TE Vfgh Erkenntnis 2020/3/5 E3084/2019

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch die Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten betreffend einen Staatsangehörigen von Bangladesch; mangelhafte Auseinandersetzung mit den Behandlungsmöglichkeiten der Erkrankung

Spruch

I. 1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Bangladesch und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

2. Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer die mit € 2.616,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Der aus Bangladesch stammende, der Volksgruppe der Bengalen angehörende Beschwerdeführer muslimischen Glaubens ist am 22. November 2016 mittels Visum der Kategorie D (gültig vom 10. November 2016 bis 9. März 2017) in das Bundesgebiet zur Aufnahme eines Studiums eingereist. Am 23. August 2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei den durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erfolgten Befragungen des Beschwerdeführers gab dieser an, dass er ursprünglich nach Österreich kommen habe wollen, um Informatik zu studieren. Er habe sich im Heimatstaat regierungskritisch geäußert, weshalb er – kurz vor der geplanten Ausreise nach Österreich – gekidnappt und vergiftet worden sei. Der Beschwerdeführer sei deshalb im Krankenhaus gewesen, wo er Tabletten bekommen habe. Da er jedoch ein Loch in der Speiseröhre gehabt habe, sei er innerlich vergiftet worden. Die Ärzte in Bangladesch hätten ihm nicht mehr helfen können. In Österreich sei er im Landeskrankenhaus Graz operiert worden und dadurch habe er überlebt.

2. Mit Bescheid vom 30. Oktober 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag gemäß §3 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung von Asyl (Spruchpunkt I) sowie gemäß §8 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung von subsidiärem Schutz in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch ab (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57  AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III). Gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Bangladesch gemäß §46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V). Gleichzeitig wurde eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt VI).

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 5. Juli 2019 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet ab und änderte die Spruchpunkte III., IV. und V. dahingehend ab, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen gemäß §57 AsylG 2005 bis 30. November 2019 erteilt wird (Spruchpunkt III.), gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 eine Rückkehrentscheidung ab 1. Dezember 2019 gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen wird (Spruchpunkt IV) und die Abschiebung gemäß §46 FPG nach Bangladesch ab 1. Dezember 2019 zulässig ist (Spruchpunkt V). Gleichzeitig wurde eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise ab der Verpflichtung zur Rückkehr, somit ab 1. Dezember 2019 gemäß §66 Abs1 bis 3 FPG gesetzt (Spruchpunkt VI). In seinem Erkenntnis stellt das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers fest, dass dieser im Zeitraum von Dezember 2016 bis Jänner 2019 im Landeskrankenhaus Graz mehrmals mittels CT-gezielten Drainagen samt zusätzlicher medikamentöser Behandlung behandelt worden sei. Aus den Befunden des Landeskrankenhauses Graz gehe zusätzlich hervor, dass eine "regelmäßige Vorstellung bzw Kontrollen in der Infektionsambulanz, twl. geplant, tlw. akut" in Aussicht genommen werden würden. Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Hinblick auf die Voraussetzungen für die Erteilung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wörtlich Folgendes aus:

"Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 im vorliegenden Fall nicht gegeben sind.

Daran ändert auch […] der insgesamt differenzierte Gesundheitszustand des BF [nichts]. Wie dem unbestrittenen Befundbericht des LKH Graz vom 31.05.2019 zu entnehmen ist[,] leidet der BF an einem rediziv-Abszess intraabdominell, welches in bestimmten Abständen mittels einer CT-gezielten Drainage (und medikamentös begleitet) behandelt wurde. Wie sich aus dem Verfahrensakt ergibt[,] wurde offensichtlich iZm einer unzureichenden bzw fehlerhaften medizinischen Einschätzung und Betreuung im Herkunft[s]land die tatsächliche Erkrankung des BF nicht erkannt bzw nicht ausreichend behandelt. Die vom proteus mirabilis 3MRGN verursachte Erkrankung, welche mittlerweile einer wiederholten CT-gezielte[n] Drainage bedurfte, ist offensichtlich einer adäquaten Behandlung im HKL nur schwer [zugänglich].

Das BVwG verkennt nicht, dass nach der ständigen Rechtsprechung die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver sein kann, ohne deshalb eine Verletzung des Art3 EMRK auszulösen. Es muss – zur Wahrung der Rechte des BF im Sinne des Art3 EMRK - ein außergewöhnlicher Zustand eintreten, so dass ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben.

