TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/14 W170 2188253-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7
AsylG 2005 §9
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W170 2188253-1/21E

W170 2188253-2/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, unvertreten, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2018, Zl. IFA: 1086017410 Verfahren:

171363532, zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2

Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit § 7 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, stattgegeben und Spruchpunkt I. des Bescheides ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019, nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH als Mitglieder der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VII. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019, Zl. 1086017410 - 171363532 / BMI-BFA_WIEN_RD:

1. beschlossen:

A) Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., und III. wird

gemäß §§ 28 Abs. 2, 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit §§ 9, 57 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, und § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019, nicht zulässig.

2. zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und VII. wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, in Verbindung mit §§ 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, und §§ 52 f, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 stattgegeben und die Spruchpunkte IV., VI. und VII. des Bescheides ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019, nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgegenstand:

XXXX (in Folge: Beschwerdeführer) ist ein syrischer Staatsangehöriger, dem bis dato der Status des Asylberechtigten zukam und der in Österreich mit Urteilen des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.11.2017, 15.11.2017, 21.12.2018 und 04.06.2019 wegen des Verbrechens des Raubes und der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift sowie des Diebstahls durch Einbruch zu vier mehrmonatigen, teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt wurde.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, ob die mit im I. Spruch bezeichneten Bescheid verhängte Aberkennung des Status des Asylberechtigten samt der Feststellung, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukommt, sowie die mit im II. Spruch bezeichnete Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten, die Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen, die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, die Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise sowie die Erlassung eines fünfjährigen Einreiseverbotes rechtmäßig sind, da der Beschwerdeführer gegen den im I. Spruch bezeichneten Bescheid hinsichtlich des Spruchpunktes I., hinsichtlich des im II. Spruch bezeichneten Bescheids gegen die Spruchpunkte I. bis IV. und VII. das Rechtsmittel der Beschwerde ergriffen hat.

Nicht bekämpft wurden lediglich die mit im I. Spruch bezeichneten Bescheid erfolgte Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und unter einem erfolgte Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung sowie die mit im II. Spruch bezeichneten Bescheid erfolgte Feststellung, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Syrien unzulässig sei und die Festsetzung einer Frist für seine freiwillige Ausreise.

Die Beschwerden wurden am 06.03.2018 bzw. am 17.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt, beide Beschwerden wurden nach einer Abnahme am 18.10.2019 der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer laut dem klaren Wortlaut der vorliegenden Vollmacht, die sich nur auf das Verfahren hinsichtlich des Bescheides vom 19.02.2019 bezieht, nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den im II. Spruchpunkt bezeichneten Bescheid vertreten ist, nicht hingegen aber im Verfahren über die Beschwerde gegen den im I. Spruchpunkt bezeichneten Bescheid.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitige und zulässige Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

1. XXXX , ein nunmehr volljähriger, syrischer Staatsangehöriger, ist spätestens seit 07.09.2015 in Österreich aufhältig und wurde diesem nach einem Antrag auf internationalen Schutz mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.04.2016, Zl. IFA:

1086017410 Verfahren: 151287599, der Status des Asylberechtigten zuerkannt; dieser Status wurde bis dato nicht rechtskräftig aberkannt.

2. XXXX wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.11.2017, 154 Hv 121/17v, wegen des Verbrechens des Raubes zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, weil er am 17.09.2017 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit XXXX als Mittäter mit Gewalt gegen eine Person einem anderen eine fremde bewegliche Sache weggenommen hat, um sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er zunächst XXXX bat, mit seinem Mobiltelefon telefonieren zu können, XXXX nach Übergabe des Mobiltelefons dem XXXX von hinten einen Schlag gegen die linke Kniekehle versetzte, während XXXX ihm mit der Faust einen Schlag ins Gesicht versetzte, sie dem am Boden liegenden noch Tritte versetzten und dann mit dem Mobiltelefon der Marke Samsung Galaxy S7 im Wert von € 799,-- und der darin befindlichen SD-Karte Lexar 1800x mit 128 GB im Wert von € 195,44 flüchteten.

Mildernd wurden das teilweise Geständnis und der bisher ordentliche Lebenswandel, erschwerend kein Umstand gewertet.

