TE Lvwg Erkenntnis 2020/3/23 VGW-111/067/1832/2020, VGW-111/V/067/1833/2020, VGW-111/V/067/1834/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2020
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Entscheidungsdatum

23.03.2020

Index

40/01 Verwaltungsverfahren
L82009 Bauordnung Wien

Norm

AVG §18 Abs3
AVG §18 Abs4
BauO Wr §69
BauO Wr §132 Abs1
BauO Wr §133 Abs1 Z1
BauO Wr §133 Abs3
BauO Wr §133 Abs5

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Dr. Grois über die Beschwerde 1) des Herrn A. B. sowie 2) der Frau C. B., beide wohnhaft in Wien, E.-Straße und 3) des Herrn D. B., Wien, F.-gasse, alle vertreten durch Rechtsanwälte OG, A) gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, vom 07.01.2020, GZ MA37/..., mit welchem gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO für Wien) aufgrund des Bescheides des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den ... Bezirk vom 02.12.2019, Zl. BV ..., die baubehördliche Bewilligung für das am 09.08.2018 eingebrachte Ansuchen für die Errichtung eines Zubaues auf der Liegenschaft in Wien, E.-Straße, EZ ..., KG ..., versagt wurde, sowie B) gegen den Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den ... Bezirk, vom 02.12.2019, GZ ..., mit welchem gemäß § 69 BO für Wien die Abweichung vom Bebauungsplan ("Der Zubau darf die vordere Baufluchtlinie um bis zu 4m überschreiten.") für unzulässig erklärt wurde,

zu Recht e r k a n n t:

1. Gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG werden die Beschwerden gegen den Bescheid der Bezirksvertretung für den ... Bezirk, Bauausschuss, vom 02.12.2019, GZ ..., zurückgewiesen. Den Beschwerden gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 07.01.2020, MA37/..., wird Folge gegeben und wird der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien behoben.

2. Gegen diese Entscheidungen ist gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 – VwGG eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes – B-VG unzulässig.

BEGRÜNDUNG

I.1.1. Mit Eingabe vom 09.08.2018, begehrten Frau C. B. und Herr A. B. (nachfolgend kurz: Bauwerber) die baubehördliche Bewilligung gemäß § 70 BO für Wien für einen Zubau auf der im grundbücherlichen Alleineigentum von Herrn D. B. stehenden Liegenschaft EZ ... KG ... mit der Liegenschaftsadresse E.-Straße.

1.2. Zum Bauansuchen findet sich ein Ansuchen um Abweichung von Vorschriften des Bebauungsplanes gemäß § 69 BO für Wien im Akt des Magistrats der Stadt Wien.

Im Akt des Magistrats der Stadt Wien liegen Stellungnahmen der befassten Magistratsabteilungen 19 und 21 zu der projektierten Überschreitung der Baufluchtlinie ein.

Seitens des Magistrats der Stadt Wien wurde die beantragte Abweichung gemäß § 69 BO für Wien in einem Aktenvermerk vom Juli 2019 als den Intentionen des Flächenwidmungsplanes und Bebauungsplanes entsprechend befunden.

2. Die belangte Behörde beraumte für den 02.08.2019 eine mündliche Verhandlung zum Bauvorhaben an. Angrenzende Nachbarn erhoben gegen das Bauvorhaben samt der beantragten Abweichung Einwendungen.

3.1 Mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid der Bezirksvertretung für den ... Bezirk, Bauausschuss (nachfolgend kurz: Bauausschuss), vom 02.12.2019, GZ ..., wurde die beantragte Baufluchtlinienüberschreitung für unzulässig erklärt. Der Spruch lautet:

„(…)

Der Bauausschuss der Bezirksvertretung für den ... Bezirk hat in seiner Sitzung vom 2.12.2019, in Anwesenheit der in der Anlage genannten Mitglieder wie folgt beschlossen:

Für das beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, zur Zahl: MA 37/... anhängige Bauvorhaben, ist nach Maßgabe der diesem Baubewilligungsverfahren zu Grunde liegenden Pläne nachstehende Abweichung unzulässig:

Der Zubau darf die vordere Baufluchtlinie um bis zu 4m überschreiten.

Die Gründe, die gegen die Abweichung sprechen überwiegen.

Begründung

(…)“

3.2. Mit dem ebenso beschwerdegegenständlichen Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 07.01.2020, GZ MA37/..., wurde das Ansuchen um baubehördliche Bewilligung versagt. Der beschwerdegegenständliche Bescheid lautet im Spruch wie folgt:

BESCHEID

Gemäß § 70 der Bauordnung für Wien (BO) wird aufgrund des Bescheides des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den ... Bezirk vom 02.12.2019, Zl. BV ... die baubehördliche Bewilligung für das am 09. August 2018 eingebrachte Ansuchen für die Errichtung eines Zubaues auf der im Betreff genannten Liegenschaft versagt.

Begründung

(…)“

4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde.

5. Der Magistrat der Stadt Wien legte die Beschwerden unter Anschluss des verwaltungsbehördlichen Aktes mit Schreiben vom 10.02.2020 dem Verwaltungsgericht Wien vor, worin zu den Beschwerdeausführungen nicht Stellung genommen wurde.

6. Dem Verwaltungsgericht Wien erwuchsen aufgrund der mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 14.11.2019, GZ VGW-111/067/1237/2019-13 u.a., hervorgekommenen Behördenpraxis hinsichtlich der Erlassung von Bescheiden der Bezirksvertretungen, Bauausschüsse, Bedenken, ob der hier beschwerdegegenständliche Bescheid der Bezirksvertretung für den ... Bezirk, Bauausschuss, an die Verfahrensparteien wirksam erlassen wurde. Vor diesem Hintergrund wurden die Beschwerdeführer aufgefordert, die ihnen zugestellten Bescheide des Magistrats der Stadt Wien sowie des Bauausschusses im Original dem Verwaltungsgericht Wien zur Einsicht vorzulegen.

Die Beschwerdeführer legten mit Eingabe vom 24.02.2020 die Bezug habenden Bescheide des Magistrats der Stadt Wien und des Bauausschusses mit der Erklärung vor, beide Bescheide seien Original bzw. wie von der Behörde übersandt. Mit Eingabe vom 02.03.2020 wurde ein weiterer Bezug habender Bescheid des Magistrats der Stadt Wien ebenso mit der Erklärung vorgelegt, der Bescheid sei Original bzw. wie von der Behörde übersandt. Mit Eingabe vom 06.03.2020 erklärten die Beschwerdeführer sämtliche den Beschwerdeführern im Original zugegangen Bescheide vorgelegt zu haben; jene Bescheide, die in Verschlag geraten sind, seien mit den vorgelegten Bescheiden ident. Lediglich der Beschwerdeführer D. B. habe – anders als in der Zustellverfügung ausgewiesen – keinen Bescheid des Bauausschusses für den ... Bezirk erhalten, jedoch über dessen Inhalt faktische Kenntnisnahme erlangt, sodass eine Zustellung durch faktische Kenntniserlangung erfolgt.

7. Aufgrund der von den Parteien vorgelegten Schriftsätze, Beilagen und Unterlagen und insbesondere nach Einsichtnahme in den vorgelegten unbedenklichen und unbestritten gebliebenen Behördenakt sowie nach Einsicht in das offene Grundbuch hat das Verwaltungsgericht Wien in der Beschwerdesache folgenden Sachverhalt als erwiesen festgestellt:

7.1. Mit Eingabe vom 09.08.2018 begehrten die Bauwerber die baubehördliche Bewilligung auf der projektgegenständlichen Liegenschaft EZ ... KG ..., mit der Liegenschaftsadresse E.-Straße. Die projektgegenständliche Liegenschaft steht im grundbücherlichen Eigentum von Herrn D. B..

7.2. In der Sitzung der Bezirksvertretung für den ... Bezirk, Bauausschuss, am 02.12.2019, wurde die von den Bauwerbern beantragte Abweichung der Überschreitung der vorderen Baufluchtlinie um bis zu 4 m gemäß § 69 BO für Wien für unzulässig befunden und sodann der in Punkt I.3.1. auszugsweise wiedergegebene Bescheid -- ausweislich der vorgelegten Papier- und elektronischen Aktenlage des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, -- datiert mit 02.12.2019, vom stellvertretenden Vorsitzenden des Bauausschusses, Herrn G. H., unter Beisetzung seines Namens in Druck- bzw. Blockschrift gefertigt. Der Bescheid des Bauausschusses war nicht mit einer Amtssignatur versehen. In der Zustellverfügung des Bauausschussbescheides sind alle Beschwerdeführer angeführt.

