TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 W226 2226147-1

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §33 Abs1 Z2
AsylG 2005 §33 Abs1 Z3
AsylG 2005 §33 Abs5
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W226 2226147-1/3E

W226 2226151-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Ukraine, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.11.2019, Zl. 1.) 1252056802-191164267, 2.) 1252057102-191158119, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden gemäß §§ 3, 8 und 57 in Verbindung mit § 33 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 Asylgesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Erstbeschwerdeführer (in der Folge BF1), und sein Bruder, der Zweitbeschwerdeführer (BF2), beide Staatsangehörige der Ukraine, stellten sich am 12.11.2019 der Einreisekontrolle am Flughafen Schwechat und wiesen sich jeweils mit einem Reisepass der Ukraine aus. In der Folge stellten BF1 und BF2 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Gleichzeitig stellten die Schwester der BF (W226 2226160-1/3E) mit ihren 3 Kindern sowie die Mutter der BF (W226 2226164-1) - letztere auch für weitere 10 mj. Geschwister- jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. In ihrer Erstbefragung am 13.11.2019 durch Organe der Bundespolizei des Stadtpolizeikommandos Schwechat Flughafen gab der BF2 im Beisein eines Dolmetschers für Russisch im Wesentlichen Folgendes an:

Er stamme aus der ukrainischen Stadt XXXX , spreche die ukrainische und dir russische Sprache und gehöre von der Religion her den Zeugen Jehovas an. In der Ukraine würden noch der Vater und eine weitere Schwester leben. Sie seien am 12.11.2019 mit dem Autobus von zu Hause in die ukrainische Hauptstadt Kiew zum Flughafen gefahren und seien anschließend von Kiew nach Wien geflogen, wo sie einen Asylantrag gestellt hätten.

Zum Fluchtgrund führte der BF2 aus, dass in der Ukraine Krieg herrsche. Er habe eine Einberufung bekommen, wolle aber nicht kämpfen. Viele Freunde seien im Krieg gestorben. Außerdem sei die Kriminalität in der Ukraine sehr hoch, die Gesetze würden nicht beachtet werden. Er sei Zeuge Jehovas und wolle nicht in den Krieg.

Auch BF1 verwies in seiner Erstbefragung vom 14.11.2019 auf die selben Gründe, er habe "schon 15 Einberufungen bekommen". Seine Religion erlaube ihm nicht, andere Menschen zu töten. Es gebe keine medizinische Unterstützung und keine Hilfe von der Polizei.

1.3. Am 18.11.2019 folgte die Einvernahme des BF1 im Zulassungsverfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Erstaufnahmestelle Flughafen im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Russisch. BF1 führte aus, diese Sprache sehr gut zu verstehen, er sei geistig und körperlich gesund, brauche auch keinerlei Medikamente. Er habe nur Asthma und eine Allergie im August und September wegen einer Pflanze, diesbezüglich verwende er für das Asthma einen bestimmten Spray.

Auf die Frage, ob BF1 die von ihm erwähnten Einberufungsbefehle vorlegen könne, vermeinte er, dass diese in der Ukraine herumliegen müssten, er habe nicht daran gedacht, diese mitzunehmen. Er sei mit seinem ukrainischen Reisepass ausgereist, welcher vor ein paar Jahren ausgestellt worden sei. Seine Mutter sei Zeugin Jehovas, als Kind sei er immer mit der Mutter mitgegangen, seit 13 Jahren sei er bei den Zeugen Jehovas. Er sei aber nicht getauft, weil man ein Alter brauche, um es gut zu verstehen und richtig erwachsen zu sein. Er sei später auch seltener zu den Zeugen Jehovas gegangen, dies wegen der Schule. Er sei ledig und habe keine Kinder. Die Familie habe ein Familienunternehmen betrieben, die Mutter habe Autoparkplätze und sein Vater habe eine Waschanlage und ein Gebäude dazu gemietet. Er selbst habe dabei mitgewirkt als Buchhalter und habe Zahlungen durchgeführt und die Pacht überwiesen. Er habe bei der Mutter gearbeitet. Er habe auch eine Schulausbildung, elf Klassen Schule und habe dann Programmierer gelernt.

Sein Vater habe sie vor acht Jahren verlassen, vor drei Jahren habe er sich scheiden lassen. Er habe seine Mutter und die Geschwister nicht im Stich lassen können und sei nicht in den Krieg gezogen. Seine Mutter habe wegfahren wollen, sie hätten diesen Entschluss unterstützt. Hier in Österreich würden sie eine Zukunft sehen, im Leben, im Sport und im geschäftlichen Umfeld, selbst für die jüngeren Geschwister. Hier würden sie sich geschützt fühlen, im Gegensatz zu den kriminellen Banden in der Ukraine. Die Mutter habe gemeint, dass sie in Österreich medizinische Hilfe und Schutz in Anspruch nehmen könnten. Auf die Frage, ob er jemals wegen der Volksgruppe oder Religionszugehörigkeit Probleme gehabt habe, vermeinte BF1, dass er persönlich keine Probleme deswegen gehabt habe, wegen der Religion seien andere Leute mit Problemen behaftet gewesen, welche die Versammlungen besucht hätten. In Österreich habe er keinerlei Bezugspunkte, die Mutter habe hierher wollen und habe geschwankt zwischen Kanada und Österreich. Der Flug nach Kanada wäre aber zu teuer gewesen.

Politisch sei er niemals tätig gewesen, er sei auch nicht vorbestraft und habe keine Probleme mit den Behörden.

