TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 I403 2134476-3

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs10
AsylG 2005 §58 Abs8
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §52 Abs3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I403 2134476-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, alias XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch RA Manuel DIETRICH,

In der Wirke 3/13, 6971 Hard, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2019, Zl. 1031659202/190618485, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.09.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 22.08.2016 wies die belangte Behörde, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), den Antrag ab, erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis vom 12.09.2017, rechtskräftig seit 13.09.2017, durch das Bundesverwaltungsgericht abgewiesen.

Am 27.11.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 55 Abs 2 AsylG, welcher mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.03.2019 abgewiesen wurde. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.04.2019 rechtskräftig abgewiesen.

Am 19.06.2019 stellte der Beschwerdeführer neuerlich einen Antrag auf Erteilung gem. § 55 Abs 1 und 2 AsylG. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2019 wurde der Antrag gem. § 58 Abs 10 AsylG zurückgewiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.10.2019 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Mutwillensstrafe verhängt.

Gegen die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages sowie gegen die Verhängung der Mutwillensstrafe wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 28.11.2019 vorgelegt.

Mit 02.12.2019 wurde die gekürzte Urteilsausfertigung des LG XXXX durch die belangte Behörde nachgereicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine familiären Anknüpfungspunkte und wird dies vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Eine maßgebliche soziale Verfestigung liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer finanziert seinen Lebensunterhalt als selbstständiger Zeitungsausträger.

Der Beschwerdeführer hat trotz seiner Tätigkeit unberechtigt Leistungen aus der Grundversorgung bezogen und somit das Amt der XXXX Landesregierung um € 25.546,19 geschädigt. Mit Urteil des LG XXXX wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe gem. § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Der Beschwerdeführer ist trotz aufrechter Rückkehrentscheidung seiner Ausreiseverpflichtung aus Österreich nicht nachgekommen, sondern hält sich weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Aus dem begründeten Antragsvorbringen des Beschwerdeführers gem. § 55 AsylG geht im Vergleich zur rezenten rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 29.04.2019 ein im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gem. § 9 Abs 2 BFA-VG geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gem. Art 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I geführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher identitätsbezeugender Dokumente nicht fest.

Der Beschwerdeführer gab während der gesamten Verfahren niemals an, familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich zu haben. Der Beschwerdeführer ist zwar am Arbeitsmarkt integriert, jedoch wird dies dadurch relativiert, dass er sich trotz dieser Tätigkeit Leistungen aus der Grundversorgung erschlichen hat. Dies geht zweifelsfrei aus dem Urteil des LG XXXX vom 30.10.2019 hervor.

Dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung besteht, ergibt sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.04.2019, Geschäftszahl: I416 2134476-2/3E. Dieser Umstand blieb auch vom Beschwerdeführer unbestritten.

Die folgenden Feststellungen wurden im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.04.2019 zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich getroffen: "Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht, nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer eine Deutschprüfung abgelegt hat. Der Beschwerdeführer ist Mitglied der katholischen Gemeinschaft in XXXX und hat für ein Jahr für die Caritas in der Tischler-Werkstatt im Haus XXXX gearbeitet und verfügt über soziale Kontakte durch seine Tätigkeit als Zeitungsverkäufer. Der Beschwerdeführer hat zwei personalisierte Empfehlungsschreiben vorgelegt. Er weist in Österreich keinen Grad der Integration auf, der seine Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet entspricht. Es liegen keine Hinweise auf das Vorliegen von entscheidungsrelevanten Anknüpfungspunkten sprachlicher oder sozialer und wirtschaftlicher Natur in Österreich bzw. allenfalls gesetzter Integrationsbemühungen, über das oben angeführte hinaus, des Beschwerdeführers vor."

An diesen Feststellungen hat sich zwischen dem 29.04.2016 und dem 22.10.2019, als die belangte Behörde den Antrag zurückwies, nichts geändert.

Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass der Beschwerdeführer in der Zwischenzeit wegen des Vergehens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB verurteilt wurde. Der Beschwerdeführer hat durch sein im Zeitraum vom 01.50.2015 bis 28.02.2018 gesetztes Verhalten seine Integrationsbemühungen daher wesentlich relativiert.

