TE Vwgh Erkenntnis 1998/4/17 97/04/0229

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.04.1998
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §69 Abs1 Z2;
AVG §69 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde des A in H, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 24. September 1997, Zl. IIa-50.022/4-96, betreffend Bewilligung der Wiederaufnahme eines Verfahrens wegen Entziehung der Gewerbeberechtigung (mitbeteiligte Partei: Arbeitsinspektorat für den 14. Aufsichtsbezirk in Innsbruck, Arzler Straße 43a), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Imst vom 11. November 1996 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Entziehung der Gewerbeberechtigung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Die von der mitbeteiligten Partei dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Juni 1997 als verspätet zurückgewiesen.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 24. September 1997 bewilligte der Landeshauptmann von Tirol der mitbeteiligten Partei gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 AVG die Wiederaufnahme des Verfahrens in der Berufungsinstanz. Zur Begründung führte der Landeshauptmann aus, er sei in seinem Zurückweisungsbescheid vom 6. Juni 1997 davon ausgegangen, daß die Berufung der mitbeteiligten Partei gegen den erstbehördlichen Bescheid am 3. Dezember 1996 zur Post gegeben worden sei. Mit ihrem Antrag auf Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens habe die mitbeteiligte Partei einen Rückschein vorgelegt, aus dem sich ergebe, daß diese Berufung bereits am 2. Dezember 1996 zur Post gegeben worden sei. In einem späteren Schreiben vom 4. September 1997 habe die mitbeteiligte Partei vorgebracht, der Zurückweisungsbescheid vom 6. Juni 1997 sei ihr am 16. Juni 1997 zugestellt worden, doch habe der betreffende Sachbearbeiter auf Grund seiner Außendiensttätigkeit erst am 23. Juni 1997 durch Nachschau in den Akten Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund erlangt. Der Antrag auf Wiederaufnahme sei am 1. Juli 1997 zur Post gegeben worden. Er sei daher als rechtzeitig innerhalb der zweiwöchigen Frist des § 69 Abs. 2 AVG erhoben anzusehen. Aus dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Zustellschein ergebe sich zweifelsfrei, daß die Berufung gegen den erstbehördlichen Bescheid bereits am 2. Dezember 1996 und damit rechtzeitig zur Post gegeben worden sei. Dieses Beweismittel sei der Berufungsbehörde bei Erlassung des Zurückweisungsbescheides vom 6. Juni 1997 nicht zur Verfügung gestanden. Da im Berufungsverfahren auch keine weitere Anhörung der mitbeteiligten Partei erfolgt sei, habe sie dieses Beweismittel ohne ihr Verschulden nicht vorlegen können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerde ist zulässig, weil gegen den angefochtenen Bescheid auch ein verbundenes Rechtsmittel nicht offensteht (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 23. März 1977, Slg. N.F. Nr. 9.277/A).

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem aus der Rechtskraft des Bescheides des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Juni 1997 folgenden Recht auf dessen Unanfechtbarkeit und Unwiderrufbarkeit verletzt. In Ausführung des so bezeichneten Beschwerdepunktes macht er geltend, bei dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Rückschein handle es sich nicht um ein neues Beweismittel im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. a (gemeint: § 69 Abs. 1 Z. 2) AVG. Auch wäre die mitbeteiligte Partei jederzeit in der Lage gewesen, diesen Rückschein schon vor Abschluß des wiederaufzunehmenden Verfahrens vorzulegen. Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Wiederaufnahme habe zur Frage seiner Rechtzeitigkeit lediglich den Hinweis enthalten, der Zurückweisungsbescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 6. Juni 1997 sei der mitbeteiligten Partei am 16. Juni 1997 zugestellt worden. Mangels weiterer Ausführungen sei daher davon auszugehen, daß die mitbeteiligte Partei an diesem Tag Kenntnis vom Vorliegen eines allfälligen Wiederaufnahmegrundes erlangt haben müsse, sodaß davon ausgehend der erst am 1. Juli 1997 zur Post gegebene Antrag verspätet sei. Da nach der Rechtsprechung bereits der Antrag auf Wiederaufnahme eines Verfahrens sämtliche Angaben über die Rechtzeitigkeit seiner Erhebung enthalten müsse, sei das weitere Vorbringen der mitbeteiligten Partei im Schriftsatz vom 4. September 1997, in welchem ausgeführt werde, der zuständige Sachbearbeiter habe auf Grund seiner Außendiensttätigkeit erst am 23. Juni 1997 durch Nachschau in den Akten Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund erlangt, auf Grund seiner Verfristung unbeachtlich. Die belangte Behörde habe überdies die Angaben der mitbeteiligten Partei über die erst spätere Kenntnisnahme des Sachbearbeiters vom Wiederaufnahmegrund nicht weiter überprüft, wozu sie aber gemäß § 37 AVG verpflichtet gewesen wäre. Das gleiche gelte für die Behauptung, der Zurückweisungsbescheid vom 6. Juni 1997 sei am 16. Juni 1997 zugestellt worden.

Gemäß § 69 Abs. 1 Z. 2 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten. Nach dem Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ist der Antrag auf Wiederaufnahme binnen zwei Wochen vom Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, jedoch spätestens binnen drei Jahren nach der Zustellung oder mündlichen Verkündung des Bescheides bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen hat, muß der Wiederaufnahmewerber schon im Antrag angeben, wann er vom Vorhandensein des von ihm geltend gemachten Beweismittels Kenntnis erlangt hat. Ein Fehlen dieser Angaben über die Rechtzeitigkeit der Antragstellung kann nicht nach § 13 Abs. 3 AVG als Formgebrechen behandelt werden (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 15. Dezember 1994, Zl. 94/09/0342). Enthält der Antrag eine derartige Angabe, ist es dem Antragsteller verwehrt, nach Ablauf der zweiwöchigen Frist des § 69 Abs. 2 AVG einen anderen Sachverhalt als den bereits im Antrag geltend gemachten zur Begründung der Rechtzeitigkeit seines Antrages vorzubringen.

Im vorliegenden Fall enthält der Wiederaufnahmeantrag der mitbeteiligten Partei zur Frage der Rechtzeitigkeit dieses Antrages lediglich den Hinweis, "daß der bekämpfte Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol dem Arbeitsinspektorat am 16.6.1997 zugestellt wurde (laut Eingangsstempel)". Diese Erklärung kann nur dahin verstanden werden, daß die mitbeteiligte Partei mit dieser Zustellung Kenntnis vom Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 69 Abs. 2 AVG erlangt hat. Von diesem Zeitpunkt ausgehend erweist sich aber, wie der Beschwerdeführer ebenfalls zutreffend hervorhebt, der nach den Feststellungen der belangten Behörde erst am 1. Juli 1997 zur Post gegebene Wiederaufnahmeantrag als verspätet. Die belangte Behörde hätte daher entsprechend der oben dargelegten Rechtslage von den Angaben im Wiederaufnahmegrund über dessen Rechtzeitigkeit ausgehend und ohne Rücksicht auf das erst später erstattete anderslautende Vorbringen den Antrag der mitbeteiligten Partei auf Wiederaufnahme des Verfahrens als verspätet zurückweisen müssen.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Inhalt des Wiederaufnahmeantrages

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997040229.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten