgl. USDOS 20.4.2018). Viele Richter sind voreingenommen und urteilen zugunsten des Mannes. Neben gesellschaftlichen Ursachen (Gewalt gegen Frauen, insbesondere in der Familie, wird von den meisten Männern als legitim betrachtet) gibt es auch staatliche und rechtliche Defizite. Der Gesetzesentwurf zu Gewalt gegen Frauen von 2016 wurde noch nicht verabschiedet. Die Anzahl von Frauenhäusern und Zufluchtsorten für Frauen ist begrenzt. Missbrauch von Kindern und Kinderprostitution ist ein verbreitetes Problem, Statistiken hierzu sind nicht erhältlich. In der Mehrzahl der Fälle von Kinderprostitution handelt es sich um Kinder aus ländlichen Gegenden, die zum Geldverdienen in Städte geschickt werden. Das Strafgesetz sieht eine Strafe für die sexuelle Ausbeutung von Jugendlichen vor. Strafverschärfende Maßnahmen gelten bei minderjährigen Opfern (Art 497, 498 Strafgesetzbuch). Verurteilte Vergewaltiger und Pädophile sind von einer möglichen Amnestie ausgeschlossen. In der Praxis kommt es selten zur Strafverfolgung dieser Tatbestände (AA 14.2.2018).

Auch im Berufsleben bleibt die Lage der Frauen schwierig, insbesondere auf dem Land, wo patriarchale Strukturen dominant sind. In höheren Ämtern nimmt der weibliche Anteil im Vergleich mit männlichen Amtsinhabern rasch ab, auch wenn Frauen vereinzelt besonders exponierte Führungspositionen einnehmen. Bei den Parlamentswahlen wurden lediglich 10 von 305 direkt gewählten Parlamentsmandaten von Frauen gewonnen. 90 weitere Sitze sind über eine spezielle Liste für Frauen und junge Menschen reserviert (AA 14.2.2018).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 7.8.2018

-GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (7.2018b): LIPortal - Marokko - Gesellschaft, https://www.liportal.de/marokko/gesellschaft/, Zugriff 7.8.2018

-USDOS - U.S. Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430366.html, Zugriff 7.8.2018

Rückkehr

Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (AA 14.2.2018).

Eine Rückkehrhilfe für aus dem Ausland nach Marokko Heimkehrende durch staatliche Institutionen ist nicht bekannt. Auf institutioneller Basis wird Rückkehrhilfe von IOM organisiert, sofern der abschiebende Staat mit IOM eine diesbezügliche Vereinbarung (mit Kostenkomponente) eingeht; Österreich hat keine solche Abmachung getroffen. Rückkehrer ohne eigene finanzielle Mittel dürften primär den Beistand ihrer Familie ansprechen; gelegentlich bieten auch NGOs Unterstützung. Der Verband der Familie und Großfamilie ist primärer sozialer Ankerpunkt der Marokkaner. Dies gilt mehr noch für den ländlichen Raum, in welchem über 40% der Bevölkerung angesiedelt und beschäftigt sind. Rückkehrer würden in aller Regel im eigenen Familienverband Zuflucht suchen. Der Wohnungsmarkt ist über lokale Printmedien und das Internet in mit Europa vergleichbarer Weise zugänglich, jedenfalls für den städtischen Bereich (ÖB 9.2015).

Quellen:

-AA - Auswärtiges Amt (14.2.2018): AA-Bericht zu Marokko, https://www.ecoi.net/en/file/local/1424844/4598_1519120123_auswaertiges-amt-bericht-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-im-koenigreich-marokko-stand-november-2017-14-02-2018.pdf, Zugriff 7.8.2018

-ÖB - Österreichische Botschaft Rabat (9.2015): Asylländerbericht Marokko

Zu den Feststellungen erhoben wird auch die von der belangten Behörde eingeholte Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu den Themen Bildungsprogramme, Förderungen, NGOs und Frauenhäuser für alleinstehende Mütter. Diese und das aktuelle Länderinformationsblatt wurden der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Parteiengehörs gesondert zur Kenntnis gebracht.

Eine nach Marokko zurückkehrende Person, bei welcher keine berücksichtigungswürdigen Gründe vorliegen, wird durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine unmenschliche Lage versetzt.

2. Beweiswürdigung:

Die erkennende Einzelrichterin des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR) und der Grundversorgung (GVS) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

2.2. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführerin getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels, konnte die Identität der Beschwerdeführerin nicht festgestellt werden.

