RS Vfgh 2020/2/27 V31/2019

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Veröffentlicht am 27.02.2020
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Index

L8240 Abfall, Müll

Norm

B-VG Art18 Abs1
B-VG Art139 Abs1 Z1
F-VG §7 Abs5
FAG 2017 §17 Abs3 Z4
Bgld AbfallwirtschaftsG 1993 §20, §66
UStG 1994 §2
GebührenV vom 17.05.2018 zur Benützung der Abfallsammelstelle Oberwart
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit der Verordnung einer Gemeinde betreffend die – hinreichend bestimmte – Gebühr für die Benützung einer Abfallsammelstelle; Berechtigung der Gemeinde zur Einhebung von Gebühren für die Abfallsammelstelle als Gemeindeeinrichtung iSd F-VG bei Einhaltung der Grundsätze der Gebührenerhebung nach dem Bgld AbfallwirtschaftsG 1993; mutmaßlicher Jahresertrag der Gebühren für Erhaltung und Betrieb der Gemeindeeinrichtung übersteigt nicht das doppelte Jahreserfordernis; Gebührenvorschreibung erfolgt umsatzsteuerlich im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art

Rechtssatz

Abweisung eines Antrags des Landesverwaltungsgerichts Burgenland (LVwG; Gerichtsantrag) auf Aufhebung der - präjudiziellen - Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Oberwart vom 17.05. 2018 über die Ausschreibung einer Gebühr für die Benützung der Abfallsammelstelle am Standort Umweltstraße 1, 7400 Oberwart.

Der für den Fall, dass der VfGH die Bedenken ob des Fehlens der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gemeindeeinrichtung iSd §17 Abs3 Z4 FAG 2017 nicht teilt, gestellte Antrag, §3 Abs1 und §4 der angefochtene Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben, ist der Sache nach nicht als Eventual-, sondern als zusätzlicher (eigenständiger) Antrag anzusehen, weil das LVwG gegen diese Bestimmungen andere Bedenken darlegt als im Hauptantrag. Dieser Antrag ist daher unabhängig von der Zulässigkeit des Hauptantrags zu beurteilen. Die diesem Antrag folgenden Anträge sind Eventualanträge, welche nur bei Unzulässigkeit des Zusatzantrages zu beurteilen sind.

Mit ihrem Vorbringen (die angenommene Gesetzwidrigkeit, nämlich das Fehlen der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gemeindeeinrichtung, durch einen geringeren Aufhebungsumfang beseitigen zu können) vermag die verordnungserlassende Behörde nicht die Unzulässigkeit des Antrages hinsichtlich der Aufhebung der gesamten Verordnung aufzuzeigen. Das Bedenken des antragstellenden Gerichtes, wonach die Abfallsammelstelle, für deren Benützung mit der angefochtenen Verordnung eine Gebühr vorgeschrieben wird, keine Gemeindeeinrichtung darstelle, richtet sich gegen die gesamte Verordnung. Die angefochtene Verordnung bezieht sich nämlich nur auf die Benützung dieser Abfallsammelstelle.

Der VfGH vermag diese Bedenken (, dass keine Gemeindeeinrichtung iSd §17 Abs3 Z4 FAG 2017 gegeben sei, weil im Fall der Stadtgemeinde Oberwart "kein Beherrschungsverhältnis" vorliege) nicht zu teilen: Auch wenn der einzelnen Gemeinde wegen der Anzahl der Mitglieder und auch wegen eines fehlenden Vetorechtes keine alleinige Verfügungsmacht zukommt, ist zu berücksichtigen, dass im Fall der Aufgabenerfüllung durch einen Gemeindeverband die Gemeinden insgesamt verhalten sind, das Äquivalenzprinzip zu beachten und damit gewährleistet werden kann, dass für die einzelne Gemeinde keine höheren Kosten anfallen, als wenn sie alleine die Gestion des Verbandes beeinflussen könnte. Hinzu kommt, dass die gemeinschaftliche Aufgabenerfüllung durch einen Gemeindeverband regelmäßig gegenüber einer isolierten Aufgabenerfüllung im Sinne der Grundsätze der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit Vorteile bieten kann.

§17 Abs3 Z4 FAG 2017 schließt somit die Gebühreneinhebung durch eine Gemeinde nicht aus, wenn die im Rahmen eines Gebührenhaushaltes finanzierte Aufgabe von einer Gemeinde auf einen Gemeindeverband übertragen wird und für den Fall der Übertragung gewährleistet ist, dass auf der Ebene der die Aufgabe übertragenden Gemeinde die für die Gebührenerhebung maßgebenden Grundsätze eingehalten werden.

Diese Voraussetzungen liegen im Fall der angefochtenen Verordnung vor, bestimmt doch §66 Bgld AbfallwirtschaftsG, dass die Gemeinden für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen gemäß §20 leg cit privatrechtliche Entgelte oder Gebühren auf Grund der gemäß §7 Abs5 F-VG erteilten bundesgesetzlichen Ermächtigung ausschreiben können, wobei das Entgelt jenes Ausmaß nicht übersteigen darf, welches bundesgesetzlich als Höchstgrenze für die Bemessung der Gebühr gilt. §20 Bgld AbfallwirtschaftsG regelt nicht nur den Fall des Betriebes einer Abfallsammelstelle durch eine Gemeinde, sondern auch den Fall der Sammlung durch Gemeindeverbände, in dem für die Gemeinde die Verpflichtung zum Betrieb einer Abfallsammelstelle entfällt, wenn in einer Gemeinde eine geeignete Sammelstelle vorhanden ist.

Ungeachtet der Aufgabenübertragung an den Gemeindeverband ist somit die in der Stadtgemeinde Oberwart gelegene Abfallsammelstelle, für die die Stadtgemeinde Oberwart durch Tragung eines wesentlichen Teils der Investitionskosten das unternehmerische Wagnis übernommen hat, als Gemeindeeinrichtung iSd §17 Abs3 Z4 FAG 2017 zu qualifizieren. §66 Bgld AbfallwirtschaftsG gewährleistet nämlich, dass auf Ebene der die Aufgaben übertragenden Gemeinde die für die Gebührenerhebung maßgebenden Grundsätze eingehalten werden.

Entgegen der Auffassung des antragstellenden Gerichts (die Höhe des Einheitssatzes der angefochtenen Verordnung sei gesetzwidrig) vermag die Aufstellung der jährlichen Aufwendungen aber nicht zu zeigen, dass der mutmaßliche Jahresertrag der Gebühren das doppelte Jahreserfordernis iSd §17 Abs3 Z4 FAG 2017 übersteigen würde:

Der VfGH vermag nicht zu erkennen, dass die von der Stadtgemeinde Oberwart geltend gemachten Entsorgungskosten pro Jahr für den Lagerplatz iHv € 6.942,07 und für den Wirtschaftshof iHv € 9.720,- in keinem Zusammenhang mit der Einrichtung stehen. Der Einwand des antragstellenden Gerichts, dass diese Kosten nicht die Abfallsammelstelle mit dem in der Verordnung genannten Standort betreffen, rechtfertigt nicht die Annahme, dass diese in keinem sachlichen Zusammenhang mit der Einrichtung stehen. So führt die Stadtgemeinde Oberwart aus, dass es sich beim Lagerplatz um eine gemeindeeigene Fläche handle, die für Bauschutt benützt wird, der aus Gemeindearbeiten anfällt und mit dessen Entsorgung die Umweltdienst Burgenland GmbH (UDB) beauftragt wird. Damit sind aber diese Kosten solche, die der Abfallsammelstelle zuzurechnen sind. Gleiches gilt für Teile der Entsorgungskosten des Wirtschaftshofes.

Zudem ist dem antragstellenden Gericht nicht zu folgen, wenn es anstelle des von der Stadtgemeinde Oberwart angesetzten Administrativaufwandes Rathaus iHv € 18.670,- nur einen Betrag iHv € 3.734,- anerkennt und dies vor allem damit begründet, dass der mit der Erhebung der Gebühr verbundene Verwaltungsaufwand nicht zu berücksichtigen wäre. Dieser ist aber der Benützung der Abfallsammelstelle in voller Höhe zuzurechnen, zumal damit die Abfallsammelstelle und die damit verbundenen Anliegen der Abgabepflichtigen personell versorgt werden.

Unter Berücksichtigung vorstehender, im sachlichen Zusammenhang mit der Einrichtung stehender Kosten treffen die Bedenken des antragstellenden Gerichts, der mutmaßliche Jahresertrag übersteige das doppelte Jahreserfordernis für die Erhaltung und den Betrieb der Einrichtung sowie für die Verzinsung und Tilgung der Errichtungskosten, nicht zu. Schließlich übersieht das antragstellende Gericht, dass die ab dem Jahr 2018 erzielten Überschüsse die zuvor angesammelten Fehlbeträge ausgleichen. Wie der Aufstellung des antragstellenden Gerichts zu entnehmen ist, belief sich der Abgang der Abfallsammelstelle in den Jahren 2010 bis 2017 auf durchschnittlich ca € 80.000,- pro Jahr. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse vermag der VfGH damit aber nicht zu erkennen, dass in den fraglichen Gebührenbemessungszeiträumen ab 2018 Überschüsse erzielt werden, die dem Gebührenhaushalt dauerhaft entzogen wären.

Berücksichtigung der Umsatzsteuer als Kostenfaktor bei der Festsetzung der Gebühren: Gemeinden wie auch andere Körperschaften des öffentlichen Rechts sind insoweit Unternehmer iSd UStG, als sie einen Betrieb gewerblicher Art führen. Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen sind umsatzsteuerlich Entgelt für die von der Gemeinde erbrachte Leistung. Das antragstellende Gericht verkennt, dass dies auch dann gilt, wenn die Leistung im Auftrag der Gemeinde von einem Dritten ausgeführt wird. In diesen Fällen liegt umsatzsteuerlich eine Leistung des Dritten an die Gemeinde vor, die diese Leistung an den Gebührenschuldner weiterreicht. Dies hat zur Folge, dass auf Ebene der Stadtgemeinde Oberwart die Gebührenvorschreibung umsatzsteuerlich im Rahmen eines Betriebes gewerblicher Art erfolgt.

Keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots gem Art18 Abs1 B-VG: §3 Abs1 der angefochtenen Verordnung bestimmt, nach welchen Kriterien die Bemessungsgrundlage festzulegen ist. Dabei sind gemäß §3 Abs1 der angefochtenen Verordnung die Anzahl der Haushalte bzw Betriebsobjekte, die am Stichtag mit der Adresse auf einem im Pflichtbereich gelegenen Grundstück vorhanden sind, heranzuziehen. Nach der Festlegung der Bemessungsgrundlage wird die Höhe der Abgabe berechnet. Diese ergibt sich gemäß §4 Abs2 der angefochtenen Verordnung aus dem Produkt des Einheitssatzes mit der Anzahl der vorhandenen Haushalte bzw Betriebsobjekte nach §3 leg cit. Gemäß §4 Abs1 der angefochtenen Verordnung wird der Einheitssatz mit € 60,- jährlich pro vorhandenem Wohn- bzw Betriebsobjekt festgesetzt. Wenn §4 Abs1 der angefochtenen Verordnung den Einheitssatz auf Wohngebäude bezieht, bedingt dies somit aber nicht, dass die Vorschriften betreffend die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, für die die Anzahl der Haushalte heranzuziehen ist, unbestimmt wären.

Entscheidungstexte

Schlagworte

Abfallwirtschaft, Finanzausgleich, Finanzverfassung, Gebühr, Abgaben Gemeinde-, Gemeinderecht, VfGH / Prüfungsumfang, VfGH / Präjudizialität

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2020:V31.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.08.2021
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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