TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/2 98/10/0001

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Veröffentlicht am 02.04.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
70/06 Schulunterricht;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §58 Abs2;
AVG §60;
SchUG 1986 §75 Abs1;
SchUG 1986 §75 Abs3;
SchUG 1986 §75 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwRallg;
ZPO §271 impl;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des D in Graz, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des Bundesministers für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten vom 19. November 1997, Zl. 4.420/20-II/2d/97, betreffend Anerkennung der Gleichwertigkeit eines ausländischen Zeugnisses, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 18. November 1997 beantragte der Beschwerdeführer beim Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten, sein vom Komplex der Berufsschulen Nr. 2 in Wroclaw ausgestelltes (polnisches) Reifeprüfungszeugnis des Berufstechnikums, Fachbereich Reparatur und Nutzung der Kraftfahrzeuge, als einem österreichischen Zeugnis gleichwertig anzuerkennen.

Über diesen Antrag entschied die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid, dessen Spruch - soweit hier von Belang - wie folgt lautet:

"Das Reifeprüfungszeugnis des Berufstechnikums, Fachbereich Reparatur und Nutzung der Kraftfahrzeuge, ausgestellt vom Komplex der Berufsschulen Nr. 2 in Wroclaw für DO wird gemäß § 45 Abs. 1 des Schulunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 472/1986 in der geltenden Fassung, nach erfolgreicher Ablegung der im folgenden angeführten Prüfungen als einem Reife- und Diplomprüfungszeugnis einer Höheren Lehranstalt für Maschinenbau, Ausbildungszweig Kraftfahrzeugbau, gleichwertig anerkannt werden. Damit gewährt das nostrifizierte Zeugnis gemäß § 75 Abs. 5 leg. cit. die gleichen Berechtigungen wie das österreichische Zeugnis mit dem es gleichgehalten wird, ausgenommen die Berechtigungen auf Grund des Berufsausbildungsgesetzes und der Gewerbeordnung 1973 in der geltenden Fassung wie sie mit dem durch das österreichische Zeugnis nachgewiesenen erfolgreichen Schulbesuch verbunden sind.

Die Nostrifikation wird nach dem Nachweis der erfolgreichen Ablegung der im folgenden angeführten Prüfungen gemäß § 75 Abs. 6 leg. cit. auf dem Originalzeugnis (oder auf einem damit amtlich fest verbundenen Anhang) beurkundet.

Prüfungen, von deren erfolgreicher Ablegung die Anerkennung (Nostrifikation) abhängig ist:

1.

Mündliche Prüfung aus EDV und angewandte EDV

2.

mündliche Prüfung aus Mechanik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

3.

mündliche Prüfung aus Fertigungstechnik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

4.

mündliche Prüfung aus Wirtschaftliche Bildung und Betriebstechnik

5.

mündliche Prüfung aus Meß-, Steuerungs- und Regelungstechnik

6.

mündliche Prüfung aus Leichtbau

7.

schriftliche Prüfung aus Konstruktionsübungen (eingeschränkt auf den Lehrstoff des IV. und V. Jahrganges)

8.

mündliche Prüfung aus Elektrotechnik und Elektronik (eingeschränkt auf den Lehrstoff des V. Jahrganges)

gemäß Verordnung des Bundesministers für Unterricht und Kunst, BGBl. Nr. 682/92."

Begründend wurde nach Zitat von § 75 Abs. 1, 3 und 4 SchUG dargelegt, die vom Beschwerdeführer abgelegten Prüfungen entsprächen nur zum Teil den Anforderungen für ein Zeugnis, mit dem die Gleichhaltung angestrebt werde. Die durch die oben angeführten Prüfungen nachzuweisenden Lehrinhalte, die im Bildungsgang der Ausbildung, mit welcher die Gleichhaltung angestrebt werde, ein wesentlicher Bestandteil seien, hätten durch die vorgelegten Zeugnisse nicht vollständig nachgewiesen werden können. Daher sei die Nostrifikation von der erfolgreichen Ablegung der im Spruch festgelegten Prüfungen abhängig zu machen. Unter der Überschrift "Hinweis" wird sodann u. a. dargelegt, die Berechtigungen auf Grund des Berufsausbildungsgesetzes und der Gewerbeordnung, wie sie mit dem durch ein österreichisches Zeugnis nachgewiesenen erfolgreichen Schulbesuch verbunden seien, würden gemäß § 75 Abs. 5 SchUG in der geltenden Fassung nicht zuerkannt, da auf Grund der nachgewiesenen Ausbildungsinhalte die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht ausreichend bekannt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die - der Erklärung nach - Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend macht. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, es sei ihm zum festzustellenden Sachverhalt, insbesondere zu dem in Betracht kommenden ausländischen Recht, das Parteiengehör nicht gewährt worden. Der angefochtene Bescheid sei mangelhaft begründet, weil nicht ersichtlich sei, welche Feststellungen die belangte Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung zugrunde lege. Es werde in keiner Weise begründet, inwieferne die vom Beschwerdeführer abgelegten - im einzelnen bezeichneten - Prüfungen den Anforderungen für ein Zeugnis, mit dem die Gleichhaltung angestrebt werde, nicht entsprächen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und erklärt, von der Erstattung einer Gegenschrift in Anbetracht der Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1987, Zl. 87/10/0157, und vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0180, Abstand zu nehmen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 75 Abs. 1 erster Satz SchUG sind Zeugnisse über einen im Ausland zurückgelegten Schulbesuch oder über im Ausland abgelegte Prüfungen von Personen mit ordentlichem Wohnsitz im Inland oder von österreichischen Staatsbürgern mit ordentlichem Wohnsitz im Ausland auf deren Ansuchen vom Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten mit einem Zeugnis über einen Schulbesuch oder die Ablegung von Prüfungen im Sinne dieses Bundesgesetzes als gleichwertig anzuerkennen (Nostrifikation), wenn glaubhaft gemacht wird, daß die Nostrifikation für das Erlangen einer angestrebten Berechtigung oder eines angestrebten Anspruches erforderlich ist und die in den folgenden Bestimmungen festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 75 Abs. 3 leg. cit. hat der Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zu prüfen, ob der Schulbesuch und die abgelegten Prüfungen den Anforderungen für ein Zeugnis entsprechen, mit dem die Gleichhaltung angestrebt wird. Soweit den Anforderungen nach Abs. 3 nur zum Teil entsprochen wird, ist zufolge § 75 Abs. 4 leg. cit. die Nostrifikation vom erfolgreichen Besuch einzelner Schulstufen oder Unterrichtsgegenstände als außerordentlicher Schüler oder von der erfolgreichen Ablegung von Prüfungen abhängig zu machen.