Ausweislich des im Original vorgelegten und den Beschwerdeführern Frau C. B. und Herrn A. B. zugestellten Bescheides des Bauausschusses weist dieser den Namen des stellvertretenden Vorsitzenden in Blockschrift auf, jedoch keine (originale oder kopierte) handschriftliche Fertigung bzw. Unterschrift desselben auf. Ebenso findet sich darauf keine kanzleimäßige Beglaubigung und auch keine elektronische Amtssignatur.

7.3. Der Akt des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, weist ausweislich des vorgelegten Papieraktes einen mit 07.01.2020 datierten Bescheid aus, welcher mittels Textverarbeitung geschrieben ist und handschriftliche Ergänzungen aufweist. Bei der Fertigungsklausel „für den Abteilungsleiter“ dieses Bescheides ist neben der Namhaftmachung „DI I.“ der handschriftliche Unterschriftszug beigesetzt.

Weiters liegt sowohl im vorgelegten Papier- als auch im elektronischen Akt der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, ein, welcher (in Anschluss an die Zustellverfügung: „Ergeht an“) bei der Fertigungsklausel „Für den Abteilungsleiter“ die Namhaftmachung „DI I.“ aufweist. Ein handschriftlicher Unterschriftszug ist hier nicht beigesetzt. Doch ist im Anschluss an die Zustellverfügung – neben dem Wappen der Stadt Wien und einem Hinweis auf Amtssignierung – der Vermerk angebracht:

„Dieses Dokument wurde amtssigniert.

Information zur Prüfung des elektronischen Siegels

bzw. der elektronischen Signatur finden Sie unter:

https://www.wien.gv.at/amtssignatur“

Das dargestellte Wappen mit Hinweis auf Amtssignierung korrespondiert mit der in der genannten Internetadresse (gesicherte Veröffentlichung der Bildmarke gemäß § 19 Abs. 3 E-GovG) dargestellten Bildmarke bzw. dem Aussehen der Amtssignatur der Stadt Wien.

Die den Beschwerdeführern im Original zugestellten Bescheide des Magistrats der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, korrespondieren mit dem im Akt einliegenden, mit elektronischer Amtssignatur versehenen Bescheid.

II.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Gemäß § 27 iVm § 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und des Begehrens zu überprüfen. Die Rechtssache ist gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, sofern eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

2. Die im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Bestimmungen der Bauordnung für Wien – BO für Wien, LGBl. für Wien Nr. 11/1930, zuletzt geändert durch Wiener Landesgesetz, LGBl. für Wien Nr. 71/2018, lauten auszugsweise:

Ansuchen um Baubewilligung
§ 60.

(1) Bei folgenden Bauvorhaben ist, soweit nicht die §§ 62, 62a oder 70a zur Anwendung kommen, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken:

a)

Neu-, Zu- und Umbauten. Unter Neubau ist die Errichtung neuer Gebäude zu verstehen; ein solcher liegt auch vor, wenn nach Abtragung bestehender Bauwerke die Fundamente oder Kellermauern ganz oder teilweise wieder benützt werden. Ein einzelnes Gebäude ist ein raumbildendes Bauwerk, die in ihrer Bausubstanz eine körperliche Einheit bildet und nicht durch Grenzen eines Bauplatzes oder Bauloses oder durch Eigentumsgrenzen geteilt ist, ausgenommen die zulässige Bebauung von Teilen des öffentlichen Gutes. Der Bezeichnung als ein einzelnes Gebäude steht nicht entgegen, dass in ihm Brandmauern enthalten sind oder es auf Grundflächen von verschiedener Widmung, verschiedener Bauklasse oder verschiedener Bauweise errichtet ist. Ein Raum liegt vor, wenn eine Fläche zumindest zur Hälfte ihres Umfanges von Wänden umschlossen und von einer Deckfläche abgeschlossen ist; ein Aufenthaltsraum muss allseits umschlossen sein. Flugdächer mit einer bebauten Fläche von mehr als 25 m2 oder einer lotrecht zur bebauten Fläche gemessenen Höhe von mehr als 2,50 m gelten als Gebäude. Zubauten sind alle Vergrößerungen eines Gebäudes in waagrechter oder lotrechter Richtung, ausgenommen die Errichtung von Dachgauben. Unter Umbau sind jene Änderungen des Gebäudes zu verstehen, durch welche die Raumeinteilung oder die Raumwidmungen so geändert werden, dass nach Durchführung der Änderungen das Gebäude als ein anderes anzusehen ist. Ein Umbau liegt auch dann vor, wenn solche Änderungen selbst nur ein einzelnes Geschoß betreffen. Der Einbau von Wohnungen oder Teilen davon in das Dachgeschoß gilt nicht als Umbau.

b)

bis j)                 (...)