3. XXXX wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15.11.2017, 163 Hv 90/17a, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzstrafe von drei Monaten verurteilt, weil er am 10.06.2017 in Wien vorschriftswidrig Suchtgift, nämlich Cannabiskraut (Wirkstoff THCA und Delte-9-THC), auf einer öffentlichen Verkehrsfläche bzw. sonst an einem allgemein zugänglichen Ort, nämlich dem Stiegenaufgang vor dem Franz-Josef-Kai 65, dies während sich zumindest 20 Personen im unmittelbaren Nahebereich aufhielten, einem anderen gegen Entgelt einerseits überließ, nämlich XXXX 1,2 Gramm um € 10, bzw. andererseits zu überlassen versucht hat, indem er weitere 1,2 Gramm zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf mit sich führte.

Mildernd wurden das Geständnis, dass es beim Versuch blieb und der bisher ordentliche Lebenswandel, erschwerend das Zusammentreffen von Verbrechen und zwei Vergehen gewertet.

4. XXXX wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.12.2018, 144 Hv 75/18g, wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgift zu einer bedingt nachgesehenen Zusatzstrafe von vier Monaten verurteilt, weil er am 04.11.2018 in Wien vorschriftswidrig auf einer öffentlichen Verkehrsfläche und zwar dem äußeren Gürtel Höhe Pfeilgasse in einem U-Bahnbogen in Anwesenheit von mehr als 10 Personen und somit öffentlich und unter Umständen, unter denen sein Verhalten geeignet war, durch unmittelbare Wahrnehmung berechtigtes Ärgernis zu erregen, Suchtgift einem anderen zunächst gegen Entgelt angeboten und in weiterer Folge zwei Straßen weiter überlassen hat, indem er einem verdeckten Ermittler der Polizei 5,4g Cannabiskraut in Straßenqualität mit den Wirkstoffen THCA und Delta-9-THC zunächst zum Preis von € 80,-- anbot und in weiterer Folge verkaufte.

Mildernd wurden das Geständnis und die Sicherstellung des Suchtgifts, erschwerend die einschlägige Vorstrafe und die Tatbegehung während offener Probezeit gewertet.

5. XXXX wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 04.06.2019, 151 Hv 4/19v, wegen des Vergehens des (Einbruchs-)Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt, weil er am 07.05.2019 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit XXXX und XXXX fremde bewegliche Sachen und zwar drei Headsets, 1 Charger und 1 Ladekabel im Gesamtwert von ca. € 50 dem XXXX durch Einbruch mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen hat. Die Täter schlugen maskiert mit einem Nothammer die Eingangstüre zum Ladenlokal des XXXX ein, durchsuchten den Laden und nahmen die angeführten Gegenstände mit.

Mildernd wurde das Geständnis, erschwerend die Vorverurteilungen gewertet.

6. Darüber hinaus wurde XXXX in Österreich wegen keiner (anderen) gerichtlich strafbaren Handlung verurteilt.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus der Aktenlage und einer eingeholten Strafregisterauskunft.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2018, Zl. IFA:

1086017410 Verfahren: 171363532:

Zu I. A)

Vorauszuschicken ist, dass sowohl das Bundesamt angenommen hat, dass der Status des Asylberechtigten des Beschwerdeführers wegen seiner Verurteilungen wegen eines - nach Ansicht des Bundesamtes - besonders schweren Verbrechens zu erfolgen hat als auch keine anderen Gründe für eine Aberkennung auch nur im Ansatz zu erkennen sind. Es ist daher zu prüfen, ob diese Aberkennung rechtmäßig ist.

Gemäß § 7 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019 (in Folge: AsylG), ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn (1.) ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt,

(2.) einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder (3.) der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zuletzt VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531-5) müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf. Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen. Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. In gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (vgl. etwa VwGH 14.02.2018, Ra 2017/18/0419; VwGH 05.12.2017, Ra 2016/01/0166; VwGH 01.03.2016, Ra 2015/18/0247; VwGH 21.9.2015, Ra 2015/19/0130; VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626, mit Hinweis auf die zur Vorläuferbestimmung ergangene und auch für die aktuelle Rechtslage weiterhin maßgebliche Rechtsprechung).

