TE OGH 2020/3/4 15Os105/19h

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Veröffentlicht am 04.03.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat am 4. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinksi, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Rechtspraktikanten Dr. Schöll als Schriftführer in der Strafsache gegen Franz K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der Untreue nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Franz K*****, Gabriele K***** und Denise H***** gegen das Urteil des Landesgerichts Wels als Schöffengericht vom 5. April 2019, GZ 15 Hv 85/18w-123, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden wird das angefochtene Urteil, das im Freispruch betreffend Franz K***** und Denise H***** unberührt bleibt, im Übrigen aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht Wels verwiesen.

Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und ihren Berufungen werden die Angeklagten auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch rechtskräftige Freisprüche (II./) enthält, wurden Franz K***** des Verbrechens der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und Abs 3 zweiter Fall StGB (I./A./) sowie Gabriele K***** (I./B./) und Denise H***** (I./C./) des Verbrechens der Untreue als Beteiligte nach §§ 12 dritter Fall, § 153 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben in R***** [I./]

„A./ Franz K***** im Zeitraum Ende 2014 bis etwa Mitte Mai 2015 durch das ständige Andringen auf Kreditgewährung und unter eindringlicher Schilderung seiner Notlage [...] Christian Ö***** dazu bestimmt, als Filialdirektor der A***** AG, *****, die ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wissentlich zu missbrauchen und dadurch die A***** AG in Höhe von 353.859,32 Euro am Vermögen geschädigt, indem dieser Franz K***** unter Missachtung seines Betragspouvoirs und entgegen der internen Anweisung, für die Bewilligung eines Kredits bei vorliegender Risikoklasse ein positives Votum des Kreditrisikomanagements einzuholen, einen wirtschaftlich unvertretbaren Kredit ohne Bestellung von Sicherheiten über fingierte Bau- und Wohnkonten (Kontonummer ***** und *****) vergab, wobei die Kreditverträge mit fingierten Finanzierungszwecken von der Mutter des Franz K*****, Gabriele K***** (über einen Betrag von 200.000 Euro) und dessen Stieftochter Denise H***** (über einen Betrag von 150.000 Euro) unterfertigt wurden, die Kreditvaluten jedoch nach Zuzählung mittels Barbehebungen und Überweisungen auf das Geschäftskonto lautend auf Franz K*****, Kontonummer *****, abflossen;

B./ Gabriele K***** am 13. Mai 2015 dadurch, dass sie – in Umgehung des Umstands, dass Franz K***** der Kredit mangels Kreditwürdigkeit nicht bewilligt worden wäre – einen Bau- und Wohnkreditvertrag (Kontonummer *****) mit fingierten Finanzierungszwecken über einen Betrag von 200.000 Euro unterfertigte, wobei die Kreditvaluta jedoch nach Zuzählung mittels Barbehebungen und Überweisungen auf das Geschäftskonto lautend auf Franz K*****, Kontonummer *****, abflossen, einen Beitrag zu der unter I./A./ angeführten Tathandlung des Christian Ö***** geleistet;

C./ Denise H***** am 13. März 2013 dadurch, dass sie – in Umgehung des Umstands, dass Franz K***** der Kredit mangels Kreditwürdigkeit nicht bewilligt worden
wäre –, einen Bau- und Wohnkreditvertrag (Kontonummer *****) mit fingierten Finanzierungszwecken über einen Betrag von 150.000 Euro unterfertigte, wobei die Kreditvaluta je nach Zuzählung mittels Barbehebungen und Überweisungen auf das Geschäftskonto lautend auf Franz K*****, Kontonummer *****, abflossen, einen Beitrag zu der unter I./A./ beschriebenen Tathandlung des Christian Ö***** geleistet.“

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil wenden sich die auf
§ 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Franz K***** und die gemeinsam ausgeführten, auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 10a StPO gegründeten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Gabriele K***** und Denise H*****.

Nach den Urteilsfeststellungen verfügte Christian Ö***** im Tatzeitraum als Filialdirektor einer im Urteil näher bezeichneten Bank bei Kreditvergaben über ein Pouvoir von 500.000 Euro, welches sich bei schlechter Bonität des Antragstellers auf 250.000 Euro reduzierte. Im Zuge von Finanzierungsbemühungen des bereits in finanziellen Schwierigkeiten steckenden Unternehmers Franz K***** (bankinterne Bonitätsstufe 7/8 von 9 Stufen) wurde Ö***** zudem von seinem Vorsitzenden explizit mitgeteilt, dass die Vergabe eines (weiteren) Kredits an den Genannten „nicht möglich“ sei.

Fanz K***** drängte Ö***** im Wissen, dass dieser „über kein Pouvoir verfügte und ihm keinerlei Finanzierung geben konnte“ weiterhin zur Kreditgewährung, weshalb Ö***** letztlich nach alternativen Möglichkeiten suchte. Um die Problematik der fehlenden internen Erlaubnis zu umgehen, wählte Ö***** eine „Strohmannkonstruktion“, bei welcher „nach außen hin“ mit deren Einverständnis Gabriele K***** und Denise H***** „als Kreditnehmer auftreten“ sollten. Franz K***** wurde von Ö***** in diesem Zusammenhang beauftragt, einen Lohnzettel mit einem „fiktiven Nettogehalt von ca. 2000 Euro“ betreffend H***** zu beschaffen, „um die Kreditwürdigkeit derselben zu dokumentieren“.

