TE Dok 2020/3/4 40061-DK/2019

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Veröffentlicht am 04.03.2020
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Norm

BDG 1979 §43 Abs1
BDG 1979 §44 Abs1

Schlagworte

Missachten eines Erlasses

Text

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Inneres hat am 04.03.2020 nach der am 24.02.2020 und 04.03.2020, jeweils in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte wird vom Vorwurf, er habe

am N.N., von N.N. bis N.N. Uhr, die niederschriftliche Einvernahme seines Mitarbeiters A.A. nach Verdacht der Verletzung eines Amtsgeheimnisses (§ 310 StGB), entgegen der Bestimmungen des § 3 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Z. 3 StPO sowie entgegen der Bestimmung des § 5 Abs. 1 BAK-G und der geltenden Erlasslage (BAK-Erlass; BMI-OA1300/0138-IV/BAK/2018 v. 13.07.2018) vorgenommen und in weiterer Folge den Gesamtakt der zuständigen StA übermittelt,

er habe dadurch eine Dienstpflichtverletzung gemäß §§ 43 Abs. 1 und 44 Abs. 1 BDG 1979 i. d. g. F. § 91 BDG 1979 i. d. g. F. begangen,

gemäß § 126 Abs. 2 BDG 1979 i. d. g. F. freigesprochen.

Begründung

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige des N.N. vom N.N., GZ N.N.

Inhalt der Disziplinaranzeige

Die Dienstbehörde hat am N.N. mit Einlangen des Evaluierungsberichtes zur „N.N.“ Kenntnis vom Sachverhalt erlangt.

Danach steht der Beamte im Verdacht, er habe

am N.N., von N.N. bis N.N. Uhr, die niederschriftliche Einvernahme seines Mitarbeiters A.A. nach Verdacht der Verletzung eines Amtsgeheimnisses (§ 310 StGB), entgegen der Bestimmungen des § 3 Abs. 2 StPO in Verbindung mit § 47 Abs. 1 Z. 3 StPO sowie entgegen der Bestimmung des § 5 Abs. 1 BAK-G und der geltenden Erlasslage (BAK-Erlass; BMI-OA1300/0138-IV/BAK/2018 v. 13.07.2018) vorgenommen.

Der Beamte ist daher verdächtig, durch sein Verhalten gegen die Bestimmungen des § 43 Abs. 1 BDG 1979 sowie des § 44 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und dadurch eine Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979 begangen zu haben.

Beweismittel

Bekanntwerden der Dienstpflichtverletzungen: Am N.N. langte bei B.B. mittels Mail ein Evaluierungsbericht zur „N.N.“ samt Beilagen ein. Der gegenständliche Evaluierungsbericht wurde von D.D., LPD N.N., im Auftrag der N.N. erstellt und mit N.N. datiert. Diese Mail wurde am N.N. von B.B .an den Abteilungsleiter N.N., und an den RL N.N., weitergeleitet. Wie aus dem Evaluierungsbericht zu entnehmen ist, erteilte B.B. der E.E. den Auftrag, zur Prozess-optimierung eine Evaluierung der Kommunikation und Dokumentation der „N.N.“ vorzunehmen. Gegenstand der „N.N.“ war ein gemeinsames staatsanwaltschaftliches Ermittlungsverfahren N. und N.N. Justizbehörden gegen N.N. Im Rahmen dieser „N.N.“ drangen Kräfte der Polizei am N.N., ca. N.N. Uhr, aufgrund von gerichtlich bewilligten Festnahme-, Hausdurchsuchungs- und Sicherstellungsanordnungen unter anderem in das N.N. ein. Dort wurde der F.F. auf frischer Tat beim N.N. betreten. Das Eindringen wurde vom N.N. über Ersuchen des N.N. fotografisch und durch Kameraaufnahmen dokumentiert.

In weiterer Folge tauchte in sozialen Medien ein im Zuge der Amtshandlung zu Dokumentationszwecken aufgenommenes Video auf. Dieser Umstand und die folgenden Ergebnisse waren schließlich der Anlass für die erwähnte Evaluierung.

Am N.N., um N.N. Uhr, setzte ein Mitarbeiter der N.N., den Beamten in Kenntnis, dass das dienstlich aufgenommene Video des Festnahmevollzuges des F.F. im Messenger-Dienst Whats-App kursiere.

Ein Mitarbeiter des Beamten setzte Staatsanwalt G.G. der StA N.N. in Kenntnis, welcher bereits informiert war und daraufhin die Anordnung erteilte, die Sachbearbeitung möge alles nur Mögliche unternehmen, um den Täter rasch auszuforschen. Der Beamte führte erste Ermittlungen durch und setzte seinen Vorgesetzten, fernmündlich vom Vorfall in Kenntnis. Dabei sicherte H.H., dem Beamten zu, das N.N. und seinen I.I. zu verständigen. H.H. informierte I.I. fernmündlich im Zuge zweier Telefonate am N.N. um N.N. und N.N. I.I. ordnete H.H. an, alle unaufschiebbaren Maßnahmen zur Ausforschung des Akteurs vorzunehmen und mündlich mit der N.N. Kontakt aufzunehmen, um Maßnahmen abzustimmen. Am N.N., um N.N. Uhr, übernahm im Zuge einer Mitarbeiterbesprechung ein Mitarbeiter des Beamten, A.A., die Verantwortung für die Weiterleitung des Videos, worauf der Beamte seinen Vorgesetzten von der Klärung des Sachverhaltes in Kenntnis setzte.

Am N.N., gegen N.N. Uhr, hat H.H. versucht, den Leiter des N.N., J.J., am Mobiltelefon zu erreichen, wobei er aber auf die Mobilbox umgeleitet wurde. Weitere Versuche einer Kontaktaufnahme mit der N.N. oder eine Verständigung des N.N. erfolgte nicht. Nach Rücksprache mit H.H. wurde A.A. vom Beamten am N.N. von N.N. Uhr bis N.N. Uhr, einvernommen und das Mobiltelefon des A.A. am N.N. um N.N. Uhr, sichergestellt.

Am folgenden Tag, dem N.N., ersuchte H.H. den damaligen stellvertretenden Leiter des N.N., K.K. mittels SMS um einen dringenden Rückruf. Gegen N.N. setzte H.H., I.I. telefonisch von der Ausforschung des Akteurs, der Eröffnung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft, der Abarbeitung diesbezüglicher Aufträge und der noch nicht erfolgten Kontaktaufnahme mit der N.N. in Kenntnis. I.I. informierte daraufhin per E-Mail die E.E., den Leiter der N.N., B.B., den Leiter des N.N., J.J., und H.H., dass die zuständige StA sich der Sache annehmen werde und dass das N.N. am Vortag in Kenntnis gesetzt wurde. Am N.N., um N.N. Uhr, setzte H.H., den Leiter des N.N., J.J., fernmündlich über den Verlauf in Kenntnis, wobei angeblich J.J. der weiteren Vorgangsweise zugestimmt haben soll. Welcher Vorgangsweise J.J. konkret zugestimmt hat, kann nicht nachvollzogen werden, da es unterschiedliche Erinnerungen und Wahrnehmungen gibt. Laut J.J. wurde dieser von H.H. am N.N., um N.N. Uhr, davon informiert, dass der betroffene Beamte betreffend der Weitergabe der Videosequenz bereits durch das N.N. einvernommen worden und geständig wäre. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass alle weiteren Ermittlungen durch das N.N. geführt werden und keinesfalls eine andere Vorgangsweise, insbesondere die Vorlage eines Abschlussberichtes an die Staatsanwaltschaft durch das N.N. zugestimmt wurde. Entgegen dieser Vereinbarung wurde jedoch ein Abschlussbericht durch das N.N. gelegt und das Mobiltelefon des Bediensteten am N.N. um N.N. Uhr, über Anordnung des Staatsanwaltes wieder an den Beamten ausgefolgt. Gegen N.N. Uhr des N.N. teilte der Beamte, L.L. und M.M. des N.N. mit, dass laut StA N.N. die Ermittlungen betreffend des gegenständlichen Falles beendet wurden und er den Abschlussbericht an die StA bereits verfasst hatte. Daraufhin teilten L.L. und M.M., dem Beamten mit, dass er den Abschlussbericht versenden und dem N.N. eine Kopie zukommen lassen möge. Im Falle weiterer Ermittlungsmaßnahmen wäre in weiterer Folge das N.N. zu beauftragen. Am N.N., um N.N. Uhr, wurde der Abschlussbericht mit dem Gesamtakt der StA N.N., G.G., durch den Beamten übermittelt.