Im Grunde des § 75 Abs. 3 SchUG war es Aufgabe der belangten Behörde, zu prüfen, ob der Schulbesuch des Beschwerdeführers und die von ihm abgelegten Prüfungen den Anforderungen für jenes Zeugnis entsprechen, mit dem er die Gleichhaltung begehrte (vgl. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Februar 1988, Slg. 12.624/A, und vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0180).

Gemäß § 37 AVG ist Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen zu geben. Nach § 45 Abs. 3 AVG ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen.

Das auf Grund der Bestimmungen des § 75 Abs. 1, 3 und 4 SchUG in Betracht kommende ausländische Recht ist als Tatsache anzusehen. Die Ermittlung dieses Rechts ist Gegenstand der Beweisaufnahme, deren Ergebnis dem Parteiengehör im Sinne des § 45 Abs. 3 AVG unterliegt (vgl. die Erkenntnisse vom 21. Dezember 1987, Zl. 87/10/0157, und vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0180).

Im angefochtenen Bescheid wird die beantragte Nostrifikation von der erfolgreichen Ablegung von Prüfungen abhängig gemacht. Dem Standpunkt des Beschwerdeführers wurde somit nicht vollinhaltlich Rechnung getragen. Der angefochtene Bescheid war daher zu begründen (vgl. § 58 Abs. 2 AVG). Nach § 60 AVG hatte die belangte Behörde dabei die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Diesen Anforderungen wird weder das der Erlassung des Bescheides vorangegangene Verfahren noch die Begründung des angefochtenen Bescheides gerecht. Was die im Beschwerdefall maßgebende Frage betrifft, ob die Nostrifikation von der Ablegung von Prüfungen in den im Spruch aufgezählten Gegenständen abhängig gemacht werden durfte, erschöpft sich die Begründung des angefochtenen Bescheides in dem Hinweis, die vom Beschwerdeführer abgelegten Prüfungen entsprächen nur zum Teil den Anforderungen für ein Zeugnis, mit dem die Gleichhaltung angestrebt werde. Die durch die angeführten Prüfungen nachzuweisenden Lehrinhalte, die im Bildungsgang der Ausbildung, mit der die Gleichhaltung angestrebt werde, ein wesentlicher Bestandteil seien, hätten durch die vorgelegten Zeugnisse nicht vollständig nachgewiesen werden können. Dieser Hinweis läßt nicht erkennen, auf Grund welcher Ermittlungsergebnisse und auf Grund welcher rechtlichen Überlegungen (vgl. hiezu die Erkenntnisse vom 24. März 1980, Zl. 2121/77, vom 22. März 1993, Zl. 92/10/0403, vom 29. März 1993, Zl. 92/10/0149, und vom 27. November 1995, Zl. 94/10/0180) die belangte Behörde zu der Schlußfolgerung gelangte, der Schulbesuch des Beschwerdeführers und die von ihm abgelegten Prüfungen entsprächen nicht den Anforderungen für das Zeugnis, mit dem die Gleichhaltung angestrebt werde.

Kommt die belangte Behörde der oben umschriebenen Begründungspflicht nicht nach, dann ist einerseits der Beschwerdeführer, da er über die Ergebnisse des Beweisverfahrens und die für die rechtliche Subsumtion maßgebenden Erwägungen keine Kenntnis erlangt, an der Verfolgung seiner Rechte gehindert, andererseits der Verwaltungsgerichtshof nicht in der Lage, die Prüfung des angefochtenen Bescheides auf die Rechtmäßigkeit seines Inhaltes vorzunehmen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 vwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Verwaltungsrecht Internationales Rechtsbeziehungen zum Ausland VwRallg12Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998100001.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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