Entscheidungsdatum
07.08.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W127 2221205-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Dr. Fischer-Szilagyi über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.05.2019, Zl. 1090566206-190544959, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte I, III bis VII des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und werden diese Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides ersatzlos behoben.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 Abs. 4 AsylG stattgegeben und die Aufenthaltsberechtigung des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund des Antrages vom 13.03.2019 um zwei weitere Jahre bis zum 12.06.2021 verlängert.
B)
Die Revision ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist in die Republik Österreich eingereist und hat am 09.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.06.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).
In der Begründung zu Spruchpunkt II. stellte die belangte Behörde fest, dass keiner der Familienangehörigen des Beschwerdeführers in Afghanistan lebe, sondern diese im Iran, Teheran leben würden. Da der Beschwerdeführer in Afghanistan über keine sozialen oder familiären Netzwerke verfüge, wäre er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan vollkommen auf sich alleine gestellt und jedenfalls gezwungen, nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten in Afghanistan zu verfügen. Wie aus den Länderberichten ersichtlich sei, sei die Versorgung mit Wohnraum und Nahrungsmittel insbesondere für alleinstehende Rückkehrer ohne jeglichen familiären Rückhalt fast nicht möglich, zudem auch keine diesbezügliche staatliche Unterstützung zu erwarten sei. Im Fall des Beschwerdeführers gehe die Behörde davon aus, dass nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden könne, dass er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer realen Gefahr im Sinne des Artikel 3 EMRK ausgesetzt wäre.
3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.06.2017 wurde - ohne nähere Begründung, da dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben wurde - die befristete Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers bis zum 15.06.2019 verlängert.
4. Am 08.03.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG und legte unter anderem ein Zeugnis über die Pflichtschulabschluss-Prüfung vom 15.12.2017 sowie eine Einstellungszusage als Lehrling bei der XXXX mit 01.08.2019 vor.
5. Am 28.05.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari einvernommen.
6. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der dem Beschwerdeführer mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), der Antrag vom 13.03.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen (Spruchteil II.) und die mit Bescheid vom 12.06.2017 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt III.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt V.). Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt VI.). Es wurde ausgesprochen, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VII.).
In der Begründung führte die belangte Behörde insbesondere aus, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15.06.2016 der Status des subsidiär Schutzberechtigten lediglich zuerkannt worden sei, weil "aufgrund der Tatsache, dass Sie keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in der Heimatsprovinz haben, nicht ausgeschlossen werden konnte, dass Sie im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebungen oder Abschiebung, in Afghanistan als Zivilperson einer realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens ausgesetzt wären". Die subjektive Lage des Beschwerdeführers habe sich jedoch im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert, als ihm nunmehr eine Rückkehr nach Afghanistan, speziell nach Herat oder Mazar-e Sharif zuzumuten sei, zumal er im Rahmen seines Aufenthaltes in Österreich "unweigerlich über einen Zuwachs an Lebenserfahrung gesammelt" habe, sodass er nun auch auf sich alleine gestellt seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Was die Lebenserfahrung betreffe, sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass er mit seinem "Aufenthalt in Österreich auch bereits von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen, was Ihnen [dem Beschwerdeführer] zweifelsohne im Falle einer Rückkehr in Anbetracht des damit gewonnen Erfahrungsschatzes zugutekommen und entsprechend hilfreich sein" werde. Wenn es um die Frage nach in Afghanistan bestehenden Netzwerken gehe, sei vor allem auf die Existenz der Verbindungen der Volksgruppe der Hazara sowohl auf internationale als auch nationale Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer nach Afghanistan hinzuweisen. "Die breite Palette an solchen ermöglichte es Ihnen [dem Beschwerdeführer] schon von Österreich aus, einen zumutbaren Weg und Ansatz für die Wiedereingliederung in die afghanische Gemeinschaft, insbesondere in Herat oder Mazar-e Sharif, zu ergreifen". In Österreich sei es dem Beschwerdeführer gelungen, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten sowie die im Alltag immer wieder auftauchenden Schwierigkeiten in den diversen Bereichen zu bewältigen, sodass es ihm zuzumuten sei, mit seiner neu gewonnenen Lebenserfahrung auch in Afghanistan zumutbar leben zu können. Auch könne er nun auf eine Vielzahl an internationalen Einrichtungen zurückgreifen, die Rückkehrer unterstützen, und könne eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für einen Neubeginn im Heimatland gewährt werden, wobei er vom ersten Informationsgespräch bis zur tatsächlichen Rückreise in einer Einrichtung beraten, begleitet und umfassend unterstützt werden würde. Gerade darin liege der Unterschied zum Entscheidungszeitpunkt, als dem Beschwerdeführer subsidiärer Schutz gewährt worden sei. Der Beschwerdeführer sei absolut arbeitsfähig, könne Hilfsarbeiten jeglicher Art verrichten und damit die grundlegendsten Bedürfnisse abdecken. Im Gegensatz zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes sei derzeit von einer Situation auszugehen, die kein familiäres Netzwerk erfordere, um die Sicherstellung des Lebensunterhaltes zu gewährleisten.
