TE Vfgh Erkenntnis 2020/2/24 E4253/2019 ua

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Veröffentlicht am 24.02.2020
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft, Pass- und Melderecht, Fremdenrecht, Asylrecht

Norm

BVG-Rassendiskriminierung ArtI Abs1
AsylG 2005 §8, §10, §34, §57
FremdenpolizeiG 2005 §46, §52, §55
VfGG §7 Abs2, §17a

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Nichtzuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigter betreffend eine Familie libanesischer Staatsangehöriger; keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Krankheit eines Familienmitglieds; keine Bewilligung von Verfahrenshilfe bei nachträglicher Antragstellung, wenn bereits alle durch eine Anwalt zu erledigenden Schritte gesetzt wurden

Spruch

I. 1. Die Beschwerdeführerinnen sind durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit ihre Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Libanon und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, in dem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Bundesverfassungsgesetz BGBl Nr 390/1973) verletzt worden.

Das Erkenntnis wird insoweit aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

II. Den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird nicht Folge gegeben.

III. Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, den Beschwerdeführerinnen zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit € 3.816,– bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Sachverhalt, Beschwerde und Vorverfahren

1. Die Beschwerdeführerinnen sind libanesische Staatsangehörige, gehören der arabischen Volksgruppe an und bekennen sich zum schiitischen Glauben. Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 10. September 1980 (alias 9. Oktober 1981) geboren und ist die Mutter der am 1. Jänner 2005 (alias 26. Jänner 2005) geborenen Zweitbeschwerdeführerin, der am 17. Jänner 2006 (alias 18. Jänner 2005) geborenen Drittbeschwerdeführerin, der am 30. Jänner 2008 (alias 29. Jänner 2007) geborenen Viertbeschwerdeführerin und der am 20. Oktober 2012 (alias 7. August 2012) geborenen Fünftbeschwerdeführerin.

2. Die Erstbeschwerdeführerin stellte am 26. November 2014 einen Antrag auf Erteilung eines Touristenvisums bei der österreichischen Botschaft in Beirut, woraufhin ihr ein Visum für den Zeitraum vom 24. Dezember 2014 bis 1. Jänner 2015 erteilt wurde. Am 2. Jänner 2015 stellte sie für sich und die Zweit- bis Fünftbeschwerdeführerin einen Antrag auf internationalen Schutz. Zu den Fluchtgründen gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie bei der Hisbollah habe mitwirken müssen. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie, man würde ihr ihre Kinder wegnehmen und sie würde von der Hisbollah einvernommen werden. Auch hätten ihre Kinder Probleme, weil sie sich auf Grund der streng religiösen Familie ihres Ehemannes verschleiern müssten.

3. Mit Bescheiden jeweils vom 27. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) den Antrag auf internationalen Schutz gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab; ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Libanon gemäß §46 FPG zulässig sei. Gleichzeitig wurde gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt.

4. Dagegen erhoben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Beschluss vom 25. Juni 2018 hob das Bundesverwaltungsgericht die genannten Bescheide auf und verwies die Angelegenheit an das BFA zurück.

5. Mit Bescheiden jeweils vom 24. Oktober 2018 wies das BFA den Antrag der Beschwerdeführerinnen auf internationalen Schutz neuerlich gemäß §3 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 ab; ebenso wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß §8 Abs1 iVm §2 Abs1 Z13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §57 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß §10 Abs1 Z3 AsylG 2005 iVm §9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß §52 Abs2 Z2 FPG erlassen und gemäß §52 Abs9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung in den Libanon gemäß §46 FPG zulässig sei. Gleichzeitig wurde gemäß §55 Abs1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt.

6. Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom 9. Oktober 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 4. März 2019 als unbegründet ab.

