TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/7 W268 2173709-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.01.2020
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Entscheidungsdatum

07.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §68 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a

Spruch

W268 2173709-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Iris Gachowetz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. China gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.12.2019, Zl. 1116235202-191169331, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren auf internationalen Schutz

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden BF) ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China und stammt aus der Provinz Henan. Er reiste 2016 irregulär in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 25.05.2016 im österreichischen Bundesgebiet nach vorheriger Rückübernahme aus der Schweiz einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Bei der am 25.05.2016 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung gab der BF zu seinen Fluchtgründen an, sein Elternhaus sei ohne seine Zustimmung abgerissen worden. Der BF habe deshalb gegen die Behörde gekämpft. Die Behörde habe ihm mit Problemen gedroht, sollte er weiterkämpfen. Im Falle seiner Rückkehr befürchte er eine Verhaftung und eine unmenschliche Behandlung.

1.3. Am 11.09.2017 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl statt und wurde der BF zu seinen Fluchtgründen näher befragt. Dabei gab er im Wesentlichen an, die Volksrepublik China habe sein Haus im Jahr 2010 gegen eine unzureichende Entschädigung abgerissen. Auf dem Grundstück sollten Bahngleise installiert werden. Der BF habe sich diesbezüglich an die Behörde gewandt. Dabei sei es zu einem Raufhandel mit Behördenvertretern gekommen. Der darauf drohenden Verhaftung konnte der BF jedoch entkommen. Anschließend habe der BF sechs Jahre auf Baustellen gearbeitet, um sich die Flucht aus China finanzieren zu können.

1.4. Mit Bescheid vom 02.10.2017, XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat VR China (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die VR China zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde unter Spruchpunkt IV. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Dazu wurde festgestellt, dass der BF nicht glaubhaft dartun habe können, es drohe dem BF eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat.

1.5. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 13.11.2017, XXXX , rechtskräftig abgewiesen. Begründend hielt das BVwG fest, dass die vorgenommene Beweiswürdigung im Ergebnis nachvollziehbar und zutreffend sei (vgl. Seiten 15 ff des Erkenntnisses). Der BF habe im Wesentlichen vorgebracht, dass es nach dem zwangsweisen Abriss seines Elternhauses zu einem Raufhandel zwischen ihm und Behördenvertretern gekommen sei, weshalb er eine strafrechtliche Verfolgung seitens der chinesischen Behörden befürchte (vgl. Seite 16 des Erkenntnisses). Dem BF sei es nicht gelungen, dieses individuelle Fluchtvorbringen glaubwürdig darzutun (vgl. Seite 24 des Erkenntnisses). Auch sonst sei es dem BF nicht gelungen, individuelle Gründe für die Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgung glaubwürdig darzutun (vgl. Seite 24 des Erkenntnisses). Hinsichtlich des subsidiären Schutzes führte das Bundesverwaltungsgericht aus, es könne nicht angenommen werden, dass der 46-jährige, ledige gesunde und arbeitsfähige BF, der in seiner Heimatregion zwar nicht mehr über familiären Anschluss verfügt und sich seinen Unterhalt zuletzt durch seine Erwerbstätigkeit auf Baustellen selbst finanziert hat, nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse (etwa Nahrung, Unterkunft) einer lebensbedrohenden Situation ausgesetzt wäre. Dazu sei zu ergänzen, dass die Grundversorgung der chinesischen Bevölkerung - wie sich aus den Länderfeststellungen ergebe - gesichert sei (vgl. Seite 29 des Erkenntnisses). Der Antrag auf subsidiären Schutz sei daher ebenfalls abzuweisen gewesen (vgl. Seite 30 des Erkenntnisses). Das Erkenntnis wurde dem BF am 19.12.2017 zugestellt.

2. Gegenständlicher Folgeantrag auf internationalen Schutz

2.1. Der BF stellte am 15.11.2019, ohne in der Zwischenzeit jemals das Bundesgebiet verlassen zu haben, den gegenständlichen (Folge-) Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Im Rahmen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 15.11.2019 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, er habe Angst vor einem Konflikt mit den Behörden seines Heimatstaates. Insbesondere habe er Angst, von den Behörden wegen dem Abriss seines Hauses unter Druck gesetzt zu werden. Er befürchte, ins Gefängnis zu kommen, eine Todesstrafe erwarte ihn jedoch sicher nicht. Seit dem ersten Verfahren auf internationalen Schutz habe es keine Änderungen gegeben.

2.3. Am 21.11.2019 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt und wurde der BF zur Begründung seines Folgeantrages näher befragt. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, der Inhalt seines Fluchtgrundes sei unverändert. Die Konflikte mit den Behörden des Heimatstaates seien bereits im ersten Verfahren geschildet worden.

2.4. Am 27.11.2019 fand eine weitere niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem BFA statt, in welcher der BF im Wesentlichen neuerlich seine schon zuvor dargestellten Fluchtgründe schilderte (vgl AS 127).