Erhebung und Ergebnis:

Im Zuge der Evaluierung wurde durch den Beauftragten, O.O., folgende Vorschriftenlage genauer erläutert:

Das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung ist eine sondergesetzlich eingerichtete innere Gliederung des Bundesministeriums für Inneres und wird für den Bundesminister für Inneres tätig (§ 6 Abs. 1 SPG iVm § 1 BAK-G). Der Gesetzgeber wollte für bestimmte Deliktsformen eine besondere Spezialisierung sicherstellen. Mit der Novelle BGBl. I Nr. 65/2013 wurde die Bestimmung des § 319 StGB (Verletzung des Amtsgeheimnisses) in den Zuständigkeitskatalog des BAK aufgenommen (§ 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G). Ermittlungen wegen § 310 StGB sind daher eine Exklusivzuständigkeit des BAK (§ 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G). Die dem BAK gesetzlich vorbehaltenen Agenden dürfen somit nicht ohne weiteres durch eine andere Behörde oder eine andere innere Gliederung des BMI wahrgenommen werden.

§ 5 Satz 1 BAK-G sowie der BAK-Erlass des BMI normieren eine unverzügliche, schriftliche Meldepflicht aller Sicherheitsbehörden und –dienststellen, nach dem BAK-Erlass „mit dem gesamten bekannten Sachverhalt“. Ausnahmen hinsichtlich besonders klassifizierter Informationen, insb. auf Grund des Informationssicherheitsgesetzes (InfoSiG) und der Informationssicherheitsverordnung (InfoSiV) sind nicht ersichtlich.

Für die ursprünglich zuständige Dienststelle besteht nach § 6 Abs. 1 BAK-G die Verpflichtung zur Durchführung unaufschiebbarer Ermittlungshandlungen, etwa zur Verhinderung eines drohenden Beweismittelverlustes, es sei denn, das BAK oder die WKStA trifft eine abweichende Anordnung.

Hinsichtlich der Auftragserteilung durch StA N.N. an das N.N. in der Causa B.B. nach § 310 StGB wird von der Zuständigkeit der StA N.N. nach § 20 StPO ausgegangen. Gemäß § 102 Abs. 1 StPO sind Anordnungen der StA an die Kriminalpolizei gemäß deren Zuständigkeit zu richten. § 18 Abs. 2 StPO verweist dazu auf die Vorschriften des SPG über die Organisation der Sicherheitsverwaltung. In § 6 Abs. 1 SPG ist das BAK ausdrücklich genannt.

Für die dienstliche Kommunikation sind nach geltender Erlasslage die Organisationspostfächer zu nutzen. Alle dienstlichen E-Mail-Sendungen innerhalb des Ressorts sind ausnahmslos an das Dienststellenpostfach bzw. Funktionspostfach jener Dienststelle zu richten, der der Empfänger angehört. (…) Lediglich Dienststücke, die sonst „sub cuvert“ (…) übermittelt werden, dürfen an ein persönliches Postfach gesendet werden. Werden E-Mails an das Organisationspostfach der zuständigen Organisationseinheit gerichtet, so ist eine zusätzliche persönliche Adressierung (Cc) an den gewünschten Empfänger zulässig.