Nochmals aufgefordert, seine Fluchtgründe zu nennen, vermeinte BF1, dass 150 Kilometer von der Heimatstadt entfernt Kriegshandlungen stattfinden würden. Er habe Angst um das eigene Leben und um das Leben der Geschwister. Seine Mutter würde ohne Hilfe mit den Geschwistern alleine zurückbleiben. Sein Bruder (BF2) habe Probleme mit der Polizei gehabt, es sei um einen Vorfall mit einem Messer gegangen.

Allgemein gehe es um die Situation in der Heimatstadt und um die Kriminalität. In den Nachrichten würden Vorfälle berichtet, dass Leute über den Zaun klettern und jemandem die Kehle durchschneiden. Auch die Luftqualität sei wegen der Fabriken sehr schlecht. Der Hauptgrund sei der Krieg, man wolle ihn zum Wehrdienst verpflichten, sogar Invalide würden eingezogen werden. Monatlich würden ihm Ladungen geschickt werden, wann die letzte Ladung gekommen sei, das wisse er nicht. Manchmal würden sie die Ladung nur auf den Zaun stecken und dann wieder weggehen, ohne dass er etwas unterschreiben müsse. Er wolle hier in Österreich bleiben, Sport betreiben und in dem Land leben.

BF1 wurde gefragt, ob er bereits bei einer Stellungsuntersuchung beim Militär gewesen sei, was BF1 bejahte. 2015 sei diese Stellung gewesen, er habe Skoliose und Asthma gehabt, dennoch habe man gesagt, dass er tauglich sei. Dann sei er nicht mehr erschienen.

Auch die Zugehörigkeit zu den Zeugen Jehovas könne er nicht bescheinigen, einen solchen Nachweis habe nur die Mutter, weil diese getauft sei. Die Taufe sei ein Schritt, auf den man sich sogfältig vorbereite, das könne man nicht von heute auf morgen machen. Auf Vorhalt, dass für Zeugen Jehovas ein Wehrersatzdienst in der Ukraine vorgesehen sei, vermeinte BF1: "Das ist mir schon klar, aber sie berufen jetzt alle ein."

Am selben Tag erfolgte auch die niederschriftliche Einvernahme von BF2, welcher zur Ausreise nach Österreich im Wesentlichen gleichlautende Angaben tätigte. Sie hätten in der Heimatstadt in einem großen Haus mit zwei Etagen gelebt, dieses stehe im Eigentum der Mutter. Die Schwester komme täglich, weil sie sich um die Hunde kümmere. Sie hätten 10 Stück mit den Welpen, nämlich englische Bulldoggen. BF2 tätigte im wesentlichen gleichlautende Angaben zur Beschäftigung von sich selbst und seinen Eltern, er habe nach 11 Klassen Maschinenbau inskribiert und das Studium dann wieder abgebrochen. Er habe inoffiziell als Autowäscher bei seinem Vater gearbeitet. Der Vater lebe seit acht Jahren nicht mehr bei ihnen, aber er habe noch Kontakt zu seinem Vater. Die Mutter habe schon früher weg wollen, der Vater habe nicht vor, hierher zu kommen. Sie hätten in ein ordentliches Land mit Zukunft ausreisen wollen. Die Mutter habe gesagt, dass Österreich ein Land mit vielen Möglichkeiten wäre. Er habe dem nicht widersprochen im Vergleich zur Ukraine. Auch BF2 sei niemals politisch tätig gewesen, sei nie eingesperrt gewesen, habe allerdings einen Betrug begangen und habe dies mit Arbeitsdienst am Friedhof kompensieren können. Auf Aufforderung, dass etwas genauer zu erklären, vermeinte BF2: "Man könnte auch so sagen, dass ich ein Telefon gestohlen habe." Dies sei im Jahr 2014 gewesen, mehr könne er dazu nicht sagen. Sonst habe er keinerlei Probleme mit den Behörden gehabt.

Auf Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung doch behauptet habe, eine Einberufung zum Militär erhalten zu haben, vermeinte der BF2, dass er den Militärdienst bereits XXXX geleistet habe. Der Krieg habe dann 2014 begonnen. Auf die Frage, ob er Beweismittel zur allfälligen Einberufung vorlegen könne, vermeinte BF2, dass er die Ladungen nicht unterschrieben und auch nicht in die Hand genommen habe. Würde man Ladungen in die Hand nehmen, könne man eingezogen werden. Er sei noch nicht getauft bei den Zeugen Jehovas, habe auch keinen Beleg für eine Mitgliedschaft. Die Mutter habe ausreisen wollen, damit die Söhne nicht eingezogen werden und außerdem benötige eine Schwester medizinische Unterstützung.

Beiden BF wurde in weiterer Folge durch die belangte Behörde vorgehalten, dass die Zeugen Jehovas vom Wehrdienst ausgenommen seien und darüber hinaus kaum noch Wehrpflichtige einberufen würden, ausschließlich auf freiwilliger Basis würden Wehrpflichtige nach sechsmonatiger Grundausbildung in der Ostukraine eingesetzt werden.

Dies geschehe zudem seit 2016 überhaupt nicht mehr. BF2 meinte dazu:

"Es wird schon alles stimmen. Ich habe nichts dazu zu sagen."

BF1 vermeinte dazu, dass er eine Ladung nie unterschrieben habe. Die Polizei sei deshalb aber niemals gekommen.

