Gbk 2020/1/28 GBK I/808/18

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Veröffentlicht am 28.01.2020
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Diskriminierungsgrund

Geschlecht

Diskriminierungstatbestand

Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses, geschlechtsbezogene Belästigung durch mangelnde Abhilfe, geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte

Text

Bundeskanzleramt

Senat I der Gleichbehandlungskommission

Prüfungsergebnis gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz

(BGBl. Nr. 108/1979 idgF)

Der Senat I der Gleichbehandlungskommission (GBK) gelangte am 28. Jänner 2020 über den am 6. März 2018 eingelangten Antrag von A (Antragstellerin) betreffend die Überprüfung einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG (BGBl. I Nr. 66/2004 idgF) in eventu bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 7 GlBG sowie des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die X GmbH (Erstantragsgegnerin) und aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG durch B (Zweitantragsgegnerin) und C (Drittantragsgegnerin) nach Durchführung eines Verfahrens gemäß § 12 GBK/GAW-Gesetz iVm § 11 der Gleichbehandlungskommissions-GO (BGBl. II Nr. 396/2004 idgF), zu GZ GBK I/808/18, zu folgendem

PRÜFUNGSERGEBNIS:

A ist nicht aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.

A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG durch B diskriminiert worden.

A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG durch C diskriminiert worden.

A ist nicht aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG durch die X GmbH diskriminiert worden.

Dies ist eine gutachterliche Feststellung. Es handelt sich hierbei im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes1 nicht um einen Bescheid.

VORBRINGEN

Im Antrag und der Konkretisierung des Antrages vom 28. März 2018 wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:

Am 4. Februar 2018 habe sich die Antragstellerin bei einer Filiale der X GmbH auf ein in der Auslage ausgehängtes Inserat für eine Stelle als Verkäuferin beworben. Sie habe mehrere persönliche Gespräche mit dem Gebietsleiter, D, gehabt, der ihr zugesagt habe, dass sie mit Anfang März anfangen könnte. Sie sollte sich am 22. Februar 2018 direkt in der Filiale alles anschauen, am 1. März 2018 würde er mit den fertigen Papieren wieder da sein. Sie sei, wie von ihr verlangt, in schwarz gekleidet in der Filiale erschienen und habe dort vier Stunden gearbeitet. Ebenfalls anwesend seien zwei weitere Verkäuferinnen, B (Filialleiterin) und C, gewesen. Noch am selben Tag habe ihr D telefonisch mitgeteilt, dass aus dem Dienstvertrag nichts werde, da die Antragstellerin aus Sicht der anderen beiden Damen nicht attraktiv genug wäre und in … ein gewisser Standard gefragt wäre. Daraufhin habe die Antragstellerin die beiden Kolleginnen in der Filiale angerufen und gefragt, was das solle. Diese hätten die Aussage wiederholt, dass sie nicht attraktiv genug wäre.

Bei ihrem Bewerbungsgespräch mit dem Gebietsleiter der Erstantragsgegnerin, D, sei die Antragstellerin darauf hingewiesen worden, mit schlichter, schwarzer Kleidung zur Arbeit zu erscheinen, damit der zu verkaufende Y bestmöglich zur Geltung kommen würde. Dieser Aufforderung sei sie selbstverständlich nachgekommen, sie sei dezent geschminkt gewesen und habe Nagellack aufgetragen.

Während ihrer Probearbeitsstunden hätten die beiden Angestellten sich mehrfach über Kleidung und den Vorzug von Gelnägeln unterhalten, anscheinend werde das Thema Aussehen in der Firma sehr groß geschrieben.

Als D am Abend des Probearbeitstages der Antragstellerin die Absage aufgrund ihrer mangelnden Attraktivität und ihres mangelhaften Erscheinungsbildes erteilt habe, sei sie weiters von ihm darauf hingewiesen worden, dass die Geschäftsleitung dem Urteil der Angestellten vertrauen würde.

