TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/17 LVwG-2020/38/0301-2

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Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Index

L82007 Bauordnung Tirol
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Tir 2018 §42
AVG §68

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seine Richterin Mag.a Lechner über die Beschwerde/Vorlageantrag der Frau AA und des Herrn BB, wohnhaft in Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z vom 10.10.2019, Zl ***, bzw der Beschwerdevorentscheidung der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z vom 10.01.2020, Zl ***, in einer Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018,

zu Recht:

1.       Die Beschwerdevorentscheidung der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z vom 10.01.2020, Zl ***, wird behoben.

2.       Den Beschwerden/dem Vorlageantrag wird stattgegeben und der Bescheid der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z vom 10.10.2019, Zl ***, wird behoben.

3.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 17.12.2018, Zl ***, wurde den Beschwerdeführern die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung einer Stellplatzüberdachung und einer Stützmauer auf der GP **1, KG Z, erteilt.

Mit Bescheid vom 22.07.2019, Zl ***, wurde aufgrund von in einem Lokalaugenschein festgestellten Abweichungen gemäß § 42 Abs 3 TBO die weitere Ausführung jeglicher Bauarbeiten an der baulichen Anlage mit sofortiger Wirkung untersagt.

Daraufhin brachten die Beschwerdeführer am 29.07.2019 eine Bauanzeige betreffend zu den Änderungen ein.

Im Rahmen eines neuerlichen Lokalaugenscheines am 07.10.2019 wurde dann festgestellt, dass trotz der verfügten Baueinstellung weitere Bauarbeiten durchgeführt wurden.

Daraufhin erließ die Vizebürgermeisterin der Marktgemeinde Z am 10.10.2019, zur Zl *** erneut einen Bescheid gemäß § 42 Abs 3 TBO 2018 mit dem erneut eine Fortsetzung von Bauarbeiten an der baulichen Anlage, wie im Bescheid vom 17.12.2018 genehmigt, untersagt wurde.

Gegen diese Baueinstellung wurde von Seiten der Beschwerdeführer am 11.11.2019 eingelangt bei der Gemeinde Z am 13.11.2019 fristgerecht die Beschwerde erhoben.

In dieser wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die Beschwerdeführer bei der Errichtung der Mauer davon ausgegangen seien, dass die Errichtung weder einer Baubewilligung noch einer Bauanzeige benötige.

Nach Kenntnisnahme sei von den Beschwerdeführern bereits am 29.07.2019 eine Bauanzeige eingebracht worden. Innerhalb der Frist von zwei Monaten gemäß § 30 Abs 3 TBO sei weder mit Bescheid dessen Bewilligungspflicht festgestellt noch dessen Ausführung untersagt worden.

Nach Ablauf dieser Frist seien die Beschwerdeführer davon ausgegangen, dass sie nunmehr die Baumaßnahmen fertig stellen hätten dürfen. Dies habe man auch der Marktgemeinde Z am 02.10.2019 schriftlich mitgeteilt.

Wie sich dann aber herausgestellt habe, habe die Baubehörde die Bauanzeige erst aufgrund dieser Mitteilung dem hochbautechnischen Amtssachverständigen CC zur Begutachtung vorgelegt. Erst aus einer Stellungnahme von diesem sei dann festgestanden, dass noch Unterlagen für die Bauanzeige nachgereicht werden müssten, da diese noch nicht vollständig gewesen sei.

Zudem hätten sie auch lediglich Hinterfüllungsarbeiten der Mauer durchgeführt, um eine bessere Zugangssituation zum Haus zu erhalten.

Die Bauanzeige sei mittlerweile auch verbessert worden. Somit sei auch die wiederholte Baueinstellung unzulässig, da keine Bauarbeiten im näheren durchgeführt worden seien und sie nach Ablauf von zwei Monaten davon ausgehen hätten können, dass die Arbeiten fortgeführt werden können, nachdem die Bauanzeige am 29.07.2019 eingebracht worden sei.

Es werde deshalb der Antrag gestellt, das Landesverwaltungsgericht Tirol solle den angefochtenen Bescheid ersatzlos beheben.

Am 10.01.2020 zur Zl *** erging die Beschwerdevorentscheidung der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z, die den Beschwerdeführern am 14.01.2020 zugestellt wurde, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.

Schließlich brachten die Beschwerdeführer fristgerecht am 27.01.2020 einen Vorlageantrag ein.