1.4. Das Büro des Hohen Flüchtlingskommissärs der Vereinten Nationen in Österreich (UNHCR) teilte mit Schreiben vom 25.11.2019 mit, dass die Zustimmung gemäß § 33 Abs. 2 AsylG erteilt werde, da das Vorbringen in Einklang mit Beschluss Nr. 30 des UNHCR Exekutivkomitees als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne.

1.5. Nach Durchführung des Ermittlungsverfahrens wies das BFA mit den im Spruch angeführten Bescheiden, zugestellt durch persönliche Übernahme am 25.11.2019, den Antrag der BF auf internationalen Schutz vom 12.11.2019 gemäß § 33 Abs. 1 Z 2, 3 und 4 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ukraine nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte den BF auch keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde jeweils Feststellungen zur Person der BF und zur Lage im Herkunftsstaat. Die Identität der BF stehe fest.

Die BF seien gesund und arbeitsfähig.

Das Vorbringen betreffend eine angebliche Einberufung zum Militärdienst wurde von der belangten Behörde als undetailliert und als ohne Sachsubstrat beurteilt, weshalb nicht davon auszugehen sei, dass die BF einen wahren Sachverhalt geschildert hätten. Die BF hätten nur einen rudimentären Sachverhalt in den Raum gestellt, ohne im geringsten den Versuch unternommen zu haben, den behaupteten Fluchtgrund auch aufklärend zu Protokoll zu geben. Zu den Ladungen befragt hätte BF1 nur allgemein und vage angegeben, dass er gar nicht wissen würde, wann er die letzte Ladung erhalten habe. BF2 habe behauptet, dass er Ladungen gar nicht unterschrieben und auch nicht in die Hand genommen habe. Zudem hätten beide BF bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA von sich aus eine Einberufung zum Militärdienst gar nicht mehr behauptet und hätten zudem beide BF nichts mehr dazu von sich aus angeben können.

Die belangte Behörde verwies darauf, dass aus den Länderfeststellungen klar hervorgehe, dass Wehrpflichtige ausschließlich auf freiwilliger Basis in der Ostukraine eingesetzt würden. Für Einberufungsbefehle sei zudem eine persönliche Zustellung vorgesehen, es sei daher nicht davon auszugehen, dass ein wahrer Sachverhalt geschildert worden sei. Darüber hinaus verwies die belangte Behörde auf den Umstand, dass beide BF problemlos hätten ausreisen können und beide BF keine Bedenken gehabt hätten, sich bei der Ausreise der behördlichen Passkontrolle auszusetzen. Es habe sich auch um keine spontane Flucht, sondern um eine seit längerer Zeit geplante Ausreise mit zwölf Geschwistern und der Mutter gehandelt.

Beide BF seien gesunde Erwachsene und würde sich überhaupt kein Hinweis dafür ergeben, dass diesen eine Teilnahme am Erwerbsleben, etwa aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich wäre. Beide BF hätten in der Vergangenheit gearbeitet und seien berufstätig gewesen und würden deshalb im Fall der Rückkehr in keine wirtschaftliche Notlage geraten.

In rechtlicher Hinsicht vermeinte die belangte Behörde, dass das Vorbringen für eine Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspreche und daher § 33 Abs. 1 Z 2 und 3 AsylG erfüllt sei. Zudem sei § 33 Abs. 1 Z 4 AsylG erfüllt, denn beide BF seien Staatsangehörige der Ukraine, somit aus einem sicheren Herkunftsstaat nach der Herkunftsstaatenverordnung.

Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. § 55 AsylG komme nicht in Betracht, die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gem. § 57 AsylG scheitere schon am Umstand, dass sich beide BF gar nicht im Bundesgebiet aufhalten würden und sei gem. § 33 Abs. 5 AsylG im Flughafenverfahren über die aufenthaltsbeendende Maßnahme nicht abzusprechen.

Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, wobei sich die Beschwerde sehr rudimentär auf das bisherige Vorbringen der beiden BF beschränkt. Beide hätten aufgrund der schlechten Sicherheitslage Angst um ihr Leben und habe man die BF zum Wehrdienst verpflichten wollen, dies sei den BF als Angehörigen der Zeugen Jehovas aber nicht erlaubt. Es würden auch außergesetzliche Rekrutierungen stattfinden, Personen würden einfach mitgenommen und zu Sammelpunkten gebracht werden.

Das Bundesverwaltungsgericht hat über die fristgerechten Beschwerden wie folgt erwogen:

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsaktes des BFA, beinhaltend die Erstbefragung der BF und der Einvernahme vor dem BFA am 18.11.2019, die Zustimmung des UNHCR zur Abweisung des Antrages vom 25.11.2019 sowie die Beschwerde vom 02.12.2019;

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat der BF im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Ukraine).

Die BF haben keinerlei Beweismittel oder sonstige Belege für ihr Vorbringen vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Die nachfolgenden Feststellungen gründen sich auf die unter Punkt 2. erwähnten Beweismittel.

3.1. Zur Person der BF:

3.1.1. Die BF führen die im Spruch genannten Namen, sie sind Staatsangehörige der Ukraine. Beide BF nahmen in der Vergangenheit an Versammlungen der Zeugen Jehovas teil, sind allerdings nicht getauft. Die BF lebten zuletzt mit ihrer Familie in ihrer Heimatstadt und waren im Betrieb der Mutter/des Vaters erwerbstätig. Die BF sind gesund und arbeitsfähig.

