TE Vwgh Erkenntnis 2020/2/13 Ra 2018/01/0040

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Veröffentlicht am 13.02.2020
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Melderecht

Norm

MeldeG 1991 §18 Abs1b
VwGVG 2014 §24
ZustG

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des P E in H, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in 8600 Bruck/Mur, Fridrichallee 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 5. Dezember 2017, Zl. LVwG-AV-952/001-2017, betreffend Meldeauskunft nach dem Meldegesetz 1991 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt St. Pölten), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber beantragte die Erteilung der Auskunft aus dem Melderegister, ob seine beiden näher genannten Enkelkinder mit einem Nebenwohnsitz gemeldet seien und brachte begründend vor, dass die Eltern der Enkelkinder getrennt seien, die Enkelkinder ständig bei der Mutter wohnten, an der dortigen Adresse Hauptwohnsitz gemeldet seien und beim Bezirksgericht N ein Unterhaltsverfahren anhängig sei, wofür die begehrte Auskunft erforderlich sei.

2 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Landeshauptstadt St. Pölten (belangte Behörde) vom 10. Juli 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers gemäß § 18 Abs. 1b Meldegesetz 1991 (MeldeG 1991) mangels berechtigten Interesses abgewiesen. 3 In der dagegen erhobenen Beschwerde beantragte der Revisionswerber die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und brachte soweit hier wesentlich vor, er habe die Gründe für seinen Antrag gegenüber der belangten Behörde genau dargelegt. Die in der Beschwerde näher ausgeführten Gründe seien jedoch nur unvollständig protokolliert worden.

Schließlich teilte der Revisionswerber in der Beschwerde mit, über keinen Wohnsitz und keine Postadresse in Österreich zu verfügen und verwies auf seine im Beschwerdeschriftsatz angegebene elektronische Abgabestelle.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) die Beschwerde ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, eine Auskunft nach weiteren Wohnsitzen bedürfe gemäß § 18 Abs. 1b MeldeG eines berechtigten Interesses, welches vom Revisionswerber hätte glaubhaft gemacht werden müssen. Der (vorgebrachte) Umstand, dass die Tochter des Revisionswerbers und Mutter der Enkelkinder ein Unterhaltsverfahren bzw. Obsorgestreitigkeiten mit dem Kindesvater habe, rechtfertige kein solches berechtigtes Interesse des Revisionswerbers. Ein Verweis auf ein Gerichtsverfahren, in dem der Revisionswerber nicht einmal Parteistellung habe, sei nicht ausreichend, um ein solches berechtigtes Interesse zu begründen.

Die Entscheidung über die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem pauschalen Verneinen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG.

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung seitens der belangten Behörde - erwogen:

Zulässigkeit

7 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, der Revisionswerber sei zu der vom Verwaltungsgericht für den 14. November 2017 anberaumten Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden, weil ihm die Ladung nicht an der von ihm bekanntgegebenen elektronischen Abgabestelle sondern an die im Antrag auf Meldeauskunft bekanntgegebene Adresse zugestellt und die Ladung dem Verwaltungsgericht mit dem Vermerk "Empfänger benutzt unregelmäßig die Abgabestelle" zurückgestellt worden sei. Dem Revisionswerber sei daher rechtswidrig die Möglichkeit der Teilnahme an der Verhandlung entzogen worden.

8 Im Übrigen fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung des Begriffs des "berechtigten Interesses" in § 18 Abs. 1b erster Satz MeldeG, insbesondere zur Rechtsfrage, ob der Begriff des "berechtigten Interesses" dem Begriff des "rechtlichen Interesses" entspreche.

9 Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

Nicht ordnungsgemäße Ladung zur mündlichen Verhandlung 10 Das Verwaltungsgericht hat für den 14. November 2017 eine mündliche Verhandlung anberaumt und die Ladung des Revisionswerbers an die gegenüber der belangten Behörde angegebene Adresse verfügt. Ohne Zustellversuch bzw. Hinterlegung wurde die Ladung dem Verwaltungsgericht mit dem Vermerk "Empf. besucht unregelmäßig die Abgabestelle." retourniert. Eine neuerliche Ladung des Revisionswerbers wurde nicht verfügt.

11 Dem Revisionswerber ist somit die Ladung zur anberaumten mündlichen Verhandlung bereits deshalb nicht rechtswirksam zugekommen. Trotzdem hat das Verwaltungsgericht die mündliche Verhandlung durchgeführt, zu der der Revisionswerber mangels wirksam zugestellter Ladung nicht erschien, der erschienene Vertreter der belangten Behörde jedoch Angaben zu den vom Revisionswerber für die begehrte Auskunft gegenüber der belangten Behörde bekanntgegebenen Gründen machte.

12 Dem rechtswidrigen Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung ist es gleichzuhalten, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Verhandlung durchgeführt worden ist, der Partei aber die Ladung zur Verhandlung nicht wirksam zugestellt wurde (vgl. etwa VwGH 11.6.2018, Ra 2018/11/0074, 0075, Rn 18, mwN). Der im Hinblick auf die nicht ordnungsgemäße Ladung des Revisionswerbers zu der vom Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG anberaumten mündlichen Verhandlung aufgezeigte Verfahrensmangel ist vorliegend wesentlich.

13 Das Verwaltungsgericht hat insofern das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Meldeauskunft gemäß § 18 Abs. 1b MeldeG 14 Die Meldebehörde hat gemäß § 18 Abs. 1 MeldeG, BGBl. Nr. 9/1992 idF BGBl. I Nr. 120/2016, unter den in dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen auf Verlangen aus dem Zentralen Melderegister Auskunft zu erteilen, ob und zutreffendenfalls wo innerhalb des Bundesgebietes ein eindeutig bestimmbarer Mensch angemeldet ist oder war. Scheint für den gesuchten Menschen kein angemeldeter oder zuletzt gemeldeter Hauptwohnsitz auf, so hat die Auskunft der Meldebehörde zu lauten:

"Es liegen über den/die Gesuchte(n) keine Daten für eine Meldeauskunft vor." Gemäß § 18 Abs. 1b erster Satz MeldeG hat die Meldebehörde bei Nachweis eines berechtigten Interesses auf Verlangen, soweit nicht eine Auskunftssperre besteht, auch andere gemeldete Wohnsitze aus dem zentralen oder lokalen Melderegister zu beauskunften. Dabei gilt für die Auskunftserteilung Abs. 1 sinngemäß (Abs. 1b dritter Satz).

15 Demnach stellt bereits allein der Antrag auf Auskunft aus dem Zentralen Melderegister, ob - wie im vorliegenden Fall - ein Mensch mit einem Nebenwohnsitz gemeldet ist, ein Verlangen auf Meldeauskunft nach § 18 Abs. 1b MeldeG dar. Voraussetzung für die vom Revisionswerber begehrte Meldeauskunft ist daher der Nachweis eines "berechtigten Interesses".

16 Während das Zentrale Melderegister aus Gründen der Publizität für die Öffentlichkeit in Bezug auf den Hauptwohnsitz als öffentliches Register geführt wird (vgl. die Erläuterungen zur Änderung des MeldeG durch das Materien-Datenschutz-Anpassungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 32/2018, in RV 65 BlgNR 26. GP, 69), dürfen andere Wohnsitze eines Menschen nur bei einem berechtigten Interesse beauskunftet werden. 17 Nach den Erläuterungen (RV 480 BlgNR 25. GP, 2) zu § 18 Abs. 1b MeldeG idF BGBl. I Nr. 52/2015 wird von einem berechtigten Interesse jedenfalls dann auszugehen sein, "wenn nach vernünftiger Erwägung durch die Sachlage von einem gerechtfertigten Interesse rechtlicher (bspw. Schuldnersuche) oder tatsächlicher (bspw. Verwandtensuche) Art auszugehen ist". Demgegenüber kann von rechtlichem Interesse nur dann gesprochen werden, wenn Auswirkungen auf (privat- oder öffentlichrechtliche) Rechtspositionen möglich sind bzw. vorliegen (vgl. etwa zur Ersetzung der Worte "berechtigtes Interesse" in § 61 PStG 1937 durch "rechtliches Interesse" in § 37 PStG 1983, VwGH 9.9.2003, 2002/01/0133). Der Begriff eines "berechtigten Interesses" in § 18 Abs. 1b erster Satz MeldeG geht somit über die Bedeutung des Begriffs "rechtliches Interesse" hinaus und umfasst auch tatsächliche Interessen (vgl. idS auch zum berechtigten Interesse nach dem WaffG 1996 etwa VwGH 1.9.2017, Ra 2017/03/0051, bzw. 18.12.2012, 2009/11/0249). Ausschließlich der Nachweis berechtigter Interessen des Antragstellers, nicht jedoch auch allfällige Interessen Dritter, können nach dem Wortlaut des Gesetzes ein Recht auf Beauskunftung iSd § 18 Abs. 1b MeldeG begründen.

Ergebnis

18 Das angefochtene Erkenntnis war im Hinblick auf die nicht ordnungsgemäße Ladung des Revisionswerbers zur mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

19 Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 20

14.

Wien, am 13. Februar 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018010040.L00

Im RIS seit

18.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

18.05.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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