D.D. kam nach Erörterung der oben angerführten Vorschriftenlage zu folgender rechtlichen Beurteilung:

Die Durchführung von unaufschiebbaren Maßnahmen durch das N.N. war geboten und gesetzes- und erlasskonform (§ 6 Abs. 1 BAK-G, BAK-Erlass).

Die Unterlassung der (unverzüglichen schriftlichen) Verständigung des BAK und die Fortsetzung der kriminalpolizeilichen Ermittlungen über die gebotenen unaufschiebbaren Maßnahmen hinaus bis zur Erstattung des Abschlussberichts an die StA N.N. werden von D.D. wie folgt beurteilt:

•     Die Zuständigkeit lag gemäß § 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G beim BAK.

•     Die nicht rechtzeitige Verständigung des BAK widerspricht § 5 Abs. 1 BAK-G und dem BAK-Erlass des BMI.

•     Dem BAK wurde dadurch die Möglichkeit genommen, seine gesetzliche Zuständigkeit entweder selbst wahrzunehmen oder eine Entscheidung gemäß § 6 Abs. 2 und 3 BAK-G über die Beauftragung einer anderen Dienststelle mit einzelnen Ermittlungen bzw. die gänzliche Übertragung der Ermittlungen an eine andere Dienststelle zu treffen.

Die niederschriftliche Vernehmung von A.A. nach der StPO durch den Beamten in den Räumlichkeiten des N.N. wird wie folgt durch O.O. beurteilt:

•     Die kriminalpolizeiliche Dienststelle, der der Beamte angehört(e), nämlich das N.N., ermittelte gegen sich selbst.

•     Eine unbefangene (unvoreingenommene und unparteiliche) Ermittlung war damit nicht sichergestellt.

•     Dafür gibt es umfangreiche Regelungen, wie in solchen Fällen vorzugehen ist.

•     Beim vernehmenden Vorgesetzten ist nach § 47 Abs. 1 Z 3 StPO Befangenheit anzunehmen.

•     Die kriminalpolizeiliche Zuständigkeit für das Ermittlungsverfahren lag gemäß § 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G beim BAK, das N.N. war demgemäß mangels anderslautender Entscheidung durch das BAK nach § 6 Abs. 2 und 3 BAK-G unzuständig.

•     Eine sofortige Vernehmung hätte ggf. auch durch ein entsprechendes Ersuchen an die N.N. bewerkstelligt werden können (insb. durch Organe des N.N.).

•     Daraus resultiert im Strafverfahren zwar keine Nichtigkeitsfolge, aber das Ergebnis einer solchen Amtshandlung könnte über entsprechende Antragstellung auf dessen Nichtverwendung in der Hauptverhandlung zu einer Nichtigkeit des Urteils wegen § 281 Abs. 1 Z 4 StPO führen.

Beurteilung des D.D. im Zusammenhang mit der Auftragserteilung in der Causa A.A. nach § 310 StGB durch die StA N.N. an das N.N.:

Das N.N. hätte Aufträge der StA in der Causa B.B. wegen Unzuständigkeit infolge der Exklusivzuständigkeit des BAK gemäß § 4 Abs. 1 Z 8a BAK-G nicht annehmen dürfen. Die Verpflichtung zur Durchführung der Anordnungen der StA nach § 103 Abs. 1 StPO kann nur eine zuständige Stelle treffen. Die StA hätte auf diesen Umstand aufmerksam gemacht werden müssen. Erlässe des BMI ergehen „Für den Bundesminister“, sind diesem zurechenbar und binden somit nicht nur nachgeordnete Behörden und Dienststellen, sondern auch die Zentralstelle und deren Bedienstete. Hierbei erscheint es nicht von Bedeutung, ob ein Erlass vom Bundesminister persönlich oder von einem sonstigen Organwalter des BMI approbiert wurde. Die erlassmäßig festgelegte Zuständigkeit des BAK ist daher unbeschadet der im konkreten Fall sogar vorliegenden gesetzlichen Regelung auch von allen Bediensteten der Zentralstelle zu beachten.