Die Feststellungen betreffend die Religionszugehörigkeit, ihre Lebensumstände in Marokko und den familiären Verhältnissen und Kontakten im Herkunftsstaat ergeben sich aus den Aussagen der Beschwerdeführerin vor dem BFA.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus ihren Aussagen vor dem BFA. Auch aus der Aktenlage sind keinerlei Hinweise auf lebensbedrohliche gesundheitliche Beeinträchtigungen ableitbar. Die Beschwerdeführerin litt an einer psychischen Störung und übermäßigem Alkoholkonsum und wurden ihr entsprechende Medikamente verschrieben. Im Schreiben des nunmehrigen Lebensgefährten wurde ausgeführt, dass sie sich in ärztliche Hilfe begeben hat, keinen Alkohol mehr trinkt und die Medikamente reduziert hat. Seither geht es ihr besser. Das Leben mit dem Partner und die Aufnahme in dessen Familie geben ihr Stabilität. Aufgrund dieser Ausführungen und da keine aktuellen ärztlichen Befunde mehr beigebracht wurden, konnte von einem nunmehr guten Gesundheitszustand ausgegangen werden. Die Arbeitsfähigkeit ergibt sich aus ihrer Angaben, wonach sie als Kellnerin und Pflegerin gearbeitet hat und auch den Wunsch hat, als Friseurin tätig zu sein (AS 531).

Die Feststellungen betreffend die persönlichen Verhältnisse und die Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich sowie zu ihrer Integration beruhen auf ihren Aussagen vor dem BFA und den vorgelegten Unterlagen. Demnach hat sie einige Freunde in Österreich, sie spielte in einem Verein Fußball und besuchte einen Deutschkurs. Eine positive Prüfungsbestätigung legte sie nicht vor. In Gesamtschau kann daher keine über das übliche Maß hinausgehenden Integration festgestellt werden.

Die Feststellungen betreffend das in Österreich geführte Familienleben, insbesondere die am 20.08.2019 geborene Tochter, den Kindsvater und die Obsorge beruhen auf den vorgelegten Dokumenten (Staatsbürgerschaftsnachweis, Geburtsurkunde, Vaterschaftsanerkenntnis und Vereinbarung über die gemeinsame Obsorge) und einem vom Bundesverwaltungsgericht veranlassten ZMR-Auszug.

Die Feststellung zu ihrem Bezug der Grundversorgung ergibt sich aus dem dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden, am 21.08.2018 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem.

Die Feststellung bezüglich der strafgerichtlichen Unbescholtenheit entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich. Die Meldung über die gefährliche Drohung und das Straferkenntnis wegen Übertretung nach dem Sicherheitspolizeigesetz sind Bestandteile des Verwaltungs- bzw. Gerichtsaktes.

2.3. Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin hatte, auf das Wesentlichste zusammengefasst, vorgebracht, dass sie vor ihrer Zuhälterin und der damit einhergehenden Zwangsprostitution aus Marokko geflohen sei. Außerdem hätten ihre Halbbrüder versucht, sie wegen ihrer Tätigkeit als Prostituierte zu ermorden. Im Gesamten betrachtet bringt die Beschwerdeführerin Privatverfolgung vor.

Eine solche kann nur Asylrelevanz erreichen, wenn die staatlichen Behörden nicht fähig oder nicht willens sind, einen Betroffenen vor derartigen Übergriffen zu schützen. Damit ist nicht umfasst, dass jedweder Angriff abgewehrt werden müsste, zumindest aber müssen ein funktionierende Polizei- und Justizwesen vorhanden sein, um von der Schutzfähigkeit und -willigkeit eines Herkunftsstaates ausgehen zu können.

Marokko ist ein sicherer Herkunftsstaat und geht aus dem Länderinformationsblatt hervor, dass ein Sicherheitsbehördenapparat eingerichtet ist und die Unabhängigkeit der Justiz verfassungsgesetzlich gewährleistet ist. Das marokkanische Strafrechtswesen stellt Vergewaltigung, Zwangsprostitution und Angriffe auf die körperliche Unversehrtheit unter Strafe und wäre ihr Schutz durch staatliche Behörden bei Anzeigen gegen die Zuhälterin oder gegen die Halbbrüder zugekommen.