Die im nunmehrigen Verfahren vorgelegten Unterlagen wurden bereits im Verfahren, welches zur letztmalig ergangenen rechtskräftigen Rückkehrentscheidung führte, berücksichtigt. Dass eine aktuelle Einstellungszusage vorgelegt wurde - wie in der Beschwerde vorgebracht, ist aus dem Verfahrensakt nicht ersichtlich, kann am Ergebnis aber ohnehin nichts ändern.

Sofern in der Beschwerde angeführt wird, dass sich der Beschwerdeführer seit nunmehr über fünf Jahren ununterbrochen in Österreich aufhält, ist hierzu festzuhalten, dass der Beschwerdeführer seit 13.09.2017 nicht mehr legal aufhältig ist und sein vorher legalisiertes Aufenthaltsrecht auf einem unbegründet gestellten Asylantrag beruhte. Der Unwille des Beschwerdeführers, nicht ausreisen zu wollen, kann keinesfalls dazu führen, dass eine lange Aufenthaltsdauer die Erlangung eines Aufenthaltstitels vereinfacht. Zudem hat sich die Aufenthaltsdauer zwischen Ende April und Ende Oktober 2019 nicht maßgeblich verändert.

Weder aus der Antragsbegründung des nunmehr begehrten Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG, noch aus den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz kann daher ein (maßgeblich) geänderter Sachverhalt gewonnen werden, der eine neuerliche meritorische Prüfung des Antrages erforderlich machen würde.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Anwendbare Rechtsnormen:

§ 58 AsylG bestimmt (auszugsweise):

"Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58 (1) [...]

(2) Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 ist von Amts wegen zu prüfen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt wird.

(3) Das Bundesamt hat über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 und 57 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(4) Das Bundesamt hat den von Amts wegen erteilten Aufenthaltstitel gemäß § 55 oder § 57 auszufolgen, wenn der Spruchpunkt (Abs. 3) im verfahrensabschließenden Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Abs. 11 gilt.

(5) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis § 57 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 sind persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen.

(6) Im Antrag ist der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

(7) Wird einem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 stattgegeben, so ist dem Fremden der Aufenthaltstitel auszufolgen. Abs. 11 gilt.

(8) Wird ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, so hat das Bundesamt darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

(9) Ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

Soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

(10) Anträge gemäß § 55 sind als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß §9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. [...]

(11) Kommt der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nach ist

1. das Verfahren zur Ausfolgung des von Amts wegen zu erteilenden Aufenthaltstitels (Abs. 4) ohne weiteres einzustellen oder

2. der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen.

Über diesen Umstand ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

(12) [...]

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. Und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. ....

(14) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, durch Verordnung festzulegen, welche Urkunden und Nachweise allgemein und für den jeweiligen Aufenthaltstitel dem Antrag jedenfalls anzuschließen sind. Diese Verordnung kann auch Form und Art einer Antragstellung einschließlich bestimmter, ausschließlich zu verwendender Antragsformulare, enthalten."

Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (1803 BlgNR 24. GP 50) legen zur Bestimmung des § 58 Abs 10 AsylG Folgendes dar:

"Der neue (Abs. 10) entspricht im Wesentlichen § 44b NAG in der Fassung BGBl. I Nr. 38/2011. Mit der Neuerrichtung des Bundesamtes und der damit einhergehenden Verfahrensvereinfachung und organisatorischen Umstrukturierung ist die Einbindung der zuständigen Sicherheitsdirektion entfallen. Die Beurteilung bzw. Prüfung erfolgt nun durch das Bundesamt. Dementsprechend sind Anträge als unzulässig zurückzuweisen, wenn gegen den Antragsteller eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 iVm § 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht und aus dem begründeten Antragsvorbringen im Hinblick auf die Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG ein geänderter Sachverhalt, der eine ergänzende oder neue Abwägung gemäß Art. 8 EMRK erforderlich macht, nicht hervorgeht. Diese inhaltliche Neubewertung des Sachverhaltes hat sich lediglich auf den Zeitraum zwischen der rechtskräftigen Entscheidung nach dem FPG bis zur Entscheidung des zugrundeliegenden Antrages auf Erteilung des Aufenthaltstitels zu beziehen. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass - im Rahmen einer Neubewertung - wenn ein maßgeblich geänderter Sachverhalt im Sinne des Art. 8 EMRK vorliegt, ein Aufenthaltstitel zu erteilen sein wird."

§ 10 Abs. 3 AsylG lautet:

"(3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt."

§ 52 Abs. 3 FPG lautet:

"(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird."

