TE Vwgh Beschluss 1998/4/20 98/17/0040

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Veröffentlicht am 20.04.1998
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Index

E3R E02202000;
E6J;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verfassungsgerichtshof;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
35/02 Zollgesetz;
35/05 Sonstiges Zollrecht;

Norm

31992R2913 ZK 1992 Art244;
61995CJ0334 Krüger VORAB;
AEG 1994 §1 Abs5;
B-VG Art7;
VerfGG 1953 §82 Abs1;
VwGG §26 Abs1 Z1;
VwGG §58 Abs1 idF 1997/I/088;
ZollRDG 1994 §120 Abs1c idF 1998/I/013;
ZollRDG 1994 §120 Abs1c idF BGBl 1998/I/013 ;
ZollRDG 1994 §85a idF BGBl 1998/I/013 ;
ZollRDG 1994 §85c idF BGBl 1998/I/013 ;
ZollRDG 1994 §85d Abs5 idF BGBl 1998/I/013 ;
ZollRDGNov 03te 1998 §85a;
ZollRDGNov 03te 1998 §85b;
ZollRDGNov 03te 1998 §85c;
ZollRDGNov 03te 1998 §85d;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):98/17/0068 98/17/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, in den Beschwerdesachen der H GmbH, vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in R, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Salzburg 1. (zur Zl. 98/17/0040) vom 13. Oktober 1997, Zl. R-H 2/33-GA3-Sch/96, 2. (zur Zl. 98/17/0041) vom 24. Oktober 1997, Zl. R-H 2/35-GA3/Sch/96, und 3. (zur Zl. 98/17/0068) vom 10. Oktober 1997, Zl. H 2/52-GA3-Sch/96, jeweils betreffend Ausfuhrerstattung nach dem Ausfuhrerstattungsgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerden werden gemäß § 120 Abs. 1c Zollrechts-Durchführungsgesetz, BGBl. Nr. 659/1994, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 13/1998, an den für die beschwerdeführende Partei in Angelegenheiten der Marktordnung zuständigen Berufungssenat bei der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich gemäß § 85d Abs. 1 ZollR-DG abgetreten.

Kosten werden nicht zugesprochen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte im Zusammenhang mit dem Export von ihr hergestellter Rindfleischkonserven in Drittländer Anträge auf Gewährung von Ausfuhrerstattungen nach dem Ausfuhrerstattungsgesetz, BGBl. Nr. 660/1994 (zum Zeitpunkt der Durchführung der gegenständlichen Verwaltungsverfahren zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 516/1995).

Das Zollamt Salzburg teilte die Auffassung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Einreihung unter bestimmte Produktcodes nicht und gewährte die Erstattung nicht in der beantragten Höhe, sondern eine niedrigere Erstattung.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung gegen diese Bescheide.

Mit den vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheiden wurde den Berufungen keine Folge gegeben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat beschlossen, die drei Verfahren wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung zu verbinden.

Die Beschwerden sind nicht zulässig.

Gemäß § 1 Abs. 5 des Ausfuhrerstattungsgesetzes, BGBl. Nr. 660/1994, in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 516/1995 (in der Folge: AEG), sind auf die Erstattungen nach diesem Gesetz die für Zölle geltenden Rechtsvorschriften sinngemäß anzuwenden, soweit im gemeinschaftlichen Marktordnungsrecht oder in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist.

Aufgrund dieses Verweises auf das Zollrecht ist auch das Zollrechts-Durchführungsgesetz, insbesondere in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 13/1998, anzuwenden.

Mit den §§ 85a bis 85f ZollR-DG in der genannten Fassung wurde das Rechtsmittelverfahren neu geregelt. Demnach steht gegen Entscheidungen von Zollbehörden grundsätzlich das Rechtsmittel der Berufung zu (§ 85a ZollR-DG). Die Berufung ist als nicht aufsteigendes Rechtsmittel konstruiert, zur Entscheidung ist somit die Behörde berufen, die die angefochtene Entscheidung erlassen hat (§ 85b Abs. 2 ZollR-DG).

Gegen Berufungsvorentscheidungen ist als Rechtsbehelf der zweiten Stufe gemäß § 85c ZollR-DG die Beschwerde an den örtlich und sachlich zuständigen Berufungssenat gemäß § 85d Abs. 5 zulässig. Wie sich nicht zuletzt aus § 85f ZollR-DG ergibt, stellen die §§ 85a ff keineswegs zollrechtliche Spezialbestimmungen dar, die nur in den in § 2 Abs. 1 und 2 ZollR-DG genannten Angelegenheiten (nicht aber bei Vollziehung des AEG) anwendbar wären.