3.1.2. Der BF1 ist nach eigenen Angaben im Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte auch sonst keine über das Antragsvorbringen hinausgehenden Probleme im Herkunftsstaat. BF2 schildert einzig, dass er glaublich im Jahr 2014 ein Telefon gestohlen habe, es sei dazu jedoch zu keiner Verurteilung gekommen, zudem habe er mit Arbeitsdienst am Friedhof eine "Kompensation" leisten können.

Die BF reisten am 12.11.2019 auf den Luftweg von Kiew kommend am Flughafen Schwechat ein und stellten dort am gleichen Tag den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

3.1.3. Die BF haben im Verfahren vor dem BFA eine ihnen drohende Verfolgung in ihrem Herkunftsstaat nicht glaubhaft behauptet und letztlich als Grund für die Ausreise angegeben, wegen der besseren Lebensumstände in Österreich sein zu wollen. Es haben sich auch sonst im Verfahren vor dem BFA keine Hinweise darauf ergeben, dass die BF im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat einer Verfolgung aus asylrelevanten Gründen ausgesetzt wäre.

Die Beurteilung seitens des BFA, dass die Ausreise aus wirtschaftlichen/medizinischen Gründen erfolgte und Verfolgungshandlungen nicht glaubhaft sind, ist - wie auch die Stellungnahme des UNHCR, dass die Antragstellung als offensichtlich unbegründet eingestuft werden könne - zutreffend.

3.1.4. Die BF haben nicht glaubhaft gemacht, dass ihnen im Falle der Verbringung in den Herkunftsstaat aufgrund ihrer individuellen Situation (Lebensumstände wie soziales Netz und Familie, Gesundheit und anderes mehr) im Zusammenhang mit der Lage in der Herkunftsregion ein reales Risiko einer Verletzung des Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), drohe, und ist dies auch nicht von Amts wegen hervorgekommen.

Die BF sind im erwerbsfähigen Alter. Sie haben die Schule besucht und zuletzt im Betrieb der Eltern (Parkraumbewirtschaftung) teilweise gearbeitet. Sie verfügen durch Familie und Freunde über Anknüpfungspunkte in der Ukraine. Dass der allgemeine Gesundheitszustand der BF erheblich beeinträchtigt wäre, wurde im Verfahren weder behauptet, noch ist es dem erkennenden Gericht sonst wie bekannt geworden. Es ist daher anzunehmen, dass die BF im Herkunftsstaat in der Lage sein werden, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Auskommen für sich zu sichern und daher nicht in eine hoffnungslose Lage zu kommen, zumal beide BF über Schulbildung und Berufserfahrung verfügt. Darüber hinaus können die BF eine Unterstützung durch ihren Vater erwarten, da die BF angegeben haben, dass dieser sein eigenes Unternehmen betreibt und derzeit auch den Parkplatz der Mutter bewirtschaftet und kein Grund vorgebracht wurde, warum diese Unterstützung nicht mehr zu erwarten sei.

3.1.5. Es besteht kein reales Risiko, dass die BF im Herkunftsstaat einer dem 6. oder 13. Zusatzprotokoll zur EMRK widerstreitenden Behandlung unterworfen würden und hat dies BF1 auch nicht behauptet.

3.2. Zur Lage im Herkunftsstaat der BF:

3.2.1. Zur allgemeinen Lage in der Ukraine (Auszug aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA):

Länderfeststellungen zum Herkunftsstaat des BF:

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 30.08.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Am 29.8.2019 ist die ukrainische Oberste Rada zu ihrer konstituierenden Sitzung zusammengetreten. Die Partei von Präsident Wolodymyr Selenskyj, Diener des Volkes, hatte bei der Wahl mehr als 250 der insgesamt 450 Sitze gewonnen (DS 29.8.2019; vgl. Ukrinform 30.8.2019).

Sechs Fraktionen wurden gebildet: Diener des Volkes mit 254 Sitzen, die Oppositionsplattform "Für das Leben" mit 44 Sitzen, Europäische Solidarität (Ex-Block Poroschenko) mit 27 Sitzen, Batkivshchyna (Julia Timoschenkos Partei) mit 25 Sitzen, Holos (Stimme) mit 17 Sitzen und schließlich die aus unabhängigen Abgeordneten bestehende Fraktion "Für die Zukunft" mit 23 Sitzen (KP 29.8.2019).

Für die neue Regierung stimmten 281 Parlamentarier. Neuer Premierminister ist der 35-jährige Jurist Olexij Hontscharuk (DS 29.8.2019; vgl. Ukrinform 30.8.2019).

Zum neuen Ministerkabinett gehören:

Vizepremierminister für europäische und euroatlantische Integration Dmytro Kuleba

Vizepremierminister und Minister für IT-Transformation Mychailo Fedorow

Minister des Ministerkabinetts Dmytro Dubilet

Außenminister Wadym Prystaiko

Verteidigungsminister Andrij Sahorodnjuk

Innenminister Arsen Awakow (Bereits in der Vorgängerregierung tätig)

Minister für Wirtschaftsentwicklung, Handel und Landwirtschaft Tymofij Mylowanow

Justizminister Denys Maljuska

Finanzministerin Oxana Markarowa (Bereits in der Vorgängerregierung tätig)

Minister für Energiewirtschaft und Kohleindustrie Olexij Orschel

Minister für Infrastruktur Wladyslaw Kryklij

Ministerin für Entwicklung von Gemeinden und Territorien Olena Babak

Ministerin für Bildung und Wissenschaft Hanna Nowosad

Gesundheitsministerin Zorjana Skalezka

Minister für Kultur, Jugend und Sport Wolodymyr Borodjanskyj

Ministerin für Sozialpolitik Julia Sokolowska

Ministerin für Angelegenheiten von Veteranen, vorläufig besetzen Gebieten und Binnenflüchtlingen

