TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/17 W200 2217847-1

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Veröffentlicht am 17.01.2020
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Entscheidungsdatum

17.01.2020

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
VOG §1
VOG §10
VOG §3

Spruch

W200 2217847-1/OZ

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und durch den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (SMS) vom 11.02.2019, Zl. 214-615873-005, mit dem der Antrag auf Gewährung von Hilfeleistung nach dem Verbrechensopfergesetz in Formdes Ersatzes von Verdienstentgang abgewiesen wurde, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 16.03.2017 einen Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Er gab an, alle Jobs wegen Problemen mit "Obrigkeiten", Schwierigkeiten im Umgang mit Frauen, Unmöglichkeit sich in eine Gruppe zu integrieren abgebrochen zu haben, er leide an Angstträumen, Schweißausbrüchen und habe Angst vor Vorgesetzten.

Die Verbrechen hätten sich zwischen dem 1969 und 1973 bei den Schulbrüdern in Strebersdorf ereignet: körperliche und psychische Misshandlungen, sexueller Missbrauch.

Nach der Matura habe er das Studium der Ernährungswissenschaften begonnen und nach dem ersten Studienabschnitt abgebrochen. Nach Absolvierung mehrerer Praktika sei klar gewesen, dass er die beschriebenen Probleme hätte. Er hätte nie länger als ein paar Wochen an einem Arbeitsplatz bleiben können. Seit 1990 stünde er durchgehend in regelmäßiger Einzel- und Gruppentherapie.

Dem Akt ist der Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung zu entnehmen sowie ein E-Mail der Wiener Gebietskrankenkasse vom 12.04.2017, wonach keine Krankenstände bei der GKK aufscheinen und ein Schreiben vom 11.04.2017 der NÖ GKK, dass keine Zeiten der Arbeitsunfähigkeit dokumentiert wären und auch keine entsprechenden Unterlagen vorlägen.

Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche in Österreich vom 22.02.2011 über eine zugesprochene finanzielle Hilfe von € 10.000 sowie Therapiestunden im Ausmaß von 30 Stunden vor, ein Protokoll einer Zeugenvernehmung vom 04.11.2010 sowie einen klinisch-psychologischen Kurzbericht vom 17.11.2010. Aus diesem klinisch-psychologischen Kurzbericht gehen seine Angaben hervor, während des Aufenthalts von der 1. bis 4. Klasse Gymnasium im Vollinternat der Schulbrüder Strebersdorf psychischen Druck und sexuellen Übergriffen ausgesetzt gewesen zu sein. Er hätte dort von vielen Lehrern und Erziehern Kopfnüsse (ca. 10x in 4 Jahren) bekommen. Ein namentlich genannter Pater, Pater XXXX , hätte ihn häufig sehr fest und schmerzhaft an den Ohren und Haaren gezogen, sodass ihm Haare ausgerissen worden wären. Dies wäre etwa 5x pro Jahr vorgekommen. An psychischer Gewalt hätte ihm Pater XXXX , wenn er in der Klasse suppliert hätte, Redeverbot auferlegt. Als er ihm einen Streich gespielt hätte, hätte er alle Schüler der Klasse einzeln verhört, sodass sie unter Druck gesetzt worden wären, um gegen ihn auszusagen. Pater XXXX hätte ihn im Alter von etwa 13 Jahren auf sein Zimmer am Schulgelände geholt, Dias mit stark abgemagerten Insassen eines Konzentrationslagers, bei denen die Genitalien besonders deutlich zu sehen gewesen wären, gezeigt und sich dabei neben ihn gesetzt, wobei er den Beschwerdeführer an seinen Oberkörper gedrückt hätte. Währenddessen hätte er sich selbst befriedigt. Danach hätte der Beschwerdeführer das Zimmer verlassen. Dies sei einmal geschehen. Nach der 4. Klasse hätte er das Gymnasium verlassen, die Matura abgeschlossen und ein darauffolgendes Studium abgebrochen. Diverse Jobs hätte er aufgrund von Problemen mit Obrigkeiten und Vorgesetzten abgebrochen. Zwischen dem 31. und 38. Lebensjahr hätte er eine Gruppenpsychotherapie wegen aggressivem Verhalten konsumiert. Laut diesem klinisch-psychologischen Kurzbericht könne ein kausaler Zusammenhang zwischen den geschilderten Ereignissen und den beschriebenen psychischen Folgen nicht ausgeschlossen werden.

Aus der Zeugenvernehmung vom 04.11.2010 geht ergänzend dazu hervor, dass Pater XXXX die Schüler enorm unter psychischen Druck gesetzt hätte und ihn einmal, aufgrund eines Zettels, worauf der Beschwerdeführer "Pater XXXX ist blöd!" geschrieben hätte, an den Ohren zu Boden gezogen hätte. Daraufhin hätte er starke Schmerzen verspürt. Da sich auch die anderen Mitschüler für ihn entschuldigen hätten müssen, sei er dann auch bei den Mitschülern "unten durch" gewesen. Am Wochenende, wenn die Kästen und Betten kontrolliert worden wären, hätte er sein komplettes Bettzeug vom Bett gerissen und auf den Boden geworfen oder den kompletten Kasteninhalt auf den Boden gelehrt. Er hätte erst nach Hause fahren dürfen, wenn alles gepasst hätte. Dies hätte er als besonders schlimm empfunden. Geschlagen sei er von Pater XXXX nicht geworden. Er und seine Mitschüler wären auch von den anderen Lehrern und Erziehern bestraft worden, dabei sei es aber niemals zu solch brutalen oder psychisch verletzenden Strafen gekommen. Betreffend die körperlichen Misshandlungen sei er eher leicht verletzt worden (blaue Flecke und Hautabschürfungen bzw. büschelweises Ausreisen der Haare). Im Hinblick auf die von ihm vorgebrachten sexuellen Übergriffe durch den Pädagogen XXXX wollten er sich bei der Zeugeneinvernahme nicht näher äußern.