II.      Sachverhalt:

Auf Sachverhaltsebene steht fest, dass mit Bescheid vom 22.07.2019, Zl ***, der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z gemäß § 42 Abs 3 TBO 2018 die weitere Ausführung jeglicher Bauarbeiten an der baulichen Anlage (Stützmauer-siehe beiliegende Lichtbilder), welche auf der GP **1, KG Z, errichtet wird, mit sofortiger Wirkung untersagt wurde. Mit Bauanzeige vom 29.07.2019 zeigten die Beschwerdeführer die Errichtung der durch den Baueinstellungsbescheid betroffenen Stützmauer an. Aufgrund der Tatsache, dass die Planunterlagen bei der Vorlage der Bauanzeige nicht vollständig waren, wurde erst mit Bescheid vom 02.12.2019 zur Zl *** mit Bescheid der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z zur Bauanzeige die Feststellung getroffen, dass die Errichtung der zusätzlichen Stützmauer unzulässig ist und die Ausführung des Bauvorhabens wurde damit untersagt.

Im Zuge eines Lokalaugenscheins am 07.10.2019 wurde festgestellt, dass trotz Baueinstellung Arbeiten an der Baustelle durchgeführt wurden.

Daraufhin erging der Bescheid der Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z vom 10.10.2019, Zl ***, mit dem erneut gemäß § 42 Abs 3 TBO 2018 die weitere Ausführung jeglicher Bauarbeiten an der baulichen Anlaeg (Stützmauer), welche auf der GP **1, KG Z, errichtet wird, mit sofortiger Wirkung untersagt wurde.

Dieser Bescheid wurde am 15.10.2019 den Beschwerdeführern zugestellt.

Die Beschwerde wurde von den Beschwerdeführern fristgerecht am 11.11.2019, eingelangt bei der Marktgemeinde Z am 13.11.2019, erhoben.

Schließlich erging am 10.01.2020 eine Beschwerdevorentscheidung zu Zl *** der Vizebürgermeisterin der Marktgemeinde Z, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 14.01.2020 zugestellt.

Der Vorlageantrag erfolgte fristgerecht am 27.01.2020.

III.     Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde. Aus dem Akt ergeben sich schlüssig und nachvollziehbar die Verfahrensabläufe und auch die Daten der jeweils erfolgten Zustellung.

IV.      Rechtslage:

Gemäß § 14 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz BGBl I Nr 33/2013 idF BGBl I Nr 57/2018 (kurz: VwGVG) steht es im Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1
B-VG der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

Gemäß § 68 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51/1991 idF BGBl I Nr 58/2018 (kurz: AVG) sind Anbringen von Beteiligten, die außer in den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderungen eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs 2-4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

V.       Rechtliche Beurteilung:

Im gegenständlichen Fall erließ die Vizebürgermeisterin der Gemeinde Z einen Baueinstellungsbescheid gemäß § 42 Abs 3 Tiroler Bauordnung 2018 zur Zl ***. Dieser Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 15.10.2019 zugestellt. Gegen diesen Baueinstellungsbescheid wurde fristgerecht am 11.11.2019 Beschwerde erhoben. Die Beschwerde langte bei der Marktgemeinde am 13.11.2019 ein. Am 10.01.2020 wurde zu dieser Beschwerde zu Zl ***, eine Beschwerdevorentscheidung getroffen, die am 14.01.2020 den Beschwerdeführern zugestellt wurde.

Grundsätzlich, wie unter Punkt IV. angeführt, besteht gemäß § 14 Abs 1 VwGVG die Möglichkeit für die Behörde, innerhalb von zwei Monaten den angefochtenen Bescheid aufzuheben, abzuändern und die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). Durch diese im Gesetz vorgesehene Möglichkeit soll der Behörde eine „zweite Chance“ gegeben werden, in der Angelegenheit die Entscheidung entsprechend abzuändern bzw auch die Möglichkeit, die Beschwerde abzuweisen.

§ 14 VwGVG ist § 64 a AVG über die Berufungsvorentscheidung nachgebildet (vgl Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, Seite 99 Anmerkungen 1 und 2).

Die zweimonatige Frist für die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung beginnt mit dem Einlangen der Beschwerde bei der Behörde zu laufen. Die Zuständigkeit der Behörde, von welcher der angefochtene Bescheid stammt, zur Erlassung einer Berufungsvorentscheidung, endet jedenfalls mit Ablauf der zweimonatigen Frist. Mit diesem Zeitpunkt geht die alleinige Zuständigkeit, endgültig auf die Berufungsbehörde (Verwaltungsgericht) über (vgl VwGH 24.01.1997, 96/19/2111).