Im nachfolgenden Telefongespräch mit der Filialleiterin sei der Antragstellerin bestätigt worden, dass auf Order der Geschäftsleitung nur besonders attraktive und mit moderner, außergewöhnlicher Kleidung gewandete Damen ausgesucht werden würden. Der Antragstellerin würde es eindeutig an Attraktivität fehlen, ihrer Frisur und dem Makeup würde es an Pep und Schwung fehlen und ihre Kleidung wäre fad und altmodisch.

Die Antragstellerin sei der Meinung, dass es auch leider 2018 so sei, dass weibliche Bewerber immer noch ausschließlich aufgrund ihrer äußeren Erscheinung und nicht aufgrund ihrer Fähigkeiten eingestellt werden würden. Genau das sei auch ihr widerfahren, denn zu keiner Zeit sei ein Wort über ihre Ausbildung oder Erfahrungen und Fähigkeiten verloren worden. Männliche Bewerber würden bestimmt nach anderen Kriterien ausgewählt werden und niemals nach dem Aussehen.

In der auf Ersuchen des Senates I der GBK der rechtsfreundlichen Vertretung der Erstantragsgegnerin übermittelten Stellungnahme vom 28. Mai 2018, der auch die Zweit- und Drittantragsgegnerin vollinhaltlich zustimmten, bestritt diese die im Antrag vorgebrachten Vorwürfe, soweit die Richtigkeit nicht außer Streit gestellt wurde, und trat ihnen im Wesentlichen wie folgt entgegen:

Es sei richtig, dass die Antragstellerin am 22. Februar 2018 ihren „Schnuppertag" in der Filiale der Erstantragsgegnerin in … absolviert habe. Während dieser Zeit habe die Antragstellerin den Y-handel und das bestehende Verkäuferteam kennenlernen sollen.

Die Antragstellerin sei zuvor viele Jahre (18 Jahre) im Buchverkauf tätig gewesen. Nach dem erfolgreichen Vorstellungsgespräch mit D, dem Retail Manager der Erstantragsgegnerin, sei die Absolvierung eines solchen befristeten Schnuppertages im Ausmaß von vier Arbeitsstunden vereinbart worden, bevor man eine definitive Zusage für den Beginn eines Dienstverhältnisses erteilen würde.

Bestritten werde, dass seitens der Filialleiterin, B, oder D, welcher das Vorstellungsgespräch führte, in den Telefonaten, in welchen der Antragstellerin die Absage erteilt worden sei, die Worte „mangelnde Attraktivität" verwendet worden seien. D habe der Antragstellerin am 22. Februar 2018 telefonisch mitgeteilt, dass diese seitens der Geschäftsführung abgelehnt werden würde, zumal sich diese auf langjährige Erfahrung der Kollegenschaft aus der … und darauf basierende Urteilsfähigkeit in Bezug auf neue Kollegen verließe. Vielmehr verwendete D die Worte: “Die Kollegenschaft meinte, dass A ein bisschen zu wenig Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild lege".

Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses:

Unrichtig sei die Behauptung der Antragstellerin, dass „männliche Bewerber bestimmt nach anderen Kriterien und niemals nach dem Aussehen beurteilt würden". Männliche als auch weibliche Bewerber würden nach denselben Bewerbungskriterien beurteilt werden. Im Unternehmen der Erstantragsgegnerin nehme neben den sachlichen biographieorientierten Anforderungen, wie z.B. Ausbildung, Berufserfahrung, spezieller Kenntnisse, im Bewerbungsprozess geschlechtsneutral auch das äußere Erscheinungsbild einen Stellenwert ein. Dies aus dem Grund, da die zu vergebenden Stellen im Y-handel im … den unmittelbaren Kundenkontakt erfordern würden und die zukünftige MitarbeiterIn das Unternehmen und die zu verkaufende Y-marke repräsentieren solle. So werde geschlechtsneutral ein gewisser Typus einer Person gesucht und falls zutreffend, eingestellt. Eine weitere Anforderung sei, dass der Typus dieser Person in das bestehende Verkäuferteam passe und mit diesem harmonisiere.