2.5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid vom 03.12.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG, hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Gemäß § 57 AsylG 2005 wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das Bundesamt fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in die Volksrepublik China zulässig sei (Spruchpunkt V.); die Behörde hielt fest, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 15b Abs. 1 AsylG 2005 wurde dem BF aufgetragen, ab 16.11.2019 in folgendem Quartier Unterkunft zu nehmen: (BS West AIBE Thalham 80, 4880 St. Georgen im Attergau).

Die Zurückweisung des Antrags begründete das Bundesamt damit, dass entschiedene Sache im Sinne des § 68 AVG vorliege:

Der BF habe den gegenständlichen Folgeantrag damit begründet, dass die Fluchtgründe aus dem ersten Verfahren nach wie vor aufrecht seien. Wesentliche Änderungen hätten sich in der Zwischenzeit jedoch nicht ergeben bzw. seien dem BF bereits vor Rechtskraft des ersten Verfahrens bekannt gewesen. Der Folgeantrag sei somit wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Betreffend die Erlassung des Einreiseverbots wurde angeführt, dass der BF die ihm erstmals gewährte Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen nicht eingehalten habe und sein Aufenthalt in Österreich lediglich durch die Stellung zweier unbegründeter Asylantrage begründet worden sei. Desweiteren sei der BF auch mittellos. Gegen den BF bestehe seit Abschluss des ersten Verfahrens eine rechtskräftige und aufrechte Rückkehrentscheidung. Die Anordnung der Unterkunftnahme sei somit rechtmäßig.

2.6. Der BF erhob gegen sämtliche Spruchpunkte des Bescheids fristgerecht Beschwerde. Der genannte Bescheid werde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, unrichtiger rechtlicher Beurteilung und mangelnder Beweiswürdigung in seiner Gesamtheit angefochten. Dem BF drohe im Falle seiner Rückkehr nach China jedenfalls eine asylrelevante Verfolgung wegen der angegebenen Probleme; diese bestünden nach wie vor. Falls dem Vorbringen keine Asylrelevanz zugebilligt werden kann, sei dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, da im Falle einer Abschiebung nach China aufgrund der geschilderten Probleme und der bekannten prekären sozialen Lage eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 3 EMRK drohen würde. Der BF wäre Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt und es herrsche in China ein Klima ständiger Bedrohung. Außerdem habe der BF keine Existenzgrundlage im Herkunftsstaat. Zur Rückkehrentscheidung sei ergänzend auszuführen, dass der BF sich sehr bemüht habe, sich in die österreichische Gesellschaft zu integrieren. Der BF sei daher überzeugt, in Zukunft einen wertvollen Beitrag für die österreichische Gesellschaft leisten zu können.

Im Hinblick auf das Einreiseverbot wurde vorgebracht, dass es die Behörde unterlassen habe, eine Beurteilung des Gesamtverhaltens des BF sowie eine Gefährlichkeitsprognose vorzunehmen.

Der BF stellte die Anträge, dem BF den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu den angefochtenen Bescheid zur Gänze zu beheben und das Verfahren zur inhaltlichen Prüfung der neu vorgebrachten Rückkehrbefürchtungen an das Bundesamt zurückzuverweisen, in eventu dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, weiters die Rückkehrentscheidung und das Einreiseverbot zu beheben, in eventu, die Dauer des Einreiseverbots herabzusetzen, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen, in eventu festzustellen, dass die Abschiebung des BF nicht zulässig sei, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen sowie eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

2.7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte den Verfahrensakt samt dem Beschwerdeschriftsatz dem Bundesverwaltungsgericht am 13.12.2019 vor.

2.8. Am 02.01.2019 langte ein vom BF unterschriebenes Antragsformular für unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang:

Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie dieser bei Punkt I wiedergegeben ist.

1.2. Zur Person des BF, zum Verfahrensverlauf und den Fluchtgründen:

Der BF ist chinesischer Staatsangehöriger und gehört zur Volksgruppe der Hang. Er reiste 2016 irregulär in das österreichische Bundesgebiet ein. Der unbescholtene BF geht in Österreich keiner Beschäftigung nach und lebt von Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt in Österreich eigenständig zu bestreiten und besitzt keine ausreichenden Eigenmittel. Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Im Herkunftsland hat er drei Jahre die Grundschule besucht und beherrscht die Landessprache. Er hat als Bauer (Gemüseanbau) und auf Baustellen gearbeitet und seinen Lebensunterhalt eigenständig bestreiten können. Der BF konnte im Verfahren keine Deutschkenntnisse nachweisen.

Das abweisende Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 13.11.2017, GZ: W182 2173709-1/5E, wurde dem Vertreter des BF am 19.12.2017 zugestellt. Der BF reiste trotz rechtskräftig erlassener Rückkehrentscheidung nicht aus dem österreichischen Bundesgebiet aus, sondern tauchte unter und stellte am 15.11.2019, ohne jemals das Bundesgebiet verlassen zu haben, den gegenständlichen Folgenantrag.