Die zur Vorgängerregelung des § 58 Abs. 10 AsylG (also zu § 44b Abs. 1 NAG) ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auf die Auslegung des § 58 Abs. 10 AsylG zu übertragen (dazu VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101). Nach dieser Rechtsprechung liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nicht erst dann vor, wenn der vorgebrachte Sachverhalt auch konkret dazu führt, dass nunmehr der begehrte Aufenthaltstitel erteilt werden müsste. Vielmehr liegt ein maßgeblich geänderter Sachverhalt nur dann nicht vor, wenn die geltend gemachten Umstände von vornherein keine solche Bedeutung aufweisen, die eine Neubeurteilung aus dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK gebieten würde. Nur in einem solchen Fall ist eine - der Sache nach der Zurückweisung wegen entschiedener Sache nachgebildete - Zurückweisung (nunmehr) gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zulässig (VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101 mit Hinweisen auf VwGH 22.07.2011, 2011/22/0127; 05.05.2015, Ra 2014/22/0115).

Da der Zurückweisungsgrund gemäß § 58 Abs. 10 AsylG (vormals § 44b Abs. 1 Z 1 NAG) der Zurückweisung wegen entschiedener Sache (§ 68 Abs. 1 AVG) nachgebildet ist, können die zu § 68 Abs. 1 AVG entwickelten Grundsätze für die Beurteilung, wann eine Änderung des Sachverhaltes als wesentlich anzusehen ist, auch für die Frage herangezogen werden, wann eine maßgebliche Sachverhaltsänderung iSd § 58 Abs. 10 AsylG vorliegt. Demnach ist eine Sachverhaltsänderung dann wesentlich, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die rechtskräftige Entscheidung gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann. Die Erlassung eines inhaltlich anderslautenden Bescheides (bezogen auf § 58 Abs. 10 AsylG: eine andere Beurteilung der Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in Rechte nach Art. 8 EMRK) muss also zumindest möglich sein; in dieser Hinsicht hat die Behörde eine Prognose zu treffen. Dabei ist die Wesentlichkeit der Sachverhaltsänderung nach der Wertung zu beurteilen, die das geänderte Sachverhaltselement in der seinerzeitigen Entscheidung erfahren hat. Für diese Prognose ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen (vgl. VwGH 09.09.2013, 2013/22/0161; 09.09.2013, 2013/22/0215, mwN).

Anwendung im Beschwerdefall:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0002-0003; 26.02.2015, Ra 2014/22/0152- 0153;

23.06.2015, Ra 2015/22/0040; 16.09.2015, Ra 2015/22/0082-0083;

12.10.2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Aus diesem Grund war auf den in der Beschwerde gestellten Antrag des Beschwerdeführers, das Bundesverwaltungsgericht möge "den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, ..., aufheben und dem Beschwerdeführer den Aufenthaltstitel erteilen" nicht einzugehen, weil ein solcher Ausspruch den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens überschreiten würde.

Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde vor, dass der zu beurteilende Zeitraum nicht jener seit der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung vom 29.04.2019 sei, sondern jener seit der erstmaligen Antragstellung auf eine Aufenthaltsberechtigung gem. § 55 AsylG. Damit wird aber die Rechtslage verkannt. Im Rahmen einer Zurückweisung nach § 58 Abs. 10 AsylG 2005 ist der letzte materiellrechtliche Abspruch Vergleichsmaßstab (VwGH 19.09.2019, 2019/21/0173) und das war das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.04.2019.

Zudem wurde in der Beschwerde vorgebracht, dass der Beschwerdeführer weitere Fortschritte in Sachen Integration vorzuweisen habe. Es sei daher sehr wohl zu einer Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes gekommen. Allerdings wurde nicht dargelegt, welche entscheidungsrelevante Änderung in den fünf Monaten, die zwischen den beiden Entscheidungen liegen, eingetreten sein sollte.

Im Übrigen hat der Beschwerdeführer seine bereits in der rechtskräftigen Entscheidung vom April 2019 berücksichtigten Schritte zur Integration in Österreich während der folgenden Monate einfach fortgesetzt, dies obwohl ihm gegenüber nunmehr eine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung bestand; diese Schritte erfolgten insofern daher weiterhin vor dem Hintergrund eines unsicheren Aufenthaltsstatus. Bei dieser Sachlage wirkt auch das in der getroffenen Entscheidung festgestellte öffentliche Interesse mit zumindest gleichem Gewicht unverändert fort bzw. hat es sich aufgrund der Straffälligkeit des Beschwerdeführers nur noch verstärkt und steht dem fortgesetzten Ausleben der im Wesentlichen bereits bisher berücksichtigten Interessenslage des Beschwerdeführers auch weiterhin entsprechend entgegen. Vor diesem Hintergrund kann es nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung zurückweist, dass "keine maßgebliche Sachverhaltsänderung" stattgefunden hat.