7. Hiegegen wurde Rechtsmittel erhoben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl im gesamten Umfang angefochten. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die Beweiswürdigung der belangten Behörde unschlüssig und nicht nachvollziehbar sei. Ungeklärt sei geblieben, worin die neu gewonnene Lebenserfahrung des Beschwerdeführers bestehe und inwiefern sich seine Situation im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan dadurch geändert habe. Auch bei der Einschätzung der belangten Behörde, wonach der Beschwerdeführer auf bestehende Netzwerke zurückgegriffen habe - wobei offen geblieben sei, auf welche Netzwerke -, bleibe unklar, welche konkreten Änderungen in der Situation des Beschwerdeführers dies bewirken würde. Auch die Unterstützungsleistungen, die der Beschwerdeführer nach Ansicht der belangten Behörde nunmehr in Anspruch nehmen könne, bestünden schon länger. Alle Umstände, die der Entscheidung vom 15.05.2016 zugrunde gelegen seien, hätten sich nicht geändert.
8. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 12.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und hat als Minderjähriger am 09.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Der Beschwerdeführer ist im Iran geboren und aufgewachsen und hat seit seiner Kindheit nicht mehr in Afghanistan gelebt. Er verfügt weiterhin über keine Anknüpfungspunkte in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer ist nunmehr volljährig, arbeitsfähig und leidet an keinen schweren Erkrankungen. Er ist ledig und hat keine Kinder. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben weiterhin im Iran. Der Beschwerdeführer hat in Österreich die Pflichtschulabschlussprüfung bestanden. Er hat die Zusage, mit 01.08.2019 eine Lehre als Einzelhandelskaufmann zu beginnen.
Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig.
Dass sich die individuelle Situation des Beschwerdeführers sowie die humanitäre Lage bzw. die Sicherheits- und Versorgungslage seit dem 15.06.2015 (Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten) nachhaltig und wesentlich verändert bzw. verbessert hat, kann nicht festgestellt werden.
1.2. Zur allgemeinen Lage in Afghanistan und der Situation des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt:
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Schätzungen zufolge sind 40 % Pashtunen, rund 30 % Tadschiken, ca. 10 % Hazara, 9 % Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnischen Minderheiten. Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen können allerdings weiterhin in Konflikten und Tötungen resultierten.
Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Die Taliban umkämpften Distriktzentren, konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus.
Einst als relativ sicher erachtet ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.
Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4 % im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17 % im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16 % aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.
Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. In den Jahren 2016-2017 stieg die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6 % gelegen hatte, um 1 %. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40 % der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.
Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen.
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z.B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Länderfeststellungen beruhen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Afghanistan gewährleistet, und offenkundig auch dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurde.
Im Ergebnis ist auch nicht zu erkennen, dass sich seit der Erlassung des bekämpften Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidende Lageveränderung ergeben hätte, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u.a. durch Einschau in die aktuellen EASO-Bericht vom April 2019 und Juni 2019) versichert hat.
2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers sowie zu seinen familiären Verhältnissen beruhen auf den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Laufe des Asylverfahrens, die auch seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl dem angefochtenen Beschied zugrunde gelegt wurden.
Auch die Feststellungen zum Familien- und Privatleben des Beschwerdeführers in Österreich beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl und den vorgelegten Unterlagen.
Zur individuellen Situation des Beschwerdeführers ist auszuführen, dass eine diesbezügliche nachhaltige und wesentliche Änderung nicht ersichtlich ist. Die belangte Behörde stützte die von ihr konstatierte Änderung der subjektiven Lage darauf, dass dem Beschwerdeführer Rückkehrhilfe aus nationalen und internationalen Angeboten zur Verfügung stehe, ihm finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital gewährt würde sowie, dass eine Diskriminierung von Rückkehrer nicht zu erwarten sei. Dazu ist festzuhalten, dass IOM bereits seit dem Jahr 2016 Rückkehrhilfe vor allem von unbegleiteten minderjährigen Kindern und Jugendlichen unterstützt; weiters wurde im Jahr 2016 - somit bereits zum Zeitpunkt des Bescheides der belangten Behörde, mit welchem der Status des subsidiären Schutzes gewährt wurde - in Österreich ein neues Rückkehrhilfeprogramm für Asylwerber aus Afghanistan gestartet. Die belangte Behörde zeigte somit eine wesentliche und nachhaltige Änderung des Sachverhaltes im Vergleich zur heutigen Lage nicht auf.