Von einer generellen Verfolgung durch die Zuhälterin kann darüber hinaus nicht gesprochen werden, da sie mehrfach mit oder ohne ihre Tochter umgezogen ist, um für die Halbbrüder nicht auffindbar zu sein (AS 292). Eine innerstaatliche Fluchtalternative hat sie daher selbst wahrgenommen und hat sie teilweise auch andere Tätigkeiten als Kellnerin oder Pflegerin ausgeübt und immer wieder das Haus der Zuhälterin verlassen.

Der Bedrohung durch die Halbgeschwister könnte sie ebenso durch Übersiedelung in einen anderen Landesteil entgehen bzw. steht ihr staatlicher Schutz vor derartigen Übergriffen oder vor Privatverfolgung zur Verfügung.

Zum von der Beschwerdeführerin zwischenzeitlich ins Treffen geführten Bestehen eines Verfolgungsgrundes aufgrund der Zugehörigkeit der sozialen Gruppe der Homosexuellen ist anzumerken, dass diese dem Neuerungsverbot gemäß § 20 BFA-VG entgegensteht und zudem auch in der Stellungnahme vom 31.07.2019 darauf verwiesen wird, dass die Beschwerdeführerin eine gemeinsame Zukunft mit dem Vater ihres Kindes plane.

Das Bundesverwaltungsgericht kommt daher zu dem Schluss, dass es der Beschwerdeführerin nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen ihre Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr darzulegen, der auch Asylrelevanz zukommt.

Hinsichtlich der Voraussetzungen für den Status der subsidiär Schutzberechtigten schließt sich das Bundesverwaltungsgericht den tragenden Erwägungen des BFA an: Die belangte Behörde hatte auch den Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status einer subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, unter Hinweis darauf, dass für die Beschwerdeführerin keine besondere Gefährdungssituation bestehe und dass die wirtschaftliche Situation in Marokko nicht so sei, dass existentielles Überleben nicht möglich sei. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr als gesunde, arbeitsfähige Frau und beruflicher Erfahrung nicht in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. Es wird nicht verkannt, dass es für eine Frau schwierig ist, sich eine neue Existenz aufzubauen, doch lebt eine Cousine und eine Freundin in Marokko, zu denen sie weiter Kontakt pflegte. Die genannte Freundin war ihr bereits bei der Finanzierung ihrer Ausreise behilflich und selbst wenn eine weitere finanzielle Unterstützung ausbliebe, kann gegebenenfalls für die erste Zeit nach der Rückkehr eine Unterkunft durch diese oder durch die Cousine gewährt werden. Die Beschwerdeführerin könnte zumindest für die erste Zeit auch Hilfe durch NGOs in Anspruch nehmen. Aus der Anfragebeantwortung ergibt sich, dass unterschiedliche Einrichtungen für spezielle Gruppen wie unverheiratete Mütter, alleinstehende Frauen und Frauen ohne Ausbildung, wenn auch nur zeitlich begrenzt, zur Verfügung stehen.

2.4. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation für Marokko samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von internationalen Organisationen, wie bspw. dem UNHCR, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Weiters ergeben sich die fallbezogenen Feststellungen aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, welche der Beschwerdeführerin im Rahmen eines Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht wurde.

Die Beschwerdeführerin trat diesen Quellen und deren Kernaussage zur Situation im Herkunftsstaat nicht substantiiert entgegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A):

3.1. Zum Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.

Im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Die Beschwerdeführerin konnte nicht glaubhaft machen, dass ihr aus einem der Gründe der Genfer Flüchtlingskonvention Verfolgung droht. Die Beschwerdeführerin vermochte keine ernstliche, sie betreffende Gefahr einer Verfolgung aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen, wie oben in der Beweiswürdigung (II.2.3.) bereits ausgeführt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann aber nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 28.10.2009, 2006/01/0793, mwN).

Gemäß Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie), die im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts mit zu berücksichtigen ist, muss der Schutz vor Verfolgung oder ernsthaftem Schaden wirksam sein. Ein solcher Schutz ist generell gewährleistet, wenn etwa der Herkunftsstaat geeignete Schritte einleitet, um die Verfolgung oder den ernsthaften Schaden zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung oder einen ernsthaften Schaden darstellen, und wenn der Asylwerber Zugang zu diesem Schutz hat. Bei Prüfung (u.a.) dieser Frage berücksichtigen die Mitgliedstaaten nach Art. 8 Abs. 2 Statusrichtlinie zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers.

Die Statusrichtlinie sieht daher einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (vg. zum Ganzen VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063).