In einem Email vom 18.06.2017 führte er aus, dass er nach dem Internatsaufenthalt die HTL für Textilchemie Wien V, Spengergasse, besucht hätte. Durch die Erfahrung des "Gequält-Werdens" und das "Mobbing" im Internat sei sein Wesen derart geformt worden, dass er es nicht ertragen hätte, wenn ihm jemand etwas "angeschafft" hätte. Ein "normales" Arbeitsverhältnis sei daher nicht möglich gewesen, dies sei auch der Grund gewesen, warum er jeden Arbeitsplatz verloren hätten. Er wäre fertig ausgebildeter Textilchemieingenieur, hätten diesen Beruf jedoch nicht ausüben können.

Am 26.06.2017 übermittelte er Namen samt Anschrift zwei seiner ehemaligen Therapeuten (gemeint ein Sozialarbeiter und eine Psychotherapeutin) und teilte mit, dass er derzeit keine Psychotherapie in Anspruch nehme. Weiters gab er an laut Mitteilung des Arbeitsamtes nicht vermittelbar zu sein, weswegen er die Hoffnung aufgegeben hätte, einen Arbeitsplatz zu finden.

In weiterer Folge bestätigte die Kongregation der Brüder der christlichen Schulen den Schulbesuch des Beschwerdeführers von 1969 bis 1973 im Gymnasium in Strebersdorf. Bezüglich des bereits verstorbenen Dr. XXXX hätte es Beschwerden geben, die durch die Klasnic-Kommission übermittelt worden wären. Bruder XXXX XXXX sei von 1971 bis 1973 Student und Erzieher, jedoch nicht der Klassenerzieher des Beschwerdeführers gewesen. Er könne vertretungsweise Dienst in der Internatsgruppe wahrgenommen haben, habe jedoch keinerlei Erinnerung an einen Konflikt mit dem Beschwerdeführer.

Laut Staatsanwaltschaft Wien wurde das Verfahren gegen XXXX XXXX wegen Verjährung eingestellt.

Am 07.11.2017 langte ein Email eines Sozialarbeiters des Instituts für Lebens- und Familienfragen, XXXX , ein, der ausführt, dass keine Aufzeichnungen oder Diagnosen geführt werden würden. Lediglich bestätigt werden könnte, dass er in diesem Institut immer wieder bei ihm Beratungsleistungen in Anspruch genommen hätte.

Am 22.01.2018 teilte seine ehemalige Therapeutin mit, dass er vor sehr langer Zeit bei ihr in einer Gruppentherapie teilgenommen hätte. Mangels Erinnerung könnte sie keine Auskunft mehr geben.

Am 26.01.2018 gab der Beschwerdeführer in einem Telefonat an, dass ihm vom AMS mitgeteilt worden wäre, dass er als überqualifiziert befunden worden wäre und es aussichtslos sei, ihm einen Job zu vermitteln. Zudem wäre er zu diesem Zeitpunkt bereits 50 Jahre alt gewesen und auch früher hätte er schon als "nicht vermittelbar" gegolten.

Das AMS XXXX teilte in einem Schreiben vom 05.02.2018 mit, dass die Betreuung der extern zugekauften Betreuungseinrichtung "Künstlerinnenservice Team4" im Rahmen der Betreuungsvereinbarung vom 05.11.2013 vereinbart worden wäre. Zu den teilweise sogar als verpflichtend vorgeschriebenen Terminen beim AMS sei er nie erschienen, weswegen ihm mittels RSB eine "Abmeldeverständigung" zugesandt worden wäre und damit seine Vormerkung beim AMS beendet worden wäre.

Am 26.02.2018 teilte er telefonisch mit, dass sein Verdienstentgang darin bestünde, dass er eine Matura hätte und Textilchemie gelernt hätten. Die Schule hätte er 1980 abgeschlossen. Danach hätte er ein Semester Ernährungswissenschaften studiert und bis 1984 Studiengebühren bezahlt. Wahrscheinlich hätte er im Bereich der Textilchemie bei einem Unternehmen gearbeitet. Ob er trotzdem noch Ernährungswissenschaften studiert hätte, da er bereits 1980 zu studieren begonnen hätte, könnte er nicht sagen.

Laut Email vom 27.02.2018 der WGKK lägen zu eventuellen Psychotherapien des Beschwerdeführers keine Daten vor.

Das von der belangten Behörde eingeholte nervenfachärztliche Gutachten vom 14.06.2018 ergab als Diagnose eine "narzisstischen Persönlichkeit". Das Gutachten gestaltete sich wie folgt:

"Wohnsituation: Haus ca. 100m2.

Lebt zusammen mit: Der 42-jährigen Gattin - berufstätig.

