TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/7 I413 2181837-2

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Veröffentlicht am 07.02.2020
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Entscheidungsdatum

07.02.2020

Norm

BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §57
FPG §57 Abs1
FPG §57 Abs2
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I413 2181837-2/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Martin ATTLMAYR, LL.M. als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. IRAK, vertreten durch: DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gemeinnützige GmbH, Volkshilfe Flüchtlings - und MigrantInnenbetreuung GmbH p.A. ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Steiermark (BAG) vom 19.11.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 16.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.11.2017, Zl. XXXX, wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm. § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs 1 iVm. § 2 Abs 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Irak zulässig ist (Spruchpunkt V.), sowie gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise im Ausmaß von 14 Tagen festgelegt (Spruchpunkt VI.).

3. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2019, XXXX, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis ist seit 20.03.2019 in Rechtskraft erwachsen.

4. Mit Mandatsbescheid vom 10.07.2019 erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs 1

FPG.

5. Dagegen erhob der Beschwerdeführer am 08.08.2019 Vorstellung.

6. Am 12.03.2015 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde niederschriftlich einvernommen.

7. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 19.11.2019, Zl. XXXX, trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auf, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung BS Tirol Trixlegg 12, 6391 Fieberbrunn, zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Gemäß Spruchpunkt II. dieses Bescheides schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid gemäß § 13 Abs 2 VwGVG aus.

8. Gegen diesen dem seinerzeitigen Rechtsanwalt des Beschwerdeführers am 25.11.2019 zugestellten Bescheid richtet sich die durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als nunmehrige Rechtsvertreterin verfasste Beschwerde vom 17.12.2019, eingelangt bei der belangten Behörde am 17.12.2019.

9. Am 19.12.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).

10. Mit Schriftsatz vom 23.01.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 28.01.2020, legte die belangte Behörde den Verwaltungsakt samt der Beschwerde vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird der oben dargestellte Verfahrensgang.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Arabisch.

Der Beschwerdeführer stellte am 16.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher von der belangten Behörde mit Bescheid 30.11.2017, Zl. XXXX, abgewiesen wurde. Nach Abweisung der Beschwerde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2019, XXXX, besteht gegen den Beschwerdeführer eine seit 20.03.2019 rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich war während des laufenden Asylverfahrens rechtmäßig, seit dem rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens war sein Aufenthalt unrechtmäßig. Die 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ließ der Beschwerdeführer ungenutzt verstreichen. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, sondern verblieb trotz negativem Verfahrensausgang des von ihm angestrengten Asylverfahrens im österreichischen Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer arbeitet derzeit nicht. Er hat an finanziellen Mitteln ca € 400,-- bis € 500,--. Er wird von seiner Familie, die im Irak lebt, unterstützt und lebt auch von Erspartem. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten in Österreich. Der Beschwerdeführer hat eine Freundin in Österreich, mit der er seit 17.01.2020 sich gemeinsam mit einer weiteren Person sich die Wohnung teilt. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer keine engen Bindungen zu hier lebenden Personen. Der Beschwerdeführer lebt seit 17.01.2020 in Graz. Zuvor lebte er in einer Einrichtung für Flüchtlinge in St. Georgen im Attergau und davor in Graz. Die Familienangehörigen des Beschwerdeführers leben in Irak. Der Beschwerdeführer hat Deutschkenntnisse auf dem Niveau B1.

Der Beschwerdeführer hat bisher keine Schritte unternommen, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Die Frist zur freiwilligen Ausreise ist am 03.04.2019 abgelaufen. Er ist nicht bereit, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts zur Zl XXXX sowie XXXX. Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Akten des Bundesamtes sowie die des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit und Muttersprache getroffen wurden, beruhen diese auf bereits im Verfahren über seinen Antrag auf internationalen Schutz getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellungen zur Asylantragstellung und dem diesbezüglichen Verfahrensergebnis beim Bundesamt bzw Bundesverwaltungsgericht ergeben sich aus den vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Da der Beschwerdeführer außerhalb des Asylverfahrens über keine Aufenthaltsberechtigung verfügte, war festzustellen, dass sein Aufenthalt nach Abschluss des Verfahrens unrechtmäßig war. Dass der Beschwerdeführer die 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ungenutzt verstreichen ließ und seiner Ausreiseverpflichtung daher nicht nachgekommen ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass der Beschwerdeführer nach wie vor im Bundesgebiet aufrecht gemeldet und aufhältig ist (Auszug aus dem Zentralen Melderegister).

