TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/11 W259 2223229-1

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Veröffentlicht am 11.09.2019
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Entscheidungsdatum

11.09.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §57
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W259 2223229-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Ulrike RUPRECHT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX zu Recht:

A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG

behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) stellte am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom XXXX abgewiesen. Gleichzeitig wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihr Heimatland abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde der BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist und ihr eine Frist von 2 Wochen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt.

3. Dagegen wurde keine Beschwerde erhoben und der oben angeführte Bescheid erwuchs in der Folge in Rechtskraft.

4. Mit Mandatsbescheid vom XXXX wurde der BF gem. § 57 Abs. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle XXXX , zu nehmen und dieser Verpflichtung binnen drei Tagen nachzukommen.

5. Gegen diesen am XXXX zugestellten Bescheid erhob die BF mit Schreiben vom 15.07.2019 fristgerecht Vorstellung. Zusammengefasst führte die BF aus, dass das BFA bei der Entscheidung wesentliche Sachverhaltselemente nicht beachtet habe, welche einer Wohnsitzauflage entgegenstehen würden, und die Voraussetzungen für eine Wohnsitzauflage nicht ausreichend substantiiert habe. Die BF wohne seit vier Monaten bei einer österreichischen Familie in XXXX . Sie sei dort aufrecht gemeldet und habe ihren Wohnsitz nicht gewechselt. Die BF befinde sich derzeit in medizinischer Behandlung in XXXX . Sie leide an starken Depressionen und sei derzeit in Behandlung von XXXX. Sie müsse regelmäßig Medikamente einnehmen und habe bereits vier Selbstmordversuche hinter sich. Zudem werde im Rahmen der Grundrechtsabwägung gem. Art 8 EMRK in keiner Weise das Privatleben der BF ins Treffen geführt (AS 95 ff).

6. Der BF wurde mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 21.07.2019 die Möglichkeit eingeräumt, sich zu dem Sachverhalt zu äußern und eine Stellungnahme binnen einer Frist von 14 Tagen abzugeben. Die BF wurde im Zuge dessen belehrt, dass sie mit der Erlassung der entsprechenden Bescheide ohne weitere Anhörung zu rechnen habe, sollte die BF von der Möglichkeit der Stellungnahme keinen Gebrauch machen.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom XXXX , wurde der BF gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu ihrer Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung Betreuungsstelle XXXX , zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.). Das BFA führte insbesondere an, dass die Ziffer 4 des § 57 Abs. 2 FPG im Fall der BF zutreffe. Dies wurde damit begründet, dass die BF durch ihr Verhalten gezeigt habe, dass sie nicht gewillt sei, ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Die Frist für die freiwillige Ausreise habe am 18.06.2019 geendet. Bislang sei sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und zeige kein Interesse daran, den Aufforderungen der Behörde Folge zu leisten (AS 127 ff)

8. Gegen diesen am XXXX persönlich übernommenen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Im Wesentlichen brachte die BF in ihrer Beschwerde vor, dass sich die Behörde mit dem Vorbringen der BF in der Vorstellung überhaupt nicht auseinandergesetzt habe. Die schlechte psychische Verfassung und die Tatsache, dass die BF immer wieder medizinische Behandlung bedürfe, werde von der Behörde ignoriert. Die Begründung der angefochtenen Entscheidung bestehe ausschließlich aus Textbausteinen und würden diese nicht individualisiert sein. Zudem befinde sich die BF seit Juli 2019 in medizinischer Behandlung im Gesundheitszentrum XXXX , wobei sich der psychische Zustand etwas stabilisiert habe. Die BF sei unbescholten, aufrecht gemeldet und sei für die Behörde immer zu erreichen gewesen. Sie habe behördlichen Ladungen stets Folge geleistet. Ein weiterer Ortswechsel würde sich negativ auf die psychische Verfassung der BF auswirken (AS 210 ff).

9. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) am 09.09.2019 vom BFA vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Die BF ist Staatsangehörige von Iran. Die Identität der BF steht nicht fest.

Der unter I. dargestellte Verfahrensgang wird als Feststellung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Person der BF stützen sich auf den Inhalt der Akten des BFA sowie des BVwG. Mangels Vorliegens eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder eines sonstigen unbedenklichen Bescheinigungsmittels im Original steht die Identität der BF nicht fest.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A): Zur Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der

Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen,

wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar,

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung "" gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung "" außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. [...]

Zu Abs. 1:

[...] Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird. [...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen. [...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß § 57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird.

Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

3.1.1. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Die belangte Behörde weist im angefochtenen Bescheid wiederholt darauf hin, dass gegen die BF eine rechtskräftige Ausweisung bzw. Rückkehrentscheidung erlassen wurde, sie die Frist zur freiwilligen Ausreise ungenützt ließ und sich seither unrechtmäßig im Bundesgebiet befindet. Dass dieses Verhalten alleine ausreicht, eine Wohnsitzauflage zu erlassen, ergibt sich weder aus dem Gesetzestext noch aus den oben dargestellten Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG. Zur Erlassung einer Wohnsitzauflage als ultima ratio bedarf es konkreter Umstände des Einzelfalles, die die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

Die belangte Behörde trifft im bekämpften Bescheid die Feststellungen (Unterpunkt "Voraussetzungen für die Erlassung einer Wohnsitzauflage"), dass gegen die BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung und keine Duldung gem. § 46a FPG vorliegt. Zudem wird festgestellt, dass sich die BF über die Ausreiseverpflichtungen illegal in Österreich aufgehalten hat. Festgestellt wird schließlich, dass die BF durch Nichtbefolgung der Aufforderung zur Ausreise gezeigt hat, dass sie nicht bereit ist, ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Nach Wiedergabe des Gesetzestextes zu § 57 Abs. 2 Z 1 bis 5 FPG in den Feststellungen, stellt das BFA ergänzend fest, das im Fall der BF die Ziffer 4 zutrifft und sie durch ihr Verhalten gezeigt hat, dass sie nicht gewillt ist, ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Ihre Frist für die freiwillige Ausreise endete am 18.06.2019 und bislang ist sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Sie zeigt kein Interesse daran den Aufforderungen der Behörde Folge zu leisten.

In der Beweiswürdigung verweist das BFA lediglich auf den Inhalt des BFA-Aktes der BF, die Mitteilung der Rückkehrberatungsorganisation sowie den historischen ZMR Auszug, die Mitteilung der Polizei, die Mitteilung Quartiergeber, etc. Des Weiteren wurde im bekämpften Bescheid angeführt, dass als von der BF vorgelegten Beweismittel die Stellungnahme zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 01.07.2019 herangezogen worden sei. Eine Stellungnahme der BF zum Ergebnis der Beweisaufnahme findet sich jedoch im vorgelegten Akt des BFA nicht. Vielmehr führte das BFA im Verfahrensgang des bekämpften Bescheides selbst an, dass bislang von der BF keine Stellungnahme betreffend die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme eingelangt sei.

Auch in der rechtlichen Beurteilung beschränkt sich das BFA auf die Wiedergabe des Gesetzestextes der Abs. 1 und 2 Z 1 bis 5 des § 57 FPG. Dem folgt eine Interessenabwägung zum Eingriff in Art. 8 EMRK geschützte Rechte.

Die belangte Behörde legt damit im angefochtenen Bescheid somit nicht nachvollziehbar dar, zu welchem Ermittlungsergebnis sie gelangt ist, worauf sich dieses stützt und welche bestimmten Tatsachen im Sinne des § 57 FPG die Annahme rechtfertigen, die BF werde ihrer Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen.