Im Jahr 2017 habe sich ein männlicher Bewerber beworben, der nach denselben Bewerberkriterien beurteilt worden sei wie die Antragstellerin. Da der männliche Bewerber ein Tattoo getragen habe und dies dem gesuchten Typus des Unternehmens nicht entsprochen habe, sei das Tragen langärmliger Kleidung, welche das Handtattoo bedeckten, zur Bedingung, um überhaupt im Unternehmen der Erstantragsgegnerin als Y-verkäufer arbeiten zu können, gemacht worden. Dieser männliche Bewerber sei eingestellt worden und habe vorschriftsgemäß langärmlige Kleidung getragen, um sein Tattoo zu bedecken und somit dem Selbstbild des Unternehmens zu entsprechen.

Die Auffassung, aufgrund eines äußeren Erscheinungsbildes Rückschlüsse auf den Charakter und die Intelligenz einer Person zu schließen sei überholt und werde seitens der Erstantragsgegnerin abgelehnt.

Vielmehr vervollständige der gesuchte Typus einer Person, der sich im Äußeren und im Verhalten einer Person spiegele, das Selbstbild (Corporate Identity) des Familienunternehmens X GmbH. Betrachte man das Unternehmen als einen personalisierten Akteur, so lasse sich seine einheitliche Identität mit der Strategie konsistenten Handelns, Kommunizierens und auch visuellem Auftretens vermitteln. So ergäben diese komplementären Teile ein einheitliches Ganzes, es entstehe eine stabile Wahrnehmung dieses Unternehmens mit einem spezifischen Charakter, einem Selbstbild (Corporate Identity).

Seitens der Erstantragsgegnerin sei das Gleichbehandlungsgebot nicht verletzt worden. Es liege somit keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Dienstsverhältnisses vor.

Bestritten werde, „dass über die Ausbildung oder Erfahrungen sowie Fähigkeiten der Antragstellerin im Bewerbungsverfahren kein Wort verloren wurde". Im Unternehmen der Erstantragsgegnerin würden die Auswahlentscheidungen aufgrund einer Kombination von rational-analytischer Personalauswahl und subjektiven sowie erfahrungsbasiert-intuitiven Eindrücken basierten Entscheidungen getroffen werden. D, welcher das Vorstellungsgespräch mit der Antragstellerin geführt habe, habe wohlwollend die Ausbildung, die Erfahrung im Handel sowie die Fähigkeiten der Antragstellerin thematisiert. Erst durch die Erfüllung dieser Kriterien sei die Vereinbarung eines Probeschnuppertages möglich gewesen. Auf der subjektiven und erfahrungsbasiert-intuitiven Ebene würden Bewerbermerkmale wie z.B. ein gewisser passender Typ des Verkäufers oder Verkäuferin eine Rolle spielen.

Die physische Attraktivität sei kein objektivierbares Personenmerkmal und eine Frage individueller Vorlieben, also des „Geschmacks". Da die Schönheit bekanntlich im Auge des Betrachters liege, könne die Suche nach einem gewissen Typus nicht auf derselben Ebene wie die sachlichen Kriterien, z.B. die Ausbildung und die Berufserfahrung einer Bewerberin objektiv beurteilt werden. Da es sich hierbei somit um ein intuitives sachfremdes und subjektives Bewerberkriterium handele, sollte der Erstantragsgegnerin eine nicht objektivierbare subjektive Wahl belassen werden, ihrem Selbstbild durch Auswahl aus ihrer Sicht passender Bewerber Rechnung zu tragen. Eine andere Beurteilung führe zur Einschränkung der Unternehmensfreiheit.