(2) und (3) (...)“

Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes
§ 69.

(1) Für einzelne Bauvorhaben hat die Behörde über die Zulässigkeit von Abweichungen von den Vorschriften des Bebauungsplanes zu entscheiden. Diese Abweichungen dürfen die Zielrichtung des Flächenwidmungsplanes und des Bebauungsplanes nicht unterlaufen. Darüber hinaus darf

1.

die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen ohne nachgewiesene Zustimmung des betroffenen Nachbarn nicht vermindert werden,

2.

an Emissionen nicht mehr zu erwarten sein, als bei einer der Flächenwidmung entsprechenden Nutzung typischerweise entsteht,

3.

das vom Flächenwidmungsplan und Bebauungsplan beabsichtigte örtliche Stadtbild nicht störend beeinflusst werden und

4.

die beabsichtigte Flächennutzung sowie Aufschließung nicht grundlegend anders werden.

(2) Abweichungen, die die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen, sind weiters nur zulässig, wenn sie nachvollziehbar

1.

eine zweckmäßigere Flächennutzung bewirken,

2.

eine zweckmäßigere oder zeitgemäße Nutzung von Bauwerken, insbesondere des konsensgemäßen Baubestandes, bewirken,

3.

der Herbeiführung eines den zeitgemäßen Vorstellungen entsprechenden örtlichen Stadtbildes dienen oder

4.

der Erhaltung schützenswerten Baumbestandes dienen.

(3) Für Bauvorhaben in Schutzzonen dürfen Abweichungen nach Abs. 1 nur bewilligt werden, wenn das öffentliche Interesse an einer besonderen Situierung und Ausbildung des Baukörpers zur Gestaltung des örtlichen Stadtbildes überwiegt und die zulässige Ausnützbarkeit des Bauplatzes nicht überschritten wird.

(4) Die Gründe, die für die Abweichung sprechen, sind mit den Gründen, die dagegen sprechen, abzuwägen. Insbesondere ist auf den konsensgemäßen Baubestand der betroffenen Liegenschaft und der Nachbarliegenschaften sowie auf den Umstand, dass die Ausnahmebewilligung nur für die Bestanddauer des Baues gilt, Bedacht zu nehmen. Vom Bauwerber geltend gemachte Verpflichtungen aus Bundes- oder anderen Landesgesetzen sind zu berücksichtigen, desgleichen, ob die Abweichung der besseren barrierefreien Benützbarkeit des konsensgemäßen Baubestandes oder des geplanten Baues dienlich ist.

(5) Die Bestimmungen über Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes finden auch in Gebieten Anwendung, über die gemäß § 8 Abs. 2 eine zeitlich begrenzte Bausperre verhängt ist.“

Wirkungskreis des Magistrates
§ 132.

(1) Dem Magistrat obliegt, sofern das Gesetz nicht anderes bestimmt, die Handhabung dieses Gesetzes als Behörde.

(2) (…)“

Wirkungsbereich der Bauausschüsse der Bezirksvertretungen

§ 133.

(1) Dem Bauausschuss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung obliegt als Behörde die Entscheidung über Anträge

1.

auf Bewilligung von Abweichungen nach §§ 7a Abs. 5, 69, 76 Abs. 13, 81 Abs. 6 und 119 Abs. 6;

2.

auf Erteilung von Sonderbaubewilligungen nach § 71b.

(2) Das Ermittlungsverfahren führt der Magistrat, bei dem auch der Antrag einzubringen ist. Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens hat der Magistrat den Antrag an den zuständigen Bauausschuss weiterzuleiten.

(3) Der Vorsitzende des Bauausschusses hat die Bescheide zu unterfertigen.

(4) Die Bewilligung von Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 ist nur auf Antrag zulässig; das Ansuchen um Baubewilligung gilt zugleich als Antrag auf Bewilligung der für das Bauvorhaben erforderlichen Abweichungen nach Abs. 1 Z 1.