Das Bundesverwaltungsgericht ist auch der Auffassung, dass die im angefochtenen Bescheid gewählte Vorgangsweise, die Zurückweisung nicht mit einer neuerlichen Rückkehrentscheidung zu verbinden, rechtens war. Zwar sieht der Gesetzeswortlaut eine Verbindung sowohl einer Ab- als auch einer Zurückweisung des Antrags nach § 55 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung vor (und zwar gemäß § 52 Abs. 3 FPG unterschiedslos, nach § 10 Abs. 3 AsylG jedoch - im Widerspruch zu § 52 Abs. 3 FPG - "nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegt."). Das Gericht geht davon aus, dass der Gesetzgeber bei diesen Regelungen den Fall der Zurückweisung wegen bereits durch ergangene Rückkehrentscheidung entschiedener Sache nicht bedacht hat und dass der Regelungsgehalt des § 52 Abs. 3 FPG und des § 10 Abs. 3 AsylG vor dem Hintergrund des Normzwecks (keine neuerliche Entscheidung bei bereits entschiedener Sache, gerade angesichts dessen, dass über alle Aspekte, die bei einem Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG relevant sind, bei Erlassung der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung bereits entschieden wurde - vgl. oben Pkt. 3.2.3.) für Fälle der Zurückweisung nach § 58 Abs. 8 AsylG nicht zum Tragen kommt. Die bisher dazu ergangene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist - soweit ersichtlich - für diesen Fall nicht einschlägig, sondern betraf andere Arten der Zurückweisung, z.B. wegen Nichtmitwirkung im Verfahren gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG; vgl. VwGH, 14.04.2016, Ra 2016/21/0077 [=VwSlg.

19.347 A/2016]; 17.11.2016, Ra 2016/21/0200 [=VwSlg. 19.482 A/2016]; 17.05.2017, Ra 2017/22/0059; 21.09.2017, Ra 2017/22/0128).

Zudem würde eine allfällige Säumnis in Bezug auf die Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht zur Rechtswidrigkeit des Ausspruchs über den Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach Art. 8 EMRK führen. Dieser hängt nämlich nicht von der Rückkehrentscheidung ab (VwGH, 12.12.2018, Ra 2017/19/0553).

Das BFA ist daher zu Recht davon ausgegangen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG 2005 gemäß § 58 Abs. 10 AsylG 2005 zurückzuweisen war und die Beschwerde war demnach spruchgemäß vom Bundesverwaltungsgericht abzuweisen.

4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

In der Beschwerde wurde zwar ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, das Bundesverwaltungsgericht konnte sich aber auf vom Beschwerdeführer unbestrittene Annahmen stützen. Die Beschwerde läuft letztlich darauf hinaus, dass die - unstrittige - Sachlage vom Verwaltungsgericht rechtlich anders gewürdigt werden soll als von der belangten Behörde. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG

("Die Verhandlung kann entfallen, wenn ... der das vorangegangene

Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei ... zurückzuweisen ist") kann das Verwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Diese Bestimmung ist auch in den vom Anwendungsbereich des BFA-VG erfassten Verfahren anwendbar, weil § 21 Abs. 7 BFA-VG nur hinsichtlich von § 24 Abs. 4 VwGVG eine Spezialregelung trifft, im Übrigen aber die Anwendung von § 24 Abs. 1 bis 3 und 5 VwGVG unberührt lässt (VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017; VwSlg. 18.966 A/2014).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Glaubhaftmachung von Asylgründen und zur Relevanz des Privat- und Familienlebens und der Aufenthaltsdauer bei Rückkehrentscheidungen; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Im gegenständlichen Fall wurde keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen. Die vorliegende Entscheidung basiert auf den oben genannten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK, entschiedene Sache,
geänderte Verhältnisse, Privat- und Familienleben, Prozesshindernis
der entschiedenen Sache, res iudicata, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I403.2134476.3.00

Zuletzt aktualisiert am

07.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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