Erlernter Beruf: Matura HTL, Textilchemiker, das Studium als Ernährungswissenschaftler abgebrochen, Zeit seines Lebens keine längere fixe Anstellung, die über einen Monat hinausgegangen wäre. Die letzte Anstellung datiert in etwa 1984 in der Lebensmitteluntersuchungsanstalt. Bezeichnet sich selbst als Lebenskünstler, zudem als Vegetarier und Hausmann. Er sei mit der Gattin mitversichert.

Derzeitiger Beruf: keiner; Pension: kein Antrag gestellt;

Familienstand/Kinder: Geschieden, seit 7 Jahren wiederverheiratet, keine Kinder. Führerschein: B - ist mit den Öffis zur Untersuchung gekommen.

Bundesheer: Zivildienst - "Ich habe ein Problem mit Autoritäten! Ich wurde nach 2 Monaten entlassen, da ich als nicht teamfähig gegolten habe!"

Monatliches Einkommen: Keines. Schulden: Verneint. Vorstrafen:

Verneint.

Nervenfachärztliche Behandlung: Verneint.

Psychotherapie: Psychotherapie wurde jahrelang gemacht, die letzten 20 Jahre nicht mehr.

Medikamentöse Therapie: Verneint. (...)

An Hobbies werden angegeben: Musik spielen "Hang" ein Schweizer Instrument, da würde er auch fallweise bei Gesellschaften auftreten;

Auf die Frage "Was beeinträchtigt Sie am meisten?" wird sinngemäß geantwortet:

"Nach vielen Jahrzehnten denke ich mir, ich hätte mehr aus meinem Leben machen können!"

Auf die Frage "Was war die beste Zeit in ihrem Leben?" wird angegeben:

"Ab etwa 5 Jahren bis zur Aufnahme in Strebersdorf. Das Verhältnis zum Stiefvater wird positiv geschildert.

Gesamteindruck:

Herr XXXX erscheint lange vor dem Termin, ordentlich, der Witterung entsprechend gekleidet, ohne Zuhilfenahme von Stock oder Krücke zur Untersuchung.

59-jähriger Pat. in gutem AZ und in etwa normgewichtigem EZ, die Sprache und Ausdrucksweise gewählt, reflektiert, beschreibt sich als gewissenhaft, Mann mit Handschlagqualität, man könne sich auf ihn verlassen, er sei jedoch nicht diskursfähig, er könne nicht diskutieren, er würde dann davonlaufen, das soziale Umfeld wird als klein angegeben, er habe einen Freund aus Studienzeiten, mit den Nachbarn bestünde aufgrund diverser Probleme kein gutes Verhältnis;

Psychiatrischer Status:

Bewusstsein; wach, gut kontaktierbar, allseits orientiert; Im Duktus kohärent und zielgerichtet, keine formale oder inhaltliche Denkstörung;

Merkfähigkeit, Konzentration und Gedächtnisleistung:

unbeeinträchtigt; Stimmungslage: neutral; Affekt: unbeeinträchtigt, die Affizierbarkeit in allen Skalenbereichen gegeben; die Psychomotorik angepasst; Biorhythmus: gibt an alle 3 Jahren einen Alptraum zu haben; Wahn: kein Hinweis auf produktive Symptomatik; keine suizidale Einengung.

Diagnose: Narzisstische Persönlichkeit

STELLUNGNAHME

1. Welche Gesundheitsschädigungen liegen bei dem AW vor?

Herr XXXX wurde am 25.5.2018 untersucht und dabei die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeit gestellt.

Eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (PS) ist gekennzeichnet durch eine Überidealisierung des Selbst, damit verbunden ausgeprägte Selbstbezogenheit, hohe Empfindlichkeit gegenüber Einschätzung durch andere und Mangel an Einfühlungsvermögen.

Der Übergang zwischen einer akzentuierten Persönlichkeit und Persönlichkeitsstörung ist fließend, wobei im gegenständlichen Fall die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung zu weit gegriffen erscheint. Nach heutiger Lehrmeinung ist die Entstehung einer solchen Persönlichkeit bzw. Persönlichkeitsstörung multifaktoriell bedingt, wobei genetische, hirnorganisch neurobiologisch und psychologische Faktoren eine Rolle einnehmen (siehe R. Haller, Das psychiatrische Gutachten, 2. Auflage, Seite 135).

In der vorliegenden Untersuchung finden sich keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer affektiven Störung, wie z.B. eine Depressio.

Dem Clearingbericht PHDr. Dr. XXXX (Abl. 53) kann nicht gefolgt werden da in dem Befundbericht keine Diagnose des psychischen Zustandsbildes aufscheint.

2. Welche der festgestellten Gesundheitsschädigungen sind mit Wahrscheinlichkeit

-

kausal auf das Verbrechen zurückzuführen (Wahrscheinlichkeit des Kausalzusammenhanges bedeutet nach der Judikatur, dass wesentlich mehr für als gegen einen Zusammenhang spricht)? Begründung.

Ein Kausalzusammenhang mit dem Verbrechen ist nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen. Wie eingangs erwähnt ist das beschriebene Zustandsbild multifaktorielle bedingt.

-

akausal, somit nicht auf die oben angeführten Verbrechen zurückzuführen? Begründung.

Herr XXXX wurde im Alter von 10 bis 14 Jahren in einem Internat untergebracht. Aus fachärztlicher Sicht muss davon ausgegangen werden, dass zu diesem Zeitpunkt die Persönlichkeit im Wesentlichen angelegt war und deshalb nicht als Folgezustand der Misshandlungen und des Missbrauchs angesehen werden können.

