TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/11 W178 2133166-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.03.2020
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Entscheidungsdatum

11.03.2020

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
ASVG §4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W178 2133166-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Din. Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn Harald XXXX , vertreten durch RA Mag Karl Juraczka, gegen den Bescheid der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), vormals Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, vom 25.05.2016, Zl. VA/ED-K-0448/2015, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 21.07.2016 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.02.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom 25.5.2016 wurde dem Beschwerdeführer (Bf) ein Beitragszuschlag in der Höhe von Euro 1800,- vorgeschrieben, weil er die Anmeldung für Frau Adina-Mihaela XXXX und Frau Magdalena XXXX nicht vor Arbeitsantritt erstattet habe, sie sollen als Dienstnehmerinnen zumindest am 18.4.2015 in seinem Betrieb beschäftigt gewesen sein. Dies sei bei der Betretung am 18.4.2015 durch die Finanzpolizei in XXXX , XXXX , so festgestellt worden.

2. Dagegen wurde von Herrn XXXX Beschwerde erhoben. Zur Begründung führte er an, dass Betreiber des Lokals die Firma XXXX KG gewesen sei. Außerdem habe es sich nicht um eine öffentliche Veranstaltung gehandelt.

3. Die damalige Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (NÖGKK), nunmehr ÖGK, hat mit Beschwerdevorentscheidung vom 21.7.2016 die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung wurde angeführt, dass bei der Kontrolle durch Organe des Finanzamtes am 18.4.2015 um 21.15 Uhr im Lokal "Dirndl-Bar" bei der Veranstaltung "Miedereröffnung"

die beiden Kellnerinnen Frau Adina-Mihaela XXXX und Frau Magdalena XXXX arbeitend angetroffen wurden, ohne ordnungsgemäß vor Arbeitsbeginn zur Pflichtversicherung gemeldet worden zu sein.

Mit den Genannten sei je eine Niederschrift aufgenommen worden, wobei sie angegeben hätten, als Kellnerin tätig gewesen zu sein und es sei das Geschäft des Bf gewesen; mit diesem hätten sie auch vereinbart, dort zu arbeiten. Der Kasse liege ein Mietvertrag vom 22.4.2015 vor, dieser sei von Herrn Michael XXXX für die XXXX KG und Frau XXXX als Objekteigentümerin unterzeichnet worden. Laut Aussage sei die Schlüsselübergabe aber schon Anfang April erfolgt. Die tatsächliche Führung des Betriebes sei unter Herrn XXXX erfolgt. Erst ab Juli 2016 habe Frau XXXX die Bar selbstständig geführt. Am 28.5.2015 sei die Kündigung des Mietvertrages erfolgt. Die gegenständliche Tätigkeit sei im Auftrag des Beschwerdeführers erbracht worden. Der erste Arbeitstag von Frau Adina-Mihaela XXXX und Frau Magdalena XXXX sei der 18.4.2015 gewesen, und zwar jeweils als Kellnerin. Die Firma XXXX KG sei bis dato nicht gegründet worden, auch die Entgeltvereinbarungen seien mit dem Beschwerdeführer getroffen worden und von diesem hätten sie ihre Anweisungen erhalten. Tatsächlich hätten sie das Geld nicht erhalten. Aus dem Werbematerial, das der Kasse vorliege, sei ersichtlich, dass in einer Annonce eine Barfrau gesucht wurde.

Rechtlich wird angeführt, dass eine noch zu gründende KG mangels Rechtspersönlichkeit kein Dienstgeber sein könne. Dass die Tätigkeit für Frau XXXX erbracht worden sei, sei unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer habe selbst bekanntgegeben, dass er nicht für die Fa. XXXX noch für Frau XXXX tätig gewesen sei. Auch für die Probezeit liege ein Dienstverhältnis vor.

4. Der Beschwerdeführer hat im Wege seiner Rechtsvertretung einen Vorlageantrag eingebracht; darin werden im Wesentlichen die Argumente in der Beschwerde wiederholt, nämlich dass es sich während der Vorortkontrolle um eine geschlossene Gesellschaft gehandelt habe, ebenso dass nicht Herr XXXX , sondern Frau XXXX Konzessionsträgerin bei dem gegenständlichen Objekt gewesen sei. Jedes Handeln sei ihr zuzurechnen, der Beschwerdeführer sei somit Erfüllungsgehilfe von Frau XXXX gewesen. Dem Umstand, dass Herr XXXX in einem Dienstverhältnis zu Dr. XXXX gestanden sei und nicht auf eigene Rechnung und Gefahr gehandelt habe, sei nicht Rechnung getragen worden. Der Beschwerdeführer sei Freigänger gewesen und hätte gar keine Zeit gehabt, einen Betrieb neben seiner Arbeit zu leiten. Außerdem habe er am Wochenende in die Haftanstalt zurückmüssen. Es sei somit zu ermitteln, ob nicht Frau XXXX oder Herr Dr. XXXX die tatsächlichen Geschäftsführer des Betriebes gewesen seien. Auch sei der Mietvertrag nicht vom Bf unterzeichnet worden.