Im vorliegenden Fall hat die Beschwerdeführerin keine fallbezogenen Umstände aufgezeigt, die im gegenständlichen Fall gegen eine Schutzfähigkeit und -willigkeit der marokkanischen Behörden spezifisch ihr gegenüber sprechen würden. Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin ist auch nicht zu entnehmen, dass sie sich hinsichtlich der von ihr behaupteten Verfolgung durch ihre Zuhälterin oder durch ihre Halbbrüder überhaupt an die Sicherheitsbehörden gewendet hätte (AS 290 und 293). Anstatt also das Land zu verlassen, wäre es daher an der Beschwerdeführerin gelegen gewesen, die staatlichen Behörden um ihren Schutz und ihre Hilfeleistung zu ersuchen.

Der Beschwerdeführerin ist es damit im Ergebnis nicht gelungen, substantiiert darzulegen, dass ihr der marokkanische Staat keinen wirksamen Schutz vor der von ihr behaupteten Verfolgung gewähren würde.

Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zum Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 8 Abs. 1 Ziffer 1 AsylG 2005 idgF ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage in Marokko (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse) liegen nicht vor, weshalb aus diesem Blickwinkel bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen kein Hinweis auf das Vorliegen eines Sachverhaltes gem. Art. 2 und/oder 3 EMRK abgeleitet werden kann. Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Marokko mit existentiellen Nöten konfrontiert ist.

Zudem führt eine Rückkehr nach Marokko auch im Falle alleinstehender Frauen nicht automatisch dazu, dass sie in eine unmenschliche Lage bzw. eine Notlage geraten und ihre in Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte verletzt würden. In Marokko gibt es in jeder größeren Stadt Organisationen, die einerseits praktische Hilfe und Zuflucht anbieten und andererseits die Rehabilitierung und Betreuung rückgeführter Frauen unterstützen. Spezielle Hilfsprojekt, die mit einer Berufsausbildung verbunden sind, sind rar, aber dennoch vorhanden und besteht wenigstens eine Chance, sich auch um ein besseres berufliches Fortkommen zu bemühen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach erkannt, dass auch die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten kann, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können. Nach der auf der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beruhenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist eine solche Situation nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend (vgl. u.a. VwGH 06.11.2009, 2008/19/0174). Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 21.08.2001, 200/01/0443 und zuletzt VwGH 25.05.2016, 2016/19-0036-5). Derartige Umstände wurden von der Beschwerdeführerin nicht dargelegt: Sie verfügt über Berufserfahrung als Pflegerin und Kellnerin, leidet auch nicht (mehr) an einer schweren Erkrankung und ist somit erwerbsfähig. Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage gerät. Außerdem verfügt die Beschwerdeführerin in Marokko über eine Cousine und eine Freundin, auf deren Unterstützung sie wieder hoffen kann. Es ist der Beschwerdeführerin auch möglich, sich um eine Unterkunft in einer Frauen-WG zu bemühen, die in größeren Städten gängig sind (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation S. 3) oder sich um einen Platz in einem der Unterstützungsprogramme (Anfragebeantwortung S. 6) zu bemühen.

Aufgrund der o.a. Ausführungen ist letztlich im Rahmen einer Gesamtschau davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in ihrem Herkunftsstaat ihre dringendsten Bedürfnisse befriedigen kann und nicht in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde, sodass der erstinstanzliche Ausspruch in Spruchteil II. des angefochtenen Bescheides zu bestätigen war.

3.3. Zu den Spruchpunkten III. bis VI. des angefochtenen Bescheides:

Der mit "Rückkehrentscheidung" betitelte § 52 Abs. 2 FPG lautet:

"§ 52. (1) ...

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige."

Der Antrag auf internationalen Schutz wird mit gegenständlicher Entscheidung abgewiesen.

§ 10 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

"§ 10. (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder

5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird."

Daher wäre gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung zu erlassen.

Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das BFA die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war der Beschwerdeführerin daher nicht zuzuerkennen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das BFA einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.

Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Die Beschwerdeführerin hält sich erst seit ca. vier Jahren in Österreich auf und kann in Österreich auf kein besonders schützenswertes Privatleben verweisen. Alleine aufgrund der kurzen Dauer des Aufenthaltes ist nicht von einer nachhaltigen Aufenthaltsverfestigung auszugehen.