3. Falls das Verbrechen nicht alleinige Ursache ist, wird um Beurteilung ersucht, ob das Verbrechen als wesentliche Ursache zum derzeitigen Leidenszustand beigetragen hat. Es wird ersucht ausführlich darzulegen, was für den wesentlichen Einfluss (vorzeitige Auslösung und/oder Verschlimmerung) des Verbrechens spricht und was dagegen.

Aus fachärztlich-psychiatrischer Sicht haben die Misshandlungen zwar möglicherweise einen Einfluss auf den derzeitigen psychischen Leidenszustand, sind jedoch nicht als wesentliche Ursache anzusehen.

4. Falls die festgestellten Gesundheitsschädigungen durch kausale und akausale Ursachen herbeigeführt worden sind, wird ersucht zu folgendem Stellung zu nehmen:

a. Hat das erlittene Trauma die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit vorzeitig (erheblich früherer Zeitpunkt) ausgelöst oder wäre diese auch ohne die angeschuldigten Ereignisse im annähernd selben Zeitraum entstanden?

Es gibt keinen Hinweis, dass das erlittene Trauma die festgesteilte Gesundheitsschädigung vorzeitig ausgelöst hätte.

Es ist davon auszugehen, dass die festgesteilte Gesundheitsschädigung im selben Zeitraum entstanden wäre.

b. Hat das erlittene Trauma die festgestellten Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit verschlimmert? Wenn ja, in welchem Ausmaß? Weiche Gesundheits-schädigungen lägen ohne die angeschuldigten Ereignisse vor?

Es gibt keinen Hinweis darauf, dass das Trauma die Gesundheitsschädigung mit Wahrscheinlichkeit verschlimmert hat. Es ist aus fachärztlicher Sicht anzunehmen, dass die beschriebene Persönlichkeit auch ohne die angeschuldigten Ereignisse vorliegen würde.

5. Liegt bei dem AW Arbeitsunfähigkeit vor?

a. Wenn ja, wegen der kausalen Gesundheitsschädigungen?

Entfällt, siehe b.)

b. Wenn ja, wegen der akausalen Gesundheitsschädigungen?

Laut AMS gilt Herr XXXX als nicht vermittelbar;

6. Kann aus medizinischer Sicht gesagt werden, ob die kausalen Gesundheitsschädigungen maßgebliche (überwiegende) Ursache für Zeiten sind, in denen der AW nicht gearbeitet hat? (keine Krankenstände der WGKK Abl. 33-34)

Es liegen keine Krankenstandsangaben vor.

7. Kann aus medizinischer Sicht gesagt werden, ob der AW aufgrund der kausalen Gesundheitsschädigenden an einem kontinuierlichen Berufsverlauf oder einer besseren Ausbildung gehindert war?

-

Wenn ja: In welchem Ausmaß kann das festgestellt werden und welche Anhaltspunkte sprechen aus medizinischer Sicht dafür?

Aus fachärztlicher Sicht gibt es keine Hinweise, die annehmen lassen, Herr XXXX wäre aufgrund kausaler Gesundheitsschädigung an einem kontinuierlichen Berufsverlauf bzw. einer besseren Ausbildung gehindert gewesen. Wesentlich für den beruflichen Werdegang war die beschriebene Persönlichkeit mit ihrer eingeschränkten sozialen Anpassungsfähigkeit."

Im gewährten Parteiengehör bestritt er die gestellte Diagnose, stellte die Dauer sowie die Art und Weise der vorgenommenen Untersuchung in Frage und schilderte sein Leben vor, während als auch nach den begangenen Verbrechen. So gab er etwa an, dass es keine Nacht gegeben hätte, wo er ohne Weinen eingeschlafen wären und dies sei von einem Erzieher dazu benutzt worden um ihn mehrmals "zu trösten". Es sei ihm erst später bewusstgeworden, dass dieser seine sexuellen Bedürfnisse an bzw. mit ihm befriedigt hätte. Erst aufgrund einer Therapie ab seinem 30. Lebensjahr sei ihm bewusstgeworden, dass es nicht "normal" gewesen sei, für angebliches "Fehlverhalten" mit Gewalt und sexueller Nötigung bestraft zu werden. Die erste Klasse HTL für Textilchemie hätte er sodann wegen großer Probleme infolge der Misshandlungen wiederholen müssen. So hätte er sich nie mehr so in die Klassengemeinschaft integrieren können, wie er es aus seiner Volksschulzeit gekannt hätte. Obwohl er auch die dritte Schulstufe wiederholen hätten müssen, hätte er mit Matura abgeschlossen. Sein späteres berufliches Fortkommen sei vor allem dadurch, dass er die notwendigen Gruppenarbeiten während seines Studiums der Ernährungswissenschaften nicht bewältigen hätten können und daher das Studium nach dem ersten Studienabschnitt abgebrochen hätte, stark negativ beeinflusst worden. Er fühle sich bei einem Vorstellungsgespräch oder bei Arbeitsbeginn in seine kindliche Phase nach Strebersdorf zurückversetzt: Er bekomme Angst, Herzrasen, Schweißausbrüche, leide an unerträglichem Harndrang - genau wie als Schüler in Strebersdorf. Dieses Verhalten trete auf, wenn er an seinem Arbeitsplatz in Situationen komme, wo ihm Vorgesetzte oder Kollegen Anweisungen gäben, die er zu befolgen habe..... Die dadurch auftretende Verzweiflung gipfle immer in einer Kündigung oder in seinem "Davonlaufen". Die Kausalität seiner arbeitssoziologischen Probleme mit seinen traumatischen Erlebnissen in Strebersdorf sei daher klar nachvollziehbar und seien die klaren Folgen seiner fortwährenden, vierjährigen Entmutigung durch die Erzieher in Strebersdorf. Abschließend gab er an, dass er einen gerichtlich beeideten Sachverständigen aus dem Fachgebiet für Psychiatrie und Neurologie befragt hätte und sich Kritik am eingeholten Gutachten ergeben würde.

