TE Vwgh Beschluss 2020/2/26 Ro 2019/13/0032

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Veröffentlicht am 26.02.2020
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht

Norm

BAO §201
BAO §207
BAO §209a Abs2
BAO §239

Beachte


Serie (erledigt im gleichen Sinn):
Ro 2019/13/0028 B 24.06.2020
Ro 2019/13/0037 B 26.02.2020
Ro 2019/13/0038 B 26.02.2020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 1/23 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. April 2019, Zl. RV/7104986/2018, betreffend u.a. Festsetzung von Dienstgeberbeiträgen zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für 7/1999 bis 12/2002 (mitbeteiligte Partei: M GmbH in W, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit Eingabe vom 16. Dezember 2004 beantragte u.a. die mitbeteiligte Partei, eine Dienststelle des Magistrats der Stadt Wien und öffentliche Kasse iS des § 85 Abs. 1 zweiter Satz EStG 1988, gemäß § 201 BAO die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages für die Monate Juli 1999 bis Dezember 2002 mit Null. Sie brachte vor, die Gemeinde Wien bzw. die W AG hätten für Bedienstete der Gemeinde Wien, die mehreren Unternehmen (im Rahmen der Ausgliederung der Wiener Stadtwerke, vgl. hiezu BGBl. I Nr. 68/1999 sowie das Wiener Stadtwerke - Zuweisungsgesetz, LGBl. Nr. 17/1999) zur Dienstleistung zugewiesen worden seien, für die Monate Juli 1999 bis Dezember 2002 den Dienstgeberbeitrag und den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag entrichtet. Es habe jedoch für diese Bediensteten weder die Pflicht zur Abfuhr des Dienstgeberbeitrages noch die zur Abfuhr des Zuschlages hiezu bestanden.

2        Mit Bescheid vom 3. April 2017 wies das Finanzamt u.a. diesen Antrag als unbegründet ab. Das Finanzamt führte begründend hiezu aus, gemäß § 209a Abs. 2 BAO stehe der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn es sich um einen in den Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrag handle. Da bis Ende 2002 § 201 BAO kein Antragsrecht vorgesehen habe, sei § 209a Abs. 2 BAO nicht anwendbar. Bei einem Antrag auf Festsetzung gemäß § 201 BAO handle es sich auch um keine Pflichteingabe, sodass es auch im Zuge einer verfassungskonformen Auslegung des § 209a Abs. 2 BAO zu keiner Festsetzung außerhalb der Verjährungsfristen kommen könne. Für den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 sei sohin jedenfalls Verjährung eingetreten.

3        Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht - nach Beschwerdevorentscheidung des Finanzamts und Vorlageantrag der mitbeteiligten Partei - der Beschwerde Folge und setzte u.a. Dienstgeberbeiträge zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen für den Zeitraum 7/1999 bis 12/2002 mit Null fest. Es sprach aus, dass betreffend diesen Zeitraum (anders als in Bezug auf die zugleich getroffene Entscheidung über Zeiträume nach 2002; vgl. dazu den Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2019/13/0085) eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

5        Begründend führte das Bundesfinanzgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - im Wesentlichen aus, die Festsetzung einer Selbstberechnungsabgabe mit Abgabenbescheid in den in § 201 BAO (idF vor dem AbgRmRefG 2002) aufgezählten Fällen sei an keinen Antrag gebunden gewesen. § 209a Abs. 2 BAO stelle zwar explizit auf die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit einer Antragstellung ab. Das Bundesfinanzgericht sei jedoch der Auffassung, dass es der Normzweck des § 209a Abs. 2 BAO sei, die Partei vor Rechtsnachteilen durch Eintritt der Bemessungsverjährung zu schützen, die lediglich dadurch entstünden, dass die Abgabenbehörde Anbringen nicht unverzüglich erledige. Dies sei hier der Fall. Die Abgabenbehörde habe über den Antrag vom 16. Dezember 2004 erst am 3. April 2017 bescheidmäßig abgesprochen (und dies auch erst, nachdem die Mitbeteiligte eine Säumnisbeschwerde eingebracht habe). Auch auf Erlassung eines Abgabenbescheides gerichtete Anbringen iSd § 201 BAO idF vor dem AbgRmRefG 2002 seien unter den Tatbestand des § 209a Abs. 2 BAO zu subsumieren. Verjährung liege daher nicht vor.

6        Zur Frage, ob unter „in den Abgabenvorschriften vorgesehener Antrag (§ 85)“ iSd § 209a Abs. 2 BAO auch (auf Erlassung eines Abgabenbescheides gerichtete) Anbringen iSd § 201 BAO idF vor dem AbgRmRefG 2002 subsumiert werden könnten, gebe es - soweit erkennbar - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Revision sei daher insoweit zulässig.

7        Gegen dieses Erkenntnis - betreffend den Zeitraum Juli 1999 bis Dezember 2002 - wendet sich die vorliegende ordentliche Revision des Finanzamtes. Vorbringen zur Zulässigkeit enthält die Revision nicht.