Weiters legte die belangte Behörde nicht dar, welche Netzwerke der Beschwerdeführer bereits in Anspruch genommen hat bzw. welches Netzwerk ihm nunmehr zur Verfügung steht, das ihm im Jahr 2016 noch nicht zur Verfügung gestanden ist - so argumentierte die belangte Behörde lediglich: "weil zum damaligen Zeitpunkt die nunmehr vorliegenden Netzwerke aller Art nicht in der nunmehr bestehenden Form vorlagen".
Der belangten Behörde ist allerdings zuzustimmen, wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer im Vergleich zu dem Zeitpunkt, in dem ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, nun über neugewonnene Lebenserfahrung verfügt, auch wenn die belangte Behörde diesbezüglich ebenso keine näheren Angaben gemacht hat. In diesem Zusammenhang ist aber auch zu beachten, dass der Beschwerdeführer bereits im Iran eine Schulbildung hatte und Arbeitserfahrung als Hilfsarbeiter am Bau, als Schneider und in der Taschenproduktion hatte, was auch im Bescheid der belangten Behörde festgestellt worden war.
Allerdings hat der Beschwerdeführer unverändert keine Kontakte in den Herkunftsstaat und ist noch nie in Afghanistan aufhältig gewesen. Insgesamt zeigte die belangte Behörde im Vergleich zu den im Zuerkennungsbescheid angenommenen Sachverhaltselementen - die mit dem Verlängerungsbescheid aktualisiert wurden - keine Umstände auf, die eine wesentliche und nachhaltige Veränderung der individuellen Situation des Beschwerdeführers erkennen lassen.
Zur unveränderten Sicherheits- und Versorgungslage bzw. humanitären Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass sich den Feststellungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid zur Lage im Herkunftsstaat nicht entnehmen lässt, dass es zu einer wesentlichen und nachhaltigen Verbesserung der Lage im Herkunftsstaat gekommen ist. Im Wesentlichen wird von einem unverändert anhaltenden innerstaatlichen Konflikt berichtet, von unveränderten Aktivitäten von Aufständischen, von hohen Armuts- und Arbeitslosenraten etc. Die belangte Behörde hat die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nicht, wie im nunmehr angefochtenen Bescheid ausgeführt, darauf gestützt, dass dem Beschwerdeführer kein familiäres und soziales Netz in seiner Heimatsprovinz zur Verfügung stehe, sondern sie hat diese Situation für ganz Afghanistan ausgesprochen. Nunmehr sagt die belangte Behörde, dass dem Beschwerdeführer eine Fluchtalternative in den Städten Mazar-e Sharif und Herat zur Verfügung stehe, obzwar sie selbst darauf hinweist, dass die Situationen in diesen Städten nach wie vor angespannt ist. Hiezu ist weiters zu ergänzen, dass diese beiden Städte auch im Jahr 2015 bzw. 2016 in den Händen der Regierung lagen und sohin auch diesbezüglich keine Änderung der Lage eingetreten ist. Gestützt auf die neuesten Berichte des EASO sowie unter Heranziehung der UNHCR-Richtlinien vom August 2018 kann jedenfalls nicht festgestellt werden, dass sich die Lage im Herkunftsstaat Afghanistan im Allgemeinen wesentlich und nachhaltig verändert und verbessert hat.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§ 28 Abs. 1 VwGVG).
Zu A)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, 1. der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird oder 2. dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen.
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.06.2016 gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und wurde mit Bescheid vom 12.06.2017 die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 15.06.2019 erteilt.
Bei der nunmehr angefochtenen Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stützte sich die belangte Behörde erkennbar auf den zweiten Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ("nicht mehr vorliegen").
In Anlehnung an Artikel 16 der Statusrichtline bedarf es hier (§ 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005) einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Falle seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Artikel 2 EMRK, Artikel 3 EMRK oder des 6. bzw. 13. ZPEMRK zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht, § 9 AsylG 2005, Anm. 11).