Mit Bescheid vom 14.02.2019 wies das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Antrag vom 16.03.2017 auf Ersatz des Verdienstentganges gemäß § 1 Abs. 1 und 3, § 3 sowie § 10 Abs. 1 des VOG ab.

Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Internat in den Schuljahren 1969 bis 1973 von den dortigen Erziehern physisch misshandelt wurde, indem er geschlagen, geohrfeigt, an den Haaren gerissen wurde und Kopfnüsse erhielten. Darüber wurde er von einem namentlich bekannten Erzieher sexuell missbraucht.

Danach besuchte er eine HTL für Textilchemiker und schloss diese mit Matura ab. Das Studium der Ernährungswissenschaften brach er nach dem ersten Studienabschnitt ab.

Laut Versicherungsdatenauszug war er in den Jahren 1975, 1977, 1981 und 1982 jeweils für die Dauer von einem bis zu zwei Monaten teilweise als Praktikant als Arbeiter bzw. Angestellter bei diversen Arbeitgebern beschäftigt gewesen. Dazwischen lagen Zeiten des Besuches einer höheren Schule. Von Oktober 1987 bis Dezember 1988 leistete er den Zivildienst und im Jahr 1998 war er unter anderem bei der künstlerischen Volkshochschule geringfügig beschäftigt. Zuletzt war er von November 2013 bis 2014 arbeitssuchend gemeldet. Da er jedoch die verbindlichen Terminvereinbarungen und Kontrollmeldungen nicht eingehalten habe, sei er vom AMS abgemeldet worden.

Die von ihm im Jahr 2010 erstattete Strafanzeige gegen einen Erzieher wurde wegen Verjährung eingestellt.

Aufgrund der während des Internataufenthaltes widerfahrenen Misshandlungen wurde ihm von der Stiftung Opferschutz der Katholischen Kirche eine finanzielle Entschädigungsleistung sowie die Kostenübernahme für insgesamt 30 Therapiestunden zugesprochen.

Nervenfachärztlich leidet er an einer narzisstischen Persönlichkeit. Ein Kausalzusammenhang der festgestellten Misshandlungen zu diesen Gesundheitsschädigungen kann jedoch nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

Des Weiteren scheinen keine Hinweise ersichtlich, welche mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit annehmen lassen würden, dass kausale Gesundheitsschädigungen einen kontinuierlichen Berufsverlauf oder eine bessere Ausbildung negativ beeinflusst haben. Darüber hinaus gibt es auch keine Anhaltspunkte dafür, dass Arbeitsunfähigkeit vorliegen würde.

Es sei kein Antrag auf Zuerkennung einer Invalidität- bzw. Berufsunfähigkeitspension bei der Pensionsversicherungsanstalt gestellt worden.

Das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges im fiktiven schadensfreien Verlauf kann daher nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde kritisiert, dass der Gutachter - ohne auf die Problematik bezüglich seiner aus dem Akt ersichtlichen Berufsausbildung einzugehen - bei ihm eine narzisstische Persönlichkeit erkannt hätte.

Einen Bezug zu den an ihm durchgeführten Verbrechen hätte er nicht einmal ansatzweise hergestellt.

Dieses Gutachten sowie die Ausführungen der Schulbrüder, wonach durch einen verstorbenen Pädagogen, dem Religionslehrer, kein sexueller Missbrauch bewiesen sei, und die Anschuldigungen an den Bruder XXXX XXXX durch ihn in Abrede gestellt werden müssten, hätten dazu geführt, dass sein Antrag durch die belangte Behörde abgewiesen wurde.

Auf Seite 4 als auch auf Seite 9 des bekämpften Bescheides hätte die belangte Behörde ausgeführt, ihm werde nicht geglaubt, dass XXXX XXXX brutal gewesen sei, weil er der Einzige sei, der davon berichtete.

Als weitere Begründung für die Abweisung seines Antrags wird auf Seite 12 des angefochtenen Bescheides ein Telefonat unrichtig wiedergegeben, wonach er gesagt hätte, "wahrscheinlich hätte ich in einem Unternehmen der Textilchemie gearbeitet". Vielmehr habe er gesagt und durch seinen Abschluss des Studienabschnitts Ernährungswissenschaften auch gezeigt, "dass mein Lebensziel die Tätigkeit als Ernährungswissenschaftler war".

Eine weitere Begründung für die Ablehnung seines Antrages wurde darin gesehen, dass er keinen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt hätte. Dazu hätte für ihn kein Anlass bestanden, da seine Mutter ihn bis zu ihrem Tod 2017 finanziell unterstützt und seinen Unterhalt bestritten hätte.

Die Vorlage eines eigenen Gutachtens zur Widerlegung des eingeholten Gutachtens sei ihm aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich.