Von einer Diskriminierung, unmittelbar oder mittelbar, könne hier im Sinne des Gleichbehandlungsgesetzes keine Rede sein. Keines der gesetzlich geschützten Merkmale, also weder das Geschlecht, das Alter, die ethnische Zugehörigkeit, die Religion oder Weltanschauung noch die sexuelle Orientierung oder Behinderung seien als Grund für die Ablehnung der Antragstellerin herangezogen worden. Eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei Begründung des Arbeitsverhältnisses liege daher nicht vor. Das Gleichbehandlungsgebot sei nicht verletzt worden.

Diskriminierung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch mangelhafte Abhilfe des Arbeitgebers durch Belästigung:

Bestritten werde, dass die Erstantragsgegnerin Verhaltensweisen gesetzt habe, welche den behaupteten Tatbestand iS des GIBG erfüllen würden. Die Mitarbeiterinnen der Erstantragsgegnerin, B (Zweitantragsgegnerin) und C (Drittantragsgegnerin), hätten sich während des Schnuppertages zwar allgemein über Make-Up und Frisuren unterhalten, zu keinem Zeitpunkt sei aber ein Arbeitsumfeld geschaffen worden, welches einschüchternd, feindselig oder demütigend wäre. Der Kleidungsstil der Antragstellerin sei zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden. Wäre ein männlicher Bewerber am Schnuppertag erschienen, hätte man sich ebenfalls über die Frisuren bzw. die Bärte gegebenenfalls das Make-up unterhalten.

Zu keinem Zeitpunkt seien von den beiden zuvor genannten Mitarbeiterinnen Äußerungen getätigt worden, welche den Tatbestand einer Belästigung erfüllen würden. Die Antragstellerin habe bis dato nicht dargetan, wie bzw. mit welchen konkreten Äußerungen oder Verhaltensweisen der Mitarbeiterinnen sie in ihrer Würde beeinträchtigt worden wäre oder dies bezweckt worden wäre.

Eine Diskriminierung durch Belästigung bei der Beendigung des Dienstverhältnisses liege somit nicht vor. Das Gleichbehandlungsgebot sei nicht verletzt worden. Aus all diesen Gründen stelle die Erstantragsgegnerin somit den Antrag, festzustellen, dass die Antragstellerin nicht diskriminiert wurde und das Verfahren einzustellen.

PRÜFUNGSGRUNDLAGEN

Der Senat I der GBK stützt seine Erkenntnis auf das schriftliche Vorbringen der Antragstellerin und der drei Antragsgegnerinnen sowie die mündliche Befragung von E (informierter Vertreter der Erstantragsgegnerin) und der Zweit- und Drittantragsgegnerinnen vom 10. Dezember 2019. Als weitere Auskunftsperson wurde D am 28. Jänner 2020 befragt. Des Weiteren bezieht sich der Senat in seiner Entscheidungsfindung auf die Bewerbungsunterlagen der Antragstellerin.

BEGRÜNDUNG2

Die im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des Gleichbehandlungsgesetzes, BGBl. I Nr. 66/2004 idgF, lauten:

„§ 3. Auf Grund des Geschlechtes, insbesondere unter Bezugnahme auf den Familienstand oder den Umstand, ob jemand Kinder hat darf im Zusammenhang mit einem Arbeitsverhältnis niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden, insbesondere nicht

1. bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“

㤠7. (1) Eine Diskriminierung auf Grund des Geschlechtes liegt auch vor, wenn eine Person durch geschlechtsbezogene Verhaltensweisen

         […]

2. durch den/die Arbeitgeber/in dadurch diskriminiert wird, indem er/sie es schuldhaft unterlässt, im Falle einer Belästigung durch Dritte (Z 3) eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen,

3. durch Dritte in Zusammenhang mit seinem/ihrem Arbeitsverhältnis belästigt wird […]“

(2) Geschlechtsbezogene Belästigung liegt vor, wenn ein geschlechtsbezogenes Verhalten gesetzt wird, das die Würde einer Person beeinträchtigt oder dies bezweckt, für die betroffene Person unerwünscht ist und

1. eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft oder dies bezweckt oder