Der BF bezieht sich in seinem (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz auf Umstände, die bereits zum Zeitpunkt seiner ersten Asylantragstellung bestanden haben. Der BF konnte seit Rechtskraft der letzten Entscheidung über seinen ersten Asylantrag kein neues entscheidungsrelevantes individuelles Vorbringen glaubhaft dartun. Es wird nicht festgestellt, dass der BF im Falle seiner Rückkehr in die Volksrepublik China Drohungen oder Gewalthandlungen von staatlicher oder privater Seite zu erwarten hätte. Ebenso wird nicht festgestellt, dass er in eine seine Existenz bedrohende Notlage geriete.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat (vgl. die Feststellungen, die dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegen):

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 24.07.2019: Massenproteste erreichen eine neue Eskalationsstufe

Hunderttausende haben am 21.7.2019 erneut bei Massenprotesten gegen die Regierung demokratische Reformen und Ermittlungen gegen das Vorgehen der Polizei bei den vorangegangenen Protesten gefordert (NZZ 22.7.2019). Erstmals richtete sich der Protest nicht mehr nur gegen die Hongkonger Regierung, sondern auch direkt gegen Pekings Vertretung (NZZ 22.7.2019). Nach dem Protestmarsch zogen hunderte Menschen zum Verbindungsbüro, der offiziellen Vertretung der Pekinger Zentralregierung, weiter und bewarfen das Gebäude mit Eiern, besprühten Überwachungskameras (DS 22.7.2019), beschmierten Mauern mit Graffitis und beschmutzten das Emblem der Volksrepublik (TNYT 22.7.2019). Darüber hinaus attackierten Stunden später eine unbekannte Anzahl von Schlägern in weißen T-Shirts - ihre personelle Stärke variierte gemäß der Berichte zwischen einigen Dutzend (TG 22.7.2019) bis zu einer Hundertschaft - in der U-Bahnstation Yuen Long Demonstranten, Journalisten, ein anwesendes Regierungsmitglied der Demokratischen Partei (HKFP 22.7.2019) sowie Pendler. Auch eine Schwangere und Kinder sollen Augenzeugen zufolge zusammengeschlagen worden sein (TG 22.7.2019). 45 Menschen wurden verletzt (CNN 21.7.2019), fünf Frauen schwer (SZ 22.7.2019), ein Mann sogar lebensgefährlich (CNN 21.7.2019). Es ist nicht bekannt, durch wen die Angriffe organisiert worden sind (BBC 22.7.2019). Befürchtet wird, dass Banden der organisierten Kriminalität, welche bekanntlich in den Außenbezirken der Stadt operieren, in die politische Krise verwickelt werden (CNN 21.7.2019). Von der politischen Opposition in Honkong wird über Verbindungen der Schläger zu Syndikaten des organisierten Verbrechens gemutmaßt (BBC 22.7.2019). Der Polizei wird vorgeworfen, bei den Übergriffen nicht eingegriffen zu haben (HKFP 22.7.2019). Die umstrittene Hongkonger Regierungschefin Carrie Lam verurteilte sowohl den Vandalismus am Verbindungsbüro, mit welchem die Souveränität Chinas in Frage gestellt und die Gefühle der Nation "verletzt" worden seien, als auch die Angriffe des Mobs in Yuen Long (TNYT 22.7.2019).

Die Polizei erklärte, dass, "gewalttätiges Verhalten" nicht toleriert würde und die Vorfälle aktiv verfolgt werden (CNN 21.7.2019). Am Abend des 22.7.2019 verkündete die Polizei, dass fünf Personen - einige von ihnen angeblich Mitglieder der Triaden - im Zusammenhang mit den Angriffen verhaftet worden sind (TG 22.7.2019). Hatten zu Beginn der jüngsten Protestwelle in Hongkong staatlich gesteuerte Medien des Festlands kaum über die Ereignisse berichtet, findet das Thema mittlerweile auch dort Beachtung (DW 22.7.2019). In einer Erklärung des Verbindungsbüros heißt es, dass mit dem Vorgehen einiger radikaler Demonstranten nicht nur gegen das Hongkonger Grundgesetz und lokale Gesetze verstoßen worden sei, sondern auch letztendlich das Prinzip: "Ein Land, zwei Systeme" und die Autorität der Zentralregierung ernsthaft in Frage gestellt worden sei (XN 22.7.2019). Chinas Festlandspresse sieht Hongkong im Chaos versinken, wenn dort nicht bald wieder "rechtsstaatliche Verhältnisse" herrschen (DW 23.7.2019). Die Führung Chinas, welche in Hongkong eine Armeegarnison unterhält, vermied es am 22.7.2019 allerdings, direkte Eingriffe anzudrohen (DS 22.7.2019)