Im gegenständlichen Fall langte die Beschwerde am 13.11.2019 in der Marktgemeinde Z ein. Die Zustellung und damit Erlassung der Beschwerdevorentscheidung erfolgte aber erst am 14.01.2020, sodass die zweimonatige Frist, wie in § 14 Abs 1 VwGVG normiert, bereits abgelaufen war. Dies führt dazu, dass die Zuständigkeit zur Erlassung einer Entscheidung im gegenständlichen Fall bereits einzig und allein beim Landesverwaltungsgericht Tirol gelegen war. Die Beschwerdevorentscheidung wurde somit von einer unzuständigen Behörde erlassen.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Landesverwaltungsgericht im Rahmen seines Prüfungsumfanges jedenfalls auch die Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde aufzugreifen. Dies bedeutet, dass im gegenständlichen Fall zunächst, gemäß Spruchpunkt 1., die Beschwerdevorentscheidung mangels Zuständigkeit der belangten Behörde zu beheben war.

Schließlich war zu prüfen, ob im gegenständlichen Fall zu Recht der Bescheid vom 10.10.2019, zur Zl ***, erlassen wurde, mit dem die weitere Ausführung jeglicher Bauarbeiten an der baulichen Anlage (Stützmauer), die auf der GP **1, KG Z errichtet wird, mit sofortiger Wirkung untersagt wurde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Judikatur ausführt, ist die Unabänderlichkeit das bedeutendste Merkmal der Rechtskraftwirkung (vgl VwGH 04.05.1990, 19/09/0016; 28.04.2017, Ra 2017/03/0027). Sie verbietet, dass ein Bescheid von der Behörde, die ihn erlassen hat, von Amts wegen abgeändert wird. Die bescheiderlassende Behörde ist an diesen Bescheid gebunden. Sie darf ihn nicht ändern, dh auch nicht aufheben, widerrufen oder für nichtig erklären. Darüber hinaus ist mit der Rechtskraft auch eine Unwiederholbarkeit des Bescheides (ne bis in idem) verbunden. Laut Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist darunter ein Verbot zu verstehen, in der durch den Bescheid erledigten Sachen, so lange der Bescheid aufrecht ist, noch einmal ein Verfahren durchzuführen und neuerlich eine weitere Entscheidung zu fällen (vgl VwGH 31.07.2006, 2005/05/0020).

Beschränkt wird diese Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit aber nur auf jene Fälle, in denen auch eine Identität der Sach- und Rechtslage gegeben ist.

Die materielle Rechtskraft steht also nur einer weiteren Entscheidung in derselben Sache entgegen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist Identität dann gegeben, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt des Verfahrens nicht geändert hat (vgl VwGH 24.03.2011, 2007/07/0155).

Im gegenständlichen Fall wurde aufgrund der konsenslos errichteten Stützmauer am 22.07.2019, zugestellt am 22.07.2019 zur Zl ***, bereits gemäß § 42 Abs 3 mit sofortiger Wirkung die weitere Ausführung jeglicher Bauarbeiten an der baulichen Anlage (Stützmauer) untersagt. An der Bewilligungssituation hat sich bis zum heutigen Tag nichts geändert. Es wurde zwar am 29.07.2019 eine Bauanzeige von Seiten der Beschwerdeführer eingebracht. Es konnte jedoch bis zum heutigen Zeitpunkt kein baurechtlicher Konsens für diese Mauer erreicht werden.

Die weitere Baueinstellung mit dem nunmehr bekämpften Bescheid wiederholt somit, obwohl sich weder die Sach- noch die Rechtslage verändert haben, den ursprünglichen Baueinstellungsbescheid.

Aufgrund der vorliegenden Identität der Sachlage, aber auch der Rechtslage, da sich die der Entscheidung zugrundeliegende Norm nicht geändert, hätte die belangte Behörde den nunmehr bekämpften Bescheid nicht erneut erlassen dürfen, da entschiedene Sache vorliegt.

Unter Zugrundelegung des Grundsatzes ne bis in idem war somit der neuerliche Bescheid der Vizebürgermeisterin vom 10.10.2019, zur Zl ***, zu beheben. Bei Feststellungen einer weiteren Bauführung hätte die Behörde vielmehr ein Strafverfahren bei der Bezirkshauptmannschaft Lienz oder ein Vollstreckungsverfahren in Betracht ziehen müssen.

Gesamt war somit spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Durch die umfangreiche Judikatur zur Frage der Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit von Verfahren iSd § 68 AVG, die auch im Erkenntnis zitiert wurde, war eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag.a Lechner

(Richterin)

Schlagworte

in der gleichen Sache wurde noch einmal ein Baueinstellungsbescheid erlassen, sodass nach dem Grundsatz ne bis in idem der Bescheid zu beheben war; zudem musste auch die von der belangten Behörde erlassene Beschwerdevorentscheidung behoben werden, da sie verspätet erlassen worden ist

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.38.0301.2

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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