TE Vwgh Beschluss 2020/4/2 Ra 2017/06/0255

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Veröffentlicht am 02.04.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
20/05 Wohnrecht Mietrecht

Norm

B-VG Art133 Abs4
MRG §30 Abs2 Z15
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones und Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber, BA, über die Revision des M L in I, vertreten durch Dr. Jörg Lindpaintner, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Templstraße 5b, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 18. Oktober 2017, LVwG- 2017/16/1493-5, betreffend einen Interessenbescheid gemäß § 30 Abs. 2 Z 15 MRG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht:

Bürgermeister der Landeshauptstadt Innsbruck; mitbeteiligte Partei: I GmbH & Co KG in I, vertreten durch MMag. Dr. Christian Waldhart, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Museumstraße 29), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) wurde die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Bescheid der Bürgermeisterin der Landeshauptstadt Innsbruck vom 15. Mai 2017, mit dem über Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erlassung eines Interessenbescheides gemäß § 30 Abs. 2 Z 15 Mietrechtsgesetz - MRG festgestellt worden war, dass der geplante, näher bezeichnete Neubau auf der Liegenschaft X im öffentlichen Interesse gelegen sei, als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei. 5 Zur Begründung führte das LVwG aus, das Bestandsobjekt in der A. Straße 26 weise sieben Wohneinheiten mit lediglich rund 380 m2 Wohnnutzfläche und das Geschäftslokal des Revisionswerbers auf. Die geplante Wohnanlage solle aus 42 Wohnungen (20 betreute Zweizimmerwohnungen und 22 familiengerechte Zwei-, Drei- und Vierzimmerwohnungen mit Balkonen und Loggien) mit einer Gesamtwohnnutzfläche von 2.140 m2 bestehen. Im Erdgeschoßbereich seien ein Aufenthaltsbereich, ein Büro und mögliche Geschäftsräume mit einer Gesamtnutzfläche von ca. 270 m2 situiert. Im Untergeschoß sei eine Tiefgarage mit 19 Abstellplätzen und den erforderlichen Nebenräumen vorgesehen. Es handle sich um ein Projekt des sozialen Wohnbaus mit entsprechender Finanzierungsunterstützung aus Wohnbauförderungsmitteln des Landes und der Vergabemöglichkeit durch die Stadtgemeinde Innsbruck. Mit einer Versechsfachung der Wohnnutzfläche bei gleichzeitiger Erhöhung der Anzahl der Wohneinheiten um 35 Einheiten seien die allgemeinen Voraussetzungen an das Bauprojekt erfüllt, weil hier nicht von einer nur geringfügigen Vermehrung von grundsätzlich zur Linderung der Wohnungsnot geeigneten Wohnungen gesprochen werden könne.

