TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/6 97/21/0341

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Veröffentlicht am 06.05.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §10 Abs1;
AVG §10 Abs2;
AVG §13a;
AVG §37;
FrG 1993 §41 Abs1;
FrG 1993 §82;
FrG 1993 §83;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des AA in Wien, geboren am 6. April 1973, vertreten durch Dr. Wolfgang Rainer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14/20, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. November 1996, Zl. UVS-03/P/51/02687/96, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 20. September 1995 führte die Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, gegen den Beschwerdeführer als Beschuldigten, der zur Zl. IV-807.942/FrB/95 in Schubhaft genommen worden war, eine Strafverhandlung wegen Übertretung nach dem Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, durch. Gemäß der darüber aufgenommenen Strafverhandlungsschrift zur Zl. S-170.389/Fr/95 wurde dabei ausgehend von der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor der Behörde vom selben Tag betreffend "Abschiebung bzw. Verwaltungsstrafverfahren", Zl. IV-807.942/FrB/95, in seiner Anwesenheit ein Straferkenntnis verkündet und über ihn wegen der Verwaltungsübertretung nach § 82 Abs. 1 Z. 4 i.V.m. § 15 Abs. 1 FrG eine Geldstrafe in Höhe von S 1.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe zwei Tage) verhängt; eine schriftliche Ausfertigung des Bescheides unterblieb.

Gegen dieses Straferkenntnis erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch R.H., die am 24. Oktober 1995 zur Post gegebene Berufung. Dabei berief sich R.H., dem das Straferkenntnis im Wege einer Akteneinsichtnahme am 10. Oktober 1995 zur Kenntnis gebracht worden sei, auf eine im Akt der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, Zl. IV-807.942/FrB/95, erliegende Vollmacht, die mit 19. September 1995 datiert ist und im wesentlichen - in deutscher und albanischer Sprache - folgenden Inhalt hat:

"Hiermit bestätige ich, daß ich Herrn R.H., c/o

Caritas Ausländerberatung, 1090 Wien, Sechsschimmelgasse 21, uneingeschränkte Vollmacht erteile, mich vor allen österreichischen Gerichten und Behörden zu vertreten, insbesondere in asylrechlichen und fremdenpolizeilichen Angelegenheiten.

Diese Vollmacht beinhaltet auch eine Zustellvollmacht

und kann im Verhinderungsfall auf eine Person seines Vertrauens übertragen werden, ebenso wie sie den Inhaber dazu ermächtigt, allenfalls in meinem Namen einen Rechtsbeistand beizuziehen.

Allfällige zuvor erteilte Vollmachten werden mit

dieser Erklärung ungültig (ausgenommen die an RA Dr. Dietmar K. in höhergerichtlichen Verfahren erteilte Vollmacht)."

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. November 1996 wies der Unabhängige Verwaltungssenat Wien, die belangte Behörde, die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als verspätet zurück. Das angefochtene Straferkenntnis sei im Rahmen der Strafverhandlung vom 20. September 1995 vom Leiter der Amtshandlung verkündet worden. Der Berufungswerber (der nunmehrige Beschwerdeführer) habe hiezu keine Erklärung abgegeben und auf die Verlesung der über die Strafverhandlung aufgenommenen Niederschrift verzichtet. Gemäß dieser, von ihm unterfertigten Niederschrift sei ihm Rechtsmittelbelehrung erteilt worden. Eine schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Bescheides habe der bei der Verkündung anwesende Berufungswerber nicht verlangt. Die zweiwöchige Berufungsfrist habe damit gemäß § 63 Abs. 5 AVG am 20. September 1995 zu laufen begonnen und am 4. Oktober 1995 geendet. Die erst am 24. Oktober 1995 zur Post gegebene Berufung sei daher verspätet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit, hilfsweise wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der vorliegenden Beschwerde wird im Kern die Auffassung vertreten, die namens des Beschwerdeführers erhobene Berufung mit Postaufgabe 24. Oktober 1995 wäre nicht als verspätet, sondern "mangels rechtsgültiger Verkündung bzw. Zustellung des Straferkenntnisses" als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Begründet wird dies damit, daß die Bundespolizeidirektion Wien die eingangs in ihrem wesentlichen Inhalt wiedergegebene Vollmacht vom 19. September 1995 nicht beachtet habe, sodaß das Straferkenntnis vom 20. September 1995 nicht rechtswirksam erlassen worden sei. Näherhin wird dies dahingehend ausgeführt, daß dieser seit 19. September 1995 bei der Bundespolizeidirektion Wien erliegenden Vollmachtsurkunde zu entnehmen sei, daß der Beschwerdeführer dem R.H.

