TE Vwgh Erkenntnis 1997/12/16 97/05/0260

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Veröffentlicht am 16.12.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §16;
AVG §47;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des Karl Binder in Wien, vertreten durch Dr. Heinz-Peter Wachter, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 83-85/18, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 12. August 1997, Zl. MD-VfR - B XX - 6/97, betreffend Stellplatzverpflichtung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 23. März 1990 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung zur Vornahme von baulichen Änderungen an seinem Haus in Wien XX, Marchfeldstraße Nr. 8, erteilt. Mit dieser Bauführung trat gemäß § 35 Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes die Verpflichtung zur Schaffung eines KFZ-Einstellplatzes ein, welche durch die Errichtung der Garage im Hof erfüllt werden sollte. Mit Ansuchen vom 31. August 1994 beantragte der Beschwerdeführer, weitere Umbauten an dem genannten Haus zu bewilligen. Mit Bescheid vom 18. Jänner 1995 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Abweichung von der mit Bescheid vom 23. März 1990 bewilligten Änderung erteilt. Mit Bescheid vom 11. Dezember 1995 wurde eine weitere Baubewilligung erteilt. Es sollten im rechten Gebäudeteil die Geschoßdecken ausgewechselt und die Raumhöhe geändert werden, sodaß drei Vollgeschoße (ohne Erdgeschoß) bestehen. Die Zwischenwände sollten in diesem Bereich ebenfalls entfernt werden.

Mit Bescheid vom 11. März 1997 erteilte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für folgendes Bauvorhaben:

"Das ursprünglich zwei-stöckige Wohngebäude wird unter Abänderung der Geschoßhöhen aufgestockt und grundlegend umgestaltet. Es werden nunmehr geschaffen:

Im Erdgeschoß:

außer der bereits konsensgemäß bestehenden Gaststätte Top

Nr. 1, Geschäftslokal Top Nr. 2 mit zugehörigen Lagerräumen im Kellergeschoß (interne Stiege);

im 1. Stock:

Wohnungen Top Nr. 4, 5, 6, 7 und 8 (Bestandsobjekt Top

Nr. 9 mit Büros, Abstell-, Sanitär- und Nebenräumen bereits

Konsens);

im 2. Stock:

Wohnungen Top Nr. 10, 11, 12, 13 und 14;

im 3. Stock:

Wohnungen Top Nr. 15, 16, 17, 18 und 19;

im 4. Stock:

Wohnungen Top Nr. 20, 21, 22, 23, und 24;

im 5. Stock:

Wohnungen Top Nr. 25 und 30, sowie Top Nr. 26, 27, 28

und 29 (sämtliche Maisonetten zum Dachgeschoß);

das sind zusammen 26 Wohnungen mit erforderlichem Zugehör wie z.B. im Kellergeschoß Einlagerungsräume und im Hof einen Kleinkinderspielplatz."

Gleichzeitig wurde festgestellt, daß die Anzahl der Pflichtstellplätze, die gemäß § 36 Abs. 1 und 2 des Wiener Garagengesetzes in Anwendung des § 1 Abs. 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung zur Durchführung des Wiener Garagengesetzes (WGG und VO jeweils in der am 31. August 1994 geltenden Fassung) geschaffen werden müssen, 15 Stellplätze umfasse. Da auf der eigenen Liegenschaft in der bestehenden Garage im Hof links hinten ein Stellplatz eingerichtet werde (ein Stellplatz sei bereits zufolge der Bewilligung gemäß Bescheid vom 23. März 1990 als Pflichtstellplatz anzusehen), bleibe die Anzahl der Pflichtstellplätze somit um

14 Stellplätze hinter der gesetzlichen Stellplatzpflicht zurück.

Ausschließlich gegen die Feststellung, wonach das Bauvorhaben um 14 Stellplätze hinter der gesetzlichen Stellplatzpflicht zurückbleibe, erhob der Beschwerdeführer Berufung. Er führte aus, daß gemäß dem zum Zeitpunkt der Einreichung des Bauvorhabens gültigen Konsens 14 Wohnungen und 2 Geschäftslokale vorhanden gewesen seien. Nach der gegenständlichen Bewilligung gäbe es nunmehr 2 Geschäftslokale und 26 Wohnungen. Für die seinerzeitigen 14 Wohnungen ergebe dies ein Guthaben von 9 Stellplätzen, die nunmehr 26 Wohnungen erforderten 17 Stellplätze, daraus ergebe sich eine Differenz von 8 Stellplätzen, von denen 2 geschaffen worden seien. Demzufolge wären nur 6 Stellplätze abzulösen.

Mit Aufforderung vom 10. April 1997 wurde der Beschwerdeführer zu einer Verhandlung für den 28. April 1997 betreffend seine Berufung gegen den Bescheid vom 11. März 1997 geladen. Im Akt findet sich sodann ein Aktenvermerk, der vom Verhandlungsleiter unterfertigt wurde, und mit 28. April 1997 datiert ist, demzufolge dem Beschwerdeführer und seinem Architekten mitgeteilt wurde, daß die Stellplatzverpflichtung 1 : 1 (nach § 36a WGG) bestehe. Der Bauwerber werde sich bis Ende Mai 1997 entscheiden, ob seine Berufung aufrecht bleibe.

Eine weitere Stellungnahme des Beschwerdeführers erfolgte nach der Aktenlage nicht.

Mit Bescheid vom 12. August 1997 hat die belangte Behörde aufgrund der Berufung des Beschwerdeführers festgestellt, daß der Ausspruch über die Anzahl der Pflichtstellplätze auf § 40 in Verbindung mit dem § 36 Abs. 1 und 36a des Wiener Garagengesetzes in der Fassung LGBl. für Wien Nr. 43/1996 gestützt werde und die Anzahl der Pflichtstellplätze 22 betrage, wovon ein Einstellplatz auf der eigenen Liegenschaft in der bestehenden Garage im Hof links eingerichtet werde. Es werde festgestellt, daß die Anzahl der Pflichtstellplätze um 21 Stellplätze hinter der gesetzlichen Stellplatzpflicht zurückbleibe. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, gemäß § 36 Abs. 1 des Gesetzes vom 27. September 1957, LGBl. Nr. 22, über Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen und über Tankstellen in Wien (Wiener Garagengesetz - WGG) in der Fassung der Garagengesetzesnovelle 1996, LGBl. für Wien Nr. 43, entstehe bei Neu- und Zubauten, sowie bei Änderungen der Raumwidmung eine Stellplatzverpflichtung; diese sei entweder als Naturalleistung (Plichtstellplätze) grundsätzlich auf dem Bauplatz oder durch Entrichtung einer Ausgleichsabgabe an die Stadt Wien zu erfüllen. Nach § 36a dieses Gesetzes sei für jede Wohnung 1 Stellplatz zu schaffen. Bei der Beurteilung der Frage, inwieweit bei Zubauten und Änderungen der Raumwidmung neue Wohneinheiten geschaffen werden und ob hiedurch eine zusätzliche Stellplatzverpflichtung ausgelöst werde, sei stets von jenem konsensgemäßen Zustand auszugehen, der zum Zeitpunkt der Erlassung der gegenständlichen Baubewilligung bestanden habe. Dem Beschwerdeführer sei mit Bescheid vom 11. Dezember 1995 die Bewilligung erteilt worden, im rechten Gebäudeteil die Geschoßdecken auszuwechseln, die Raumhöhen abzuändern und die Zwischenwände zu entfernen. Durch die Konsumierung dieser Baubewilligung seien die in diesem Gebäudeteil im ersten und zweiten Stock ursprünglich vorhandenen Wohnungen untergegangen, sodaß den nunmehr nach den Einreichplänen neuzuschaffenden 26 Wohnungen nur die Wohnungen Top Nr. 4 und 5 im ersten Stock und Top Nr. 10 und 11 im zweiten Stock gegenüberzustellen gewesen seien. Das im rechten Hofseitentrakt errichtete Objekt Nr. 9 sei von der gegenständlichen Baubewilligung nicht erfaßt und daher auch bei der Gegenüberstellung der vorhandenen und der neuzuschaffenden Wohnungen nicht zu berücksichtigen gewesen. Daraus folge, daß bei Verwirklichung des nunmehr vorliegenden Projektes gegenüber jenem vor der Baubewilligung vom 11. März 1997 bestandenen Zustand zusätzlich 22 Wohnungen geschaffen würden, zumal aus dem Baubewilligungsbescheid vom 11. Dezember 1995 und den dazugehörigen Plänen ersichtlich sei, daß Wohnungen in dem vom Bescheid erfaßten Gebäudeteil nicht errichtet würden. Die Bestimmung des § 36a Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes sei zufolge Art. III Abs. 1 am 19. September 1996 in Kraft getreten. Im Beschwerdefall sei daher schon die Regelung der Garagengesetznovelle 1996, wonach für jede Wohnung ein Einstellplatz zu schaffen sei, anzuwenden. Die Behörde erster Instanz und auch der Beschwerdeführer hätten dies verkannt und seien von einer Stellplatzverpflichtung im Verhältnis 1 : 1,5 ausgegangen. Es sei daher die Berufungsbehörde gehalten gewesen, die Anzahl der Pflichtstellplätze nach § 36a Abs. 1 des Wiener Garagengesetzes neu zu berechnen. Da die Anzahl der zu schaffenden Stellplätze 22 betrage, von diesen jedoch nur ein Stellplatz errichtet sei (der zweite in der Hofgarage errichtete Stellplatz diene zur Erfüllung der Stellplatzverpflichtung für das mit Bescheid vom 23. März 1990 bewilligte Objekt Top Nr. 9), bleibe die Zahl der Pflichtstellplätze um 21 Stellplätze hinter der gesetzlichen Stellplatzpflicht zurück. Die für die Berechnung maßgebliche Änderung der Rechtslage sei dem Beschwerdeführer bekanntgegeben worden, doch habe dieser seine Berufung weiter aufrecht erhalten, weshalb die Berufungsbehörde den Bescheid zu Ungunsten des Beschwerdeführers abzuändern hatte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die durch die Aktenlage belegte Ansicht der belangten Behörde, wonach dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Baubehörde erster Instanz vom 11. Dezember 1995 die Bewilligung erteilt wurde, im rechten Gebäudeteil die Geschoßdecken auszuwechseln, Raumhöhen abzuändern und die Zwischenwände zu entfernen. Am 9. Mai 1996 hat der Beschwerdeführer die Vollendung der mit diesem Bescheid bewilligten Bauführung angezeigt. Durch die Konsumierung dieser Baubewilligung sind die ursprünglichen Wohnungen untergegangen, und zwar deshalb, weil durch die Veränderung der Raumhöhen, eine andere Anordnung der Geschoßdecken und Entfernung von Zwischenwänden in diesem Bereich keine der ursprünglichen Wohnungen mehr vorhanden war. Den dem Bescheid vom 11. Dezember 1995 zugrundeliegenden Einreichplänen zufolge wurden mit dieser Baubewilligung keine neuen Wohnungen geschaffen. Daraus folgerte die Behörde zu Recht, daß bei Verwirklichung des nunmehr vorliegenden Bauvorhabens gegenüber dem vor der Baubewilligung vom 11. März 1997 vorhandenen Zustand zusätzlich 22 Wohnungen geschaffen werden und ein Stellplatz geschaffen wird.

Mit der Rechtsfrage, welche Rechtslage die Berufungsbehörde im Zeitpunkt ihrer Entscheidung anzuwenden hat, hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt auseinandergesetzt. Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Mai 1977, Slg.Nr. 9315/A, sowie in den Erkenntnissen vom 13. Februar 1986, Zl. 85/06/0122, BauSlg.Nr. 626, vom 23. September 1986, Zl. 86/05/0055, BauSlg.Nr. 760, u.v.a. hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die Berufungsbehörde im allgemeinen die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Berufungsbescheides anzuwenden hat. Eine andere Betrachtungsweise ist unter anderem dann geboten, wenn in einer Übergangsregelung ausdrücklich anderes bestimmt ist.

Die Garagengesetznovelle 1996, LGBl. für Wien Nr. 43, ist am 19. September 1996 in Kraft getreten. Übergangsbestimmungen, wonach für anhängige Baubewilligungsverfahren die bisherigen Bestimmungen, nämlich der Berechnungsschlüssel

1,5 Wohnungen : 1 Stellplatz zu gelten hätten, sind in die zitierte Novelle nicht aufgenommen worden. In dieser Novelle wurde § 36 neu gefaßt und § 36a neu geschaffen. Gemäß § 36a leg. cit. ist für jede Wohnung ein Stellplatz zu schaffen.

Mangels anderslautender Übergangsbestimmungen hatte die Berufungsbehörde somit für jede neu geschaffene Wohnung einen Stellplatz vorzuschreiben; der Umstand, daß das gegenständliche Bauansuchen noch unter Geltung der Durchführungsverordnung zum Wiener Garagengesetz, LGBl. für Wien Nr. 9/1975, eingebracht wurde, hat daran nichts geändert. Das Bauvorhaben bleibt somit um 21 Stellplätze hinter der Stellplatzverpflichtung zurück.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde der Beschwerdeführer in der Verhandlung vom 28. April 1997 auf die Änderung der Rechtslage hingewiesen. Die Zustellung der Ladung zu dieser Verhandlung an den Beschwerdeführer ist ausgewiesen. Gemäß § 16 Abs. 2 AVG ist der Inhalt des Aktenvermerkes vom Amtsorgan durch Beisetzung von Datum und Unterschrift zu bestätigen. Der Aktenvermerk vom 28. April 1997 weist diese Formerfordernisse auf, ein derartiger Aktenvermerk ist eine öffentliche Urkunde, der über seinen Inhalt vollen Beweis macht, wenngleich der Beweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges oder der bezeugten Tatsache oder der unrichtigen Beurkundung und ebenso der Beweis der Unvollständigkeit zulässig ist (vgl. die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 187, angeführte hg. Judikatur). Der Beschwerdeführer hat in der Beschwerde keinen Beweis für die Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges angeboten. Beweise dafür, daß der im Aktenvermerk bezeugte Vorgang unrichtig wiedergegeben wäre, sind nicht hervorgekommen. Es ist daher davon auszugehen, daß dem Beschwerdeführer die für ihn ungünstige Rechtslage, wonach pro Wohnung im Verhältnis von 1 : 1 Stellplätze zu schaffen seien, zur Kenntnis gebracht wurde.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der Antrag, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandlos geworden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050260.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

03.12.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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