KI vom 10.07.2019: Nichtmehrvorlage des Gesetzesentwurfes zur Auslieferung

Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam hat das geplante Auslieferungsgesetz, gegen das seit Wochen protestiert wird, als Reaktion auf anhaltenden Zweifel daran, dass der Entwurf tatsächlich nicht mehr vorgelegt wird, nun als "tot" bezeichnet (BBC 9.7.2019). Es gäbe "keinen Plan" (DS 9.7.2019), das auf Eis liegende Gesetzgebungsverfahren wieder in Gang zu setzten (SO 9.7.2019). Gegner des Gesetzes kritisieren, das Lams Statement Wortspiele seien (TG 9.7.2019) und fordern den Rücktritt der als pekingtreu geltenden "Chief Executive" (CE) (DS 9.7.2019). Am 1.7.2019, dem Jahrestag der Rückgabe Hongkongs an die Volksrepublik China, sind die seit Wochen andauernden Proteste eskaliert (SCMP 1.7.2019), nachdem hunderte Demonstranten und Demonstrantinnen kurzzeitig das Hongkonger Parlament besetzten (ZO 1.7.2019). Eine am 7.7.2019 abgehaltene Protestaktion im Bereich des im Bezirk Kowloon gelegenen Terminals für die grenzüberschreitende Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnstrecke (SCMP 7.7.2019), verfolgte das Ziel, Unterstützung der Proteste von Besuchern des chinesischen Festlands zu lukrieren (SCMP 7.7.2019). Gemäß unterschiedlichen Angaben waren zwischen 56.000 und 230.000 Personen daran beteiligt (DW 8.7.2019). Sechs Demonstranten wurden festgenommen (FAZ 8.7.2019).

KI vom 19.06.2019: Massenproteste gegen Auslieferungsgesetz

Am 9.6.2019 demonstrierten Hunderttausende (DS 10.6.2019), die Organisatoren gehen von mehr als einer Million Menschen aus (BBC 10.6.2019), während die Polizei von etwa 240.000 Personen spricht, in der Sonderverwaltungszone Hongkong gegen ein neues Gesetz, welches eine künftige Auslieferung von verdächtigen Kriminellen an die Behörden in China ermöglichen soll. Peking verhinderte eine Berichterstattung über die Proteste, Online-Nachrichten wurden geblockt und alle Sendungen von CNN und BBC ausgeblendet (DS 10.6.2019). Am 12.6.19 blockierten zehntausende Demonstranten den Zugang zum Parlaments- und Regierungssitz und verhinderten damit eine für diesen Tag anberaumte Debatte zum Auslieferungsgesetz im Legislativrat der Sonderverwaltungszone. Die Polizei ging daraufhin mit Tränengas, Wasserwerfern (AJ 17.6.2019) und Gummigeschossen gegen die Demonstranten vor (TS 17.6.2019). Etwa 80 Personen, davon 22 Angehörige der Polizei, wurden verletzt. Ein Mann starb als er aus einem Gebäude fiel, in welchem er protestiert hat (TS 17.6.2019). Trotz der Aussetzung des Gesetzesentwurfs durch Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam am 15.6.2019 (AJ 17.6.2019), versammelten sich am 16.6.2019 erneut zahlreiche Menschen zu Protestaktionen (ZO 16.6.2019). Gemäß den Angaben der größten Protestgruppe protestierten dabei fast zwei Millionen Menschen gegen die geplanten Änderungen der Auslieferungsbestimmungen (DS 16.6.2019). Auch besteht von Seiten der Demonstranten Skepsis gegenüber Lams Entscheidung zur Aussetzung des Gesetzes (BBC 16.6.2019). Die Demonstrierenden fordern, das Gesetzesvorhaben ganz aufzugeben. Sie sehen darin einen Einschnitt in Hongkongs Autonomie und eine Bedrohung ihrer demokratischen Rechte und Freiheiten und befürchten, dass China das Gesetz missbrauchen wird, um unliebsame Kritiker und Dissidenten vor Gericht zu stellen (ZO 18.6.2019). Kritiker weisen auch darauf hin, dass das Justizsystem in der Volksrepublik nicht unabhängig ist, nicht internationalen Standards entspricht und Andersdenkende politisch verfolgt (ZO 28.4.2019). Lam entschuldigte sich mehr als einer Woche nach Ausbruch der Massenproteste persönlich, schloss aber die Forderung der Demonstranten nach einem Rücktritt aus (NBC 18.6.2019). Seit Juli 1997 ist Hongkong eine Sonderverwaltungsregion (SVR) der Volksrepublik China und untersteht der chinesischen Verfassung der Zentralregierung in Peking. Hongkong genießt jedoch einen hohen Grad an Autonomie in allen Angelegenheiten mit Ausnahme der Außen- und der Verteidigungspolitik (AA 12.3.2019). So nahmen am 4.6.2019, dem 30. Jahrestag der Erhebung, im Zuge des Gedenkens anlässlich der gewaltsamen Niederschlagung von Studentenprotesten am Tian'amen-Platz in Peking im Jahr 1989, in Hongkong, laut Organisatoren, etwa 180.000 Menschen an einer Kundgebung teil. Am chinesischen Festland hingegen wurde jede Form von öffentlichem Gedenken durch scharfe Sicherheitsvorkehrungen verunmöglicht (SK 4.6.2019).