Die Ziffer 4 in den Feststellungen anzuführen und allgemein auszuführen, dass sie durch ihr Verhalten gezeigt habe, dass sie nicht gewillt sei, ihrer Ausreiseverpflichtung nachzukommen unter Bezugnahme, dass ihre Frist für die freiwillige Ausreise am 18.06.2019 geendet habe und sie bislang ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei sowie dass sie kein Interesse daran zeige, den Aufforderungen der Behörde Folge zu leisten, kann eine konkrete Begründung in der rechtlichen Beurteilung jedenfalls nicht ersetzen.

In diesem Zusammenhang ist zudem festzuhalten, dass die belangte Behörde nicht einmal ansatzweise die entsprechenden Feststellungen zu Unterabschnitt "Ziffer 4 trifft in Ihrem Fall zu" in der Beweiswürdigung nachvollziehbar begründet. § 57 Abs. 2 Z 4 FPG normiert den Fall, dass der Drittstaatsangehörig im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen. Wann die BF eine entsprechende Erklärung abgegeben hat, geht weder aus dem bekämpften Bescheid noch aus dem vorgelegten Akteninhalt hervor. Auch wenn es sich in § 57 Abs. 2 Z 1 bis 5 FPG um eine demonstrative Aufzählung handelt, bedarf es bei entsprechender Anwendung einer Feststellung von bestimmten Tatsachen im Sinne des § 57 FPG und einer nachvollziehbaren Begründung. In der Beweiswürdigung werden jedoch nur pauschal die zugrunde gelegten Akteninhalte angeführt ohne auf konkrete Handlungen der BF einzugehen.

Die vom BFA getroffenen Feststellungen ergeben sich entgegen diesem auch nicht ohne weiteres aus dem Akteninhalt.

Den Ausführungen in der Beweiswürdigung ist jedenfalls nicht ersichtlich, auf welches konkretes Ermittlungsergebnis diese gestützt wurden, sodass hier der wesentliche Sachverhalt nicht ermittelt wurde. Die "Verfahrenschronologie", auf die sich das BFA pauschal stützt, stimmt zudem mit den weiteren Ausführungen im Bescheid nicht gänzlich überein, sodass auch hier nicht ausgeschlossen werden kann, ob notwendige Sachverhaltsermittlungen unterblieben sind.

Das BFA nimmt die Interessenabwägung zu Art. 8 EMRK unter Bezugnahme auf die Ausweisungsentscheidung vom XXXX vor und hält fest, dass seither keine Änderungen der Privat- und Familienverhältnisse der BF hervorgekommen seien.

Vor diesem Hintergrund wird im bekämpften Bescheid das Vorbringen der BF im Rahmen ihrer Vorstellung vom 15.07.2019 nicht gewürdigt. So wird weder auf den vorgebrachten Gesundheitszustand noch auf eine allfällige Änderung des Privatlebens eingegangen. Die belangte Behörde hat zusammenschauend auch hier den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt.

3.1.2. Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung war im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das Verwaltungsgericht und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

Die ersatzlose Behebung eines Bescheides setzt voraus, dass dieser nicht hätte ergehen dürfen und der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation hergestellt werden kann. Dabei handelt es sich um eine "negative" Sachentscheidung (vgl zB Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 97, mwN). Eine solche Entscheidung ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache selbst, welche eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich ausschließt (vgl VwGH vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 108 f), (VwGH Ra 2015/17/0082 vom 28.06.2016).

Da es kein Ermittlungsergebnis und damit keinen festgestellten Sachverhalt gibt, aufgrund dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Wohnsitzauflage als gegeben angenommen werden kann, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.1.3. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden die öffentlichen Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Mangels Vorliegen der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" (vgl. Pkt.3.1.1.) war der angefochtene Bescheid auch im Umfang des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II.) zu beheben.

3.1.4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Zudem wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im gegenständlichen Verfahren nicht beantragt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchpunkt A wiedergegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Ausreiseverpflichtung, Beweiswürdigung, Mandatsbescheid, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W259.2223229.1.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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