8. Zum Gesundheitszustand der mj. Zweitbeschwerdeführerin, die nach dem Vorbringen der Erstbeschwerdeführerin an Epilepsie leide, führte das Bundesverwaltungsgericht Folgendes aus:

"In Bezug auf den Gesundheitszustand der beschwerdeführenden Partei 2 ergibt sich vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung des EGMR nicht, dass hier sehr außergewöhnliche Umstände ('very exceptional circumstances') gegeben wären, die eine Rückkehr in den Herkunftsstaat - unbeschadet des möglichen Umstandes, dass dort eine mit österreichischen Verhältnissen vergleichbare qualitativ hochwertige medizinische Behandlung nicht zu erwarten ist - ausschließen würden. Wie sich aus der dargestellten Rechtsprechung des EGMR ergibt, ist nämlich der Umstand allein, dass ein vergleichbarer Standard in der medizinischen Behandlung nicht besteht, nicht geeignet, einen Verstoß gegen Art3 EMRK zu begründen. Fallbezogen erreicht die sich aus den Bescheinigungsmitteln ergebende Gesundheitsbeeinträchtigung der beschwerdeführenden Partei auch nicht jenes sehr außergewöhnliche Ausmaß an Leidenszuständen, wie es in der Rechtsprechung des EGMR für das Vorliegen eines Abschiebehindernisses nach Art3 EMRK gefordert wird.

Auch wurde seitens der beschwerdeführenden Partei nicht behauptet oder gar belegt - und kann auch auf Grund der getroffenen Feststellungen nicht davon ausgegangen werden -, dass die reale Gefahr (vgl zum 'real risk' betreffend Zugang insbesondere EGMR, Fall N. v. the United Kingdom) bestünde, dass die beschwerdeführende Partei 2 keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung im Libanon hat."

9. Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses beantragt wird. Zusätzlich wurden Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe gestellt.

Begründend wird dazu ua ausgeführt, die Zweitbeschwerdeführerin würde im Falle einer Rückkehr in den Libanon keine ausreichende medikamentöse und medizinische Behandlung erhalten, obwohl eine kontinuierliche Behandlung sowie weitere Kontrollen mit Therapieoptimierung medizinisch erforderlich seien. Aus den vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderberichten sei ersichtlich, dass Patienten in Krankenhäusern die Behandlung verweigert werde, sofern sie keine Versicherung nachweisen könnten, wobei eine private Krankenversicherung sehr kostspielig sei. Die Beschwerdeführerinnen verfügten nicht über die notwendigen finanziellen Mittel, um eine derartige Versicherung abschließen zu können.

10. Das Bundesverwaltungsgericht hat die Gerichts- und Verwaltungsakten vor-gelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber unter Verweis auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Abstand genommen.

II. Erwägungen

Die Beschwerde ist zulässig.

A. Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung der Beschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Nichtzuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Grün-den, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Libanon und gegen den Ausspruch der Frist zur freiwilligen Ausreise richtet, ist sie begründet:

1. Nach der mit VfSlg 13.836/1994 beginnenden, nunmehr ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s etwa VfSlg 14.650/1996 und die dort angeführte Vorjudikatur; weiters VfSlg 16.080/2001 und 17.026/2003) enthält ArtI Abs1 des Bundesverfassungsgesetzes zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unter-scheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein – auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes – Gebot der Gleichbehandlung von Fremden untereinander; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleich-behandlung nicht unverhältnismäßig ist.

Diesem einem Fremden durch ArtI Abs1 leg.cit. gewährleisteten subjektiven Recht widerstreitet eine Entscheidung, wenn sie auf einem gegen diese Bestimmung verstoßenden Gesetz beruht (vgl zB VfSlg 16.214/2001), wenn das Verwaltungsgericht dem angewendeten einfachen Gesetz fälschlicherweise einen Inhalt unterstellt hat, der – hätte ihn das Gesetz – dieses als in Widerspruch zum Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl 390/1973, stehend erscheinen ließe (s etwa VfSlg 14.393/1995, 16.314/2001) oder wenn es bei Erlassung der Entscheidung Willkür geübt hat (zB VfSlg 15.451/1999, 16.297/2001, 16.354/2001 sowie 18.614/2008).