5. Das BVwG hat die Justizanstalt Sonnberg um Information zum Aufenthalt des Bf dort ersucht. Diese hat mit Schreiben vom 23.01.2020 zu den Umständen des Freiganges des Bf Stellung genommen.

6. Am 18.02.2020 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt. Es wurden neben dem BF Herr Dr. XXXX und Herr XXXX als Zeugen vernommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 18.04.2015 fand eine Kontrolle der Finanzpolizei im Lokal "Dirndlbar" in XXXX statt. Dabei wurden jedenfalls Frau Adina-Mihaela XXXX und Magdalena XXXX angetroffen, die Tätigkeiten als Kellnerinnen ausübten. Die vertraglichen Vereinbarungen dafür wurden mit diesen vom Bf im eigenen Namen getroffen.

Laut Aussage des Bf befand sich noch mehr Personal im Haus, dieses ist aber nicht von diesem Verfahren umfasst.

Der Bf war vom 18.04.2011 bis 17.09.2015, d.h. auch im zur Beurteilung stehenden Zeitraum (d.i. der 18.04.2015) in der Justizanstalt Sonnberg in Haft. Die Justizanstalt wies darauf hin, dass Insassen des Strafvollzuges voll geschäftsfähig sind.

Vom 02.05.2014 bis 07.09.2015 war er Freigänger bei der Fa. XXXX ; diese hat einen Vertrag betreffend die Beschäftigung des Bf abgeschlossen, zur Kundenakquisition für die Beratungstätigkeit des Geschäftsführers dieser GmbH, Dr. XXXX .

Herr Dr. XXXX war auch an Immobiliengeschäften interessiert. Der Bf hat daran gearbeitet, für den Genannten Immobilienprojekte zu finden, die schließlich verwertet werden sollten.

Eigentümerin des Gewerbeobjekts in XXXX war am gegenständlichen Tag Frau XXXX , die zusammen mit ihrem Mann dort einen kleinen Beherbergungsbetrieb führte, vgl. GISA Ausdruck, die Gastgewerbeberechtigung bestand von 05.08.2014 bis 03.06.2015. Die Eigentümerin plante den Verkauf des Betriebes. Der Bf war nicht der potentielle Käufer, sondern ist vor allem als Vermittler aufgetreten. Der Bf und das Ehepaar XXXX planten einen Barbetrieb mit Sexdienstleistungen (vgl. auch gewerblicher "Mietvertrag" vom 22.04.2015), der Bf hatte schon seit Anfang April 2015 Zugang zum Objekt. Der Bf war als Lobbyist für das Projekt bei involvierten Behörden wie beim Bürgermeister der Gemeinde und der zuständigen Bezirkshauptmannschaft aktiv. Der Bf besaß keine Gewerbeberechtigung.

Der Betrieb sollte als "Dirndl-Bar" am 18.04.2015 eröffnet werden, dafür wurde in Zeitungen lokal geworben ("Miedereröffnung").

Es wurden in Zeitungen Inserate geschalten, in denen Personal gesucht wurde. Als Kontaktperson fungierte ein gewisser Harry, bei dem es sich - von ihm bestätigt- um den Bf handelte. Dieser hat mit den Bewerberinnen die Umstände der Beschäftigung vereinbart, schriftliche Verträge gab es nicht.

Die Getränke für diesen Abend wurde von Frau XXXX und dem Bf zur Verfügung gestellt. Der Bf besorgte auch eine Live-Band. Bei Gelingen des Projekts (gut laufender Bar- und Bordellbetrieb) hätte der Bf vom zukünftigen Betreiber eine Provision erhalten.

Es ist im gegenständlichen Verfahren nicht entscheidungswesentlich, ob die Beschäftigten nur für Servierdienstleistungen engagiert waren oder auch die männlichen Gäste animiert und unterhalten haben bzw. auch Sexdienstleistungen angeboten haben. Sie waren im Rahmen und zugunsten des Barbetriebes im Dienst.

Geschäftsführer der XXXX (und Gesellschafter über die XXXX Agentur XXXX KG) war Herr Dr. XXXX .