Oxana Koljada

(Ukrinform 30.8.2019)

Zu den unmittelbaren Vorhaben der neuen Regierung zählen nun wirtschaftspolitische Maßnahmen, die Aufhebung der Abgeordnetenimmunität (eine weithin geforderte Maßnahme zur

Korruptionsbekämpfung, welche allerdings eine Zweidrittelmehrheit verlangt), die Schaffung einer Möglichkeit zur Absetzung des Präsidenten und ein Gesetz zum Whistleblowing in Korruptionsangelegenheiten (RFE/RL 30.8.2019).

Quellen:

-

DS - Der Standard (29.8.2019): Ukrainischer Präsident bekommt sein Wunschkabinett,

https://www.derstandard.at/story/2000107945934/selenskyj-nominiert-ukrainischen-premier-undmehrere-minister, Zugriff 30.8.2019

-

KP - Kyiv Post (29.8.2019): Ukraine's new parliament sworn in, Dmytro Razumkov becomes speaker, https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/ukraines-new-parliament-sworn-in.html?cnreloaded=1, Zugriff 30.8.2019

-

RFE/RL - Radio Free Europe / Radio Liberty (30.8.2019): Ukraine's Zelenskiy Inducts Politically

Untested Government,

https://www.rferl.org/a/ukraine-zelenskiy-new-government-honcharuk/ 30137220.html, Zugriff 30.8.2019

-

Ukrinform (30.8.2019): Parlament billigt neue Regierung, https://www.ukrinform.de/rubric-polytics/

2769759-parlament-billigt-neue-regierung.html, Zugriff 30.8.2019

KI vom 23.07.2019 (relevant für Abschnitt 2/Politische Lage)

Die Partei "Sluha Narodu" (Diener des Volkes) von Präsident Wolodymyr Selenskyj hat die ukrainische Parlamentswahl vom 21.07.19 gewonnen. Noch liegt das amtliche Endergebnis nicht vor, aber nach Auszählung von etwa 70% der Stimmen steht fest, dass die Partei auf rund 42,7% kommt. Es folgen die russlandfreundliche Oppositionsplattform mit etwa 13%, die Partei "Europäische Solidarität" des früheren Präsidenten Petro Poroschenko mit etwa 8,4%, die Vaterlandspartei der Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko mit 7,4% und die Partei "Holos"

(Stimme) des Rocksängers Swiatoslaw Wakartschuk mit 6,2%. Dies sind die fünf Parteien, die die

5%-Hürde überwinden konnten. Die Wahlbeteiligung war mit knapp 50% geringer als vor fünf Jahren. Die OSZE sprach trotz des klaren Ergebnisses von einer fairen Konkurrenz. Zwar bemängelte sie fehlende Transparenz bei der Finanzierung des Wahlkampfs, insgesamt registrierten die Wahlbeobachter bei der Abstimmung allerdings keine gröberen Verstöße (BAMF

22.7.2019, DS 22.7.2019).

Zusammen mit den gewonnenen Sitzen aus den Direktwahlkreisen kommt Selenskyjs Partei auf knapp 250 der insgesamt 450 Sitze im Parlament. Das gute Ergebnis über die Parteiliste war vorausgesagt worden, jedoch überrascht der Gewinn von mehr als 120 Direktmandaten , da die Kandidaten durchwegs Polit-Neulinge sind und über keinerlei Erfahrung im Parlament verfügen. Die enorme Wählerzustimmung für Selenskyjs Partei bedeutet, dass das erste Mal in der Ukraine eine politische Kraft die absolute Mehrheit der Sitze in der Rada erreicht hat. Damit entfallen die komplizierten Koalitionsverhandlungen, mit denen im Vorfeld der Wahl viele Experten gerechnet hatten. Offenbar wurde auch Selenskyj selbst davon überrascht, denn noch am Wahlabend hatte er Wakartschuks "Holos", auch diese eine erst vor kurzem gegründete Partei mit ausschließlich politisch unerfahrenen Kandidaten und radikaler Antikorruptions-Agenda, Koalitionsverhandlungen angeboten. Dies dürfte nun unnötig geworden sein (BAMF 22.7.2019, DS 22.7.2019).

Quellen:

-

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (22.7.2019): Briefing Notes, per E-Mail

-

DS - Der Standard (22.7.2019): Diener des Volkes werden Kiew regieren,

https://www.derstandard.at/story/2000106566433/diener-des-volkes-werden-kiew-regieren, Zugriff 23.7.2019

2. Politische Lage

Die Ukraine ist eine parlamentarisch-präsidiale Republik. Staatsoberhaupt ist seit 20.05.2019 Präsident Wolodymyr Selensky, Regierungschef ist seit 14.4.2016 Ministerpräsident Wolodymyr Hroisman.