Ein willkürliches Verhalten des Verwaltungsgerichtes, das in die Verfassungs-sphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechts-lage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

2. Ein solcher Fehler ist dem Bundesverwaltungsgericht unterlaufen:

2.1. Gemäß §8 Abs1 AsylG 2005 ist einem Fremden, dessen Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr 6 oder Nr 13 zur EMRK bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat im Lichte dessen die notwendige Auseinandersetzung mit der gesundheitlichen Situation der Zweitbeschwerdeführerin im Hinblick auf eine nach ihrer Rückführung in den Herkunftsstaat mögliche unmenschliche oder erniedrigende Behandlung iSd Art3 EMRK nicht in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise vorgenommen (vgl hiezu VfGH 30.6.2016, E381/2016 ua; 24.11.2016, E1085/2016; 9.10.2019, E500/2019 mwN):

2.3. So stützt das Bundesverwaltungsgericht seine Erwägungen im angefochtenen Erkenntnis wesentlich auf die Annahme, dass keine derart außergewöhnlichen Umstände gegeben seien, die eine Rückkehr in den Herkunftsstaat Libanon ausschließen würden. Es sei auch nicht behauptet oder belegt worden sowie auch auf Grund der Feststellungen nicht davon auszugehen, dass die reale Gefahr bestehe, dass die Zweitbeschwerdeführerin keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung im Libanon hätte. Zudem druckte das Bundesverwaltungsgericht Länderberichte ab, die lediglich die allgemeine medizinische Versorgung im Libanon schildern. Demnach sei die medizinische Versorgung grundsätzlich gegeben, jedoch sei diese finanziell anspruchsvoll. Rückkehrer könnten eine, wenngleich kostspielige, private Krankenversicherung abschließen. Alle international gängigen Medikamente seien zudem im Libanon erhältlich und auch die Einfuhr von Medikamenten sei möglich. Es gebe Berichte, wonach Krankenhäuser Personen, die keine Versicherung nachweisen könnten, die Behandlung verweigerten. Schließlich könnten Behandlung und Medikation für mittellose oder aus dem Ausland zurückkehrende Staatsbürger durch eine Überweisung des Gesundheitsministeriums an mitunter renommierte Vertragskrankenhäuser und Vertragsärzte erfolgen.

2.4. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dabei nicht ausreichend mit der individuellen Situation der Zweitbeschwerdeführerin im Falle ihrer Rückkehr in den Libanon auseinandergesetzt und die für diese Auseinandersetzung maßgeblichen Ermittlungsschritte unterlassen. Im angefochtenen Erkenntnis wird zwar der Gesundheitszustand der Zweitbeschwerdeführerin thematisiert, eine Auseinandersetzung mit der konkreten Krankheit im Einzelfall findet jedoch nicht statt. So unterlässt es das Bundesverwaltungsgericht gänzlich, die Behandlungsmöglichkeiten von Epilepsie im Libanon sowie die konkrete Versorgungslage betreffend die spezifischen Medikamente zu ermitteln (siehe zu den grundrechtlichen Anforderungen an eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in Fällen von erkrankten Personen das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 13. Dezember 2016 [GK], Fall Paposhvili, Appl 41738/10, Z183 ff; vgl auch VfGH 11.6.2019, E2094-2096/2018; 11.6.2019, E3796/2018).

2.5. Soweit sich das Erkenntnis auf die Nichtzuerkennung des Status des sub-sidiär Schutzberechtigten und – daran anknüpfend – auf die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Rückkehrentscheidung sowie auf die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat unter Setzung einer Frist zur freiwilligen Ausreise bezieht, ist es mit Willkür behaftet und insoweit aufzuheben.

2.6. Der Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidung betreffend die Erst- und die Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerin durch (s VfSlg 19.855/2014; VfGH 24.11.2016, E1085/2016 ua; 11.6.2019, E2094/2018 ua), weshalb diese auch – im selben Umfang wie jene betreffend die Zweitbeschwerdeführerin – hinsichtlich der Erst- und der Dritt- bis Fünftbeschwerdeführerin aufzuheben ist.

B. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt:

Der Verfassungsgerichtshof kann die Behandlung einer Beschwerde ablehnen, wenn sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat oder von der Entscheidung die Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage nicht zu erwarten ist (Art144 Abs2 B-VG). Eine solche Klärung ist dann nicht zu erwarten, wenn zur Beantwortung der maßgebenden Fragen spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen nicht erforderlich sind.

Die vorliegende Beschwerde rügt die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten. Nach den Beschwerdebehauptungen wären diese Rechtsverletzungen aber zum erheblichen Teil nur die Folge einer – allenfalls grob – unrichtigen Anwendung des einfachen Gesetzes. Spezifisch verfassungsrechtliche Überlegungen sind zur Beurteilung der aufgeworfenen Fragen insoweit nicht anzustellen.

Demgemäß wurde beschlossen, von einer Behandlung der Beschwerde, soweit sie sich gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten richtet, abzusehen (§19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG).

C. Zu den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe:

1. Die Beschwerdeführerinnen brachten am 22. November 2019 Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (in vollem Umfang) beim Verfassungsgerichtshof ein.

2. Zufolge §35 Abs1 VfGG iVm §64 Abs3 ZPO treten, soweit die Verfahrenshilfe bewilligt wird, die Befreiungen nach §64 Abs1 ZPO mit jenem Tag ein, an dem sie beantragt worden sind; ein weiteres Zurückwirken der Befreiungswirkung ist hingegen nicht vorgesehen.

3. Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wurden zu einem Zeitpunkt eingebracht, zu dem sämtliche für die Einleitung des vorliegenden Verfahrens notwendigen Verfahrensschritte, die von einem Rechtsanwalt vorgenommen werden müssen (vgl §17 Abs2 VfGG), bereits gesetzt waren; auch die Eingabengebühr gemäß §17a VfGG war bereits entrichtet. Eine Befreiung von der Entrichtung dieser Gebühr (respektive eine Erstattung derselben) kann nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes erfolgreich nicht mehr nachträglich, also nach Entstehen der Gebührenschuld, beantragt werden (vgl §17a Z3 VfGG sowie zB VfGH 17.4.2002, B1147/01; 28.2.2012, B825/11). Gleiches gilt für die mit der Einbringung verbundenen Kosten für die (frei gewählte) anwaltliche Vertretung, die ebenfalls vor dem Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe entstanden sind.

4. Für die Vertretung im weiteren Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof –insbesondere für eine allfällige mündliche Verhandlung – besteht kein absoluter, sondern lediglich relativer Anwaltszwang (vgl §17 Abs2 VfGG).

5. Für das Verfahren nach Einbringung der Beschwerde hat sich somit die Gewährung von Verfahrenshilfe und insbesondere die Beigebung eines Rechtsanwaltes weder als erforderlich noch als zweckmäßig erwiesen.

6. Den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist daher nicht stattzugeben (vgl VfSlg 18.749/2009, 19.521/2011).

III. Ergebnis

1. Die Beschwerdeführerinnen sind durch das angefochtene Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, gegen die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat Libanon und gegen die Festsetzung einer 14-tägigen Frist zur freiwilligen Ausreise abgewiesen wird, im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (ArtI Abs1 Bundesverfassungsgesetz BGBl 390/1973) verletzt worden.

2. Das Erkenntnis ist daher in diesem Umfang aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen ist.

3. Im Übrigen wird die Behandlung der Beschwerde abgelehnt.

4. Den Anträgen auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ist keine Folge zu geben.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 bzw §19 Abs3 Z1 iVm §31 letzter Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in Höhe von € 436,– sowie Eingabengebühr in Höhe von € 1.200,– enthalten. Der Ersatzanspruch ist mit dem tatsächlich verzeichneten Betrag begrenzt, weshalb kein Streitgenossenzuschlag zuzusprechen war.

Schlagworte

Asylrecht / Vulnerabilität, Entscheidungsbegründung, Ermittlungsverfahren, Rückkehrentscheidung, VfGH / Verfahrenshilfe, VfGH / Anwaltszwang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:E4253.2019

Zuletzt aktualisiert am

07.07.2020
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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