Dass der Beschwerdeführer derzeit keiner Beschäftigung nachgeht, war aufgrund seiner eigenen Angaben am 17.09.2019 festzustellen (AS 121). Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer von seiner Familie (die im Irak lebt) finanziell unterstützt wird und er auch von Erspartem lebt, beruht auf seinen eigenen Angaben im Rahmen der Einvernahme durch die belangte Behörde am 17.09.2019 (AS 121). Aufgrund dieser Aussagen ergibt sich auch die Feststellung über seine finanziellen Mittel (AS 123). Nachdem er selbst keiner Beschäftigung nachgeht, von seiner Familie finanziell abhängig ist, ist festzustellen, dass er nicht selbsterhaltungsfähig ist. Dass der Beschwerdeführer keine Verwandten in Österreich hat, ergibt sich aus seiner Aussage vor der belangten Behörde am 17.09.2019 und aus seinen Angaben im abgeschlossenen Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht. Gemäß seinen Angaben vor der belangten Behörde am 17.09.2019 hat er eine Freundin in Österreich, mit der er gemäß aktuellem Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 28.01.2020 seit 17.01.2020 gemeinsam mit einer weiteren Person wohnt. Darüber hinaus konnten keine engen Bindungen zu in Österreich lebenden Personen aufgrund seiner Angaben und des Verwaltungs- und Gerichtsaktes festgestellt werden. Dass der Beschwerdeführer seit 17.01.2020 (wieder) in Graz lebte, zuvor in einer Einrichtung für Flüchtlinge in St. Georgen im Attergau und davor wiederum in Graz wohnte, ergibt sich aus dem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 28.01.2020. Nach den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde am 17.09.2019 leben seine Familienangehörigen leben in Irak (AS 121).

Der Beschwerdeführer hat nach eigener - glaubhafter - Aussage vor der belangten Behörde am 17.09.2019 Deutschkurse besucht und zuletzt eine Prüfung über das Niveau B1 bestanden (AS 123).

Dass der Beschwerdeführer bisher keine Schritte unternommen hat, um seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen, war aufgrund der Aktenlage festzustellen. Der Beschwerdeführer hat - entgegen seiner gesetzlichen Verpflichtung - auch keinerlei diesbezüglichen Nachweise vorgelegt. Aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer gegenüber der belangten Behörde in der niederschriftlichen Einvernahme am 17.09.2019 deutlich gemacht hat, nicht ausgereist zu sein (AS 119) und auch trotz bestehender Verpflichtung zur Ausreise nicht ausreisen zu können (AS 123), ergibt sich die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt ist, seiner Ausreiseverpflichtung Folge zu leisten.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

Dass der Beschwerdeführer gesund und arbeitsfähig ist, ergibt sich aus dem Verwaltungs- und Gerichtsakt und aus seiner Aussage vor der belangten Behörde am 17.09.2019 (AS 119).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1. Zu Spruchpunkt I.:

Gemäß § 57 Abs 1 FPG kann einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn 1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder 2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs 1 Z 2 vorliegen, ist gemäß § 57 Abs 2 FPG insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige 1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat; 2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat; 3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs 2 und 2a nicht mitwirkt; 4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen; 5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

Gegen den Beschwerdeführer besteht eine seit 20.03.2019 rechtskräftig erlassene Rückkehrentscheidung. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist nicht geduldet (§ 46a FPG). Die Frist zur freiwilligen Ausreise ist am 03.04.2019 - 14 Tage nach Rechtskraft des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.03.2019, XXXX - abgelaufen. Die Annahme, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, stützte die belangte Behörde darauf, dass der Beschwerdeführer seine Ausreiseverpflichtung nicht erfüllte und sich auch strikt weigert, dieser Verpflichtung nachzukommen. Bestimmte "Tatsachen" iSd § 57 Abs 1 Z 2 FPG, die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, sind solche, die in Abs 2 leg cit demonstrativ (EB zum FRÄG 2017, GP XXV IA 2285/A) aufgezählt sind. Nach § 57 Abs 2 Z 4 FPG ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgespräches erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen. Gegenständlich hat der Beschwerdeführer ua im gegenständlichen Verfahren unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, die Ausreiseverpflichtung zu missachten, was - aufgrund der demonstrativen Aufzählung von bestimmten "Tatsachen" in § 57 Abs 2 FPG als Tatsache genügt, um anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seiner Verpflichtung zur Ausreise weiterhin nicht nachkommen wird.

Der Tatbestand des § 57 Abs 1 Z 2 FPG ist daher im vorliegenden Fall erfüllt.

Insgesamt betrachtet zeigte sich, dass im gegenständlichen Fall die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird, womit die vom Bundesamt erlassene Wohnsitzauflage rechtens ist.

Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben, Wohnung und Briefverkehr nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Dem öffentlichen Interesse kommt aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg 17.516 und VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479). Ebenso kommt Normen, die ein geordnetes Fremdenwesen betreffend Einreise und Aufenthalt von Fremden regeln, ein hoher Stellenwert zu (vgl VwGH 30.06.2016, Ra 2016/21/0192). Nichts anderes kann bezüglich der Ausreise nicht aufenthaltsberechtigter Fremder gelten.

Aus den Erläuternden Bemerkungen zu § 57 FPG (EB zum FRÄG 2017, GP XXV IA 2285/A) ergibt sich, dass hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs 1 Z 2 eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage gerechtfertigt ist.