Die XXXX KG war zum damaligen Zeitpunkt - aber auch vorher und nachher - nicht existent.

Die mit 22.04.2015 datierte Vereinbarung unterzeichnet von Frau XXXX und Herrn XXXX ist nicht als Vertrag wirksam zustande gekommen. Eine Vermietung oder Verpachtung an die XXXX KG bzw. an einen anderen Vertragspartner fand somit nicht statt.

Nicht zu klären ist auch, ob nur das engere Zielpublikum für eine solche Bar eingeladen war, d.h. ob es sich um eine geschlossene Gesellschaft handelte.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der vormaligen NÖGKK, insbesondere den Unterlagen über die Kontrolle durch die Finanzpolizei und den Niederschriften mit Frau XXXX und Frau XXXX , den Ermittlungen des BVwG und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung vom 18.02.2020.

Der gegenständliche Beurteilungszeitraum ist sehr kurz, sodass bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes vor allem Indizien heranzuziehen sind. Die Vorort-Kontrolle durch die Finanzpolizei erfolgte am 18.04.2015. Es wurden - neben einem hier nicht umfassten Beschäftigten - zwei als Kellnerinnen arbeitende Personen angetroffen; diese Feststellung fußt auf der amtlichen Wahrnehmung des Organes der Finanzpolizei. Die Genannten haben den Bf als für den Betrieb Verantwortlichen, mit dem sie die Beschäftigung ausgemacht haben, bezeichnet (vgl. Niederschriften).

Dem Bf war es im Rahmen seiner Freigang-Bedingungen möglich, die Geschäftsanbahnung vorzunehmen. Das spricht dafür, dass er die praktischen wie rechtlichen Möglichkeiten hatte, einen Bordellbetrieb aufzubauen, um ihn später gegen Provision an einen Käufer zu vermitteln.

Die mündliche Verhandlung, insbesondere die Aussagen des Bf und des Zeugen Dr. XXXX haben ergeben, dass Herr Dr. XXXX bzw. die XXXX zum Zeitpunkt der Betretung nur ein unverbindliches Interesse am Erwerb des Betriebes hatten. Auch der Zeuge XXXX hat in diese Richtung ausgesagt. Die diesbezüglichen Aussagen des Zeugen Dr. XXXX waren glaubhafter als das gegenteilige Beschwerdevorbringen des Bf. Das hat der Bf auch insofern bestätigt, als er meinte, als das Projekt nicht entsprechend lief, hätte man das Interesse am Erwerb verloren und er wäre damit "allein gelassen" worden. Die Frage der belangten Behörde, ob er den Beitragszuschlag an die XXXX oder Frau XXXX weitergeleitet habe, weil er in deren Namen aufgetreten sei, hat er verneint. Er hat sein Vorbringen in der mündlichen Verhandlung darauf konzentriert, dass kein regulärer Barbetrieb, sondern eine geschlossene Gesellschaft, veranstaltet worden sei und daher keine Dienstverhältnisse vorlägen.

Es wurde ein mit 22.04.2015 datierter gewerblicher Mietvertrag - Beginn 01.05.2015 - von Frau XXXX mit einem Herrn XXXX unterzeichnet. Der Letztgenannte hat den Mietvertrag als Vertreter des Mieters des Lokals, der XXXX KG, unterzeichnet; er konnte in der Verhandlung keine klärenden Angaben machen, für wen er die Vereinbarung unterschrieb, er war auch nicht in der Lage, sein Verhältnis zur XXXX KG zu erklären; diese war zum damaligen Zeitpunkt - aber auch vorher und nachher - nicht existent. Es ist daher in Würdigung dieser Umstände davon auszugehen, dass dieser Vertrag nicht zustande kam.

Die Aussagen des Zeugen Dr. XXXX , dass die Bemühungen des Bf um den Betrieb in XXXX nicht im Rahmen zwischen der Justizverwaltung und der XXXX betreffend den Bf als Freigänger bestehenden Beschäftigungsverhältnisses erfolgten, ist unter den gegebenen Umständen glaubhaft.

Auch Frau Adina-Mihaela XXXX und Magdalena XXXX haben angegeben, dass sie mit dem Bf die Beschäftigung am Eröffnungsabend ausgemacht haben, er hat ihnen gegenüber nicht erwähnt, dass er im Auftrag Dritter handelt. Die beiden Zeuginnen sind glaubwürdig, zumal sie am Verfahren keine eigenen Interessen haben.