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016).

Sicherheitsbehörden

Sicherheitsbehörden sind das Ministerium für Staatssicherheit, das Ministerium für Öffentliche Sicherheit, und die Bewaffnete Volkspolizei (BVP) der Volksbefreiungsarmee. Das Ministerium für Staatssicherheit soll vor Staatsfeinden, Spionen und konterrevolutionären Aktivitäten zur Sabotage oder dem Sturz des chinesischen sozialistischen Systems schützen. In die Zuständigkeit dieses Ministeriums fallen auch der Inlands- und Auslandsgeheimdienst. Die BVP ist in 45 Divisionen unterteilt, bestehend aus Innensicherheitspolizei, Grenzüberwachung, Regierungs- und Botschaftsbewachung, sowie Funk- und Kommunikationsspezialisten. Ein wesentlicher Anteil der in den letzten Jahren vorgenommenen Truppenreduktionen in der Volksbefreiungsarmee war in Wahrheit eine Umschichtung von den Linientruppen zur BVP. Darüber hinaus beschäftigen zahlreiche lokale Kader u.a. entlassene Militärangehörige in paramilitärischen Schlägertrupps. Diese Banden gehen häufig bei Zwangsaussiedlung im Zuge von Immobilienspekulation durchaus auch im Zusammenspiel mit der BVP gegen Zivilisten vor. Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit beaufsichtigt alle innerstaatlichen Aktivitäten der zivilen Sicherheitsbehörden (außer derjenigen, die in die Zuständigkeit des Staatssicherheitsministeriums fallen), sowie die BVP. Konkret umfassen seine Aufgaben innere Sicherheit, Wirtschaft und Kommunikationssicherheit, neben der Zuständigkeit für Polizeieinsätze und Gefängnisverwaltung. Die Organisationseinheit auf niedrigster Ebene sind die lokalen Polizeikommissariate, die für den alltäglichen Umgang mit der Bevölkerung verantwortlich sind und die Aufgaben von Polizeistationen erfüllen. Darüber hinaus besteht ein enges Netz an lokalen Partei-Büros welche mittels freiwilliger "Blockwarte" die Bewegungen der Bewohner einzelner Viertel überwachen und mit der Polizei zusammenarbeiten (ÖB 11.2016). Die Behörde für Staatssicherheit kann seit Mitte April 2017 Beträge zwischen 10.000 und 500.000 Yuan (etwa 68.000 Euro) für nützliche Hinweise an Informanten auszahlen, welche durch ihre Mitarbeit bei der Enttarnung von ausländischen Spionen helfen. Informationen können über eine speziell eingerichtete Hotline, Briefe oder bei einem persönlichen Besuch bei der Behörde gegeben werden. So sich die Hinweise als zweckdienlichen herausstellen, soll der Informant das Geld erhalten (FAZ 11.4.2017). Zivile Behörden behalten die Kontrolle über Militär- und Sicherheitskräfte bei (USDOS 3.3.2017). Die Zentrale Militärkommission (ZMK) der Partei leitet die Streitkräfte des Landes (AA 15.12.2016). Nach dem Gesetz zur Landesverteidigung von 1997 sind die Streitkräfte nicht dem Staatsrat, sondern der Partei unterstellt (AA 4.2017a). Für die innere Sicherheit sind zuständig sind (1) Polizei und Staatsanwaltschaften, die Rechtsverstöße des Normalbürgers verfolgen; (2) Disziplinar-Kontrollkommission der KPCh, die gegen Verstöße von KP-Mitgliedern einschreitet; (3) Einheiten des Ministeriums für Verwaltungskontrolle, die für Pflichtverletzungen im Amt zuständig sind; (4) Staatsschutz (Guobao) für die Beobachtung und Verfolgung politischer bzw. als potentiell staatsgefährdend wahrgenommener Aktivitäten von Bürgern und Ausländern (AA 15.12.2016). Für den Bereich der Gefahrenabwehr ist primär das dem Staatsrat unterstehende Ministerium für Öffentliche Sicherheit mit seinen Polizeikräften verantwortlich, das daneben auch noch für Strafverfolgung zuständig ist und in Teilbereichen mit nachrichtendienstlichen Mitteln arbeitet. Aufgaben der Polizei sind sowohl die Gefahrenabwehr als auch die Strafverfolgung, bei der ihr u. a. die Anordnung von Administrativhaft als Zwangsmaßnahme zur Verfügung steht. Im Bereich der Strafverfolgung ist sie für die Durchführung von strafrechtlichen Ermittlungsverfahren originär zuständig. Bei Delikten, die von Polizisten aufgrund ihrer Amtsstellung begangen werden, ermittelt die Staatsanwaltschaft selbst, während sie sonst primär die Tätigkeit der polizeilichen Ermittlungsorgane beaufsichtigt und auf Grundlage deren Empfehlung über die Erhebung der Anklage entscheidet (AA 15.12.2016). Das Ministerium für Staatssicherheit (MSS) ist u.a. zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Überwachung von Auslandschinesen und von Organisationen oder Gruppierungen, welche die Sicherheit der VR China beeinträchtigen könnten. Es überwacht die Opposition im eigenen Land, betreibt aber auch Spionageabwehr und beobachtet hierbei vielfach auch die Kontakte zwischen ausländischen Journalisten und chinesischen Bürgern. Darüber hinaus verfügen auch die Streitkräfte über einen eigenen, sorgfältig durchstrukturierten Nachrichtendienst, die 2. Hauptverwaltung im Generalstab. Zudem sind viele Arbeitseinheiten parallel mit der Beschaffung von Informationen bzw. mit Überwachungsaufgaben von in- und ausländischen Bürgern befasst. Vor allem das Internationale Verbindungsbüro unter der politischen 1. Hauptverwaltung des Generalstabs ist zuständig für Informationen aus dem Ausland, für die Entsendung von Agenten in Auslandseinsätze, meist unter diplomatischer "Tarnung", und für die Überwachung des eigenen diplomatischen Personals. Zahlreiche "Think tanks" sind für die Beschaffung von Auslandsinformationen zuständig (AA 15.12.2016).