An der grundsätzlichen Anwendbarkeit der genannten Regelungen im Ausfuhrerstattungsverfahren ändert auch das Urteil des EuGH vom 17. Juli 1997, Rs. C-334/95, in der Rechtssache Krüger, nichts. Der EuGH hat in diesem Erkenntnis ausgesprochen, daß Art. 244 des Zollkodex nicht auf Bescheide anwendbar sei, mit denen über Ausfuhrerstattungsanträge abgesprochen wird. Geltungsgrund für die Anwendung der §§ 85a ff ZollR-DG (die als Umsetzung der Vorschriften über das Rechtsmittelverfahren im Zollkodex zu verstehen sind) im österreichischen Ausfuhrerstattungsverfahren ist § 1 Abs. 5 AEG. Auch dem genannten Erkenntnis des EuGH ist nur zu entnehmen, daß es nicht geboten ist, Art. 244 Zollkodex im Ausfuhrerstattungsverfahren anzuwenden, es läßt sich daraus aber nicht ableiten, daß der nationale Gesetzgeber gehindert wäre, durch Verweis auf Zollvorschriften auch das dem Art. 244 Zollkodex entsprechende Rechtsmittelverfahren in Verfahren auf Sachgebieten, die nach der europarechtlichen Systematik nicht als Zollverfahren zu verstehen sind, zur Anwendung kommen zu lassen. Es besteht daher kein EG-Recht, das der Anwendung der §§ 85a ff ZollR-DG im Sinne des § 1 Abs. 5 AEG "entgegenstünde".

Die genannten Vorschriften sind gemäß § 120 Abs. 1c ZollR-DG mit 1. Jänner 1998 in Kraft getreten. Nach § 120 Abs. 1c ZollR-DG wurde hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereiches näherhin folgendes angeordnet:

"(1c) Der § 59 Abs. 5 in der Fassung des BGBl. I Nr. 13/1998 tritt mit 1. Jänner 1999, die §§ ..., 85a

bis 85f, ... in der Fassung des BGBl. I Nr. 13/1998 treten mit

1. Jänner 1998 in Kraft. § 39 samt Überschrift tritt mit 1. Jänner 1998 außer Kraft. Die §§ 85a bis 85 f sind auf Sachverhalte anzuwenden, die sich nach dem EU-Beitritt ereignet haben. Diese Bestimmungen sind auf solche Sachverhalte nicht anzuwenden, wenn vor ihrem Inkrafttreten eine Berufung nicht erhoben wurde oder aber eine Berufungsvorentscheidung erlassen und ein zulässiger Vorlageantrag (§ 276 Abs. 1 BAO) nicht gestellt wurde; das gleiche gilt, wenn vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmungen eine Entscheidung einer Finanzlandesdirektion oder des Bundesministers für Finanzen nicht beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof angefochten wurde oder wenn im Fall der Ausübung unmittelbarer Befehls- oder Zwangsgewalt durch ein Zollorgan eine Beschwerde an einen Unabhängigen Verwaltungssenat nicht erhoben oder ein diesbezüglicher Bescheid eines Unabhängigen Verwaltungssenates nicht beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof angefochten wurde. Wurde in Fällen, in denen die §§ 85a bis 85f anzuwenden sind, gegen eine Entscheidung einer Finanzlandesdirektion oder des Bundesministers für Finanzen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof erhoben, dann gilt diese als Rechtsbehelf gemäß den §§ 85a oder 85c und ist an die zuständige Rechtsbehelfsinstanz abzutreten."

Die vorliegenden Beschwerden sind am 9. Jänner 1998 bzw. am 10. Februar 1998 beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden.

Zum Zeitpunkt der Einbringung waren die §§ 85a bis 85f gemäß § 120 Abs. 1c ZollR-DG bereits in Kraft.