Seine überaus umfangreiche Stellungnahme zu den Ausführungen des Gutachters finde in der Entscheidung keinen Eingang. Er habe unter umfangreicher Darlegung seines Lebens vor und nach seinem Aufenthalt bei den Schulbrüdern dargelegt, dass das Gutachten des Sachverständigen keinesfalls der Entscheidung zugrunde zu legen sei, da dieser in keiner Form auf die von ihm dargelegten Probleme, welche erst dazu führten, dass er den Antrag stellen musste, Rücksicht nehme.

Unter Zugrundelegung der Entscheidung W209 2168882-1 brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Amtssachverständige gleich wie in diesem Verfahren in unzulässiger Weise die rechtliche Beurteilung vorgenommen hätte, dass kein Kausalzusammenhang vorliege.

Die kausalen Gesundheitsschädigungen hätten ihn an einer besseren - abschließenden - Ausbildung gehindert und eine wesentliche Einschränkung seiner Berufslaufbahn bewirkt wodurch auch der Entgang des Verdienstes durch die Verbrechen hinreichend dokumentiert sei.

Er schilderte abermals die Vorgänge bei den Schulbrüdern und gab an, dass er sich in eine "Traumwelt" zurückgezogen hätte, um seine seelischen und körperlichen Schmerzen ertragen zu können. Diese Prägungen hätte er nie ablegen können. Eine konstruktive Bewältigung von Problemen mit Vorgesetzten hätte er dadurch bis heute nicht erlernen können. Bis heute verspüre er Schmerzen und "laufe weg", wenn ihm Vorgesetzte ("Obrigkeiten") an einem Arbeitsplatz Anweisungen erteilen oder erteilen würden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der am XXXX geborene österreichische Beschwerdeführer hat vier Jahre lang die Volksschule, danach die Unterstufe des Gymnasiums und im Anschluss eine HTL für Textiltechnik besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Das Studium der Ernährungswissenschaften hat er nicht beendet.

Von Geburt an bis zum Eintritt in das Gymnasium wuchs der Beschwerdeführer bei den Eltern auf. Von 1969 bis zum 1973 war er im Internat der Schulbrüder in Strebersdorf und besuchte dort das Gymnasium.

Der Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges ist am 16.03.2017 beim Bundessozialamt eingelangt.

1.2. Während des Aufenthalts im Internat in Strebersdorf war der Beschwerdeführer Opfer von körperlicher und seelischer Gewalt der dortigen Erzieher durch Schläge, Ohrfeigen, Ziehen an den Ohren, Kopfnüssen und büschelweises Ausreißen der Haare, Nicht-Nach-Hause-Fahren-Dürfen,....

Laut Staatsanwaltschaft Wien wurde das Verfahren gegen einen namentlich genannten Erzieher wegen Verjährung eingestellt.

Weiters wurde der Beschwerdeführer durch einen namentlich bekannten, bereits verstorbenen Erzieher einmal sexuell missbraucht, in dem dieser während er ihn gezwungen hatte, Bilder von nackten abgemagerten KZ-Insassen zu betrachten, sich selbst befriedigte und den Beschwerdeführer an seinen Oberkörper gedrückt hätte.

1.3. Der Beschwerdeführer nahm in der Vergangenheit Beratungsleistungen eines Sozialarbeiters der Beratungsstelle XXXX , Institut für Lebens- und Familienfragen, in Anspruch. Weiters nahm er an einer Gruppenpsychotherapie bei einer Psychotherapeutin teil. Dauer und Umfang können mangels Unterlagen nicht festgestellt werden.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde vom AMS nicht als überqualifiziert befunden und es wurde ihm nicht mitgeteilt, dass es aussichtslos sei, ihm einen Job zu vermitteln, sondern er leistete einer Betreuungsvereinbarung vom 05.11.2013 nicht Folge. Er nahm die verpflichtend vorgeschriebenen Termine beim AMS nicht wahr, weshalb seine Vormerkung beim AMS abgemeldet wurde.

1.5. Laut Versicherungsdatenauszug war er in den Jahren 1975, 1977, 1981 und 1982 jeweils für die Dauer von einem bis zu zwei Monaten teilweise als Praktikant als Arbeiter bzw. Angestellter bei diversen Arbeitgebern beschäftigt gewesen. Dazwischen lagen Zeiten des Besuches einer höheren Schule. Von Oktober 1987 bis Dezember 1988 leistete er den Zivildienst und im Jahr 1998 war er unter anderem bei der künstlerischen Volkshochschule geringfügig beschäftigt. Zuletzt war er von 05.11.2013 bis 28.01.2014 arbeitssuchend gemeldet.

1.6. Der Beschwerdeführer hat nie einen Antrag auf Berufsunfähigkeitspension gestellt. Eine Arbeitsunfähigkeit kann nicht festgestellt werden.

1.7. Der Beschwerdeführer leidet an einer narzisstischen Persönlichkeit. Er steht seit 20 Jahren nicht in psychotherapeutischer Behandlung.

1.8. Es kann nicht mit der für das VOG erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die aktuell festgestellten vorliegenden Gesundheitsschädigungen mit Wahrscheinlichkeit durch eine mit mehr als sechs Monaten Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und dem Beschwerdeführer gegenüber vorsätzlich begangene Handlung, nämlich die durch Übergriffe der Erzieher in Strebersdorf gegen den Beschwerdeführer gesetzte körperliche und seelische Gewalt, verursacht wurden.