2. der Umstand, dass die betroffene Person eine geschlechtsbezogene Verhaltensweise seitens des/der Arbeitgebers/Arbeitgeberin oder Vorgesetzten oder Kolleg/inn/en zurückweist oder duldet, ausdrücklich oder stillschweigend zur Grundlage einer Entscheidung mit Auswirkungen auf den Zugang dieser Person zur Berufsausbildung, Beschäftigung, Weiterbeschäftigung, Beförderung und Entlohnung oder zur Grundlage einer anderen Entscheidung in der Arbeitswelt gemacht wird.“

Generell ist zur Frage des Beweismaßes und der Beweislastverteilung im GBK-Verfahren anzumerken, dass eine betroffene Person, die sich auf einen Diskriminierungstatbestand im Sinne der §§  3, 7 GlBG beruft, diesen glaubhaft zu machen hat. Insoweit genügt daher nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (OGH) eine „Bescheinigung“ der behaupteten Tatsachen, wobei jedoch der bei der GBK zu erreichende Überzeugungsgrad gegenüber der beim „Regelbeweis“ geforderten „hohen Wahrscheinlichkeit“ auf eine „überwiegende Wahrscheinlichkeit“ herabgesenkt ist.

Vereinfacht gesagt muss mehr für die Darstellung des/der Antragstellers/Antragstellerin sprechen als dagegen. Dem/der AntragsgegnerIn obliegt dann zu beweisen, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass ein anderes von ihm/ihr glaubhaft gemachtes Motiv für die unterschiedliche Behandlung ausschlaggebend war oder ein Rechtfertigungsgrund vorliegt.

Bei einer (sexuellen) Belästigung gilt davon abweichend, dass es dem/der AntragsgegnerIn zu beweisen obliegt, dass es bei Abwägung aller Umstände wahrscheinlicher ist, dass die von ihm/ihr glaubhaft gemachten Tatsachen der Wahrheit entsprechen.

Der Senat I der GBK führte zwecks Überprüfung des Vorwurfes, die Antragstellerin sei aufgrund mangelnder Attraktivität und somit auch aufgrund ihres weiblichen Geschlechtes nicht bei der Erstantragsgegnerin eingestellt worden, weil bei einem Mann bei der Einstellung nicht das Aussehen beurteilt werde und sie sei durch Kommentare der Zweit- und Drittantragsgegnerinnen bezüglich des Aussehens der Antragstellerin diskriminiert worden, ein Ermittlungsverfahren im Sinne des GBK/GAW-Gesetzes durch und geht von folgendem Sachverhalt aus:

Die Antragstellerin, Magistra der … (Studien: … und …), arbeitete … Jahre lang als …händlerin in einem Geschäft im ….

Nachdem die Filiale, in der die Antragstellerin als …händlerin gearbeitet hatte, aus wirtschaftlichen Gründen geschlossen werden musste, bewarb sie sich im Februar 2018 bei der Erstantragsgegnerin um eine ausgeschriebene Stelle als Verkäuferin für die Filiale … in …. Nach mehreren Gesprächen mit D, zum damaligen Zeitpunkt Retail Manager der Erstantragsgegnerin, vereinbarte die Antragstellerin mit ihm einen Schnuppertag für den 22. Februar 2018. D teilte der Antragstellerin mit, dass sie an diesem Tag schwarz gekleidet in der betreffenden Filiale erscheinen solle und sie wahrscheinlich schon ab März 2018 zu arbeiten beginnen könne.