Das ukrainische Parlament (Verkhovna Rada) wird über ein Mischsystem zur Hälfte nach

Verhältniswahlrecht und zur anderen Hälfte nach Mehrheitswahl in Direktwahlkreisen gewählt (AA 20.5.2019). Das gemischte Wahlsystem wird als anfällig für Manipulation und Stimmenkauf kritisiert. Auch die unterschiedlichen Auslegungen der Gerichte in Bezug auf das Wahlrecht sind Gegenstand der Kritik. Ukrainische Oligarchen üben durch ihre finanzielle Unterstützung für verschiedene politische Parteien einen bedeutenden Einfluss auf die Politik aus. Die im Oktober 2014 abgehaltenen vorgezogenen Parlamentswahlen wurden im Allgemeinen als kompetitiv und glaubwürdig erachtet, aber auf der Krim und in von Separatisten gehaltenen Teilen des Donbass war die Abstimmung erneut nicht möglich. Infolgedessen wurden nur 423 der 450 Sitze vergeben (FH 4.2.2019). Der neue Präsident, Wolodymyr Selensky, hat bei seiner Inauguration im Mai 2019 vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL 23.5.2019).

In der Rada sind derzeit folgende Fraktionen und Gruppen vertreten:

Partei

Sitze

Block von Petro Poroschenko (Blok Petra Poroschenka)

135

Volksfront (Narodny Front)

81

Oppositionsblock (Oposyzijny Blok)

38

Selbsthilfe (Samopomitsch)

25

Radikale Partei von Oleh Ljaschko (Radykalna Partija Oleha Ljaschka)

21

Vaterlandspartei (Batkiwschtschyna)

20

Gruppe Wolja Narodu

19

Gruppe Widrodshennja

24

Fraktionslose Abgeordnete

60

(AA 20.5.2019)

Nach der "Revolution der Würde" auf dem Kiewer Maidan im Winter 2013/2014 verfolgte die Ukraine unter ihrem Präsidenten Petro Poroschenko eine europafreundliche Reformpolitik, die von der internationalen Gemeinschaft maßgeblich unterstützt wird. Zu den Schwerpunkten seines Regierungsprogramms gehörte die Bekämpfung der Korruption sowie eine Verfassungs- und

Justizreform. Dennoch wurden die Erwartungen der Öffentlichkeit zu Umfang und Tempo der Reformen nicht erfüllt. Die Parteienlandschaft der Ukraine ist pluralistisch und reflektiert alle denkbaren Strömungen von national-konservativ und nationalistisch über rechtsstaats- und europaorientiert bis links-sozialistisch. Die kommunistische Partei ist verboten. Der Programmcharakter der Parteien ist jedoch kaum entwickelt und die Wähler orientieren sich hauptsächlich an den Führungsfiguren (AA 22.2.2019).

Der ukrainische Schauspieler, Jurist und Medienunternehmer Wolodymyr Oleksandrowytsch

Selenskyj gewann am 21. April 2019 die Präsidentschaftsstichwahl der Ukraine gegen den Amtsinhaber Petro Poroschenko mit über 73% der abgegebenen Stimmen (Wahlbeteiligung: 61,4%). Poroschenko erhielt weniger als 25% der Stimmen (RFE/RL 30.4.2019). Beobachtern zufolge verlief die Wahl im Großen und Ganzen frei und fair und entsprach generell den Regeln des demokratischen Wettstreits. Kritisiert wurden unter anderem die unklare Wahlkampffinanzierung und die Medienberichterstattung in der Wahlauseinandersetzung (KP 22.4.2019). Selenskyj wurde am 20.5.2019 als Präsident angelobt. Er hat angekündigt möglichst bald parlamentarische Neuwahlen ausrufen zu lassen, da er in der Verkhovna Rada über keinen parteipolitischen Rückhalt verfügt und demnach kaum Reformen umsetzen könnte. Tatsächlich hat er umgehend per Dekret vorgezogene Parlamentswahlen bis Ende Juli 2019 ausgerufen (RFE/RL

23.5.2019).

Es ist ziemlich unklar, wofür Präsident Selenskyj politisch steht. Bekannt wurde er durch die beliebte ukrainische Fernsehserie "Diener des Volkes", in der er einen einfachen Bürger spielt, der eher zufällig Staatspräsident wird und dieses Amt mit Erfolg ausübt. Tatsächlich hat Selenskyj keine nennenswerte politische Erfahrung, ist dadurch jedoch auch unbefleckt von politischen Skandalen. Eigenen Aussagen zufolge will er den Friedensplan für den umkämpften Osten des Landes wiederbeleben und strebt wie Poroschenko einen EU-Beitritt an. Über einen Nato-Beitritt der Ukraine soll jedoch eine Volksabstimmung entscheiden (DS 21.4.2019; ZO 21.4.2019). Selenskyj hat sich vor allem den Kampf gegen die Korruption auf seine Fahnen geschrieben (UA

27.2.2019).

Kritiker sehen Selenskyj als Marionette des Oligarchen Igor Kolomojskyj, dessen weitgehende Macht unter Präsident Poroschenko stark beschnitten wurde, und auf dessen Fernsehsender 1+1 viele von Selenskyjs Sendungen ausgestrahlt werden. Diesen Vorwurf hat Selenskyj stets zurückgewiesen (UA 27.2.2019; CNN 21.4.2019; Stern 23.4.2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Ukraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-berichtueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-022019.pdf, Zugriff 18.3.2019

-AA - Auswärtiges Amt (20.5.2019): Ukraine, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/ukraine-node/ukraine/201830, Zugriff 27.5.2019

-

CNN - Cable News Network (21.4.2019): Political newcomer Volodymyr Zelensky celebratesvictory in Ukraine's presidential elections, https://edition.cnn.com/2019/04/21/europe/ukraineelection-results-intl/index.html, Zugriff 24.4.2019