(5) Der Antrag auf Bewilligung von Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 ist nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens über das Ansuchen um Baubewilligung an den Bauausschuss weiterzuleiten, der über den Antrag schriftlich durch Bescheid zu erkennen hat; der Bauausschuss darf nur Anträge, die sich auf ein bestimmtes Bauansuchen beziehen und mit Bauplänen gemäß § 63 Abs. 1 lit. a belegt sind, nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens über das Ansuchen um Baubewilligung in Behandlung nehmen. Durch den Bescheid werden der Flächenwidmungsplan und der Bebauungsplan weder abgeändert noch ergänzt. Wird die Bewilligung erteilt, ist damit über Einwendungen abgesprochen.

(6) Widerspricht ein Ansuchen um Baubewilligung den Voraussetzungen der §§ 7a Abs. 5, 69 Abs. 1 und 2, 76 Abs. 13, 81 Abs. 6 oder 119 Abs. 6, ist es abzuweisen; ein mit dem Ansuchen um Baubewilligung verbundener ausdrücklicher Antrag auf Bewilligung von Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 gilt in diesem Falle als dem Ansuchen um Baubewilligung nicht beigesetzt. Dies gilt auch, wenn der Bauwerber mit dem Ansuchen um Baubewilligung ausdrücklich einen Antrag auf Bewilligung von Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 stellt, ohne dass sein Bauvorhaben einer solchen Bewilligung bedarf, bzw. wenn das Ermittlungsverfahren über das Ansuchen um Baubewilligung ergibt, dass die Baubewilligung ohne Änderung des Bauvorhabens oder der Baupläne versagt werden muss.

(7) Vor der erstinstanzlichen Bewilligung von Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 darf die Baubewilligung nicht erteilt werden. Gegen einen Bescheid, mit dem über den Antrag auf Bewilligung von Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 entschieden wird, ist eine abgesonderte Beschwerde (§ 136 Abs. 1) nicht zulässig. Die Beschwerde kann nur mit der Beschwerde gegen die Entscheidung über das Ansuchen um Baubewilligung verbunden werden, die sich auf die Entscheidung über Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 stützt. Die Bewilligung von Abweichungen nach Abs. 1 Z 1 steht nachträglichen Änderungen des Bauvorhabens nicht entgegen, sofern die Abweichung nicht berührt wird.“

Parteien
§ 134.

(1) und (2) (...)

(3) Im Baubewilligungsverfahren und im Verfahren zur Bewilligung von Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes sind außer dem Antragsteller (Bauwerber) die Eigentümer (Miteigentümer) der Liegenschaften Parteien. Personen, denen ein Baurecht zusteht, sind wie Eigentümer der Liegenschaften zu behandeln. Die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften sind dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134 a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134 a gegen die geplante Bauführung erheben; das Recht auf Akteneinsicht (§ 17 AVG) steht Nachbarn bereits ab Einreichung des Bauvorhabens bei der Behörde zu. Alle sonstigen Personen, die in ihren Privatrechten oder in ihren Interessen betroffen werden, sind Beteiligte (§ 8 AVG). Benachbarte Liegenschaften sind im Bauland jene, die mit der vom Bauvorhaben betroffenen Liegenschaft eine gemeinsame Grenze haben oder bis zu einer Breite von 6 m durch Fahnen oder diesen gleichzuhaltende Grundstreifen oder eine höchstens 20 m breite öffentliche Verkehrsfläche von dieser Liegenschaft getrennt sind und im Falle einer Trennung durch eine öffentliche Verkehrsfläche der zu bebauenden Liegenschaft gegenüberliegen. In allen übrigen Widmungsgebieten sowie bei Flächen des öffentlichen Gutes sind jene Liegenschaften benachbart, die in einer Entfernung von höchstens 20 m vom geplanten Bauwerk liegen.

(4) bis (7) (...)“

Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte

§ 134 a. (1) Subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, werden durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutze dienen, begründet:

a)

Bestimmungen über den Abstand eines Bauwerkes zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

b)

Bestimmungen über die Gebäudehöhe;

c)

Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

d)

Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

e)

Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Bauwerkes ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Bauwerkes zu Wohnzwecken, für Schulen oder Kinderbetreuungseinrichtungen oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden;

f)

Bestimmungen, die den Nachbarn zu Emissionen berechtigen.