"uneingeschränkte Vollmacht" erteilt habe, ihn "vor allen österreichischen Behörden zu vertreten, insbesondere in asylrechtlichen und fremdenpolizeilichen Angelegenheiten". Aufgrund dieses Wortlautes könnten weder Zweifel am Bestand der Vollmacht bestehen noch daran, daß sie auch das vorliegende Strafverfahren als "genuin fremdenpolizeiliche Angelegenheit" mitumfasse. Nach dem aus der Vollmachtsurkunde erkennbaren Willen des Vollmachtgebers solle der Bevollmächtigte ihn nicht nur in dem Verfahren vertreten, in welchem die Vollmachtsurkunde vorgelegt worden sei, also offenbar nicht nur in dem vor der Bundespolizeidirektion Wien am 19. September 1995 bereits geführten fremdenpolizeilichen Verfahren zur Zl. IV-807.942/FrB/95, sondern ohne Einschränkung auch in allen (nach Vollmachtserteilung eingeleiteten) übrigen Verfahren, welche mit dem Gegenstand in sachlichem Zusammenhang stünden. Ein derartiger Zusammenhang sei vorliegend zweifelsohne gegeben, weil das im gegenständlichen Verfahren vor der belangten Behörde bekämpfte Straferkenntnis in seiner Begründung maßgeblich auf den Fremdenakt des Beschwerdeführers abstelle. Allenfalls bestehe ein Aufklärungsbedarf bezüglich nicht mit "asylrechtlichen und fremdenpolizeilichen Angelegenheiten" in Zusammenhang stehenden Verfahren. Fremdenpolizeiliche Verwaltungsstrafverfahren seien aber jedenfalls von der Vollmacht mitumfaßt, soferne darin auf den Inhalt des Fremdenaktes der Bundespolizeidirektion Wien Bezug genommen werde, was vorliegend der Fall gewesen sei. Eine unzulässige "Generalvollmacht" liege im Hinblick auf den Text der Vollmachtsurkunde keinesfalls vor.

An diesen Überlegungen ist richtig, daß die bezughabende Vollmacht dem R.H. zweifelsfrei die Berechtigung verleiht, den Beschwerdeführer auch im hier zugrundeliegenden Verwaltungsstrafverfahren zu vertreten. Wie die beiden Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mehrfach ausgesprochen haben, zeitigt eine Bevollmächtigung ungeachtet ihres Umfangs jedoch nur in dem Verfahren, in dem sich der Bevollmächtigte durch eine schriftliche Vollmacht ausgewiesen (bzw. in dem er sich als Rechtsanwalt oder Notar auf die ihm erteilte Vollmacht berufen) hat, verfahrensrechtliche Wirkungen. In anderen Verfahren kann auf eine Vollmacht, die in einem bei der Behörde anhängigen oder anhängig gewesenen Verfahren ausgewiesen ist, verwiesen werden. Die Entscheidung, ob von einer schon beigebrachten Vollmacht auch in anderen Verfahren Gebrauch zu machen ist, bleibt aber der Partei und ihrem Vertreter überlassen und muß in dem jeweiligen anderen Verfahren gegenüber der Behörde unmißverständlich unter Bezugnahme auf das die Vollmacht ausweisende Verfahren zum Ausdruck gebracht werden. Darum ist die Behörde nicht berechtigt oder verpflichtet, auch wenn der Gewalthaber in einer Rechtssache eine allgemeine Vollmacht des Machtgebers vorgelegt hat, diesen im Verfahren über andere, bereits schwebende oder erst später anhängig werdende Rechtsangelegenheiten ebenfalls als durch den einmal ausgewiesenen Gewalthaber vertreten zu behandeln; die Tatsache allein, daß in der einen Rechtssache eine Vollmacht vorgelegt worden ist, die eine Ermächtigung zur Vertretung in allen Angelegenheiten beurkundet, reicht hiezu also nicht aus. Es muß vielmehr in jedem Einzelfall auf das in einem anderen Verfahren bestehende Vertretungsverhältnis gesondert hingewiesen werden (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 23. Juni 1971, Slg. Nr. 6474, sowie die hg. Erkenntnisse vom 18. Juni 1990, Zl. 90/10/0035, Slg. Nr. 13.221/A, und vom 19. Juni 1991, Zl. 90/03/0198). Hier, im gegenständlichen Strafverfahren, erfolgte ein derartiger Hinweis auf die zu Zl. IV-807.942/FrB/95 erliegende Vollmacht aber erst mit Berufungserhebung.