Am 22. Februar 2018 erschien die Antragstellerin um ca. 09:45 Uhr dann auch in Schwarz gekleidet zu ihrem Schnuppertag. Die Filialleiterin B (Zweitantragsgegnerin) und die Filialmitarbeiterin C (Drittantragsgegnerin) führten die Antragstellerin an diesem Tag in den Arbeitsalltag ein und zeigten ihr die wesentlichen Aufgabenbereiche. Selbst mitgearbeitet hat die Antragstellerin dabei aber nicht, sondern nur die Filialmitarbeiterinnen beobachtet. Nach wenigen Stunden war der Schnuppertag für die Antragstellerin beendet und noch am selben Tag teilte ihr D – nach Rücksprache mit der Geschäftsführung – telefonisch mit, dass aus der Anstellung nichts werde, da die Filialmitarbeiterinnen den Eindruck gewonnen hätten, dass die Antragstellerin zu wenig Wert auf ihr äußeres Erscheinungsbild lege. Von mangelnder Attraktivität war dabei nicht die Rede. Daraufhin rief die Antragstellerin in der Filiale an und die Zweitantragsgegnerin erklärte ihr, dass sie bezüglich ihres Typs und des Teams nicht für die Stelle in Frage komme. Die Drittantragsgegnerin wurde von D und der Zweitantragsgegnerin nicht nach ihrer Meinung zur Antragstellerin gefragt.

Auch von einem männlichen Mitarbeiter, der als Typ gut ins Team passte, forderte die Erstantragsgegnerin, dass dieser schwarz angezogen zur Arbeit erscheine, seine tätowierten Arme mit Kleidung bedecke und Männerschmuck trage.

In rechtlicher Hinsicht ist der Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:

Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses gemäß § 3 Z 1 GlBG durch die Erstantragsgegnerin vor.

Die Formulierung „bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses“ beschränkt sich nicht auf die konkrete Entscheidung über die Einstellung, sondern erfasst auch Benachteiligungen im Rahmen des in der Regel vorausgehenden Auswahlverfahrens. Für die Beurteilung einer Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses ist somit auf verschiedene, dem Vertragsabschluss „vorgelagerte“ bzw. diesen „vorbereitende“ Verhaltensweisen von ArbeitgeberInnen oder für diese handelnde Personen Bedacht zu nehmen (Vertragsanbahnung).3

Der Begriff der „Beendigung des AV“ im § 3 Z 7 GlBG ist nicht auf eine bestimmte Art des AV oder eine bestimmte Art der Beendigung beschränkt und ist daher weit zu verstehen. Vom Geltungsbereich des GlBG sind somit auch ProbeAV und befristete AV erfasst.4

Wie sich im Zuge des Ermittlungsverfahrens herausstellte, schaute die Antragstellerin an ihrem Schnuppertag den Mitarbeiterinnen nur bei der Arbeit zu, um einen Einblick in den Arbeitsalltag zu gewinnen. Daher ist hier nicht von einem Probearbeitsverhältnis auszugehen, weshalb eine Diskriminierung bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses aufgrund des Geschlechtes zu prüfen war.

Der Antragstellerin gelang es nach Ansicht des Senates durch ihre Ausführungen im Antrag und der Antragskonkretisierung glaubhaft den Anschein einer Diskriminierung darzulegen. So ließ der geschilderte Zusammenhang zwischen Geschlecht und Aussehen – bei ihr sei im Bewerbungsprozess aufgrund ihres weiblichen Geschlechtes ein besonderes Augenmerk auf ihr Aussehen gelegt worden, was bei Männern sicherlich nicht der Fall sei – darauf schließen, dass die Antragstellerin aufgrund ihres Geschlechtes bei der Begründung des Arbeitsverhältnisses von der Antragsgegnerin benachteiligt wurde. (Einen persönlichen Eindruck der Antragstellerin konnte der Senat jedoch nicht gewinnen, da sie auch nach dreimaliger Ladung nicht zur Befragung vor dem Senat erschien.)

Daher verlagerte sich die Beweislast auf die Antragsgegnerin.