(2) Bestimmungen gemäß Abs. 1 lit. e dienen dem Schutz der Nachbarn nur insoweit, als nicht ein gleichwertiger Schutz bereits durch andere Bestimmungen gegeben ist. Ein solcher gleichwertiger Schutz ist jedenfalls gegeben bei Emissionen aus Bauwerken und Bauwerksteilen mit gewerblicher Nutzung im Industriegebiet, im Gebiet für Lager- und Ländeflächen, in Sondergebieten, im Betriebsbaugebiet sowie im sonstigen gemischten Baugebiet, sofern auf sie das gewerberechtliche Betriebsanlagenrecht zur Anwendung kommt.

(3) Emissionen gemäß Abs. 1 lit. f sind nur solche, die auf der Grundlage eines behördlichen Bescheides zulässig sind. Durch solche Emissionen darf auf der zu bebauenden Liegenschaft keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit der Benützer oder Bewohner entstehen. Diesen Emissionen kann durch entsprechende Baumaßnahmen auf der zu bebauenden Liegenschaft oder mit Zustimmung des Eigentümers (aller Miteigentümer) auf der Nachbarliegenschaft entgegengetreten werden.“

3. Die im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991 (WV), zuletzt geändert durch Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 58/2018, lauten auszugsweise:

Erledigungen
§ 18.

(1) und (2) (…)

(3) Schriftliche Erledigungen sind vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

(4) Jede schriftliche Ausfertigung hat die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

(5) (…)“

4. Die im Beschwerdeverfahren anzuwendenden Bestimmungen des E-Government-Gesetzes – E-GovG, BGBl. Nr. 10/2004, zuletzt geändert durch Bundesgesetz, BGBl. I Nr. 104/2018, lauten auszugsweise:

Besonderheiten elektronischer Aktenführung

Amtssignatur
§ 19.

(1) Die Amtssignatur ist eine fortgeschrittene elektronische Signatur oder ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel, deren Besonderheit durch ein entsprechendes Attribut im Signaturzertifikat oder Zertifikat für elektronische Siegel ausgewiesen wird.

(2) Die Amtssignatur dient der erleichterten Erkennbarkeit der Herkunft eines Dokuments von einem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs. Sie darf daher ausschließlich von diesem Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs unter den näheren Bedingungen des Abs. 3 bei der elektronischen Unterzeichnung und bei der Ausfertigung der von ihm erzeugten Dokumente verwendet werden.

(3) Die Amtssignatur ist im Dokument durch eine Bildmarke, die der Verantwortliche des öffentlichen Bereichs im Internet als die seine gesichert veröffentlicht hat, sowie durch einen Hinweis im Dokument, dass dieses amtssigniert wurde, darzustellen. Die Informationen zur Prüfung der elektronischen Signatur oder des elektronischen Siegels sind vom Verantwortlichen des öffentlichen Bereichs bereitzustellen.“

Beweiskraft von Ausdrucken
§ 20.

Ein auf Papier ausgedrucktes elektronisches Dokument einer Behörde hat die Beweiskraft einer öffentlichen Urkunde (§ 292 der Zivilprozessordnung – ZPO, RGBl. Nr. 113/1895), wenn das elektronische Dokument mit einer Amtssignatur versehen wurde. Die Amtssignatur muss durch Rückführung des Dokuments aus der ausgedruckten in die elektronische Form prüfbar oder das Dokument muss durch andere Vorkehrungen der Behörde verifizierbar sein. Das Dokument hat einen Hinweis auf die Fundstelle im Internet, wo das Verfahren der Rückführung des Ausdrucks in das elektronische Dokument und die anwendbaren Prüfmechanismen enthalten sind, oder einen Hinweis auf das Verfahren der Verifizierung zu enthalten.“

III.1.1. Die beschwerdeführenden Bauwerber beantragten mit beschwerdegegenständlichem Projekt die Bewilligung von Abweichungen gemäß § 69 BO für Wien. Die Zuständigkeit zur Entscheidung darüber obliegt der örtlich zuständigen Bezirksvertretung als Behörde, dessen Ausschussvorsitzender den schriftlichen Bescheid zu unterfertigen hat (§ 133 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 und 5 BO für Wien). Im Übrigen liegt die Zuständigkeit zur Entscheidung über das beschwerdegegenständliche Bauvorhaben beim Magistrat der Stadt Wien (§ 132 Abs. 1 BO für Wien). Vor der erstinstanzlichen Bewilligung von solchen Abweichungen durch den Bauausschuss der örtlich zuständigen Bezirksvertretung als Behörde darf die Baubewilligung nicht erteilt werden. Gegen einen Bescheid, mit dem über den Antrag auf Bewilligung von Abweichungen nach § 133 Abs. 1 Z 1 BO für Wien entschieden wird, ist eine abgesonderte Beschwerde beim Verwaltungsgericht Wien nicht zulässig. Die Beschwerde kann nur mit der Beschwerde gegen die Entscheidung über das Ansuchen um Baubewilligung (des Magistrats der Stadt Wien) verbunden werden, die sich auf die Entscheidung über Abweichungen nach § 133 Abs. 1 Z 1 (des Bauausschusses der örtlich zuständigen Bezirksvertretung) stützt (§ 133 Abs. 7 BO für Wien).