-

DS - Der Standard (21.4.2019): Politikneuling Selenski wird neuer Präsident der Ukraine, https:// derstandard.at/2000101828722/Politik-Neuling-Selenski-bei-Praesidenten-Stichwahl-in-derUkraine-vorn, Zugriff 24.4.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

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KP - Kyiv Post (22.4.2019): Election watchdog Opora: Presidential election free and

fair,https://www.kyivpost.com/ukraine-politics/election-watchdog-opora-presidential-election-free-andfair.html, Zugriff 24.4.2019

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Stern (23.4.2019): Ihor Kolomojskyj, der milliardenschwere Strippenzieher hinter der SensationSelenskyj, https://www.stern.de/politik/ausland/ukraine--ihor-kolomojskyj--der-strippenzieher-hinterder-sensation-selenskyj-8678850.html, Zugriff 24.4.2019

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UA - Ukraine Analysen (27.2.2019): Präsidentschaftswahlen 2019, per E-Mail

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RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (23.5.2019): Zelenskiy's Decree On DisbandingUkrainian Parliament Enters Into Force, https://www.rferl.org/a/zelenskiy-s-decree-on-disbandingukrainian-parliament-enters-into-force/29958190.html, Zugriff 27.5.2019

3. Sicherheitslage

In den von Separatisten kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk sowie auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Durch die Besetzung der Krim, die militärische Unterstützung von Separatisten im Osten und die Verhängung wirtschaftlicher Sanktionen gegen die Ukraine, kann Russland seinen Einfluss auf den

Verlauf des politischen Lebens in der Ukraine aufrechterhalten. Menschen, die in den besetzten Gebieten des Donbass leben, sind stark russischer Propaganda und anderen Formen der Kontrolle ausgesetzt (FH 4.2.2019).

Nach UN-Angaben kamen seit Beginn des bewaffneten Konflikts über 10.000 Menschen um; es wurden zahlreiche Ukrainer innerhalb des Landes binnenvertrieben oder flohen ins Ausland. Das im Februar 2015 vereinbarte Maßnahmenpaket von Minsk wird weiterhin nur schleppend umgesetzt. Die Sicherheitslage hat sich seither zwar deutlich verbessert,

Waffenstillstandsverletzungen an der Kontaktlinie bleiben aber an der Tagesordnung und führen regelmäßig zu zivilen Opfern und Schäden an der dortigen zivilen Infrastruktur. Der politische Prozess im Rahmen der Trilateralen Kontaktgruppe (OSZE, Ukraine, Russland) stockt trotz hochrangiger Unterstützung im Normandie-Format (Deutschland, Frankreich, Ukraine, Russland). Besonders kontrovers in der Ukraine bleibt die im Minsker Maßnahmenpaket vorgesehene Autonomie für die gegenwärtig nicht kontrollierten Gebiete, die u.a. aufgrund der Unmöglichkeit, dort Lokalwahlen nach internationalen Standards abzuhalten, noch nicht in Kraft gesetzt wurde. Dennoch hat das ukrainische Parlament zuletzt die Gültigkeit des sogenannten

"Sonderstatusgesetzes" bis Ende 2019 verlängert (AA 22.2.2019).

Ende November 2018 kam es im Konflikt um drei ukrainische Militärschiffe in der Straße von Kertsch erstmals zu einem offenen militärischen Vorgehen Russlands gegen die Ukraine. Das als Reaktion auf diesen Vorfall für 30 Tage in zehn Regionen verhängte Kriegsrecht endete am 26.12.2018, ohne weitergehende Auswirkungen auf die innenpolitische Entwicklung zu entfalten.

(AA 22.2.2019; vgl. FH 4.2.2019).

Der russische Präsident, Vladimir Putin, beschloss am 24.4.2019 ein Dekret, welches Bewohnern der selbsternannten Volksrepubliken Donezk und Luhansk den Erwerb der russischen Staatsbürgerschaft im Eilverfahren erleichtert ermöglicht. Demnach soll die Entscheidung der russischen Behörden über einen entsprechenden Antrag nicht länger als drei Monate dauern. Internationale Reaktionen kritisieren dies als kontraproduktiven bzw. provokativen Schritt. Ukrainische Vertreter sehen darin die Schaffung einer rechtlichen Grundlage für den offiziellen Einsatz der russischen Streitkräfte gegen die Ukraine. Dafür gibt es einen historischen Präzedenzfall. Als im August 2008 russische Truppen in Georgien einmarschierten, begründete der damalige russische Präsident Dmitrij Medwedjew das mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht, "das Leben und die Würde russischer Staatsbürger zu schützen, wo auch immer sie sein mögen". In den Jahren zuvor hatte Russland massenhaft Pässe an die Bewohner der beiden von Georgien abtrünnigen Gebiete Abchasien und Südossetien ausgegeben (FAZ 26.4.2019; vgl. SO 24.4.2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (22.2.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in derUkraine, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458484/4598_1551701473_auswaertiges-amt-berichtueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-ukraine-stand-februar-2019-22-022019.pdf, Zugriff 18.3.2019

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (26.4.2019): Ein Signal an Selenskyj,https://www.faz.net/aktuell/politik/putin-verteidigt-russische-staatsbuergerschaft-fuer-ukrainer-

16157482.html?printPagedArticle=true#pageIndex_0, Zugriff 26.4.2019

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FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Ukraine,

https://www.ecoi.net/de/dokument/2002619.html, Zugriff 24.4.2019

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SO - Spiegel Online (24.4.2019): Putins Provokation, https://www.spiegel.de/politik/ausland/ukraine-wladimir-putin-kuendigt-an-russische-paesse-imbesetzten-donbass-auszuteilen-a-1264280.html, Zugriff 29.3.2019

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USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018

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Ukraine, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004269.html, Zugriff 10.4.2019

3.1. Halbinsel Krim

Auf der Krim haben ukrainische Behörden und Amtsträger zurzeit keine Möglichkeit, ihre Befugnisse wahrzunehmen und staatliche Kontrolle auszuüben (AA 22.2.2019).