Sonstiges:

Mit Mail vom N.N. wurde I.I., von B.B. um Prüfung des Evaluierungsberichtes im Sinne des § 109 BDG 1979 und allfälliger Veranlassungen/Antragstellungen ersucht. In diesem Zug wurde er auch darüber informiert, dass der Bericht gesondert von der Sektion I einer Prüfung unterzogen wird. Am gleichen Tag antwortete I.I.,B.B., wobei er ihm zusicherte, dass die N.N. auf den vorliegenden Bericht „adäquat reagieren“ werde. Wesentlich aus seiner Sicht werden für die Reaktion aber der Zeitpunkt und die Art sein. Am N.N., um N.N. Uhr, übermittelte J.J., B.B. und P.P. ein Mail mit einer ersten Stellungnahme zu einem Telefonat mit H.H.. Darin führt J.J. an, dass beim Telefongespräch am N.N., um ca. N.N. Uhr, eine unmissverständliche Vereinbarung über die weitere Bearbeitung getroffen wurde. Die Erstellung eines Abschlussberichtes war keinesfalls Inhalt des Gespräches. Am N.N. übermittelte J.J., B.B. und P.P. seine abschließende Beurteilung zur Evaluierung der „N.N.“

In dieser führt er zum Themenkreis – Ermittlungen nach § 310 StGB, Zuständigkeiten, Verständigung des BAK – aus, dass aus seiner Sicht das BAK-G und der einschlägige Meldeerlass an das BAK verletzt wurde, da die gebotene Meldung an das BAK unterlassen wurde, wodurch es dem BAK nicht möglich war, seine spezialgesetzliche Zuständigkeit zu vollziehen. Überdies stellte er fest, dass durch die Führung der Ermittlungen gegen einen eigenen Bediensteten das Objektivitätsgebot nach § 3 Abs. 2 StPO verletzt wurde.

Angaben des Verdächtigen konnten keine angeführt werden.

Diesbezüglich wird auf die Stellungnahme des I.I., vom N.N., GZ N.N., verwiesen, aus welcher zu entnehmen ist, dass keine weiteren dienstrechtlichen Maßnahmen hinsichtlich der von der Evaluierung betroffenen Akteuren erforderlich sind. Aufgrund der vom N.N. übermittelten Stellungnahme wurde über Auftrag von B.B., E.E. , der J.J., und der Leiter der Evaluierungsgruppe, O.O., nochmals ersucht, eine weitere Stellungnahme zu dieser zu übermitteln. Am N.N. langte dazu die Stellungnahme von E.E. ein, aus welcher ersichtlich ist, dass sie zu den festgestellten Dienstpflichtverletzungen keine weiteren konkreten Angaben machen konnte. Ergänzend dazu übermittelte J.J., am N.N. seine Stellungnahme, in welcher er mitteilte, dass die Evaluierungsgruppe bereits mit Übermittlung des Berichtes am N.N. rechtsrichtig die Nichteinhaltung des BAK-G und des BAK-Erlasses feststellte. Des Weiteren langte am N.N. eine Stellungnahme des O.O. ein. In dieser Stellungnahme wird im Wesentlichen auf den Evaluierungsbericht vom N.N. verwiesen.

Mit Bescheid GZ BMI-40061-DK/2019 wurde aufgrund des im Spruch bezeichneten Vorwurfs gegen den Beamten ein Disziplinarverfahren eingeleitet.

In weiterer Folge wurde für den 24.02. und 04.03.2020 eine Verhandlung anberaumt und jeweils in Anwesenheit des Beamten durchgeführt.

Der Senat hat dazu erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 1 BDG hat der Beamte die Verpflichtung, dienstliche Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen.