Der Beschwerdeführer Herr D. B. ist grundbücherlicher Eigentümer der projektgegenständlichen Liegenschaft, jedoch selbst nicht Bauwerber. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass ihm als solchem ein Recht auf Erteilung einer Baubewilligung nicht eingeräumt ist. Der Liegenschaftseigentümer, der nicht zugleich Bauwerber ist, hat Parteistellung nur hinsichtlich der Frage, ob seine Zustimmung vorliegt oder nicht (VwGH vom 03.07.2007, Zl 2006/05/ 0267). Er kann daher durch einen Bescheid, mit dem einem Dritten eine Baubewilligung versagt wird, in keinem Recht verletzt worden sein (vgl. etwa VwGH vom 13.10.1975, Slg. Nr. 8897/A, vom 10.11.1988, Zl. 86/06/0275, vom 29.01.2002, Zl. 2002/05/0022 u.v.a.). Als Partei des Bewilligungsverfahrens hat der Beschwerdeführer D. B. jedoch ein Recht auf Bescheiderlassung.

1.2. Bescheidmäßige schriftliche Erledigungen bedürfen einerseits einer internen Willensbildung (Genehmigung) und andererseits einer Bekanntgabe der Erledigung nach außen durch entsprechende Ausfertigung.

1.2.1. Was die interne Genehmigung betrifft, ist entsprechend § 18 Abs. 3 AVG die schriftliche Erledigung vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität der Erledigung treten.

Sowohl der Bescheid des Bauausschusses als auch der Bescheid des Magistrats der Stadt Wien wurden intern in Papierform (bzw. nicht „nur“ elektronisch) erstellt (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 18 Rz 8). Beide Bescheide wurden unter Beisetzung des jeweiligen Namens sowie Unterschrift handschriftlich genehmigt bzw. von der Vorsitzenden des Bauausschusses unterfertigt. Weiters liegt im Behördenakt ein mit Amtssignatur versehenes elektronisches Dokument des Bescheides des Magistrats der Stadt Wien ein.

1.2.2. Die Ausfertigung einer internen Genehmigung regelt § 18 Abs. 4 AVG. Nach dessen zweiten Satz müssen Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten mit einer Amtssignatur versehen sein – solche Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Dagegen haben entsprechend dem dritten Satz des § 18 Abs. 4 AVG sonstige Ausfertigungen die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß § 18 Abs. 3 genehmigt worden ist.

Dadurch sind mehrere Möglichkeiten eröffnet, eine Erledigung formwirksam nach außen treten zu lassen, wobei der grundlegende Unterschied in der Form der Ausfertigung – elektronisches Dokument oder Papierform – zu sehen ist. Eine Erledigungsausfertigung die keiner der in § 18 AVG genannten Fertigungsformen entspricht, die also weder die Unterschrift des Genehmigenden noch eine Beglaubigung noch eine Amtssignatur (zumindest als Ausdruck oder in Kopie davon) aufweist, mangelt es an der Qualität als behördlicher Akt, insbesondere als Bescheid. Es handelt sich dabei um wesentliche Fehler, die zur absoluten Nichtigkeit der Erledigung (des „Bescheides“) führt (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 18 Rz 14 mit Rechtsprechungsnachweisen).

Was nun die Erledigung des Bauausschusses betrifft, steht in der Beschwerdesache fest, dass diese weder in Form eines elektronischen Dokumentes noch als Ausdruck von elektronischen Dokumenten mit Amtssignatur oder Kopien davon ausgefertigt wurden. Die Erledigung des Bauausschusses wurde den beschwerdeführenden Bauwerbern (mit der Erledigung des Magistrats der Stadt Wien) konventionell als Papierausfertigung übermittelt bzw. dem Beschwerdeführer D. B. nicht übermittelt.