Grundversorgung und Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China im Jahr 2016 mit rund

8.261 USD auf Platz 75 im weltweiten Vergleich. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 4.2017b). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 4.2017a). Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. Gegenständen des täglichen Bedarfs ist trotz starker Disparitäten zwischen Stadt und Land bzw. Ost und West grundsätzlich gegeben. In den letzten Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Immobilien- und Nahrungsmittelpreise. Viele Städte in China gehören heute im Vergleich zum Einkommen zu den teuersten Immobilienmärkten der Welt (ÖB 11.2016). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.12.2016). Eine andauernde Gefährdung für den sozialen Frieden in der chinesischen Gesellschaft stellt die rasche Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die daraus resultierende Wohlstandsverteilung dar. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung verbessert. Er ist von seinem Höchststand 2008 von 0,49 langsam aber beständig auf 0,462 in 2015 gesunken - allerdings im Jahr 2016 wieder geringfügig auf 0,465 angestiegen. Damit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 45 Prozent aller Chinesen auf dem Land, wo die grundlegenden sozialen Sicherungs- und Geldleistungen (Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit) wie auch erweiterte wohlfahrtspolitische Leistungen und Institutionen (Bildung, Wohnung) deutlich schlechter entwickelt sind als in den Städten (AA 4.2017b). 2016 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr in der Stadt mit 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) 2,72-mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit

12.363 RMB (ca. 1.861 USD). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 8,2 Prozent etwas stärker als das der Stadtbewohner mit 7,8 Prozent (AA 4.2017b). Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Mio. "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 15.12.2016). Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2016). Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2016). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 4.2017b). Chinas Basis-Krankenversicherung besteht aus einem Basis-Rentenplan für städtische Arbeiter und einem Plan für ländliche Arbeiter (Basic Pension Plan for Urban Employees and a Rural Pension Plan). Der Basis Pension Plan für Arbeiter im urbanen Umfeld deckt alle Arbeitnehmer ab. Für den Rural Pension Plan gilt: Nur wenige Regionen mit den finanziellen Kapazitäten haben einen solchen Rentenplan erlassen (IOM 8.2016). Das chinesische Sozialsystem trifft hauptsächlich Senioren (Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können), Kinder (Waisen ohne Verwandtschaft, ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind, profitieren von staatlicher Beihilfe, sowie Erziehung und Pflege von offiziellen Institutionen) und Minderheiten (durch die Provinzen und Städte Chinas wurden unterschiedliche Systeme zur Behandlung von Minderheiten entwickelt) (IOM 8.2016). Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Mio. und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Mio. Bezugsberechtigte (ÖB 11.2016). Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 11.2016).