§ 44 Abs. 1 BDG zufolge hat der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen, und ihre Weisungen, sofern verfassungsgesetzlich nichts anders bestimmt ist, zu befolgen. Vorgesetzter ist jeder Organwalter, der mit der Dienst- oder Fachaufsicht über den Beamten betraut ist.

§ 3 Abs. 2 StPO besagt, dass kriminalpolizeiliche Organe ihr Amt unparteilich und unvoreingenommen auszuüben und jeden Anschein der Befangenheit zu vermeiden haben.

§ 47 Abs. 1, Z. 2 StPO legt fest, dass jedes Organ der Kriminalpolizei sich der Ausübung des Amtes zu enthalten und seine Vertretung zu veranlassen hat, wenn andere Gründe vorliegen, die geeignet sind, seine volle Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit in Zweifel zu ziehen.

§ 4 Abs. 1 Z 8a des Gesetzes über das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung normiert, dass das Bundesamt bundesweit für sicherheits-und kriminalpolizeiliche Angelegenheiten wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses zuständig ist und haben § 5 leg. cit. die Sicherheitsbehörden oder –dienststellen, die von einer Straftat im Sinne des § 4 Abs. 1 Z 1-15 Kenntnis erlangen, diese unbeschadet ihrer Berichtspflicht nach der Strafprozessordnung unverzüglich dem Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung schriftlich zu berichten.

Der Erlass des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung vom 13.07.2018, GZ BMI-OA1300/0138-IV/BAK/2018 regelt im Detail die Zuständigkeit des Bundesamtes zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung für sicherheits-und kriminalpolizeiliche Angelegenheiten –unter anderem- wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, dass die Sicherheitsbehörden oder –dienststellen unverzüglich schriftlich Meldung an dasselbe zu erstatten haben und entscheidet dieses in der Folge über eine Übernahme oder eine allfällige Übertragung.

Im Rahmen des durchgeführten Beweisverfahrens (insbesonders der Einvernahme des Beamten und seines Vorgesetzten) kam hervor, dass der Beamte unmittelbar nachdem er selbst über ein viral gestelltes Video die Festnahme eines N.N. wiedergebend informiert worden ist, seinen Vorgesetzten hierüber Meldung erstattet hat. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde ihm seitens des Vorgesetzten zugesichert, sowohl I.I. als auch J.J. zu verständigen. Damit ging aber die Verantwortung für die Kontaktaufnahme mit dem BAK von ihm auf seinen Vorgesetzten über. Aufgrund der Aussage von H.H. steht auch fest, dass der Beamte von diesem und in Abstimmung mit bzw. Zustimmung von I.I. beauftragt wurde, alle erforderlichen Maßnahmen zur Ausforschung des Täters zu treffen. Als erwiesen ist auch anzunehmen, dass der Täter bereits nach einer ungefähr dreiviertel Stunden ausgeforscht werden konnte und sich auch geständig gezeigt hatte. Aufgrund der Brisanz der Lage, -wie der von H.H. in der Verhandlung am 24.02.2020 von Staatsanwalt G.G. am N.N. verfassten vorgelegten Stellungnahme zu entnehmen ist, war der Staatsanwaltschaft noch am N.N. an der sofortigen Aufnahme von Ermittlungen, möglichst raschen Klärung des Sachverhalts und Erstellung des Abschluss-Berichtes gelegen- war es von Bedeutung, die Geständnisbereitschaft des überführten Täters auszunützen und diesen umgehend einzuvernehmen.