Der Beschwerdeführer ist nur mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 03.11.2017, 154 Hv 121/17v, wegen eines Verbrechens verurteilt worden, alle anderen Verurteilungen betrafen Vergehen. Die Verurteilung wegen des Verbrechens betraf einen (einfachen) Raub.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe zuletzt VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522) fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (siehe auch VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360; VwGH 05.04.2018, Ra 2017/19/0531). Dabei handelt es sich um eine demonstrative und daher keineswegs abschließende Aufzählung von Delikten in Zusammenhang mit Art. 33 Abs. 2 GFK (siehe auch VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109; VwGH 03.12.2002, 99/01/0449). Insofern ist etwas das Delikt des gewerbsmäßig schweren und durch Einbruch begangenen Diebstahls (§ 130 dritter und vierter Fall StGB), das sachverhaltsbezogen dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29.08.2019, Ra 2018/19/0522 zu Grunde lag, nicht grundsätzlich vom Begriff des "besonders schweren Verbrechens" ausgeschlossen. In diesem Erkenntnis führt der Verwaltungsgerichtshof - seine bisherige Rechtsprechung zusammenfassend - aus, dass er schon zum Ausdruck gebracht hat, dass auch im Fall einer Vielzahl einschlägiger rechtskräftiger Verurteilungen und insofern verhängter, beträchtlicher und überwiegend unbedingter Freiheitsstrafen, verwirklichte Delikte in einer Gesamtbetrachtung als "besonders schweres Verbrechen" qualifiziert werden können (siehe auch VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626; VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109). In der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird allerdings auch betont, dass es auf die Strafdrohung allein bei der Beurteilung, ob ein "besonderes schweres Verbrechen" vorliegt, nicht ankommt (VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522; VwGH 06.10.1999, 99/01/0288; VwGH 25.10.2018, Ra 2018/20/0360). So genügt es demnach nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522; VwGH 06.10.1999, 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.09.2009, 2006/01/0626).

Vorliegend ist zu beachten, dass die Verurteilung wegen Raubes die erste Verurteilung des Beschwerdeführers war, das Strafgericht keine Erschwernisgründe festgestellt hat und den Beschwerdeführer nur zu einer bedingten Strafe verurteilt hat. Auch ist die Tathandlung nach den Feststellungen des Strafgerichts beim gegenständlichen (einfachen) Raub nicht eine solche, die hinsichtlich der Gefährlichkeit und der Schwere über die eines "durchschnittlichen" normalen (einfachen) Raubes hinausgeht, zumal das Strafgericht nicht festgestellt hat, dass das Opfer schwer verletzt worden ist oder andere besonders schwerwiegende Folgen hinzugetreten sind.

In den Materialien zur Stammfassung des AsylG (siehe RV, 952 der Beilagen XXII. GP) wird zu § 6 AsylG unter anderem ausgeführt, dass die Z 3 und 4 des Abs. 1 inhaltlich dem bisherigen § 13 Abs. 2 AsylG entsprechen. Unter den Begriff ‚besonders schweres Verbrechen' fallen nach Kälin, Grundriss des Asylverfahrens (1990), S 182 und 228 (ua. mit Hinweis auf den UNHCR) und Rohrböck, (Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (1999) Rz 455, mit weiteren Hinweisen auf die internationale Lehre), nach herrschender Lehre des Völkerrechts nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. VwGH 10. 6.1999, 99/01/0288). Zu denken wäre aber auch - auf Grund der Gefährlichkeit und Verwerflichkeit - an besondere Formen der Schlepperei, bei der es zu einer erheblichen Gefährdung, nicht unbedeutenden Verletzung oder gar Tötung oder während der es zu erheblichen, mit Folter vergleichbaren Eingriffen in die Rechte der Geschleppten kommt. Die aktuelle Judikatur in Österreich, wie in anderen Vertragsstaaten der Genfer Flüchtlingskonvention, verdeutlicht, dass der aus dem Jahre 1951 stammende Begriff des "besonders schweren Verbrechens" des Art 33 Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention einer Anpassung an sich ändernde gesellschaftliche Normenvorstellungen zugänglich ist.

Daher ist das gegenständliche Delikt, ein einfacher Raub, zu dem keine Besonderheiten hinzugetreten sind, keine Erschwernisgründe gewertet wurden und eine bedingte Haftstrafe verhängt wurde, (objektiv und subjektiv) zwar als schweres, aber nicht als besonders schweres Verbrechen zu beurteilen.

Auch der rechtlichen Begründung des Bundesamtes, die sich im Wesentlichen mit einer kurzen Darstellung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ohne Bezugnahme auf den vorliegenden Sachverhalt begnügt, lässt sich keine fallbezogene Begründung entnehmen, warum es sich beim vorliegenden Sachverhalt um ein besonders schweres Verbrechen handeln soll.