Medizinische Versorgung

In China gibt es kein System niedergelassener Ärzte. Die Krankenversorgung konzentriert sich daher auf die Krankenhäuser. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann (AA 17.8.2017). Krankenhäuser sind sowohl in großen, als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 8.2016). Die Hygiene mag nicht europäischen Vorstellungen entsprechen (AA 17.8.2017). Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet (AA 15.12.2016). Von dem neu eingeführten kooperativen medizinischen Versorgungssystem auf dem Lande wurden Ende 2013 nach Angaben des nationalen Büros für Statistik 99 Prozent der Landbevölkerung erfasst. Es handelt sich um eine Basisversorgung. Sie regelt die Teilerstattung von Kosten für die Behandlung (regional unterschiedlich definierter) schwerer Erkrankungen (AA 15.10.2014). Trotzdem herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Für wohlhabende Chinesen gibt es in Peking, Shanghai und anderen Großstädten an der Ostküste eine wachsende Zahl teurer Privatkliniken. Der hohe formale Abdeckungsgrad in der chinesischen Krankenversicherung täuscht darüber hinweg, dass die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall nach wie vor ungenügend ist. Obwohl 95 Prozent der Bevölkerung über Krankenversicherungsprogramme abgesichert ist, stellen für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, eine nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastung dar (AA 15.12.2016; vgl. ÖB 11.2016). Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (AA 15.12.2016). Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetriebe nahezu kompletten Kostenersatz (ÖB 11.2016). Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 8.2016).

Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.12.2016). Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. 2016 kam es in zwei Fällen auch zu Verhaftungen von in China lebenden Familienangehörigen, um im Ausland lebende chinesische Dissidenten unter Druck zu setzen.

Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

* der Weltverband der Uiguren,

* die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

* der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

* das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans (AA 15.12.2016).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2016). Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia. Im Juli 2012 wurden aus Malaysia abgeschobene Uiguren zu bis zu 15 Jahren Haft wegen "separatistischer Tätigkeiten" verurteilt (ÖB 11.2016). Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 11.2016).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen betreffend das Verfahren und die Person des BF:

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt. Die Feststellungen zur Herkunft des BF, zu seinem Leben und seinen Familienangehörigen in der VR China sowie zur Einreise nach Österreich waren aufgrund seiner Angaben zu treffen und wurden bereits in der das Verfahren über seinen vorangegangenen Antrag auf internationalen Schutz abschließenden Entscheidung des AsylGH getroffen; es ergaben sich im nunmehrigen Verfahren keine Anhaltspunkte dafür, davon abweichende Feststellungen zu treffen.

2.2. Die Feststellungen zur persönlichen Situation des BF und seinem Leben in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben im Rahmen des Verfahrens sowie aus Abfragen in den entsprechenden amtlichen österreichischen Registern (Zentrales Melderegister, Fremdeninformationssystem, Grundversorgungs-Informationssystem). Darüber hinaus wurden die Umstände betreffend seinem im Bundesgebiet entfalteten Privatleben bereits großteils im Erkenntnis des BVwG vom 13.11.2017 festgestellt (und umfassend gewürdigt). Seit rechtskräftigem Abschluss des Vorverfahrens ergaben sich diesbezüglich keine wesentlichen Neuerungen. In der Einvernahme vor dem BFA am 21.11.2019 wurden insbesondere die gleichen familiären und privaten Verhältnisse geschildert. Der Gesundheitszustand des BF war auf Basis seiner Angaben vor der belangten Behörde festzustellen, aus dem vorliegenden Akteninhalt ergab sich auch kein Hinweis für das Vorliegen schwerwiegender Erkrankungen. Vor dem Hintergrund der vom BVwG im Erstverfahren getroffenen Feststellungen zu den Verhältnissen im Herkunftsstaat kann auch nicht angenommen werden, dass in der Zwischenzeit Umstände eingetreten wären, wonach der BF nach einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in Ansehung existentieller Grundbedürfnisse einer lebensbedrohenden oder unzumutbaren Situation ausgesetzt wäre.

2.3. Ein Fremder hat initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt (vgl. VwGH vom 20.09.2018 Ra 2018/20/0349). Dieser Nachweis ist dem BF nicht gelungen, weshalb die diesbezügliche Feststellung zu treffen war. Ebenso gab der BF auch selbst im Antragsformular für die unterstützte freiwillige Rückkehr an, über keine Eigenmittel zu verfügen und nicht selbsterhaltungsfähig zu sein.

2.4. Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen, die bereits im Bescheid wiedergegeben wurden. Da diese Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Angesichts der Seriosität der Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht ebenfalls kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in der Volksrepublik China zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache (Spruchpunkte I und II):

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).

"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235).

Eine neue Sachentscheidung ist aber nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes, sondern, wie sich aus § 69 Abs 1 litb AVG ergibt, auch im Falle desselben Begehrens auf Grund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben, ausgeschlossen (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183). Einem zweiten Asylantrag, der sich daher auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).

Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).

Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat, die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11, K17).

Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).

Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen "glaubhaften Kern" aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).

Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls feststellbar - zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).

Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein "Fortbestehen und Weiterwirken" behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).

Zum Vorliegen von Res Judicata:

Im Verfahren über einen (Asyl-)Folgeantrag ist es Sache der Partei, das Begehren auf neuerliche Sachentscheidung verfahrensrelevant zu begründen (vgl. VwGH vom 06.11.2009 2008/19/0783). Das bloße Behaupten des "Fortbestehens" und "Weiterwirkens" der damaligen unglaubhaften Fluchtgründe begründet keine neue Rechtssache (vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480). Es müsste vielmehr ein gefahrvergrößerndes Bedrohungsbild gegenüber der letzten meritorischen Entscheidung geschildert werden (vgl. VwGH vom 26.07.2005 2005/20/0343).

