TE Vwgh Erkenntnis 2020/3/5 Ra 2019/15/0065

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Veröffentlicht am 05.03.2020
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

EStG 1988 §124b Z53

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie den Hofrat Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Feldkirch in 6800 Feldkirch, Reichsstraße 154, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 14. März 2019, Zl. RV/1100398/2018, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 (mitbeteiligte Partei: W F in F), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Die im Jahr 1957 geborene Mitbeteiligte war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - bis zum 31. Oktober 2009 in Liechtenstein nichtselbständig tätig. Nach Auflösung des Arbeitsverhältnisses und dadurch bedingtem Auflösen des Vorsorgeverhältnisses mit der Pensionskasse der Arbeitgeberin wurde das Altersguthaben auf ein Freizügigkeitskonto bei der Liechtensteinischen Landesbank transferiert.

2 Im Zeitraum 1. November 2009 bis 30. September 2012 bezog die Mitbeteiligte Arbeitslosengeld. Seit 1. Oktober 2012 und damit mit Erreichen des 55. Lebensjahres bezieht sie eine inländische ASVG-Pension und seit 1. Mai 2017 (mit Erreichen des 60. Lebensjahres) auch eine AHV-Rente aus Liechtenstein. 3 Mit 24. Mai 2017 wurde das Freizügigkeitskonto aufgelöst und das sich auf diesem Konto befindliche Guthaben in Höhe von 132.323,51 CHF der Mitbeteiligten ausbezahlt.

4 Das Finanzamt besteuerte den Auszahlungsbetrag ohne Anwendung der Drittelbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988. 5 In ihrer dagegen eingebrachten Beschwerde beantragte die Mitbeteiligte die Anwendung der streitgegenständlichen Steuerbegünstigung und führte aus, sie habe keine Wahlmöglichkeit bei der Auszahlung "der zweiten Säule" gehabt.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde statt. Begründend führte es aus, im Revisionsfall seien der Dienstaustritt sowie das Verlassen des ausländischen Dienstortes im 52. Lebensjahr der Revisionswerberin und damit unstrittig vor Erreichen des Rentenalters bzw. vor Erreichung des Vorsorgefalles erfolgt. Die Revisionswerberin habe daher keinen Anspruch auf Verbleib in der Pensionskasse und (späteren) Bezug einer Altersrente, sondern gemäß Art. 11 Abs. 1 BPVG lediglich einen Anspruch auf eine Freizügigkeitsleistung sowie gemäß Art. 12 Abs. 4 BPVG aufgrund des endgültigen Verlassens des ausländischen Dienstortes einen Anspruch auf Barauszahlung der Freizügigkeitsleistung gehabt. Ein begünstigungsschädliches Wahlrecht zwischen zwei gleichrangigen Ansprüchen habe somit nicht bestanden, weil ein solches auch nicht durch die Möglichkeit, das Altersguthaben auf dem Freizügigkeitskonto stehen zu lassen oder auf eine Freizügigkeitspolice zu übertragen, begründet werde. Die begünstigte Besteuerung der Freizügigkeitsleistung sei daher zu Unrecht versagt worden.

7 Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof ließ das Bundesfinanzgericht mit der Begründung nicht zu, dass die in Streit stehende Frage höchstgerichtlich geklärt sei. 8 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamtes, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das BFG habe in Abweichung zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Bestimmung des § 124b Z 53 EStG 1988 auf die gegenständliche Kapitalauszahlung angewendet, obwohl anlässlich des Verlassens der Vorsorgeeinrichtung ein Wahlrecht zwischen Übertragung des Vorsorgeguthabens auf ein Freizügigkeitskonto oder eine Freizügigkeitspolice, somit ein nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes schädliches Wahlrecht zwischen Kapitalabfindung und Rente ausgeübt worden sei.

9 Der Verwaltungsgerichtshof leitete daraufhin gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren ein; die Mitbeteiligte brachte keine Revisionsbeantwortung ein.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits mehrfach ausgeführt hat, setzt § 124b Z 53 EStG 1988 voraus, dass (insbesondere bei ausländischen Pensionskassen im Hinblick auf die dortige gesetzliche Situation) den Anspruchsberechtigten keine andere Möglichkeit als die Inanspruchnahme der Pensionsabfindung eingeräumt ist (vgl. ausführlich VwGH vom heutigen Tag, Ro 2019/15/0003, mwN).

12 Vor diesem Hintergrund geht das BFG im Revisionsfall von einer unrichtigen Rechtsansicht aus, wenn es die von ihm nach liechtensteinischem Recht festgestellte Möglichkeit einer Übertragung der "Freizügigkeitsleistung" auf eine Freizügigkeitspolice - ohne weitere Prüfung - als nicht begünstigungsschädlich eingestuft hat.

13 Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2019/15/0003, ausgeführt hat, kann nämlich nicht von einem Zwang zur Pensionsabfindung - Voraussetzung für die Steuerbegünstigung des § 124b Z 53 EStG 1988 - ausgegangen werden, wenn der Mitbeteiligten nach Beendigung ihrer nichtselbständigen Tätigkeit in Liechtenstein die Möglichkeit offen stand, sich für eine prämienfreie Freizügigkeitspolice zu entscheiden und daraus später "Altersleistungen in Rentenform" zu beziehen. Dass die spätere Rentenleistung nicht von der Vorsorgeeinrichtung des früheren Arbeitgebers, sondern von einem "privaten Versicherungsunternehmen" erfolgt wäre, ändert nichts an der Möglichkeit eines späteren Rentenbezugs. Entscheidend ist, ob der Mitbeteiligten ein Verbleib innerhalb des betrieblichen Vorsorgesystems Liechtensteins durch Abschluss einer prämienfreien Freizügigkeitspolice möglich war und daraus ein späterer Rentenbezug hätte erfolgen können.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 5. März 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019150065.L01

Im RIS seit

26.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

26.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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