Die angefochtenen Bescheide der belangten Behörde wurden jedoch vor Inkrafttreten der genannten Novelle zum Zollrechts-Durchführungsgesetz erlassen. Aus dem oben wiedergegebenen § 120 Abs. 1c ZollR-DG ergibt sich, daß der Gesetzgeber die neuen Vorschriften auch in jenen Fällen angewendet wissen wollte, in denen Entscheidungen einer Finanzlandesdirektion vor dem Inkrafttreten der Novelle beim Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof angefochten wurden. Entsprechend dem letzten Satz des § 120 Abs. 1c sind Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof gegen eine Entscheidung einer Finanzlandesdirektion als Rechtsbehelf gemäß den §§ 85a oder 85c anzusehen und an die zuständige Rechtsbehelfsinstanz abzutreten.

Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, daß diese Anordnung im Zusammenhalt mit der im vorstehenden Satz getroffenen Regelung, wann die §§ 85a bis 85f nicht anzuwenden sind, dahingehend zu verstehen ist, daß sie auch in Fällen wie den vorliegenden, in denen die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof nach Inkrafttreten der Novelle zum Zollrechts-Durchführungsgesetz (aber innerhalb der sechswöchigen Beschwerdefrist nach dem VwGG) eingebracht wurde.

Dies folgt daraus, daß die Zuständigkeitsregel der §§ 85a bis 85f ZollR-DG mit 1. Jänner 1998 nur insoweit wirksam werden konnte, als nach dem 1. Jänner erlassene erstinstanzliche Entscheidungen jedenfalls nach den §§ 85a ff ZollR-DG zu beurteilen sind. Sofern jedoch eine Entscheidung einer Finanzlandesdirektion vor dem 31. Dezember 1997 ergangen ist, bedurfte es einer Übergangsregelung, wie in derartigen Fällen vorzugehen ist.

Da der maßgebliche Gesichtspunkt für die Übergangsregelung darin zu erblicken ist, daß nach der alten Rechtslage eine Entscheidung einer Finanzlandesdirektion ergangen ist, hinsichtlich derer der Betroffene ein zulässiges Rechtsmittel nicht eingebracht hat, ist § 120 Abs. 1c letzter Satz ZollR-DG nicht dahingehend zu verstehen, daß die dort genannte Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof vor dem Inkrafttreten des Gesetzes eingebracht sein müßte. Es ist kein sachlicher Grund dafür ersichtlich, der Gesetzgeber habe zwischen (fristgerechten) Beschwerden vor und nach dem Inkrafttreten der §§ 85a bis 85f ZollR-DG unterschieden. Der Wortlaut "vor Inkrafttreten dieser Bestimmungen eine Entscheidung einer

Finanzlandesdirektion ... nicht beim Verwaltungsgerichtshof

oder Verfassungsgerichtshof angefochten wurde" ist daher in verfassungskonformer Interpretation dahingehend zu verstehen, daß die Nichtanwendung der §§ 85a ff ZollR-DG nur dann angeordnet ist, wenn zum Zeitpunkt 31. Dezember 1997 die Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder Verfassungsgerichtshof bereits abgelaufen war. Für diese Auslegung spricht auch der Bericht des Finanzausschusses (994 Blg NR, 20. GP, 2), in dem es zu § 120 Abs. 1c heißt:

"Bei den obersten Gerichtshöfen sind zahlreiche Beschwerden eingebracht worden, bei Inkrafttreten der Bestimmung laut Regierungsvorlage droht ein Rechtsverlust, da die eingebrachten Beschwerden dann wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen würden, mittlerweile aber die Einmonatsfrist für eine Beschwerde an die unabhängigen Berufungssenate abgelaufen sein dürfte."

Nach dem letzten Satz des § 120 Abs. 1c ZollR-DG gelten somit auch die vorliegenden, nach dem EU-Beitritt Österreichs eingetretene Sachverhalte betreffenden Beschwerden als Rechtsbehelf zweiter Stufe im Sinne des § 85c ZollR-DG. Die Beschwerden waren daher an den zuständigen Berufungssenat bei der Berufungskommission nach § 85d Abs. 5 ZollR-DG (das ist für Beschwerden gegen Entscheidungen des Zollamtes Salzburg, welches zur Region Innsbruck zählt, die Kommission bei der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich in Linz) abzutreten.

Da für den Fall einer solchen Abtretung der Beschwerden weder im Zollrechts-Durchführungsgesetz noch im VwGG Bestimmungen über eine Kostenersatzpflicht enthalten sind, hat gemäß § 58 Abs. 1 VwGG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 88/1997 jede Partei den ihr im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erwachsenen Aufwand selbst zu tragen.

Gerichtsentscheidung

EuGH 695J0334 Krüger VORAB;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998170040.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

11.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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