8        Die mitbeteiligte Partei hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

12       § 201 BAO in der hier anwendbaren Fassung BGBl. Nr. 151/1980 (vor dem AbgRmRefG, BGBl. I Nr. 97/2002; vgl. § 323 Abs. 11 BAO) lautete:

„Wenn die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen ohne abgabenbehördliche Festsetzung der Abgabe zulassen, ist ein Abgabenbescheid nur zu erlassen, wenn der Abgabepflichtige die Einreichung einer Erklärung, zu der er verpflichtet ist, unterläßt oder wenn sich die Erklärung als unvollständig oder die Selbstberechnung als nicht richtig erweist. Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben in einem Bescheid zusammengefaßt erfolgen.“

13       Hängt eine Abgabenfestsetzung unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung u.a. eines in Abgabenvorschriften vorgesehenen Antrages (§ 85 BAO) ab, so steht nach § 209a Abs. 2 BAO der Abgabenfestsetzung der Eintritt der Verjährung nicht entgegen, wenn der Antrag vor diesem Zeitpunkt eingebracht wurde.

14       In der Revision wird geltend gemacht, § 201 BAO in der hier anwendbaren Fassung habe - anders als § 201 BAO in der Fassung BGBl. I Nr. 97/2002 - kein Antragsrecht auf Festsetzung der Abgaben enthalten. Ein derartiger Antrag wäre demnach zurückzuweisen gewesen. Eine meritorische Entscheidung - wie vom Finanzamt und vom Bundesfinanzgericht vorgenommen - sei rechtswidrig. § 209a Abs. 2 BAO sei nicht anwendbar.

15       Hiezu ist zunächst zu bemerken, dass es Zweck der Normierung eines Antragsrechts in § 201 Abs. 1 BAO mit BGBl. I Nr. 97/2002 - wie aus dem Bericht des Finanzausschusses (1128 BlgNR 21. GP 10) hervorgeht - war, Verschlechterungen der Rechtsposition des Abgabepflichtigen (vor allem hinsichtlich der Entscheidungspflicht) zu vermeiden, die sich ansonsten daraus ergeben könnten, dass nunmehr die Festsetzung der Selbstberechnungsabgaben grundsätzlich nicht mehr zwingend zu erfolgen habe, sondern im Ermessen liege.

16       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (im Wesentlichen zu vergleichbaren Bestimmungen der damaligen Landesabgabenordnungen) ist ein Antrag des Abgabepflichtigen auf Rückerstattung von Selbstbemessungsabgaben, der mit einer Unrichtigkeit der Selbstbemessung begründet wird, zunächst als solcher auf bescheidmäßige Festsetzung der Selbstbemessungsabgabe zu werten und zunächst bescheidmäßig über die Abgabenfestsetzung zu entscheiden (vgl. etwa VwGH 22.6.1990, 88/17/0242; 20.1.2003, 2002/17/0262; 28.2.2008, 2006/16/0129; vgl. weiters - zu § 201 BAO - VwGH 13.5.2003, 2001/15/0097). Der Abgabepflichtige hat auf einen Abgabenbescheid mangels gegenteiliger Anordnung jedenfalls dann Anspruch, wenn über die Richtigkeit der Selbstbemessung Meinungsverschiedenheit besteht (vgl. VwGH 25.6.1990, 89/15/0108; 23.11.2004, 2000/15/0148). Erweist sich die Selbstberechnung als zutreffend, ist der Antrag des Abgabepflichtigen als unbegründet abzuweisen (vgl. neuerlich - zu § 201 BAO - VwGH 13.5.2003, 2001/15/0097; 27.1.2009, 2006/13/0096 [betreffend das Jahr 2002]; 27.1.2009, 2006/13/0097).

17       Festsetzungsbescheide nach § 201 BAO sind Abgabenbescheide. Die Bestimmungen über die Bemessungsverjährung sind auch auf das bei Selbstbemessungsabgaben vorgesehene behördliche Festsetzungsrecht anzuwenden (vgl. VwGH 21.9.2006, 2005/15/0122, VwSlg. 8163/F). Durch einen vor Eintritt der Verjährung gestellten Antrag auf Festsetzung der Abgabe kann der Eintritt der Festsetzungsverjährung verhindert werden (vgl. jeweils zu Fällen aus der Zeit vor der ausdrücklichen Normierung eines Antragsrechts VwGH 26.4.2007, 2006/14/0039; 17.10.2012, 2009/16/0044; 17.10.2012, 2009/16/0198).

18       Die in der Begründung der Zulassung der Revision angesprochene und in der Revision behandelte Rechtsfrage ist demnach bereits in ständiger Rechtsprechung im Sinne der Darlegungen des Bundesfinanzgerichtes beantwortet.

19       In der Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

20       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff (insbesondere § 51) VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 26. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019130032.J00

Im RIS seit

09.08.2020

Zuletzt aktualisiert am

10.08.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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