Eine solche Ausfertigung hat die eigenhändige Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten. Das Fehlen der eigenhändigen Unterschrift bewirkt die absolute Nichtigkeit der Ausfertigung der Erledigung, sofern diese nicht in anderer zulässiger Form – etwa Beglaubigung durch die Kanzlei – gefertigt wird (vgl. etwa Hengstschläger/Leeb, AVG I (2. Ausgabe 2014) § 18 Rz 23 f mwN).

Damit erweisen sich die den beschwerdeführenden Bauwerbern zugegangenen Ausfertigungen des intern genehmigten Bescheides des Bauausschusses nicht als eine dem Gesetz entsprechende bescheidmäßige Erledigung. Dem den Beschwerdeführern zugestellten Schreiben mangelt es an der Qualität als behördlicher Akt, insbesondere als Bescheid. Über die Bewilligung der beantragten Abweichungen von § 69 BO für Wien wurde folglich gegenüber den Beschwerdeführern nicht entschieden bzw. kein wirksamer Bescheid erlassen und die Beschwerden gegen den Bescheid des Bauausschusses erweisen sich daher als unzulässig.

An den Beschwerdeführer D. B. wurde der Bescheid des Bauausschusses nicht übermittelt bzw. nicht erlassen. Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, dass er von dessen Inhalt faktische Kenntnisnahme erlangt habe, sodass eine Zustellung durch faktische Kenntnisnahme erfolgt sei. Dazu ist anzumerken, wenn im Verfahren der Zustellung Mängel unterlaufen, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 des Zustellgesetzes die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des an ihn zuzustellenden Schriftstückes kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhaltes des Schriftstückes beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstückes (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht. Die bloße Kenntnis vom Vorhandensein und vom Inhalt des Dokuments – etwa infolge der Empfangnahme einer Ablichtung oder der eigenständigen Anfertigung einer Kopie – genügt nicht. Das Zustellgesetz enthält Regelungen über die Heilung von Zustellmängeln; eine „Heilung durch Einlassung“ kennen diese Bestimmungen nicht (vgl. etwa VwGH vom 17.10.2019, Ra 2018/08/0004, vom 24.10.2019, Ra 2018/15/0061, oder vom 22.07.2004, Zl 2001/10/0033; oder VfGH vom 04.10.1995, B 437/95). Weil dem Beschwerdeführer D. B. der Bescheid des Bauausschusses als solches bereits gar nicht zugegangen respektive insoweit auch nicht (wirksam) erlassen wurde, erweist sich seine dagegen gerichtete Beschwerde bereits aus diesem Grund als unzulässig.

Was nun die Erledigung des Magistrats der Stadt Wien betrifft steht in der Beschwerdesache fest, dass diese intern konventionell durch Unterfertigung der Urschrift durch den Genehmigenden und unter Beisetzung seines Namens gefertigt wurde. Im Behördenakt liegt dazu auch ein mit einer Amtssignatur versehenes elektronisches Dokument ein, welches den Beschwerdeführern zugeleitet und wirksam erlassen wurde. Dieser Bescheid war jedoch zu beheben: Denn gemäß § 133 Abs. 7 BO für Wien hätte der Magistrat der Stadt Wien seinerseits die Bewilligung des beantragten Bauvorhabens erst erteilen dürfen, wenn eine bescheidmäßige erstinstanzliche Bewilligung der beantragten Abweichungen vom Bauausschuss erteilt worden wäre. Weil – wie in der vorliegenden Verfahrenskonstellation – über die Bewilligung der beantragten Abweichungen seitens des Bauausschusses gegenüber den Beschwerdeführern jedoch noch nicht wirksam entschieden bzw. der Bauausschussbescheid nicht wirksam gegenüber den Beschwerdeführern erlassen wurde, wäre der Magistrat noch nicht zur Entscheidung über die Baubewilligung befugt gewesen.

Die von den Beschwerdeführern beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 und Abs. 4 VwGVG entfallen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

2. Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision gründet sich darauf, dass keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung einer zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal die verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen klar aus dem Gesetz lösbar sind (vgl. Köhler, Der Zugang zum VwGH in der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, ecolex 2013, 589 ff, mwN).

Schlagworte

Abweichungen von Vorschriften des Bebauungsplanes; Bauausschuss; Erledigung; Bescheid; interne Genehmigung; Ausfertigung; Baubewilligung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.111.067.1832.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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