Der Beschwerdeführer hat seinen Lebensmittelpunkt seit Kurzem wieder in Graz, sodass durch die Wohnsitzauflage in das (in Graz) bestehende Privatleben und Wohnung des Beschwerdeführers eingegriffen wird. Der Eingriff ist aber trotz Bestehens von sozialen Kontakten, wie zB zu seiner Freundin, im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen gerechtfertigt. So ist aus dem Zentralen Melderegister ersichtlich, dass der Beschwerdeführer der Wohnsitzauflage nicht nachgekommen ist, obwohl diese bereits seit mehreren Monaten besteht. Zudem wiegt die beharrliche Weigerung des Beschwerdeführers, der ihn treffenden Ausreiseverpflichtung auch nach Ablauf der ihm eingeräumten Frist zur freiwilligen Ausreise nachzukommen, insbesondere im Lichte des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens schwer zu seinen Lasten. Überdies muss sich der Beschwerdeführer aufgrund der gegen ihn erlassenen Rückkehrentscheidung und der verstrichenen Frist für die freiwillige Ausreise dessen bewusst sein, dass er seinen aktuellen Lebensmittelpunkt nicht aufrechterhalten wird können. Im gesamten Verfahren sind überdies keine Hinweise zu Tage getreten, dass der Beschwerdeführer aufgrund seines Gesundheitszustandes nicht in der gegenständlichen Betreuungseinrichtung untergebracht werden könnte. Die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers ist im gesamten Bundesgebiet gewährleistet.

In Abwägung der Bindung des Beschwerdeführers an seinen Wohnort sind in Relation zu dem dargestellten öffentlichen Interesse allfällige Unannehmlichkeiten durch die Aufgabe seines aktuellen Wohnsitzes sowie eine Einschränkung seiner sozialen Kontakte nicht so gewichtig, dass sie das öffentliche Interesse überwiegen würden. Zudem ist auch beachtlich, dass den Beschwerdeführer dessen Freundin in Fieberbrunn besuchen und auf diese Weise die Beziehung aufrecht halten kann, zumal Fieberbrunn an der Eisenbahnlinie liegt, auf der Züge von und nach Graz verkehren.

Unter diesen Gesichtspunkten und im Hinblick darauf, dass damit ein dringendes öffentliches Interesse erfüllt wird, ist der mit der Wohnsitzauflage verbundene Eingriff in das Privatleben und die Wohnung des Beschwerdeführers verhältnismäßig und aufgrund des Verhaltens des Beschwerdeführers auch dringend geboten.

Das Stellen eines Folgeantrages ändert an dieser Schlussfolgerung und an der Rechtsmäßigkeit der Verfügung eines Wohnsitzauflage nichts. Die Verpflichtungen des Beschwerdeführers aufgrund der Wohnsitzauflage gemäß § 57 Abs 1 FPG ruhen nicht, da es sich beim neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz um einen Folgeantrag gemäß § 2 Abs 1 Z 23 AsylG handelt und daher § 12a AsylG gilt (§ 59 Abs 6 FPG).

3.2 Zu Spruchpunkt II.:

Die Beschwerde wendet sich nicht gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 13 Abs 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet.

Bereits das Behördenhandeln nach § 57 FPG hat schon inhaltlich das Vorliegen einer "Gefahr in Verzug" zur Voraussetzung - beide Konstellationen, in denen es überhaupt zu einer Wohnsitzauflage kommen kann (vgl § 57 Abs 1 Z 1 und Z 2 FPG), begründen nach den Materialen (EB zum FRÄG 2017, GP XXV IA 2285/A) eine "Gefahr in Verzug". Damit wird auch der gesetzlich vorgesehene Erlass eines Mandatsbescheids begründet, sodass im Hinblick auf die Voraussetzungen für den Erlass eines (gefahrenpolizeilichen) Mandatsbescheids der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung auch im Vorstellungsbescheid nicht zu beanstanden ist. Der oben ersichtlichen Interessenabwägung folgend überwiegen zudem die öffentlichen Interessen am vorzeitigen Vollzug des angefochtenen Bescheides, weshalb das Vorgehen nach § 13 Abs 2 VwGVG nicht zu beanstanden war.

3.3 Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Die Voraussetzungen für ein Absehen von der Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht, sind, wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, im gegenständlichen Fall erfüllt. Die Beschwerde bestreitet den von der Behörde festgestellten Sachverhalt nur völlig unbsubstantiiert, sodass sich daraus kein relevanter bzw über das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hinausgehender Sachverhalt ergibt. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt sohin kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall, Interessenabwägung,
Mandatsbescheid, öffentliche Interessen, Privat- und Familienleben,
private Interessen, Rechtskraft der Entscheidung,
Rückkehrentscheidung, Unterkunft, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I413.2181837.2.00

Zuletzt aktualisiert am

12.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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