TE Vwgh Erkenntnis 1998/3/31 97/13/0225

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Veröffentlicht am 31.03.1998
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §303;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der F-Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Rudolf Jirovec, Rechtsanwalt in Wien I, Bauernmarkt 24, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat XI) vom 23. Oktober 1995, Zl 6/95/5057/07-1, betreffend Zurückweisung des Wiederaufnahmeantrages betreffend die Umsatz-, Körperschaft- und Gewerbesteuer 1987 und 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 12. Mai 1995 einen Antrag auf Wiederaufnahme von mit Bescheiden abgeschlossenen Abgabenverfahren. Als Wiederaufnahmegrund wurde das Neuhervorkommen von Beweismitteln behauptet, welche in den abgeschlossenen Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht hätten geltend gemacht werden können. In diesen Verfahren seien zwei Eingangsrechnungen für Mietkosten der L-GmbH als Scheinrechnungen beurteilt worden, weil Angaben darüber, für welche Objekte die Miete angefallen sei, gefehlt hätten, über die angegebenen An- und Vermietungen keine vertraglichen Vereinbarungen vorgelegen und den Gesellschaftern der L-GmbH die Vorgänge nicht bekannt gewesen seien. Das wesentliche Argument für die Einstufung der beiden Eingangsrechnungen als Scheinrechnung sei gewesen, daß die L-GmbH weder Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt abgegeben noch Umsatzsteuer abgeführt habe. Die neu hervorgekommenen Beweismittel seien Zweitschriften der Umsatzsteuererklärungen für 1987 und 1988 der L-GmbH, welche dem einschreitenden steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin am 22. März 1995 zugekommen seien, weshalb die Antragstellung rechtzeitig erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin müsse sich diese Kenntnisnahme durch ihren steuerlichen Vertreter zurechnen lassen. Dem Antrag wurde jeweils die erste Seite der betreffenden Umsatzsteuererklärungen angeschlossen.

Das Finanzamt wies den Antrag mit der Begründung zurück, der Zeitpunkt der Kenntniserlangung vom Wiederaufnahmegrund sei nicht nachgewiesen, sondern nur behauptet worden. Dieser Mangel stelle kein verbesserbares Formgebrechen dar, weil "er ein Erfordernis des Inhaltes des Wiederaufnahmeantrages ist". Weiterer notwendiger Inhalt des Antrages auf Wiederaufnahme eines Verfahrens sei es, den tauglichen Wiederaufnahmegrund hinreichend konkret und schlüssig darzutun, weil die Abgabenbehörde keine Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung treffe, ob aus der Sicht der Partei ein tauglicher Wiederaufnahmegrund vorliegen könnte. Dies sei nicht geschehen, weil nur jeweils die erste Seite zweier Umsatzsteuererklärungen vorgelegt worden sei.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid Berufung, in welcher insbesondere das Antragsvorbringen hinsichtlich der geltend gemachten Wiederaufnahmegründe betont und die Ansicht vertreten wurde, die Auffassung der Behörde, daß die Rechtzeitigkeit der Antragstellung "(in anderer Form)" hätte nachgewiesen werden müssen, sei verfehlt. Daneben wandte sich die Beschwerdeführerin auch dagegen, daß ein Wiederaufnahmegrund nicht ausreichend tauglich und schlüssig dargelegt worden sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung mit der Begründung ab, daß sich der Senat der Meinung des Finanzamtes anschließe, wonach die Voraussetzungen der beantragten Wiederaufnahme nicht vorgelegen seien, weil die Vorlage von Kopien der ersten Seite der Umsatzsteuererklärungen 1987 und 1988 nicht die Kenntnis der Erlangung eines Wiederaufnahmegrundes im Sinne des § 303 Abs 2 BAO beweise und im Ansuchen keine tauglichen Wiederaufnahmegründe hätten genannt werden können.