Wie der Bf vorbringt, war Frau XXXX zwar Inhaberin einer Gewerbeberechtigung zu dieser Zeit, allerdings war es keine einschlägige, sondern für einen kleinen Beherbergungsbetrieb. Diese Tatsache spricht nicht entscheidend dafür, dass sie in ihrem Namen handelte.

Es spielt für die Beurteilung der Beschäftigung keine Rolle, ob es - wie der Bf betonte - eine geschlossene Veranstaltung war, was sich bei den Inseraten in den Zeitungen nur schwer zu begründen ließe.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass der Bf den Betrieb in der Anfangsphase nicht als Mittelsperson geführt hat, sondern auf eigene Rechnung versucht hat, ihn in Gang zu bringen, um beim Verkauf an einen Interessenten eine entsprechende Provision zu lukrieren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1 Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 35 Abs. 1 ASVG gilt als Dienstgeber derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber ihn durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgelts verweist.

Gemäß § 4 Abs 1 Z 1 ASVG sind in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.

Gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hierzu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

3.2 Judikatur zum Dienstgeberbegriff

Zur Frage, auf wessen Rechnung (und Gefahr) ein Betrieb geführt wird, vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass dies jene Person ist, die nach rechtlichen (nicht bloß tatsächlichen) Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird. Es kommt also darauf an, wen das Risiko des Betriebs im Gesamten unmittelbar trifft (vgl. VwGH 28.9.2018, Ra 2015/08/0080).

Unter einem Betrieb im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG ist - unter Rückgriff auf die Judikatur zu § 34 Abs. 1 ArbVG - jede organisatorische Einheit zu verstehen, innerhalb derer eine Person (Personengemeinschaft) mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt, ohne Rücksicht darauf, ob Erwerbsabsicht besteht oder nicht (vgl. VwGH 21.8.2017, Ra 2016/08/0119), jüngst Ra 2016/08/0109 vom 05.12.2019.

Der Bf trat als Veranstalter auf und führte die gesamte Organisation in eigenem Namen durch, indem er die Werbung durchführte, die Musik und das Personal auf seine Rechnung besorgte. Für Frau Adina-Mihaela XXXX und Magdalena XXXX war der Bf der Vertragspartner, sie arbeiteten auf seine Rechnung. Der Bf hat in seinem Namen die behördlichen Vorgespräche geführt. Ein gelungener Eröffnungsabend wäre dem Bf als Projektinitiator geschäftlich zugutegekommen.

3. Prüfung, ob der der Bf für einen Dritten, wie z.B. die XXXX oder Herrn XXXX handelte:

Nach Julcher in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 35 ASVG (Stand 1.6.2017, rdb.at, Rz 16) ist nicht entscheidend, ob eine Person den Betrieb insgesamt selbst führt (indem sie im Betrieb tatsächlich tätig ist) oder ihn durch dritte Personen (Organe, Bevollmächtigte, Beauftragte, Familienangehörige, DN usw) führen lässt, wenn ihr nur im Falle der Betriebsführung durch dritte Personen zumindest die rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme auf die Betriebsführung zusteht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob und inwiefern der DG diese rechtliche Möglichkeit auch tatsächlich wahrnimmt (vgl etwa VwGH 2007/08/0240, ZAS 2009/40, 76 = ARD 5928/7/2009 = taxlex 2009, 123 [Hazivar] = ZfVB 2008/1542). Unerlässlich ist aber, dass die rechtliche Einflussmöglichkeit tatsächlich besteht. Rechtliche Einflussmöglichkeiten idS sind nur solche, die sich aus der Stellung im Betrieb in Bezug auf das Beschäftigungsverhältnis ergeben, nicht aber solche aufgrund anderer Rechtsverhältnisse:

Wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, hat der Bf nicht für die XXXX oder XXXX gehandelt, er hat seine Tätigkeit nicht für einen Dritten ausgeführt, er war an der Betriebsführung beteiligt und hatte auch die entsprechende rechtliche Möglichkeit einer Einflussnahme darauf.

Auch im Auftrag von Frau XXXX ist der Bf nicht tätig geworden, weil sie zwar das Lokal zur Verfügung stellte und sich an den Getränken beteiligt, der Rest wie Personal, Werbung, immaterielle Güter - wie sein Know-How in administrativen Dingen bei Eröffnung eines solchen Bar- und Bordell-Betriebes und seine Verbindungen zu diesem Geschäftszweig - aber vom Bf eingebracht worden sind. Bei Gelingen des Projekts (gut laufender Bar- und Bordellbetrieb) hätte der Bf eine Provision verdient.