Da der Beschwerdeführer darüber hinaus nur wegen Vergehen verurteilt wurde, liegt kein besonders schweres Verbrechen, das aber Voraussetzung für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist, vor und ist der Beschwerde stattzugeben und Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 15.02.2018, Zl. IFA: 1086017410 Verfahren: 171363532, ersatzlos zu beheben.

Die Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2018, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung erfolgen, da der entscheidungsrelevante Sachverhalt durch die vom Bundesamt ins Parteiengehör gebrachte Verurteilung des Beschwerdeführers feststand und der Beschwerde stattzugeben ist.

Das Bundesverwaltungsgericht weist ausdrücklich darauf hin, dass die aus dem Erkenntnis erfließende Bindungswirkung nur so lange besteht, als sich der verfahrensgegenständliche Sachverhalt nicht - etwa durch eine neuerliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Verbrechens - ändert. Diesfalls wären auch die Verurteilungen des Beschwerdeführers insbesondere aus dem Suchtgiftbereich, aber auch die Eigentumsdelikte und die bereits beim Raub erfolgte Gewaltanwendung - die dann ja vor der allfälligen zweiten Verurteilung wegen eines Verbrechens bestanden hätten - in die Beurteilung der allfälligen besonderen Schwere (siehe dazu zuletzt VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522) miteinzubeziehen.

Zu I. B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 104/2019 (in Folge: VwGG), hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 57/2019 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Mangels offener Rechtsfragen - siehe die oben zitierte Judikatur des VwGH - ist die Revision nicht zulässig.

3.2. Zur Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.02.2019, Zl. 1086017410 - 171363532 / BMI-BFA_WIEN_RD:

Zu II. A)

3.2.1. Zur Zurückweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II. und III.:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht ein Rechtsschutzinteresse bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (VwGH 27.11.2018, Ra 2018/02/0162).

Da mit I. Spruch des gegenständlichen Erkenntnisses der Beschwerde des Beschwerdeführers gegen die Aberkennung des Status des Asylberechtigten stattgegeben wurde und ihm somit ein Aufenthaltsrecht als Asylberechtigter zukommt, macht es für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr, ob der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Frage, ob ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen wurde und ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt wurde noch Bestand hat. Daher hat die Erreichung des diesbezüglichen Verfahrensziels für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen, ist nur mehr von theoretischer Bedeutung und ist somit die Beschwerde im gegenständlichen Umfang unzulässig und als solches zurückzuweisen.

3.2.2. Zur Stattgebung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte IV. und VII.:

Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG ist (nur) eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn (1.) der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird, (2.) der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird, (3.) der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird, (4.) einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder (5.) einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

Dies ist hier nicht der Fall, daher ist die Rückkehrentscheidung im Spruchpunkt IV. ersatzlos zu beheben.

Gemäß § 55 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018 (in Folge: FPG) wird (nur) mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

Da hier eine Rückkehrentscheidung nicht besteht, ist die Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise im Spruchpunkt VI. ersatzlos zu beheben, selbst wenn der Beschwerdeführer gegen diesen Spruchpunkt keine Beschwerde erhoben hat. Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ergibt sich, dass die Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise, die im gegenständlichen Fall von der Rückkehrentscheidung nicht trennbar ist, da diese für den Ausspruch jener Tatbestandsvoraussetzung ist, mit der ersatzlosen Behebung der Rückkehrentscheidung ihre Grundlage verliert, und somit ebenfalls zu beheben ist, da sie keinen Bestand haben kann (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0146; VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006; VwGH 27.07.2017, Ra 2017/22/0007).

Gemäß § 53 Abs. 1 1. Satz FPG kann (nur) mit einer Rückkehrentscheidung vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden.

Da hier eine Rückkehrentscheidung nicht besteht, ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung im Spruchpunkt VII. ersatzlos zu beheben.

Es ist daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu II. 1. und II. 2. B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Mangels offener Rechtsfragen - siehe die oben zitierte Judikatur des VwGH zu 3.2.1. und ansonsten die klare, keinen Zweifel zulassende Rechtslage - ist die Revision nicht zulässig.

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten, Aberkennungstatbestand,
Aberkennungsverfahren, Abschiebung, Aufenthaltsberechtigung
besonderer Schutz, Aufenthaltstitel, berücksichtigungswürdige
Gründe, Entziehungsbescheid, ersatzlose Teilbehebung, Kassation,
Rückkehrentscheidung, Spruchpunktbehebung, strafrechtliche
Verurteilung, Straftat, Suchtmitteldelikt, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W170.2188253.2.00

Zuletzt aktualisiert am

14.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten