TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/5 W137 2134695-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.03.2020
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Entscheidungsdatum

05.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35

Spruch

W137 2134695-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Pakistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.07.2016, Zl. 1105948402, sowie die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 19.07.2016 bis 02.08.2016 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 18.07.2019 sowie die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft von 19.07.2016 bis 29.07.2016 (Zustellung der Entscheidung W197 2130532-1/10E) wird als unzulässig zurückgewiesen.

II. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG (in der damals geltenden Fassung) iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG stattgegeben und die Anhaltung in Schubhaft von 29.07.2016 (Zustellung der Entscheidung W197 2130532-1/10E) bis 02.08.2016 für rechtswidrig erklärt.

III. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1. Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) vom 18.07.2016 wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung nach Serbien sowie einem Aufenthaltsverbot verbunden.

2. Am 19.07.2016 wurde über den Beschwerdeführer mit dem im Spruch angeführten Bescheid die Schubhaft angeordnet.

3. Am 21.07.2016 brachte der Beschwerdeführer durch seinen bevollmächtigten Vertreter Diakonie Flüchtlingsdienst / ARGE Rechtsberatung (gleichzeitig der amtswegige Rechtsberater) eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft ein. Am 26.07.2016 übermittelte der Beschwerdeführer - nach Gesprächen über die Ermöglichung einer freiwilligen Ausreise in den Herkunftsstaat - eine eigenhändig unterschriebene "Zurückziehung der Beschwerde".

4. Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Beschluss vom 28.07.2016, W197 2130532-1/10E, das am 21.07.2019 eingeleitete Beschwerdeverfahren mit näherer rechtlicher Begründung wegen Zurückziehung der Beschwerde eingestellt. Diese Entscheidung wurde dem bevollmächtigten Vertreter (siehe Punkt I.3.) am 29.07.2016 auch zugestellt. Gegen diese - mit Erlassung rechtskräftige - Entscheidung wurde kein (außerordentliches) Rechtsmittel bei den Höchstgerichten eingebracht.

5. Am 02.08.2016 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen. Nach der freiwilligen Ausreise des Beschwerdeführers brachte sein bevollmächtigter Vertreter am 13.09.2016 die gegenständliche (neuerliche) Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die Anhaltung in Schubhaft von 19.07.2016 bis 02.08.2016 ein. Darin wird die Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft unter anderem darauf gestützt, dass gegen den Beschwerdeführer eine - rechtswidrige - Rückkehrentscheidung bezogen auf Serbien erlassen worden sei. Damit sei der Zweck der Schubhaft nicht erreichbar.

Beantragt wurde, a) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung;

b) die Behebung des angefochtenen Bescheides und die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft von 19.07.2016 bis 02.08.2016; c) der Ersatz der Aufwendungen im Verfahren.

Das Bundesamt stellte im Rahmen der Aktenvorlage keine gesonderten Anträge.

6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.10.2016, L525 2135452-1/6E, wurde der in Punkt I.1. angeführte Bescheid hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. behoben und zur Erlassung einer neuen Entscheidung an das Bundesamt zurückverwiesen. Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der obenstehende Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan. Er war zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung nicht Asylwerber.

Am 18.07.2016 verfasste das Bundesamt einen Bescheid, mit welchem eine Außerlandesbringung des Beschwerdeführers nach Serbien angeordnet wurde. Auf dessen Basis wurde am 19.07.2016 die Schubhaft angeordnet. Dieser Bescheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit Beschluss vom 24.10.2016 als rechtswidrig aufgehoben; diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Eine von seinem Vertreter (Diakonie Flüchtlingsdienst - ARGE Rechtsberatung) verfasste und am 21.07.2016 eingebrachte Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft hat der Beschwerdeführer selbst nach Rechtsberatung durch den Verein Menschenrechte Österreich mit einer eigenhändig unterschriebenen Erklärung am 26.07.2016 vollständig zurückgezogen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat dieses Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 28.07.2016, W197 2130532-1/10E, rechtskräftig eingestellt.

Ohne zwischenzeitlich Akteneinsicht zu nehmen, hat der bevollmächtigte Vertreter am 12.09.2016 die nunmehr verfahrensgegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Diese richtet sich in ihrem Umfang erneut (auch) gegen den am 19.07.2016 erlassenen Schubhaftbescheid.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 1105948402 sowie den vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Zahlen 2130532-1 und 2135452-1.

1.2. Die Eigenhändigkeit der Unterschrift des Beschwerdeführers auf der Beschwerdezurückziehung ergibt sich aus dem Vergleichsmaterial in den Akten. Sie wurde im gegenständlichen Verfahren auch nicht in Zweifel gezogen. Sie erfolgte auf einem Formular des verein Menschenrechte Österreich und wurde von diesem auch an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Der Umfang der Beschwerdezurückziehung ergibt sich aus dem unmissverständlichen Wortlaut "Ich ziehe meine Beschwerde gegen den Schubhaft-Bescheid des BFA mit der Zahl 1105948402 zurück(...)".

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."

2.2. Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung, lautete:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

3. Zur Frage der Konsumation des Beschwerderechts und deren Umfang

Der Beschwerdeführer hatte bereits am 21.07.2016 eine Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die darauf gestützte Anhaltung eingebracht, diese jedoch am 26.07.2016 vollständig zurückgezogen. Diese Zurückziehung umfasste damit die Beschwerde gegen den Bescheid ebenso wie die darauf gestützte Anhaltung. In diesem Umfang wurde die Beschwerdemöglichkeit somit bereits konsumiert.

Unstrittig ist auch, dass weder der Beschwerdeführer noch sein bevollmächtigter Vertreter den entsprechenden Einstellungsbeschluss je als rechtswidrig bekämpft hätten. Er gehört somit dem Rechtsbestand an und es besteht - unabhängig von allfälligen rechtlichen Mängeln - eine Bindungswirkung durch Rechtskraft.

Im Übrigen haben weder der Beschwerdeführer noch sein bevollmächtigter Vertreter in diesem Verfahren (2130532-1) je Akteneinsicht genommen oder einen Fristsetzungsantrag gestellt. Es gibt somit auch sonst keinen Hinweis, dass sie das angeführte Verfahren nicht als rechtskräftig beendet angesehen hätten.

4. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

4.1. Soweit sich die Beschwerde gegen einen Bescheid und einen Anhaltezeitraum richtet, die bereits Gegenstand eines rechtskräftig abgeschlossenen Beschwerdeverfahrens waren, ist sie nach ständiger Judikatur als unzulässig zurückzuweisen.

Diese Konstellation liegt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Schubhaftbescheides vom 18.07.2019 als auch der Anhaltung in Schubhaft bis zum Einstellungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts am 29.07.2016, weshalb die Beschwerde in diesem Umfang als unzulässig zurückzuweisen ist.

4.2. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist - wenn sich das erst später herausstellt - umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Grundlage für die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft bildete im relevanten Zeitraum eine aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf Serbien, die sich zwischenzeitlich auch als rechtswidrig erwiesen hat. Auf dieses Basis war die geplante Abschiebung nach Pakistan rechtlich unmöglich, weshalb sich die nach Beendigung der Schubhaft angefochtene Anhaltung im Zeitraum 29.07.2016 (nach dem gerichtlichen Einstellungsbeschluss) bis 02.08.2016 als rechtswidrig erweist.

Bei diesem Ergebnis konnte von einer Auseinandersetzung mit den übrigen Beschwerdepunkten (im Zusammenhang mit dieser Anhaltung) Abstand genommen werden.

5. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

In der Beschwerde wird im Übrigen auch nicht nachvollziehbar dargelegt, welcher entscheidungsrelevante Sachverhalt im Rahmen einer mündlichen Verhandlung zu klären wäre - das erste Beschwerdeverfahren und dessen Rechtswirkung wird in der Beschwerde im Übrigen mit keinem Wort erwähnt (obwohl der Vertreter diese Funktion in beiden Verfahren ausübte).

6. Kostenersatz

6.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

6.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch der Fortsetzungsausspruch in die Beurteilung des "Obsiegens" einzubeziehen. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren ist keine der beiden Verfahrensparteien vollständig obsiegender Partei, da die weitgehende Zurückweisung der Beschwerde als unzulässig als Obsiegen des Bundesamtes anzusehen ist. Umgekehrt obsiegt der Beschwerdeführer mit der Beschwerde gegen den letzten Abschnitt der Anhaltung (hinsichtlich dessen das Beschwerderecht noch nicht konsumiert ist). Für Fälle "geteilten Obsiegens" ist gesetzlich jedoch kein Kostenersatz vorgesehen, weshalb der entsprechende Antrag des Beschwerdeführers abzuweisen ist. Die belangte Behörde hat Kostenersatz im Übrigen gar nicht beantragt.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Hinsichtlich der fehlenden Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf die Ausführungen in Abschnitt II.5. verwiesen. Darüber hinaus ist auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur besonderen Bedeutung rechtskräftiger Entscheidungen und die Bindungswirkung durch Rechtskraft zu verweisen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Kostenersatz, Rechtskraft der Entscheidung, Rechtswidrigkeit,
Schubhaft, teilweises Obsiegen, Zeitraumbezogenheit, Zurückweisung,
Zurückziehung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2134695.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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