Wenn der Beschwerdeführer vermeint, daß nach seinem aus der Vollmachtsurkunde erkennbaren Willen seine Vertretung durch den danach ausgewiesenen Gewalthaber auch in allen übrigen (nach Vollmachtserteilung eingeleiteten) Verfahren, welche mit dem Gegenstandsakt in sachlichem Zusammenhang stehen, stattfinden solle, so verwechselt er im Sinne der obigen Ausführungen die Frage des Umfanges der Vollmacht einerseits mit der gegenüber der Behörde abzugebenden Erklärung, ob/inwieweit von einer schon beigebrachten Vollmacht auch in anderen Verfahren Gebrauch zu machen ist, andererseits. Fraglich könnte nur sein, ob das zur Debatte stehende Verwaltungsstrafverfahren wegen einer Übertretung nach dem FrG mit dem zur Zl. IV-807.942/FrB/95 geführten Schubhaftverfahren der Bundespolizeidirektion Wien, Fremdenpolizeiliches Büro, in dem die Vollmacht vom 19. September 1995 gelegt worden ist, derart eng verknüpft ist, daß es gerechtfertigt erschiene, von ein- und demselben Verfahren auszugehen. Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend zum Ausdruck bringt, ist dies auf dem Boden der höchstgerichtlichen Judikatur entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht jedoch nicht der Fall. Daß die beiden Verfahren äußerlich - wenn auch mit unterschiedlichen Zahlen - in einem einheitlichen Akt geführt worden sein mögen, ändert nichts an ihrer grundsätzlichen Selbständigkeit (vgl. abermals das schon erwähnte und in VfSlg. Nr. 6474 veröffentlichte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes); in einem Fall geht es darum, das Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes oder einer Ausweisung bis zum Eintritt ihrer Durchsetzbarkeit oder die Abschiebung, die Zurückschiebung oder die Durchbeförderung zu sichern (§ 41 Abs. 1 FrG), während im anderen Fall an den möglicherweise unrechtmäßigen Aufenthalt eines Fremden im Bundesgebiet eine Sanktion geknüpft werden soll. Ein unmittelbarer Konnex zwischen diesen beiden Verfahren ist nicht erkennbar.

Soweit in der Beschwerde des weiteren ausgeführt wird, es stünde jedenfalls nicht zweifelsfrei fest, daß die Vollmacht vom 19. September 1995 nicht auch für das Verwaltungsstrafverfahren gelten solle, ist darauf hinzuweisen, daß es eben am Beschwerdeführer gelegen wäre, diesbezüglich unmißverständlich seinen Willen kundzutun. Eine Anleitungspflicht der Behörde in diese Richtung bestand jedenfalls nicht. Unmaßgeblich ist es schließlich auch, daß die belangte Behörde den bekämpften Bescheid erlassen hat, ohne dem Beschwerdeführer zuvor rechtliches Gehör einzuräumen; die Beschwerde vermag nämlich nicht darzutun, welches von ihr erstattete Vorbringen - wäre Gehör gewährt worden - zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

Ist demnach zusammenfassend davon auszugehen, daß der Beschwerdeführer im gegenständlichen Strafverfahren unvertreten war, so konnte die mündliche Verkündung des Straferkenntnisses am 20. September 1995 allein in Anwesenheit des Beschwerdeführers wirksam erfolgen, weshalb dieses Straferkenntnis mit diesem Datum als ordnungsgemäß erlassen anzusehen ist. Die in der Beschwerde weiter aufgeworfenen Fragen zur Konsequenz einer mangelhaften mündlichen Verkündung stellen sich daher nicht. Damit ist im Sinne der im bekämpften Bescheid vertretenen Ansicht die Berufung gegen das Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien aber verspätet erhoben worden, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird zur Auslegung des § 47 Abs. 5 leg. cit. auf den Beschluß vom heutigen Tag, Zl. 96/21/0735, verwiesen.

Schlagworte

Vertretungsbefugnis Inhalt Umfang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997210341.X00

Im RIS seit

08.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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