Insofern bestand, wenn - auch durch den kurzen Zeitraum nicht so deutlich hervortretend - ein gemeinsamer Betrieb, der von Frau XXXX und dem Bf auf Rechnung und Gefahr geführt wurde. Nach § 67 Abs 1 ASVG kann jede der Personen, die an der Betriebsführung rechtlich beteiligt waren, als Dienstgeber im Sinne des ASVG herangezogen werden.

4. Zur Dienstnehmerinneneigenschaft

4.1 Unter einem Beschäftigungsverhältnis im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ist das dienstliche Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit des Dienstnehmers im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG zum Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG zu verstehen (vgl. VwGH 19.2.2016, 2013/08/0287).

Die Behörde ist dann, wenn jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen arbeitend unter solchen Umständen angetroffen wurde, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, berechtigt, von einem Dienstverhältnis im übliche Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. Erk. Vom 19.12.2012, 2012/08/0156, vom 09.05.2014, 2012/08/0175 mwN).

Ohne deutlich dagegensprechende Elemente sind Beschäftigungen von Kellnerinnen, Bardamen, Animierdamen und Sexarbeiterinnen in Barbetrieben als Dienstverträge einzuschätzen. Das Barpersonal verpflichtete sich zur Dienstleistung im Sinn einer Überlassung der Arbeitskraft.

4.2 Im konkreten Fall:

Das Barpersonal war an diesem Abend in den Betrieb eingegliedert und hat Tätigkeiten erbracht, die typischerweise in einem Dienstverhältnis erbracht werden. Ob es sich dabei um eine geschlossene Gesellschaft gehandelt hat oder um eine "Goodwill-Veranstaltung" für die lokale Bevölkerung, wie der Bf vorgebracht hat, ändert nichts an dieser Einschätzung; die Genannten wurden bei Kellnerinnentätigkeiten angetroffen, sodass die Annahme gerechtfertigt ist, sie wurden als solche eingestellt; auch der Hinweis auf uU auch erbrachte Sex- und Animierdienstleistungen ändert nichts an der Einschätzung.

Die wirtschaftliche Abhängigkeit ergab sich zwangsläufig aus der persönlichen Abhängigkeit.

Es entstand durch die Tätigkeit ein arbeitsrechtlicher Anspruch auf Entgelt, unabhängig davon, dass der Lohn schließlich nicht bezahlt wurde.

Davon ausgehend - in Übereinstimmung mit der Beurteilung im angefochtenen Bescheid - war der Bf als Dienstgeber im Sinn des § 35 Abs. 1 ASVG der in abhängigen Dienstverhältnissen nach § 4 Abs. 1 Z 1 iVm. Abs. 2 ASVG beschäftigten Gastgewerbepersonals (Frau Adina-Mihaela XXXX und Frau Magdalena XXXX ) festzustellen. Es trafen ihn daher auch die Meldepflichten nach § 33 Abs. 1 ASVG.

5. Zur Vorschreibung des Beitragszuschlages nach § 113 Abs 1 Z 1

ASVG:

5.1 Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 113 Abs 1 Z 1 ASVG können den in § 111 Abs. 1 genannten Personen (Stellen) Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1. die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2. die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

3. das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder

4. ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

(2) Im Fall des Abs. 1 Z 1 setzt sich der Beitragszuschlag nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 €. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

§ 33 ASVG haben die Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach diesem Bundesgesetz in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Unbedeutende Folgen liegen nach der Rechtsprechung des VwGH dann vor, wenn sie hinter dem typischen Bild eines Meldeverstoßes zurückbleiben, z.B. wenn die Anmeldung zwar verspätet, aber im Zeitpunkt der Durchführung der Kontrollen bereits vollzogen war (vgl. Erk vom 26.05.2014, 2012/08/0228 u.a.).

Wie oben dargelegt war der Bf als DG verpflichtet, Frau Adina-Mihaela XXXX und Magdalena XXXX nach § 33 ASVG zur Sozialversicherung zu melden, weil sie als Dienstnehmerinnen beschäftigt wurden. Dieser Pflicht ist er nicht nachgekommen, auch nicht nach der Betretung.

Die Höhe des Beitragszuschlages wurde nicht bestritten, sie entspricht dem Gesetz und der Judikatur. Im Besonderen waren die für eine Herabsetzung in § 113 Abs 1 Z 1 ASVG genannten Kriterien nicht erfüllt.

Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragszuschlag, Dienstgebereigenschaft, Dienstnehmereigenschaft,
Meldeverstoß

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W178.2133166.1.00

Zuletzt aktualisiert am

19.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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