Die Beschwerdeführerin erhob gegen diese Entscheidung zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung mit Beschluß vom 8. Oktober 1997, B 4/96-7, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof rügte die Beschwerdeführerin sowohl die Behauptung, es lägen keine tauglichen Wiederaufnahmegründe vor, als auch, daß sich die belangte Behörde mit ihrem Berufungsvorbringen zur Rechtzeitigkeit ihres Wiederaufnahmeantrages nicht auseinandergesetzt habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ein Anbringen, mit dem die Wiederaufnahme des Verfahrens im Sinne des § 303 BAO beantragt wird, muß die konkreten Umstände darlegen, die als Behauptung eines bestimmten Wiederaufnahmegrundes und seiner rechtzeitigen Geltendmachung erkennbar sind. Aus dem Antrag muß sich dabei auch ergeben, daß alle von der wiederaufzunehmenden Sache Betroffenen unverschuldet bis zur Rechtskraft des Bescheides nicht entsprechend Einfluß nehmen konnten. Das Fehlen von Hinweisen auf die Konkretisierung der Wiederaufnahmsgründe sowie darüber, daß die Gründe ohne Verschulden im abgeschlossenen Verfahren nicht geltend gemacht werden konnten, sind inhaltliche Mängel. Ein solcher sachlich mangelhafter Antrag ist zurückzuweisen (vgl das hg Erkenntnis vom 24. Februar 1998, Zl 95/13/0074, mwN).

Vor diesem Hintergrund ist die belangte Behörde im Beschwerdefall zu Recht davon ausgegangen, daß der Wiederaufnahmeantrag keine Konkretisierung eines tauglichen Wiederaufnahmegrundes enthält. Die Beschwerdeführerin stützte sich nämlich ausschließlich auf das Neuhervorkommen von Umsatzsteuererklärungen der L-GmbH. Abgesehen davon, daß die Beschwerdeführerin im Wiederaufnahmeantrag nicht einmal behauptet hat, daß die betreffenden, der Beschwerdeführerin in Rechnung gestellten Leistungen in diesen Umsatzsteuererklärungen tatsächlich erfaßt seien, wurde nicht dargestellt, inwiefern die Umsatzsteuererklärungen als solche unter Berücksichtigung deren vorgegebener, die Beschreibung einzelner Umsätze nicht umfassender Inhalte geeignet sein sollen, einen Beitrag zur Beurteilung oder Widerlegung einzelner Rechnungen als Scheinrechnung zu leisten. Auch das von der Beschwerdeführerin als wesentlich für die Beurteilung der Eingangsrechnungen als Scheinrechnungen bezeichnete Argument, daß die L-GmbH keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben und keine Umsatzsteuer abgeführt habe, wird durch die neu hervorgekommenen Beweismittel in keiner Weise widerlegt, weil die Einreichung von Umsatzsteuererklärungen weder dem Unterbleiben der Einreichung von Umsatzsteuervoranmeldungen noch dem Unterbleiben einer Abführung von Umsatzsteuer an das Finanzamt entgegensteht.

Mangels Konkretisierung jeglichen tauglichen Wiederaufnahmegrundes - worin bereits allein ein die Zurückweisung rechtfertigender inhaltlicher Mangel zu erblicken ist - kommt aber dem Umstand, daß sich die belangte Behörde mit der Frage der Rechtzeitigkeit der Antragstellung nicht auseinandergesetzt hat, keine Bedeutung zu.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde (im Zusammenhalt mit den an den Verfassungsgerichtshof vorgelegten Verwaltungsakten) erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen - in ihrem Recht auf ordnungsgemäße Abgabenfestsetzung wurde die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Behauptung schon deshalb nicht verletzt, weil es sich beim angefochtenen Bescheid um einen verfahrensrechtlichen, die begehrte Wiederaufnahme abgeschlossener Abgabenverfahren ablehnenden Bescheid handelt, welcher keine Abgabenfestsetzung zum Inhalt hat - war die Beschwerde gemäß § 35 Abs 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997130225.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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