Ein verbrechenskausaler Verdienstentgang kann mit erforderlicher Wahrscheinlichkeit nicht festgestellt werden.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorliegenden Beweismittel und des Aktes der belangten Behörde ist das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76).

Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens,

5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: "Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".

Zu 1.1) Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

Zu 1.2.) Die Ausführungen des Beschwerdeführers über die erlittenen psychischen, physischen und sexuellen Übergriffe und Misshandlungen in Strebersdorf werden den Feststellungen zu Grunde gelegt.

Nicht festgestellt werden können die erstmals im Rahmen des Parteiengehörs zum Gutachten vom Beschwerdeführer behaupteten mehrfachen sexuellen Belästigungen im Vortäuschen von "Getröstet werden". Diese hatte der Beschwerdeführer weder bei dem dem Clearingbericht zu Grunde liegenden Gespräch noch zu einem anderen Zeitpunkt zuvor geltend gemacht und wird deshalb als unglaubwürdige Steigerung gewertet, zumal der Beschwerdeführer mit dieser Behauptung auch keinen Erzieher namentlich beschuldigt.

Entgegen den Ausführungen in der Beschwerde hat auch bereits das SMS im angefochtenen Bescheid auf Seite 7 festgestellt, dass die Übergriffe in Form von Schlägen, Ohrfeigen, Kopfnüssen und Haarereißen, insbesondere der sexuelle Übergriff entsprechend der Behauptungen stattgefunden haben. Das SMS hat lediglich zu den behaupteten Übergriffen eines vom Beschwerdeführer namentlich genannten Erziehers keine Feststellungen zu Übergriffen dessen Person getroffen, da zu diesem Erzieher laut Kongregation der Brüder der christlichen Schulen von sonstigen Zöglingen keine Schilderungen vorliegen würden.

Im Hinblick auf die bereits getätigten Feststellungen, dass Misshandlungen stattgefunden haben, ist für die zu treffende Entscheidung nicht relevant, ob der behauptete Täter ebenfalls Übergriffe gesetzt hat oder nicht.

Zu 1.3.) und 1.4.) Die Feststellungen ergeben sich aus den Schreiben des Sozialarbeiters von XXXX , der Psychotherapeutin sowie des AMS

XXXX .

Zu 1.5.) Die Feststellungen gründen sich auf dem Versicherungsdatenauszug.

Zu 1.6.) Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen Antrag auf Invaliditätspension gestellt hat, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben insbesondere, dass er bis zum Ableben seiner Mutter von ihr finanziell unterstützt wurde und kein Bedarf bestand.

Dass der Beschwerdeführer nicht arbeitsfähig ist, hat er selbst auch nie behauptet. Er bringt ausschließlich psychische/emotionale Probleme mit eventuellen "Obrigkeiten" (Vorgesetzten) vor, die er zu keinem Zeitpunkt belegt. In diesem Zusammenhang ist unter Zugrundelegung des Versicherungsdatenauszugs darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer wohl auch so gut wie nie versucht hat, beruflich Fuß zu fassen. Dies wird zusätzlich durch die Mitteilung des AMS XXXX bestätigt.

Zu 1.7.) und 1.8.) Dass er seit 20 Jahren nicht in psychotherapeutischer Behandlung steht, bringt der Beschwerdeführer selbst, ua beim bestellten Gutachter, vor.

Die Feststellung des Vorliegens der narzisstischen Persönlichkeit gründet sich auf dem eingeholten nervenfachärztlichen Gutachten.

In diesem Gutachten beschreibt der Gutachter, dass sich beim Beschwerdeführer im Rahmen der Untersuchung keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer affektiven Störung - wie zB einer Depressio - fänden. Der vom Gutachter festgestellte Zustand der narzisstischen Persönlichkeit des Beschwerdeführers hat laut Facharzt für Neurologie und Psychiatrie nicht die Ausmaße einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung, wenn auch der Übergang zwischen einer akzentuierten Persönlichkeit und einer Persönlichkeitsstörung fliesend ist. Laut Gutachter wäre im gegenständlichen Fall die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung zu weit gegriffen.

Unter Bezug auf R. Haller, Das psychiatrische Gutachten, 2. Auflage, Seite 135, beschreibt er, dass nach der heutigen Lehrmeinung die Entstehung einer solchen Persönlichkeit bzw. Persönlichkeitsstörung multifaktoriell bedingt ist, wobei genetische, hirnorganisch, neurobiologisch und psychologische Faktoren eine Rolle einnehmen. Mit dieser wissenschaftlich belegten multifaktoriellen Bedingung begründet er auch nachvollziehbar, dass die Verbrechen nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit die narzisstische Persönlichkeit verursacht haben, zumal zum Zeitpunkt der Internatsunterbringung im Alter von zehn bis 14 Jahren davon ausgegangen werden muss, dass zu diesem Zeitpunkt die Persönlichkeit im Wesentlich angelegt war. Ein Einfluss der Misshandlungen auf den derzeitigen psychischen Leidenszustand wird vom Gutachter als möglich, jedoch nicht als wesentliche Ursache angesehen.

Wenn nun der Beschwerdeführer in der Beschwerde meint, dass seine überaus umfangreiche Stellungnahme zu den Ausführungen des Gutachters in der Entscheidung keinen Eingang finde, da der Gutachter in keiner Form auf die von ihm dargelegten Probleme, welche erst dazu führten, dass er den Antrag stellen musste, Rücksicht genommen hätte, so ist dem entgegenzuhalten, dass mit diesem Vorbringen weder den Ausführungen der Amtssachverständigen auf selber fachlicher Ebene entgegengetreten noch Widersprüche aufgezeigt wurden. Der Beschwerdeführer nennt auch im gesamten Verfahren keine gegenteilige Diagnose als die vom bestellten Amtssachverständigen gestellte.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen in Gesamtbetrachtung keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachtens. Dieses wurde daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

Wenn nunmehr der Beschwerdeführer vermeint, dass der darüber hinaus auch noch das Studium der Ernährungswissenschaften ohne die erfolgten Misshandlungen abgeschlossen hätte, und sein Verdienstentgang umso größer sei, so ist dem ebenso das eingeholte Gutachten entgegenzuhalten sowie auf den Aktenvermerk über das Telefonat mit dem Beschwerdeführer vom 26.02.2018 entgegenzuhalten, dessen Inhalt er in der Beschwerde widerspricht.

Der Aktenvermerk und die Niederschrift sind öffentliche Urkunden, die über ihren Inhalt vollen Beweis machen, wenngleich der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung zulässig ist und ebenso der Beweis der Unvollständigkeit. (VwGH vom 16.12.1997, Zl. 97/05/0260).

Eine Unrichtigkeit des bezeugten Inhaltes konnte der Beschwerdeführer durch seine Behauptung nicht belegen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide nach diesem Bundesgesetz das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

§ 1 Abs. 1 Z. 1 VOG besagt:

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

Gemäß § 1 Abs. 2 Z. 2 des VOG ist Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist.

Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn

1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder

2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird (§ 1 Abs. 3 VOG).

Gemäß § 2 Z. 1 ist als Hilfeleistung der Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges vorgesehen.

Tatbestandsvoraussetzung des § 1 Abs. 1 Z 1 VOG ist - soweit im gegenständlichen Fall betreffend den Antrag auf Ersatz des Verdienstentganges relevant - zunächst das wahrscheinliche Vorliegen einer mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung, durch die wahrscheinlich eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten wurde, sowie weiters gemäß § 1 Abs. 3 VOG, dass dadurch die Erwerbsfähigkeit mindestens sechs Monate gemindert ist oder eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wurde.

Verdienstentgang ist gemäß § 3 VOG bis zur normierten Einkommensgrenze jeweils in Höhe des Betrages zu erbringen, der dem Beschädigten durch die verbrechenskausal erlittene Körperverletzung als Verdienst entgangen ist oder künftighin entgeht.

Gemäß § 4 Abs. 1 1. Satz VOG ist Hilfe nach § 2 Z 2 nur für Körperverletzungen und Gesundheitsschädigungen im Sinne des § 1 Abs. 1 zu leisten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23.5. 2002, Zl. 99/09/0013 und vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113) dargelegt hat, ist bei der Kausalitätsbeurteilung im Bereich der Sozialentschädigungsgesetze von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auszugehen.

Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein vom Gesetz erfasstes schädigendes Ereignis zurückgehen könnte - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung.

Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung (mittels der genannten Theorie) ist keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage. Die Zurechnung ist im Wesentlichen davon abhängig, dass die aus dem geschützten Bereich stammende Ursache zu einer Verfrühung oder Erschwerung des Schadens führte (VwGH vom 26.01.2012, Zl. 2011/09/0113 zu § 2 HVG).

Ohne die behaupteten Misshandlungen und Übergriffe in Frage stellen zu wollen, im Gegenteil sind sie der Entscheidung zu Grunde gelegt worden, ist darauf hinzuweisen - wie auch in der Beweiswürdigung ausgeführt -, dass die beim Beschwerdeführer vorliegenden Leidenszustände nicht mit Wahrscheinlichkeit auf die Misshandlungen und Übergriffe zurückzuführen sind.

Der erkennende Senat sieht in den Misshandlungen keine wesentliche Bedingung für die narzisstische Persönlichkeit.

Nicht festgestellt werden kann auch, dass die Misshandlungen den beruflichen Werdegang mit Wahrscheinlichkeit wesentlich beeinträchtigt haben, das Vorliegen eines verbrechenskausalen Verdienstentganges im fiktiven schadensfreien Verlauf zum Zeitpunkt der Antragstellung kann mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht angenommen werden.

Mangels Kausalität war somit der Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistung in Form von Ersatz des Verdienstentganges abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).

Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG).

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden (§ 24 Abs. 3 VwGVG).

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen (§ 24 Abs. 4 VwGVG).

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt ist durch die Einholung eines nachvollziehbaren fachärztlichen Sachverständigengutachtens als hinreichend geklärt zu erachten. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen - es wurde wiederholt (im Ergebnis zu Unrecht) das Gutachten des Sachverständigen in Zweifel gezogen - und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, GZ 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Wie in der Beweiswürdigung bereits ausgeführt, wurde das Sachverständigengutachten als nachvollziehbar, vollständig und schlüssig erachtet. Sohin erscheint der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich zu erörtern gewesen wäre. Sohin ist der Sachverhalt geklärt, dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die gegenständliche Entscheidung nicht von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A) wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Gesundheitsschädigung, Kausalität, Sachverständigengutachten,
Verdienstentgang, Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2217847.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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