Durch die Stellungnahme der Erstantragsgegnerin einerseits und die Aussagen der Auskunftspersonen E und B andererseits, konnte ganz klar dargelegt werden, dass auch bei männlichen Bewerbern das äußere Erscheinungsbild bzw. ein gewisser VerkäuferInnentyp eine ausschlaggebende Rolle bei der MitarbeiterInnenauswahl der Erstantragsgegnerin spielen. Dabei wird von der Erstantragsgegnerin auch die Meinung der jeweiligen Filialleitung berücksichtigt. So erklärte E glaubwürdig, dass auch für männliche Mitarbeiter gewisse Bekleidungsvorschriften gelten würden und diese ebenso Herrenschmuck tragen müssten. Von B wurde dies bestätigt, indem sie nachvollziehbar ein Beispiel eines Mitarbeiters anführte, der bezüglich seines Typs gut ins Team passte, aber auch aufgefordert wurde, seine Tätowierungen mit bestimmter Kleidung zu bedecken, da diese nicht zum Image der Erstantragsgegnerin passen würden.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der Senat daher zu der Ansicht, dass es der Erstantragsgegnerin gelungen ist, zu beweisen, dass neben den sachlich biografieorientierten Anforderungen sowohl an weibliche als auch an männliche BewerberInnen bzw. MitarbeiterInnen dieselben Anforderungen bezüglich ihres äußeren Erscheinungsbildes gestellt werden und diese einem gewissen VerkäuferInnentyp entsprechen müssen, wobei hier nicht nach dem Geschlecht unterschieden wird.

Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch eine geschlechtsbezogene Belästigung durch Dritte gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 GlBG vor.

Die geschlechtsbezogene Belästigung bezieht sich sowohl auf das biologische Geschlecht an sich, d. h. auf die Unterscheidung zwischen Mann und Frau, als auch auf daran anknüpfende Rollenzuweisungen. Unter geschlechtsbezogenes Verhalten sind jene Verhaltensweisen zu subsumieren, die die Betroffenen aufgrund ihres Geschlechtes belästigen, die aber nichts mit sexuellem Verhalten zu tun haben. Kern der Belästigung im Sinne des § 7 ist das Abzielen auf das bloße Geschlecht.5

Während bei bestimmten Äußerungen der „Geschlechtsbezug“ auf der Hand liegt (zB Blondinenwitze), ist dort, wo herabwürdigendes Verhalten, Gehässigkeiten, Beschimpfungen, Handgreiflichkeiten etc. nicht per se geschlechtsbezogen erfolgen, das Motiv der belästigenden Person für diese Verhaltensweisen maßgebend; so wurde in einem vom OGH zu beurteilenden Fall festgestellt, dass ein bestimmtes Verhalten des Belästigers gegenüber der belästigten Mitarbeiterin darauf beruhe, dass „sie eine Frau war“. Letztlich hängt es von den Umständen des Einzelfalles ab, ob ein bestimmtes Verhalten geschlechtsbezogen ist.6

Nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens ist der Senat nicht vom Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen einer Belästigung gemäß § 7 GlBG durch die Zweit- und Drittantragsgegnerinnen überzeugt. Für den Fall, dass der Beweis von strittigen, entscheidungswesentlichen Tatsachen nicht erbracht werden kann, greifen daher im Hinblick auf die hier durch die Antragstellerin behauptete Belästigung die eingangs erwähnten besonderen Regeln zur Beweiserleichterung. Insbesondere beim Vorwurf der Belästigung gestaltet es sich – wie sich auch in diesem Fall zeigt – oft äußerst schwierig den vollen Beweis zu erbringen, da Behauptung gegen Behauptung steht.7 Der mündlichen Befragung der Beteiligten und dem persönlichen Eindruck, den der Senat von ihnen gewinnt, kommt eine Schlüsselrolle bei der Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Vorbringens zu.8 Insbesondere beim Vorwurf der Belästigung sind die Schilderungen der Antragstellerin/des Antragstellers von besonderer Bedeutung, da der Tatbestand nach § 7 GlBG eine subjektive Komponente des/der Betroffenen enthält.