Die Beschwerdeführerin führt allerdings ein Familienleben in Österreich. Ihre im August 2019 geborene Tochter ist österreichischer Staatsbürgerin. Vom Prüfungsumfang des Begriffes des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK ist jedenfalls die Kernfamilie von Eltern und minderjährigen Kindern umfasst. Eine Mutter-Kind-Beziehung wird vom EGMR aufgrund des biologischen Bandes ab dem Zeitpunkt der Geburt als Familienleben qualifiziert, ohne dass weitere Aspekte der Intensität geprüft werden müssten (vgl. EGMR 13.06.1979, Marckx gegen Belgien, Nr. 6833/74, Z. 31. Vgl. dazu auch Melina Oswald, Das Bleiberecht, 2012, S. 48 mit weiterführenden Quellen).

Der Verwaltungsgerichtshof sprach bereits wiederholt aus, dass der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zukommt (siehe VwGH 19.12.2012, 2012/22/0218; 26.02.2013, 2012/22/0229; 20.08.2013, 2012/22/0123.) Dies wird umso mehr in Bezug auf die Bindung zu einem minderjährigen Kind, das österreichischer Staatsbürger ist, zu gelten haben. Insbesondere wird auch das Wohl des Kindes zu berücksichtigen sein.

Nach Art. 9 der UN-Konvention über die Rechte des Kindes haben die Vertragsstaaten sicherzustellen, dass ein Kind nicht gegen den Willen seiner Eltern von diesen getrennt wird, außer dies ist zum Wohle des Kindes notwendig. Gemäß § 2 des Bundesverfassungsgesetzes über die Rechte von Kindern hat jedes Kind Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkten Kontakt zu beiden Elternteilen. Art. 7 BVG Kinderrechte enthält allerdings einen materiellen Gesetzesvorbehalt, der jenem des Art. 8 Abs. 2 EMRK aufs Wort gleicht: "Eine Beschränkung der in den Artikeln 1, 2, 4 und 6 dieses Bundesverfassungsgesetzes gewährleisteten Rechte und Ansprüche ist nur zulässig, insoweit sie gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist." Es ist daher eine entsprechende Interessensabwägung vorzunehmen.

Aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes kann einem neugeborenen Kind mit österreichischer Staatsbürgerschaft nicht zugemutet werden, mit seiner Mutter nach Marokko zu übersiedeln. Zudem ist der Vater österreichischer Staatsbürger und besteht ein gemeinsamer Haushalt der Familie. Der Vater ist mit der Obsorge des Kindes genauso betraut wie die Beschwerdeführerin und würde mit der Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin die Bindung zu einem mit der Obsorge gleich betrauten Elternteil massiv abgeschwächt werden. Ein Umzug der ganzen Familie nach Marokko wäre mit einem unverhältnismäßigen Aufwand für den Kindsvater und die Tochter mit österreichischer Staatsbürgerschaft verbunden, zumal der Lebensgefährte der Beschwerdeführerin auch einer geregelten Arbeit in Österreich nachgeht, für den Familienunterhalt sorgt und die Wohnsituation bereits geklärt und vorhanden ist.

Es stellt sich die Frage, ob der Tochter der Beschwerdeführerin die Trennung von ihrer Mutter zumutbar wäre. Diesbezüglich hielt der Verfassungsgerichtshof in eindeutigen Worten im Erkenntnis vom 11.07.2012, U128/12 fest: "Es widerspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass ein Kind kurz nach der Geburt ohne Bedenken allein beim Vater verbleiben kann. Insbesondere umfasst der für ein neugeborenes Kind zu leistende Unterhalt auch - aber nicht nur - die Befriedigung biologischer Bedürfnisse wie jenem nach Nahrung, weshalb schon aus diesem Grund jedenfalls in den ersten Lebensphasen des Kindes ein ständiger Kontakt des Kindes mit der Mutter nicht nur wünschenswert, sondern notwendig sein kann."