Eine derartig schwere Erkrankung liegt aber nicht vor, erhält doch der BF derzeit keinerlei Medikamente. Dass eine – im Falle eines akuten Schubes – neuerliche CT-gezielte Drainage erforderlich sein könnte, mag durchaus gegeben sein, jedoch liegt dies unterhalb des nach Art3 EMRK, oben beschriebenen und geforderten außergewöhnlichen Zustandes."

4. Aus dem vom Bundesverwaltungsgericht dem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Lage in Bangladesch mit Stand vom 13. März 2019 ergibt sich zur medizinischen Versorgung – auf das Wesentliche zusammengefasst – Folgendes:

"Die medizinische Versorgung in Bangladesch ist mit Europa nicht zu vergleichen und ist vielfach technisch, apparativ und/ oder hygienisch problematisch. Die Ausstattung der örtlichen Krankenhäuser ist ungenügend (AA 25.2.2019; vgl AA 27.10.2017). Wegen des Mangels an Ärzten und Rettungsfahrzeugen kann bei Unfällen nicht mit schneller Hilfe gerechnet werden (AA 25.2.2019). Medizinische Einrichtungen in Bangladesch sind äußerst selten. Es herrscht ein eklatanter Mangel an ausgebildeten Doktoren, Krankenschwestern und Spitalsbetten. Schätzungsweise lediglich 12 % aller schweren Krankheitsfälle erreichen das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 12.2018).

In der Hauptstadt Dhaka sowie in Sylhet, Chittagong und Barisal existieren Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Maßnahmen durchgeführt werden können (AA 27.10.2018). In Dhaka bestehen wenige moderne kommerzielle Großkliniken, die Behandlungen nach internationalem Ausstattungsstand und eine gesicherte medizinische Versorgung anbieten. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 27.10.2017; vgl ÖB 12.2018). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden. Wohlhabende Bangladescher und westliche Ausländer ziehen bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vor (AA 27.10.2017). Der Großteil der armen Landbevölkerung ist auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 12.2018).

Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient. Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 27.10.2017).

Ärztlichen Auskünften zufolge sind, im Gegensatz zu ambulanten Behandlungen, längerfristige psychologische und psychiatrische Behandlungen und Betreuungen in Bangladesch nur schwer zu gewährleisten. Nach Erfahrungen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) sind diese Behandlungen sehr teuer. In ländlichen Gebieten sind sie nicht möglich (AA 27.10.2017). Vor allem NGOs und Entwicklungshilfeinstitutionen sind um Verbesserungen der medizinischen Versorgung bemüht, zB durch Impfprogramme für Kinder gegen weit verbreitete Krankheiten wie Tuberkulose. Bangladesch hat nur eine niedrige Rate an HIV/Aids-Infizierten gilt aber als potenziell stark gefährdetes Land (ÖB 12.2018).

Abgesehen von einer Reihe medizinischer Hilfsprojekte von NGOs gibt es praktisch keine kostenlose medizinische Versorgung. Eine beitragsabhängige medizinische Versorgung niedrigen Standards ist gewährleistet (AA 27.10.2017). Staatliche Gesundheitseinrichtungen, soweit vorhanden, behandeln Patienten gratis oder gegen minimale Gebühren (ÖB 12.2018; vgl MedCOI 7.6.2017). Dennoch müssen die Patienten inoffizielle Zahlungen an Personal und Mittelsleute leisten, um überhaupt eine Behandlung erhalten zu können (MedCOI 7.6.2017). Es ist üblich, dass Patienten notwendige medizinische Behelfe wie Spritzen, Infusionsflüssigkeiten, Verbände, Röntgenplatten und sogar chirurgische Instrumente selbst kaufen und zur Verfügung stellen (MedCOI 28.3.2018).

Ein staatliches Sozial- und Krankenversicherungssystem existiert, bis auf geringe Beihilfen zum Existenzminimum an Senioren, nicht (AA 27.10.2017). Das Arbeitsrecht 2006 sieht vor, dass Firmen mit mindestens 300 Arbeitnehmern vor Ort medizinische Einrichtungen bereitstehen sollten. Der Arbeitnehmer zahlt keine Prämie, die gesamten Kosten werden vom Arbeitgeber getragen (USSSA 3.2017)."

5. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im Recht auf Gleichheit von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973), dem Recht auf Leben gemäß Art2 EMRK, dem Recht auf Achtung des Privat-und Familienlebens gemäß Art8 EMRK und keiner unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden (Art3 EMRK) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses seinem gesamten Umfang nach beantragt wird.