Wie oben bereits erwähnt, wurde die Antragstellerin zu den Sitzungen des Senates I der GBK am 22. Oktober 2019, 10. Dezember 2019 und 28. Jänner 2020 geladen und sie ist zu keinem der Termine erschienen. Daher konnte sich der Senat keinen persönlichen Eindruck von ihr verschaffen und war ihm die Beurteilung der Glaubwürdigkeit des Vorbringens allein aufgrund des schriftlichen Antrages samt Konkretisierung nicht in einem Ausmaß möglich, dass er von der Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der behaupteten Tatsachen überzeugt worden wäre.

Im Hinblick auf die Beweislastregeln des § 12 Abs. 12 GlBG gelangte der erkennende Senat daher zu der Ansicht, dass es der Antragstellerin nicht gelungen ist, eine Belästigung durch die Zweit- und Drittantragsgegnerinnen glaubhaft zu machen. Daher geht dieses Beweisdefizit folglich zu Lasten der Antragstellerin.

Es liegt keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes durch schuldhaftes Unterlassen des/der ArbeitgeberIn im Falle einer Bela?stigung durch Dritte eine nach den gesetzlichen Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrages angemessene Abhilfe zu schaffen gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 GlBG vor.

Die Haftung des/der AG im Falle einer geschlechtsbezogenen Belästigung durch Dritte besteht nur dann, wenn er/sie es schuldhaft unterlassen hat, eine auf Grund gesetzlicher Bestimmungen, Normen der kollektiven Rechtsgestaltung oder des Arbeitsvertrags angemessene Abhilfe zu schaffen. Ist der/die AG eine juristische Person, ist ihr das Verhalten ihrer vertretungsbefugten Organe (Vorstandsmitglieder, Geschäftsführer etc.) unmittelbar zuzurechnen (§ 7 Abs. 1 Z 1 und 2).91011

Fraglich könnte sein, ob der/die AG nach (oder wegen) § 6 Abs. 1 Z 2 und § 7 Abs. 1 Z 2 auch für das schuldhafte Unterlassen eines „Erfüllungsgehilfen“ nach § 1313a ABGB haftet. Dies ist zu bejahen, wenn der/die AG eine andere Person mit der Erfüllung des Gleichbehandlungsgebots bzw. der Abhilfe im Fall der (sexuellen) Belästigung (sei es im speziellen Fall oder auch generell) betraut hat und diese andere Person schuldhaft die Erfüllung bzw. Abhilfe unterlässt.

Nachdem oben bereits die Glaubhaftmachung einer Belästigung durch Dritte verneint wurde, kann somit auch keine mangelnde Abhilfe der Erstantragsgegnerin vorliegen, weshalb dieser Tatbestand nicht näher zu prüfen war.

Zusammengefasst geht der Senat daher davon aus, dass das äußere Erscheinungsbild und ob einem bestimmten VerkäuferInnentyp entsprochen wird bei allen BewerberInnen eine Rolle im Auswahlverfahren der Erstantragsgegnerin spielt und nicht im Zusammenhang mit dem Geschlecht steht. Weiters konnte die vorgebrachte Belästigung durch Dritte mangels unmittelbaren Eindrucks über die Betroffenheit der Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht werden.

Wien, 28. Jänner 2020

Dr.in Eva Matt

Vorsitzende des Senates I der GBK

1  Vgl. z.B. VfSlg. 19.321.

2  Im weiteren Verlauf werden (akademische) Titel nicht weiter angeführt.

3  Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz. 13 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

4  Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 3 Rz. 137 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

5  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz. 3 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

6  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz. 15; OGH 2.9.2008, 8 ObA 59/08x.

7  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 12 Rz. 127; 307 der Beilagen XXII. GP – Regierungsvorlage, § 20.

8  Zur Bedeutung des persönlichen Eindrucks RIS-Justiz RS0098413 (OGH); zum Zweck einer mündlichen Anhörung RIS-Jusitz RS0130315 (EGMR).

9 

10 

11  Vgl. Hopf/Mayr/Eichinger, GlBG (2009) § 7 Rz. 7 (Stand 1.1.2009, rdb.at).

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2020
Quelle: Gleichbehandlungskommisionen Gbk, https://www.bmgf.gv.at/home/GK
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