Unter der Angabe von „fingierten Finanzierungszwecken“ wurden von Ö***** schließlich je ein „Bau- und Wohnkonto“ für Gabriele K***** und Denise H***** eingerichtet. H***** unterzeichnete im März 2015 einen Kreditvertrag über 150.000 Euro, Gabriele K***** im Mai 2015 einen solchen über 200.000 Euro. Unmittelbar nach Zuzählung der jeweiligen Kreditvaluten auf diese Bau- und Wohnkonten flossen die Mittel durch Bartransaktionen und Überweisungen auf das Geschäftskonto des Franz K*****, der nahezu den gesamten Betrag zur Bezahlung andrängender Lieferanten, zur Aufrechterhaltung des laufenden Betriebs und zur Begleichung von Rückständen bei einer Gebietskrankenkasse verwendete.

Im März 2016 wurde gegen Franz K***** ein Insolvenzverfahren eingeleitet. Auf den oben beschriebenen Kreditkonten der Gabriele K***** und der Denise H***** hafteten im Urteilszeitpunkt die jeweiligen Kreditsummen übersteigende Beträge (insgesamt 353.859,32 Euro) aus.

Die drei Angeklagten hielten es (zu den Tatzeitpunkten) für gewiss, dass Ö***** (vorsätzlich) seine ihm eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, dadurch missbrauchte, dass er unter Missachtung seines Kreditpouvoirs und entgegen der Anordnung seines Vorgesetzten dem Franz K***** einen wirtschaftlich unvertretbaren Kredit bewilligte und die Kreditvaluta im Weg fingierter Bau- und Wohnkonten dem Genannten „zuzählte“, handelten jedoch trotzdem. Sie hielten es zudem ernstlich für möglich und fanden sich billigend damit ab, dass die Bank dadurch einen Schaden erlitt, und zwar Gabriele K***** und Denise H***** jeweils hinsichtlich eines 5.000 Euro, Franz K***** hinsichtlich eines 300.000 Euro übersteigenden Betrages. Franz K***** hielt es ernstlich für möglich und fand sich billigend damit ab, dass sich Ö***** vorwiegend aufgrund seines ständigen Andrängens auf Kreditgewährung zur Tat entschloss, er diesen also zur Tat bestimmte. Gabriele K***** und Denise H***** wiederum hielten es ernstlich für möglich und fanden sich billigend damit ab, dass sie durch ihre Bereitschaft zum Abschluss eines Kreditvertrags und durch ihre Unterschriftsleistung zum Befugnismissbrauch des Ö***** beitrugen.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden überzeugte sich der Oberste Gerichtshof davon, dass dem Urteil ein zum Nachteil der drei Angeklagten wirkender, von diesen nicht geltend gemachter Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet (§ 290 Abs 1 zweiter Satz iVm § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO), der eine Aufhebung des Urteils im Schuldspruch und in den davon abhängenden Aussprüchen gebietet:

Nach den Urteilsfeststellungen waren Gabriele K***** und Denise H***** – ungeachtet der Urteilspassagen zu einer „Strohmannkonstruktion“ für Franz K***** – („formale“) Kreditnehmerinnen der Bank, sodass Letzterer im Zeitpunkt der Kreditgewährung gegen diese Vertragspartnerinnen (je) eine Forderung auf Rückzahlung der Kreditsumme entstand. Aussagen zur Bonität der („formalen“) Kreditschuldnerinnen und zur Einbringlichkeit des gegen die beiden Frauen bestehenden Rückzahlungsanspruchs im Zeitpunkt der Kreditschuldentstehung trifft das Urteil nicht, obwohl die ausbezahlten Kreditsummen dem Anschein nach innerhalb der dargestellten Pouvoirgrenze des Filialleiters Christian Ö***** lagen und sich die konkrete Weisung des Vorgesetzten auf Versagung eines Kredits auf Franz K*****, nicht aber auf Gabriele K***** und Denise H***** als Kreditnehmer bezog (US 6 f). Inwiefern diese Weisung auf Kreditvergaben an die beiden Frauen durchschlagen sollte, lässt das Urteil gleichfalls offen.

Auf Basis der Urteilsfeststellungen lässt sich somit die (Rechts-)Frage (vgl 13 Os 55/17p; 11 Os 34/17k; 11 Os 7/17i; 12 Os 34/18v) nach der (objektiven) wirtschaftlichen Vertretbarkeit oder Unvertretbarkeit der Kreditvergaben an Gabriele K***** und Denise H***** derzeit nicht abschließend beurteilen. Auch in Bezug auf H***** trifft das Urteil keine klare Aussage dazu, ob eine (mit einem Lohnzettel über ein „fiktives Nettogehalt“ „dokumentierte“) Kreditwürdigkeit (US 7) im Zeitpunkt der der Kreditvergabe tatsächlich (objektiv) bestand oder nicht.

Die Feststellungen zur subjektiven Tatseite gehen deshalb ins Leere, weil sie sich auf eine Kreditvergabe an Franz K***** und nicht auf eine solche an die vertraglichen Kreditnehmerinnen beziehen, gegen die allein sich der Rückzahlungsanspruch der Bank richtet.

Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerden war das angefochtene Urteil somit bereits in nichtöffentlicher Sitzung im aus dem Spruch ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 285e StPO) und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit ihren Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen waren die Angeklagten auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Da die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten aufgrund einer amtswegigen Maßnahme gegenstandslos geworden sind, trifft sie keine Verpflichtung zum Kostenersatz (Lendl, WK-StPO § 390a Rz 12; RIS-Justiz RS0101558 [T1]).

Textnummer

E127718

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00105.19H.0304.000

Im RIS seit

09.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.04.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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