Immerhin handelte es sich bei der Amtshandlung, in welcher auch der Täter eingebunden war, um eine groß angelegte konzertierte Aktion mit internationaler Beteiligung. Es ist daher durchaus nachvollziehbar, dass aufgrund des Vorgehens des Täters die Gefahr eines Vertrauensverlustes in die Seriosität der Tätigkeit der Polizei und damit ein Abbruch der Amtshandlung im Raum stand und sohin Gefahr im Verzug bestand, was im Übrigen auch vom Zeugen I.I. bestätigt wurde. Dass es sich bei der Einvernahme um eine unaufschiebbare Maßnahme gehandelt hat, wurde sogar vom Zeugen J.J. zugestanden, wenngleich dieser wie auch der Zeuge K.K. betonte, bei rechtzeitiger Verständigung die Einvernahme durch Bedienstete des N.N. angeraten hätte. Gerade dieses kam aber -der Aussage des Zeugen I.I.- aus dem naheliegenden Grund, wonach die Bediensteten des N.N. den Beamten des N.N. bei dieser Amtshandlung fachlich unterstellt waren, nicht in Betracht. Dass dieser Option nicht der Vorzug gegeben wurde, ist für den Senat nachvollziehbar. Tatsächlich ist es unpassend, würde ein im konkreten Fall fachlich der Weisungsgewalt des Täters unterstehender Beamter seinen Fachvorgesetzten einvernehmen. Dazu kommt, dass –wie I.I. betonte- für die Einvernahme ein Spezialwissen erforderlich war, nämlich das, wie aus einem gemeinsam mit dem Ausland geführten elektronischen Akt ein Aktenteil abgesaugt und elektronisch versendet werden kann. Jedenfalls hat der Beamte nach Rücksprache mit und auf Weisung seines Vorgesetzten die unaufschiebbare Einvernahme selbst durchgeführt, zumal eine Einvernahme durch einen Bediensteten des BAK erst Stunden später erfolgen hätte können, was möglicherweise den Abbruch der Amtshandlung bewirkt hätte. Letzteres wurde auch vom Zeugen I.I. bestätigt. Der Senat erachtet daher die Durchführung der Einvernahme durch den Beamten, wiewohl es sich bei diesem um den mittelbaren Vorgesetzten des Täters gehandelt hat, im Einklang mit § 47 Abs. 2 StPO stehend, wonach bei Gefahr im Verzug, wenn –wovon wie oben ausführlich dargelegt wurde auszugehen war- die Vertretung durch ein anderes Organ nicht sogleich bewirkt werden kann, auch das befangene Organ befugt ist, unaufschiebbare Amtshandlungen vorzunehmen. Dazu kommt, dass die Staatsanwaltschaft offenbar auch über den Umstand informiert gewesen ist, dass es sich bei dem Beamten um den mittelbaren Vorgesetzten des Täters gehandelt hat. Was das Verfassen des Abschluss-Berichtes anbelangt, wusste der Beamte wohl hiervon, dass das BAK die weiteren Ermittlungen übernimmt, doch war für die Staatsanwaltschaft seinen Angaben zufolge die Angelegenheit erledigt. Gegenständliche Aussage steht im Einklang mit der des Zeugen K.K., welcher bestätigte, dass er noch am N.N. Unterlagen die Amtshandlung betreffend erhalten hat, jedoch kein Handlungsbedarf mehr bestanden und daher auch niemand mehr etwas unternommen hätte, zumal bereits bekannt gewesen ist, dass am N.N. diesbezüglich noch eine Besprechung im N.N. stattfinden würde. Den Angaben des Zeugen L.L. zufolge habe er, nachdem die Ermittlungen bereits abgeschlossen waren, keinen Sinn mehr darin gesehen, den schon verfassten Abschluss-Bericht mit dem Kopfstempel zu versehen und zu unterfertigen, zumal die Ermittlungen abgeschlossen waren und habe er daher nur mehr um Übermittlung einer Kopie desselben ersucht. Dass L.L., welcher gemäß den Angaben des Zeugen J.J. die gesicherten Handydaten holen hätten sollen, möglicherweise – diesbezüglich war sich selbst der Zeuge J.J. nicht im Klaren- hierzu nicht die Befugnis hatte, kann dem Beamten nicht zum Nachteil gereichen. Der Senat kam daher zu dem Schluss, dass der Beamte die ihm angelastete Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat und war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

17.04.2020
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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