Der BF behauptet im gegenständlichen Verfahren lediglich das "Fortbestehen" und "Weiterwirken" der damaligen Fluchtgründe, nämlich Probleme mit den chinesischen Behörden aufgrund des von ihm gegen den Abriss seines Hauses gesetzten Widerstandes. Ein neues gefahrenerweiterndes bzw. gefahrenvergrößerndes Bedrohungsbild gegenüber der letzten meritorischen Entscheidung wird damit aber nicht aufgezeigt. Das verfahrensgegenständliche Vorbringen ist somit nicht geeignet, eine neue Rechtssache zu begründen. Auch in der Beschwerde wurde kein neues Vorbringen erstattet, sondern im Wesentlichen nur auf das Vorbringen des BF in der Einvernahme verwiesen. Hinzu kommt auch, dass neue Beschwerdevorbringen, die von den erstinstanzlichen Antragsbegründungen abweichen, bereits formal ins Leere gehen (vgl. VwGH vom 21.12.2016 RA 2016/10/0135 und VwGH vom 23.05.1995, 94/04/0081). Auf das Beschwerdevorbringen war daher insoweit auch nicht einzugehen.

Soweit der neuerliche Antrag des BF unter dem Blickwinkel des Refoulementschutzes zu betrachten ist, ist auszuführen, dass auch im Hinblick auf das Refoulement-Verbot keine Anhaltspunkte erkennbar sind, wonach die Rückführung des BF in die Volksrepublik China zu einer Situation führen würde, die eine Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK mit sich brächte.

Aus den Länderfeststellungen ergibt sich im Wesentlichen, dass keine bürgerkriegsähnlichen Zustände oder Kampfhandlungen in China bestehen und es auch sonst zu keinen nennenswerten sicherheitsrelevanten Vorfällen gekommen ist. Bei der VR China handelt es sich um einen Staat, der zwar im Hinblick auf menschenrechtliche Standards Defizite aufweist, dennoch herrscht dort kein Klima ständiger latenter Bedrohung, struktureller Gewalt und unmittelbaren Einschränkungen, durch welche alle Einwohner grundsätzlich einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt sind. Obwohl Korruption in China auch bei Behörden und Gerichten verbreitet ist, lässt sich daraus nicht ableiten, dass der Schutz vor Übergriffen durch kriminelle Personen grundsätzlich nicht gewährleistet wäre und in China hinsichtlich krimineller Aktivitäten ein unverhältnismäßig hohes Sicherheitsrisiko bestehen würde. Auch sonst geht nicht hervor, dass der BF, der nicht politisch aktiv bzw. auffällig war und der Volksgruppe der Hang angehört, unabhängig von den von ihm behaupteten individuellen Fluchtgründen allein angesichts der allgemeinen Verhältnisse Verfolgung oder unmenschliche Behandlung befürchten müsste. Auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage ergibt sich kein Anhaltspunkt, wonach der BF im Herkunftsland in eine ausweglose Situation (Verpflegung/Unterkunft/Verfügbarkeit medizinischer Leistungen) geraten würde. Auch besteht kein Hinweis darauf, dass Personen in China allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben.

Da weder in der maßgeblichen Sachlage - und zwar im Hinblick sowohl auf jenen Sachverhalt, der in der Sphäre des BF gelegen ist, als auch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist - noch in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Anliegens nicht von vornherein als ausgeschlossen scheinen ließe, liegt entschiedene Sache vor, über welche nicht neuerlich meritorisch zu entscheiden ist. Die Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache erfolgte durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl daher zu Recht.

3.2. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Nichterteilung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III):

Vor Erlassung einer Rückkehrentscheidung ist zunächst die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen (vgl. VwGH vom 19.11.2015, Ra 2015/20/0082).

§ 57 Abs. 1 AsylG 2005 lautet:

"'Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz'

§ 57. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der ‚Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz' zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) - (4) [...]"

Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen nicht vor, weil der Aufenthalt des BF weder seit mindestens einem Jahr gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet noch zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig ist.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids ist somit abzuweisen.

3.3. Zur Abweisung der Beschwerde betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV):

Vorauszuschicken ist, dass das Bundesamt zu Recht davon ausgeht, dass auch Zurückweisungen von Anträgen auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 - soweit die sonstigen Voraussetzungen dafür vorliegen - mit Rückkehrentscheidungen zu verbinden sind (siehe VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082). § 59 Abs. 5 FPG gilt nur für Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverboten (vgl. VwGH vom 13.02.2018 RA 2017/18/0332). Für generelle Rückkehrentscheidungen gilt die alte Rechtsprechung (vgl. VwGH vom 19.11.2015, RA 2015/20/0082). Gem. § 10 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher die Zurückweisung mit ei

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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