6 Derzeit betrage die Anzahl der Wohnbevölkerung in Innsbruck laut den Hauptwohnsitzen 132.670. Beim Amt für Wohnungsvergabe seien 2.103 Mietinteressenten und 635 Eigentumswohnungsinteressente n (Stand vom 1. September 2017) vorgemerkt. Diese seien bereits anerkannte Wohnungswerber und wären nicht auf der Liste, wenn sie nicht die Kriterien für Wohnungsuchende erfüllten. Aus der Liste seien bereits die Personen herausgefiltert worden, die schon eine Wohnung hätten, ferner jene, die eine Wohnung besäßen, weil sie eine Tauschwohnung oder eine Doppelvormerkung mit Miete und Eigentum hätten. Im Jahr würden 450 bis 480 Wohnungen auf diese Weise vergeben. Mit den 2.103 Mietinteressenten und den 635 Interessenten für eine Eigentumswohnung seien insgesamt mehr als 2 % der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende vermerkt. 7 Dem Revisionswerber seien mehrere Standorte angeboten worden, darunter einer im bestehenden Gebäude der mitbeteiligten Partei in der A. Straße 72, welcher weiterhin freigehalten werde. Es sei auch ein Standort im neuen Gebäude mit einer interimistischen Lösung, beispielsweise in einem Container, angeboten worden. Es sei aber zu keiner Einigung gekommen. 8 Nach Wiedergabe von Rechtsvorschriften und Hinweis auf VwGH 28.2.2008, 2006/06/0232, zum Erfordernis der kumulativ vorliegenden Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Stadterneuerungsgesetz führte das LVwG aus, es lägen nicht alle Voraussetzungen dieser Bestimmung für eine Assanierung vor. Ein öffentliches Interesse zu Sanierungszwecken scheide daher aus. Ein quantitativer Wohnungsbedarf (gemeint offenkundig: im Sinne des § 4 Bodenbeschaffungsgesetz, BGBl. Nr. 288/1974) sei gegeben, wenn in einer Gemeinde die Zahl der vorhandenen und der im Bau befindlichen Wohnungen die Zahl der Haushalte um nicht mehr als 3 % übersteige oder in einer Gemeinde 2 % der Wohnbevölkerung als Wohnungssuchende gemeldet und von der Gemeinde als solche anerkannt seien. Diese Voraussetzung liege nach Einvernahme des Sachbearbeiters des Amtes für Wohnungsvergabe eindeutig vor. Diese Feststellung sei auch unter Berücksichtigung jener Projekte getätigt worden, die dem sozialen Wohnbau unterlägen. Das geplante Objekt sei zur Vermehrung der Wohnungen, die zur Beseitigung oder Milderung eines im Ortsgebiet bestehenden quantitativen Wohnungsbedarfes geeignet und führe nicht nur zu einer geringfügigen Anhebung des Wohnungsangebotes im sozialen Bereich. 9 Zur Interessenabwägung führte das LVwG aus, nach der Rechtsprechung (Hinweis auf VwGH 16.5.2013, 2012/06/0135) sei die Aufzählung des § 30 Abs. 2 Z 15 MRG, welche Umstände im öffentlichen Interesse lägen, demonstrativ. Das dort umschriebene öffentliche Interesse (unter Berücksichtigung schutzwürdiger Interessen der betroffenen Mieter) könnte sachverhaltsmäßig allenfalls erst durch ein "Zusammenwirken" verschiedener der in dieser Gesetzesstelle aufgezählten Kriterien gegeben sein. Dabei sei aber stets zu bedenken, dass es sich bei dieser Bestimmung um eine auf die Einschränkung bestehender privater Rechte gerichtete und daher im Zweifel restriktiv auszulegende Norm handle. Eine Interessenabwägung habe nicht nur bei widerstreitenden öffentlichen Interessen, sondern auch gegenüber schutzwürdigen Interessen des durch die Kündigung betroffenen Mieters stattzufinden (Hinweis auf VwGH 23.12.1999, 97/06/0143). Der Revisionswerber führe zwecks Wahrung seiner Interessen als Mieter in seiner Stellungnahme einige Punkte an, die schlagwortartig aufgelistet und erörtert würden (wird näher ausgeführt). Die lange Tradition des Uhrmacherbetriebes im derzeitigen Standort werde keineswegs angezweifelt. Es sei jedoch nicht schlüssig, dass mit einer Verlegung des Uhrmachergeschäftes in ein Ersatzlokal die wirtschaftliche oder persönliche Existenz gefährdet werde. Da die Qualifikation und Qualität der Arbeit des Revisionswerbers über die Grenzen Innsbrucks hinaus bekannt seien, müsste es ihm möglich sein, bei rechtzeitiger Bekanntgabe an die Kundschaft auch an einem neuen Standort sein Geschäft aufrecht zu erhalten. Ein qualifizierter und bekannter Uhrmacher, der eine treue Kundschaft besitze, sei nicht auf ein bestimmtes Geschäftslokal angewiesen. Für das LVwG sei nicht nachvollziehbar, warum die Nutzung eines nur in geringer Entfernung angebotenen Ersatzlokals einen wirtschaftlichen Untergang bedeuten solle. Eine Unterschriftenaktion sei im MRG nicht von Bedeutung, darauf müsse daher nicht Bedacht genommen werden.

10 Soweit der Revisionswerber zunächst behauptet, das angefochtene Erkenntnis stehe nicht im Einklang mit der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung, genügt sein Vorbringen mangels näherer Konkretisierung den Anforderungen des § 28 Abs. 3 VwGG nicht, zumal schon nicht konkret - unter Angabe zumindest einer nach Datum und Geschäftszahl bezeichneten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes - angegeben wird, von welcher hg. Judikatur das Verwaltungsgericht nach Ansicht des Revisionswerbers abgewichen sein soll (vgl. dazu etwa VwGH 1.6.2017, Ra 2017/06/0074, mwN).

11 Des Weiteren finden sich die Revisionsgründe von S. 20 (Punkt V. 2.) bis S. 29 (Punkt V.4.) wortident als sämtliche Revisionszulässigkeitsgründe (S. 9 Punkt 3.2.3. bis S. 17 Punkt 3.4.) der gegenständlichen Revision wieder, ohne dass ausgeführt wurde, inwiefern die damit angesprochenen Fragen grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG wären. Dem Erfordernis des § 28 Abs. 3 VwGG der gesonderten Darlegung der Revisionszulässigkeitsgründe wird damit nicht entsprochen (vgl. zuletzt etwa VwGH 30.1.2010, Ra 2020/05/0007, mwN).

12 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

13 Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.

Wien, am 2. April 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2017060255.L00

Im RIS seit

18.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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