Begründend wird dazu Folgendes vorgebracht: Das Bundesverwaltungsgericht habe in seiner Entscheidung Willkür geübt, weil es bei der Prüfung des vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten asylrelevanten Fluchtgrundes, den von ihm vorgelegten Haftbefehl, der gegen ihn in Bangladesch wegen seiner regierungskritischen Äußerungen vorliege, nicht berücksichtigt habe. Auf Grund der kritischen Äußerungen drohe dem Beschwerdeführer auch eine Verletzung seiner nach Art2 und 3 EMRK gewährleisteten Rechte. Aus den Länderberichten ergebe sich, dass die für den Beschwerdeführer unbedingt erforderliche medizinische Behandlung im Herkunftsstaat nicht gewährleistet werden könne. Dies stelle für den Beschwerdeführer eine lebensbedrohliche Situation dar, weshalb seine Abschiebung auch unter diesem Gesichtspunkt gegen Art2 und 3 EMRK verstoße. Das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK sei verletzt, weil das Bundesverwaltungsgericht bei der diesbezüglichen Interessenabwägung die familiären Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers im Bundesgebiet und seine vorbildliche Integration in allen Lebensbereichen nicht hinreichend berücksichtigt habe.

6. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vorgelegt. Von der Möglichkeit, eine Äußerung zu erstatten, hat es keinen Gebrauch gemacht.

II. Erwägungen

A. Soweit sich die – zulässige – Beschwerde gegen die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch und gegen den Ausspruch der Frist zur freiwilligen Ausreise richtet, ist sie begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

2.1. Im Hinblick auf die Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Beschwerdeführer an einem "rediziv-Abszess intraabdominell" leide, innerhalb von 3 Jahren mehrfach mittels CT-gezielten Drainagen behandelt worden sei und es durchaus möglich sei, dass ein akuter Schub beim Beschwerdeführer auftreten könne, hätte sich das Bundesverwaltungsgericht mit dem entsprechenden Vorbringen näher auseinander setzen müssen. Dies schon deshalb, weil das Bundesverwaltungsgericht selbst in seinen Ausführungen davon ausgeht, dass sich der Beschwerdeführer derzeit in Behandlung im Landeskrankenhaus Graz befindet (vgl S 10 des angefochtenen Erkenntnisses), auch wenn er – wie das Bundesverwaltungsgericht weiters feststellt – zur Zeit keine Medikamente zu sich nimmt (vgl S 53 des angefochtenen Erkenntnisses).

Vor dem Hintergrund der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers durchaus differenziert, seine Erkrankung im Herkunftsland unzureichend und fehlerhaft behandelt worden und eine adäquate Behandlung im Herkunftsland nur schwer möglich sei, hätte sich das Bundesverwaltungsgericht – unter Heranziehung der Länderberichte – auch mit diesen Punkten auseinandersetzen müssen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im vorliegenden Fall in nicht ausreichendem Ausmaß mit der individuellen Situation des Beschwerdeführers im Falle der Rückkehr nach Bangladesch auseinandergesetzt und hat die für diese Auseinandersetzung maßgeblichen Ermittlungsschritte unterlassen. Neben einer (stringenten) Würdigung der Schwere der Erkrankung des Beschwerdeführers, fehlt auch eine konkrete Auseinandersetzung bezüglich der Behandlungsmöglichkeiten des Beschwerdeführers im Heimatstaat (zur Maßgeblichkeit insbesondere dieser Kriterien siehe das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 13. Dezember 2016 [GK], Fall Paposhvili, Appl 41738/10, Z189 f., vgl zB auch VfGH 11.6.2019, E2094/2018; 11.6.2019, E3796/2018, 4.3.2020, E2373/2019 ua).

2.2. Soweit sich das Erkenntnis auf die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und – daran anknüpfend – auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Rückkehrentscheidung bzw auf die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise bezieht, ist es mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben.

B. Im Übrigen (hinsichtlich der Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten) wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

1. Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

2. Die Beschwerde behauptet bezüglich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten keine Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, begehrt jedoch die Aufhebung des Erkenntnisses im vollen Umfang. Eine allfällige Rechtsverletzung bezüglich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten wäre nur die Folge einer unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifische verfassungsrechtliche Überlegungen wären nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

IV. Ergebnis

1. Der Beschwerdeführer ist durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch abgewiesen wird sowie eine Rückkehrentscheidung ab 1. Dezember 2019 erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Bangladesch ab 1. Dezember 2019 festgestellt und die 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ab 1. Dezember 2019 festgesetzt wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl  390/1973) verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– enthalten.

Schlagworte

Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E3084.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.07.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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