Die Anwendung dieses Tatbestandes setzt voraus, dass die Bedrohung, die der Grund für die Erteilung war, nachträglich weggefallen ist. Unter Bedachtnahme auf Artikel 16 Abs. 2 der Statusrichtlinie ist davon auszugehen, dass es sich um grundlegende Veränderungen im Herkunftsstaat handeln muss und dass vom Wegfall der Bedrohung erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum ausgegangen werden darf. Es gilt insofern dasselbe wie hinsichtlich der Asylaberkennung nach § 7 Abs. 1 Z 2 iVm Artikel 1 Abschnitt C Z 5 der Genfer Flüchtlingskonvention (Feßl/Holzschuster, Asylgesetz 2005, S. 327).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 (vgl. Artikel 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht dargetan:
Die Gewährung des subsidiären Schutzes mit Bescheid vom 15.06.2016 begründete die belangte Behörde dahingehend, dass der Beschwerdeführer mangels Anknüpfungspunkte in Afghanistan keine Existenzmöglichkeit in Afghanistan hätte.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde hinsichtlich einer seither eingetretenen Änderung der Lage im Herkunftsstaat insbesondere auf die Schaffung mehrerer Reintegrationsprogramme für alleinstehende Personen hingewiesen. Bei der Prüfung der Rückkehrsituation des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde offenbar von einer innerstaatlichen Fluchtalternative in den Städten Herat und Mazar-e Sharif ausgegangen. Eine Änderung der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers wurde vom Bundesamt insofern ins Treffen geführt, als der Entscheidung der Zuwachs an Lebenserfahrung in Österreich zugrunde gelegt wurden.
Hiezu ist zunächst festzuhalten, dass sich die belangte Behörde bei der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 15.06.2016 nicht konkret auf die damalige Minderjährigkeit des Beschwerdeführers und auch nicht auf eine einzelne Stadt, sondern auf das gesamte Staatsgebiet Afghanistans gestützt hat. Wie bereits festgestellt ist der Beschwerdeführer, der im Iran geboren ist, noch nie in Afghanistan aufhältig gewesen und verfügt unverändert über keine familiären oder sonstigen Kontakte nach Afghanistan. Der Beschwerdeführer ist nunmehr volljährig und hat dadurch, dass er in Österreich Bildungsangebote wahrgenommen hat, zweifellos Lebenserfahrung gewinnen können. Der Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde im zugrundeliegenden Fall jedoch nicht aufgrund der Minderjährigkeit und der sich daraus ergebenden spezifischen Vulnerabilität des Beschwerdeführers gewährt, sondern weil der Beschwerdeführer über keine sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan verfügt. Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren ist, sich nie in Afghanistan aufgehalten hat und daher mit den örtlichen Gegebenheiten in Afghanistan nicht vertraut ist und nunmehr seit 2015 in Österreich lebt, ist daher eine wesentliche Veränderung der Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht zu erkennen, zumal den Länderberichten entgegen den Ausführungen der belangten Behörde auch keine Verbesserung der Gesamtsituation für Rückkehrer nach Afghanistan zu entnehmen ist.
Eine dauerhafte Verbesserung der Lage in Afghanistan, die wohl erst nach einem angemessenen Beobachtungszeitraum feststellbar wäre, ist aus den im Bescheid angeführten Länderberichten keineswegs erkennbar. In den Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 gelangt UNHCR angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage zur Auffassung, dass eine interne Schutzalternative in der Stadt Kabul grundsätzlich nicht verfügbar ist. Dass sich die Lage in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif seit den Entscheidungen des Bundesamtes aus dem Jahr 2016 bzw. 2017 verbessert habe, hat das Bundesamt nicht aufgezeigt, sondern lediglich darauf hingewiesen, dass eine Rückkehr dorthin nunmehr möglich sei.
Darüber hinaus ist hinsichtlich der nunmehrigen Volljährigkeit des Beschwerdeführers und seiner Erwerbsfähigkeit festzuhalten, dass in Afghanistan auch eine Erwerbstätigkeit von Minderjährigen ab 15 Jahren zulässig ist, sofern sie "leichte Arbeiten" im Ausmaß von bis zu 35 Wochenstunden verrichten.
Eine grundlegende Änderung der Umstände ist daher zum Entscheidungszeitpunkt nicht erkennbar.
Die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 liegen sohin gegenständlich nicht vor.
Der Beschwerde war daher stattzugeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben. Dem Beschwerdeführer kommt demzufolge weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug den Herkunftsstaat Afghanistan zu.
Damit mangelt es den übrigen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides an einer rechtlichen Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben waren.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß 21 Abs. 7 BFA-VG in Verbindung mit § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, individuelle Verhältnisse, subsidiärerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W127.2221205.1.00Zuletzt aktualisiert am
15.05.2020