TE OGH 2020/4/14 12Os45/20i

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Veröffentlicht am 14.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 14. April 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oshidari und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel in der Strafsache gegen Ali H***** R***** wegen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Geschworenengericht vom 16. Dezember 2019, GZ 9 Hv 114/19i-108, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH-Geo 2019 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ali H***** R***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach §§ 15, 75 StGB (1./) und des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 15, 105, 106 Abs 1 Z 1 StGB (2./) schuldig erkannt.

Danach hat er am 3. Juni 2019 in G***** seine Ehefrau Delsoz M***** P*****

1./ vorsätzlich zu töten versucht, indem er sie in den Würgegriff nahm, ihr mit einem Klappmesser fünfzehn Messerstiche, teils in den Hals, teils in den Bauch und die Arme sowie die Beine versetzte, wobei die Tat eine leichte Körperverletzung, nämlich mehrere Einstichwunden und Schnittverletzungen in den vorgenannten Körperregionen sowie diverse Prellungen zur Folge hatte;

2./ durch gefährliche Drohung mit dem Tod und dem Tod von Sympathiepersonen, nämlich durch die Ankündigung: „Wenn du redest und ich nur einen Tag ins Gefängnis komme, dann habe ich Freunde, die bringen dich und deine Kinder um“, zu einer Unterlassung, nämlich zur Abstandnahme von der Erstattung einer Anzeige zu nötigen versucht.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf Z „1“, 9, 10a, 11 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten.

Aus § 345 Abs 1 Z „1“ und 9 StPO (der Sache nach Z 9 dritter Fall) wendet der Beschwerdeführer ein, der Wahrspruch leide an einem inneren Widerspruch, weil die Geschworenen sowohl die in Richtung Mordes (§§ 15, 75 StGB) gestellte Hauptfrage als auch die in Richtung absichtlicher schwerer Körperverletzung (§§ 15, 87 Abs 1 StGB) gestellte Eventualfrage bejaht hätten. Die Rüge verfehlt aber schon deshalb die Anfechtungsvoraussetzungen des beanspruchten Nichtigkeitsgrundes, weil sie nicht am (im Übrigen einwandfreien; vgl die Originalniederschrift der Geschworenen S 2 f) Wahrspruch selbst Maß nimmt (vgl RIS-Justiz RS0123182; Hinterhofer/Oshidari, Strafverfahren Rz 10.56 f), sondern sich auf die ursprüngliche – mit Beschluss vom 23. Jänner 2020 (ON 118) korrigierte – schriftliche Urteilsausfertigung bezieht.

Der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO greift seinem Wesen nach erst dann, wenn aktenkundige Beweisergebnisse vorliegen, die nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen. Eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen – wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt – wird dadurch nicht eröffnet (RIS-Justiz RS0119583).

An diesen Kriterien scheitert die – einen Tötungsvorsatz bestreitende und Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) reklamierende – Beschwerde, weil sie bloß nach Maßgabe eigenständiger Beweiswerterwägungen die leugnende Verantwortung des Angeklagten sowie (als entlastend eingestufte) Teile der Aussage des Opfers hervorkehrt, auf die Oberflächlichkeit der Verletzungen verweist und das Fehlen eines Mordmotivs behauptet.

Die Rechtsrüge (nominell Z 11 und Z 12, der Sache nach Z 12) geht mit dem Einwand, der Angeklagte sei vom Mordversuch freiwillig zurückgetreten (§ 16 Abs 1 StGB), weshalb der Sachverhalt lediglich nach §§ 15, 87 Abs 1 StGB zu beurteilen sei, an den im (dazu konträren) Wahrspruch der Geschworenen (vgl deren Originalniederschrift S 2) festgestellten Sachverhalt vorbei und verfehlt solcherart die Anfechtungskriterien materieller Nichtigkeit (vgl RIS-Justiz RS0101527).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Textnummer

E127879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0120OS00045.20I.0414.000

Im RIS seit

04.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

04.05.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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