Im Feber 2014 besetzten russische Truppen die Halbinsel Krim militärisch. Im März wurde die Krim nach einem Scheinreferendum schließlich annektiert und zum Teil der Russischen Föderation erklärt. Die Vereinten Nationen verurteilten diesen Schritt und riefen dazu auf, dies nicht anzuerkennen. Auf der Krim gilt seither de facto russisches Recht, es wurde eine russische Regierung installiert, die von Sergey Aksyonov als "Premierminister" des "Staatsrats der Republik Krim" geführt wird. Der "Staatsrat" ist für die tägliche Verwaltung und andere Regierungsfunktionen zuständig. Es werden unverhältnismäßig repressive Gesetze verhängt und angewendet. Die russischen Sicherheitsbehörden auf der Krim schränken die Menschenrechte ein. Die schwerwiegendsten Probleme beinhalten: Verschwindenlassen; Folter, einschließlich strafweise psychiatrische Einweisung; Misshandlung von Inhaftierten als Strafe oder zur Erpressung von Geständnissen; harte Haftbedingungen und Überführung von Gefangenen nach Russland; willkürliche Festnahme und Inhaftierung, auch aus politischen Gründen; allgegenwärtige Missachtung der Privatsphäre; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungsfreiheit und der Medien einschließlich Schließungen und Gewalt gegen Journalisten; Beschränkungen des Internets; grobe und weit verbreitete Unterdrückung der Versammlungsfreiheit; starke Einschränkung der Vereinigungsfreiheit, einschließlich Verbot der Selbstverwaltung (Mejlis) der Krimtataren; Einschränkung von Bewegungsfreiheit und Teilnahme am politischen Prozess; systemische Korruption; und systematische Diskriminierung von Krimtataren und ethnischen

Ukrainern .Die russischen Behörden unternehmen kaum Schritte, um Menschenrechtsverletzungen strafrechtlich zu verfolgen, wodurch eine Atmosphäre der Straflosigkeit und Gesetzlosigkeit geschaffen wurde (USDOS 13.3.2019b).

Die Einwohner der Krim wurden pauschal in die Russische Föderation eingebürgert und es wurde begonnen, sie mit russischen Inlandspässen, seit September 2014 auch mit russischen Auslandsreisepässen, auszustatten. Besorgniserregend sind weiterhin Meldungen, wonach exponierte Vertreter der tatarischen Minderheit aufgrund politisch motivierter Vorwürfe inhaftiert werden, verschwinden, nicht mehr auf die Krim zurückreisen dürfen bzw. vielfältigen

Diskriminierungen ausgesetzt sind. Außerdem werden tatarische Vereine in ihrer Handlungsfähigkeit beschnitten und unter Druck gesetzt, teilweise auch kriminalisiert oder zur Auflösung gezwungen. Die gewählte Versammlung der Krimtataren wird von den de-factoBehörden als terroristische Vereinigung eingestuft, ihre Mitglieder verfolgt. Versuche, die tatarische Minderheit in eine den de-facto-Behörden willfährige Parallelstruktur einzubinden, blieben bisher ohne nennenswerten Erfolg. Unabhängige Medien werden unterdrückt, dem unabhängigen Fernsehsender der Tataren ATR wurde die Lizenz entzogen; er hat seinen Sitz nach Kiew verlegt. Eine offene Zivilgesellschaft gibt es nicht mehr. Religiöse Literatur gilt den Behörden als extremistisch. Auch jüngste Berichte von UNHCR, Amnesty International sowie des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen listen eine Reihe von Verletzungen der Menschenrechte und Grundfreiheiten auf der Krim auf, die von einer Einschränkung des Versammlungsrechts über willkürliche Verhaftungen bis hin zu Entführungen, Folter und Ermordung reichen. Versuche der Vereinten Nationen, der OSZE oder des Europarats eine kontinuierliche Beobachtung der Menschenrechtssituation auf der Krim vorzunehmen, sind bisher gescheitert. Die Einwohner der Krim werden von der Russischen Föderation, wenn sie nicht ihr Widerspruchsrecht genutzt und damit u. a. den Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung verloren haben, als russische Staatsangehörige behandelt (AA 22.2.2019).

Seit der russischen Annexion der Halbinsel Krim häufen sich Berichte über den Versuch der systematischen Einschränkung der Versammlungsfreiheit durch die russischen Behörden unter dem Vorwand sicherheitspolitischer Erwägungen. Dies wirkt sich insbesondere auf die Aktivitäten der Krimtataren, jedoch auch auf Vertreter der ukrainischen Minderheit aus (ÖB 2.2019; vgl. HRW

17.1.2019).

Seit 2014 sind konstant Menschenrechtsverletzungen seitens der russischen Behörden zu beobachten: Gefangene legen Geständnisse ab, die durch Misshandlung und Folter erlangt wurden. Individuen bestimmter Gruppen werden in psychiatrische geschlossene Anstalten zwangseingewiesen. Anwälte können nicht u

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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