Auch der EuGH stellte in seiner Entscheidung vom 08.03.2011 (Rs. C-34/07, Gerardo Ruiz Zambrano) klar, dass das Unionsrecht es einem Mitgliedstaat verwehrt, einem Drittstaatsangehörigen, der seinen minderjährigen Kindern, die Unionsbürger sind, Unterhalt gewährt, zum einen den Aufenthalt im Wohnsitzmitgliedstaat der Kinder, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, zu verweigern und ihm zum anderen eine Arbeitserlaubnis zu verweigern, da diese Entscheidungen den genannten Kindern den tatsächlichen Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehren würde. Der Gerichtshof betont in diesem Zusammenhang, dass das Unionsrecht nationalen Maßnahmen entgegensteht, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, verwehrt wird. Eine derartige Auswirkung liegt vor, wenn einer einem Drittstaat angehörenden Person in dem Mitgliedstaat, in dem ihre minderjährigen Kinder, die diesem Mitgliedstaat angehören und denen sie Unterhalt gewährt, der Aufenthalt und eine Arbeitserlaubnis verweigert werden. Eine solche Aufenthaltsverweigerung hat nämlich zur Folge, dass diese Kinder gezwungen sind, das Gebiet der Union zu verlassen, um ihre Eltern zu begleiten. Ebenso besteht die Gefahr, dass die Eltern, wenn ihnen keine Arbeitserlaubnis erteilt wird, nicht über die für ihren Unterhalt und den ihrer Angehörigen erforderlichen Mittel verfügen, was ebenfalls zur Folge hätte, dass ihre Kinder - Unionsbürger - gezwungen wären, dass Hoheitsgebiet der Union zu verlassen. Unter derartigen Umständen wäre es diesen Kindern unmöglich, den Kernbestand der Rechte, die ihnen der Unionsbürgerstatus verleiht, tatsächlich in Anspruch zu nehmen.

Aus diesem Grund ist der Beschwerdeführerin, welche auch die Obsorge für ihre neugeborene Tochter hat, der Aufenthalt in Österreich zu gestatten. Im Rahmen der Interessensabwägung ist im Übrigen auch darauf zu verweisen, dass die Beschwerdeführerin strafgerichtlich unbescholten ist. Es wird nicht verkannt, dass bei der Beschwerdeführerin keine nachhaltige Aufenthaltsverfestigung vorliegt, doch kann angesichts der Bindung zu ihrer wenige Wochen alten, österreichischen Tochter und der entsprechenden höchstgerichtlichen Judikatur im Rahmen der Abwägung der persönlichen und öffentlichen Interessen unter Berücksichtigung des Kindeswohls keine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin erlassen werden, sondern muss vielmehr aufgrund des in Österreich bestehenden und schützenswerten Familienlebens eine Aufenthaltsberechtigung aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werden.

Die vom BFA im angefochtenen Bescheid verfügte Rückkehrentscheidung und Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Marokko ist angesichts der vorliegenden persönlichen Bindungen nunmehr unverhältnismäßig im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK.

Da die maßgeblichen Umstände in ihrem Wesen nicht bloß vorübergehend sind, war die Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Marokko auf Dauer für unzulässig zu erklären.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird. Nach § 55 Abs. 2 AsylG 2005, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen, wenn nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 leg. cit. vorliegt.

Gemäß § 54 Abs. 1 AsylG 2005 werden Drittstaatsangehörigen folgende Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt:

1. "Aufenthaltsberechtigung plus", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt;

2. "Aufenthaltsberechtigung", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt;

3. "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz", die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit, für die eine entsprechende Berechtigung nach dem AuslBG Voraussetzung ist, berechtigt.

Gemäß Abs. 2 leg. cit. sind diese Aufenthaltstitel für die Dauer von zwölf Monaten beginnend mit dem Ausstellungsdatum auszustellen.

Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

Aus den EB zum FRÄG 2015 ergibt sich, dass auch das Bundesverwaltungsgericht - in jeder Verfahrenskonstellation - über einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 absprechen darf. Es handelt sich hiebei jedoch nicht um eine Einräumung einer amtswegigen Entscheidungszuständigkeit für das Bundesverwaltungsgericht, welche entsprechend dem Prüfungsbeschluss des VfGH vom 26. Juni 2014 (E 4/2014) als unzulässig zu betrachten wäre, da die Frage der Erteilung des Aufenthaltstitels diesfalls vom Prüfungsgegenstand einer angefochtenen Rückkehrentscheidung mitumfasst ist und daher in einem zu entscheiden ist.

Da die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 im Falle der Beschwerdeführerin in Folge des Ausspruches der dauerhaften Unzulässigkeit einer diesen betreffenden Rückkehrentscheidung gegeben sind, darüber hinaus jedoch die Voraussetzungen nach § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht erfüllt sind, war der Beschwerdeführerin der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" zu gewähren und spruchgemäß zu entscheiden.

Die belangte Behörde hat der Beschwerdeführerin den Aufenthaltstitel gemäß § 58 Abs. 7 AsylG 2005 auszufolgen; die Beschwerdeführerin hat hierbei gemäß Abs. 11 leg. cit. mitzuwirken.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behör

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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