TE Bvwg Beschluss 2019/12/23 I421 2184957-2

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Veröffentlicht am 23.12.2019
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Entscheidungsdatum

23.12.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I421 2184957-2/3E

BESCHLUSS

In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2019, Zl. 1067341508-191276502, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA Irak, hat das Bundesverwaltungsgericht durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG sowie § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Antragsteller, ist eigenen Angaben zufolge ein Staatsangehöriger des Irak, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 5.5.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 6.5.2015 gab der Antragsteller an, er sei sunnitischer Moslem, Angehöriger der Volksgruppe der Araber und stamme aus Tal Afar im Nordwesten des Irak. Im Irak würden noch seine Mutter sowie seine Brüder und Schwestern leben.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Antragsteller an, sein Vater sei im Jahr 2008 ermordet worden, woraufhin er sich dann 2 Jahre lang versteckt gehalten und versucht habe, den Irak zu verlassen. Im Jahr 2011 sei der Antragsteller dann in die Türkei gereist und habe dort gelebt; in der Türkei habe er einen Asylantrag gestellt, welcher negativ entschieden worden sei und habe er dann gemeinsam mit diversen Freunden die Türkei verlassen und sei letztlich illegal nach Österreich eingereist. Auf nochmaliges Nachfragen nach seinen Fluchtgründen wiederholte der Antragsteller, sein Vater sei 2008 ermordet worden. Auf die Frage nach seinen Rückkehrbefürchtungen gab der Antragsteller wörtlich an: "Ich fürchte die Al Kaida und habe Angst um mein Leben" (AS. 33).

Dokumente wurden durch den Antragsteller anlässlich seiner Erstbefragung nicht in Vorlage gebracht, da er diese seinen Angaben zufolge in der Türkei aufbewahre.

2. Am 5.10.2017 wurde der Antragsteller vor dem BFA, Regionaldirektion Tirol, niederschriftlich befragt.

Eingangs wurden vom Antragsteller sein irakischer Reisepass, Personalausweis, Staatsbürgerschaftsnachweis sowie eine Bestätigung von UNHCR Ankara vom 3.2.2013, dass der Antragsteller Asyl beantragt habe, im Original vorgelegt. Sodann wiederholte der Antragsteller seine bereits bei der Erstbefragung getätigten Angaben zu seiner Person, wobei er davon abweichend zu seiner Volksgruppe "Turkmene" angab.

Zu seinen Lebensumständen im Irak gab der Antragsteller an, er habe bis zur Ausreise als Landwirt im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb gearbeitet. Seine Familie sei wohlhabend; sie würden diverse landwirtschaftliche Liegenschaften besitzen. Zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit gab der Antragsteller sodann nochmals an, er gehöre der arabischen Volksgruppe an und sei sunnitischer Moslem; er spreche Turkmenisch, Arabisch und ein wenig Deutsch. Mit seiner Familie stehe er regelmäßig in telefonischem Kontakt.

Auf die Frage nach seinen Fluchtgründen gab der Antragsteller an, am 10.4.2008 sei sein Vater in Tal Afar in H. K. (Ort in Tal Afar) auf einem Markt angeschossen und am 13.04.2008 im Krankenhaus gestorben (AS. 97). Ca. 15 Tage nach dem Tod seines Vaters habe der Antragsteller einen Anruf von einem Mitglied der Al-Kaida bekommen.

Diese Person habe zu ihm gesagt: "Zahle 50.000,- USD in einer Woche oder du wirst wie dein Vater getötet". Der Antragsteller habe dies seiner Familie mitgeteilt und diese hätte gesagt, dass er flüchten müsse. Dann sei er nach Kurdistan zu dort lebenden Nachbarn in Z. geflüchtet. Er sei dort für ungefähr 2 Jahre aufhältig gewesen und sei von seiner Familie finanziell unterstützt worden, weil er keine Arbeitserlaubnis gehabt habe und dort illegal gewesen sei. Am 24.8.2011 habe er entschieden, das Land zu verlassen und sei dann legal in die Türkei (Adana) gereist.

Auf näheres Nachfragen nach dem Drohanruf der Al Kaida gab der Antragsteller an, dieser sei 15 Tage nach dem Tod seines Vaters, somit am 28.4.2008, erfolgt. Am 9.10.2008 sei er dann nach Kurdistan gereist, wo er aufgrund der finanziellen Unterstützung durch seine Familie leben habe können. In der Zeit zwischen dem 28.4.2008 und dem 9.10.2008 sei er zu Hause gewesen, wobei er in dieser Zeit nicht bedroht worden sei; er wolle allerdings hinzufügen, dass es seinerzeit am 28.4.2008 gleich zwei telefonische Bedrohungen gegeben habe, und zwar eine um ca. 13:30 Uhr und dann eine weitere ungefähr zwei Stunden später. Dies habe er bislang nicht angegeben, da er ohnedies zutreffend angegeben habe, dass er am 28.4.2008 eben telefonisch bedroht worden sei.

3. Mit dem Bescheid vom 3.1.2018 wurde der Antrag des Antragstellers auf internationalen Schutz vom 5.5.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.), gemäß § 55 Abs 1a FPG wurde ausgesprochen, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über seinen Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs 1 Ziffer 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.)

4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zu L503 214957-1/8E wurde der Beschwerde gegen den Bescheid vom 3.1.2018 gegen die Nichtgewährung von internationalem Schutz, die Rückkehrentscheidung, die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels und die Feststellung, dass die Abschiebung in den Irak zulässig ist, keine Folge gegeben. Dieses Erkenntnis ist rechtskräftig.

5. Am 20.11.2019 wurden Sie im Rahmen der Dublin Verordnung von Belgien rücküberstellt.

Bei der am 20.11.2019 durchgeführten Erstbefragung gaben Sie im Wesentlichen an, dass die alten Asylgründe aufrecht blieben, sich das schiitische Machtgefüge ausgebreitet hätte. Für Turkmenen und Sunniten wäre das Leben schlecht und unterdrückt. Der Antragsteller hätte Anfang 2019 von seinen Eltern gehört, dieses seien in ein anderes Lager gebracht worden, wo sie unter äußerst schlechten Bedingungen leben müssten (AS 16).

6. Am 17.12.2019 wurde der Fremde in Beisein seines Rechtsberaters von der belangten Behörde einvernommen. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurde der Fremde darauf hingewiesen, dass sein erstes Asylverfahren bereits rechtskräftig negativ entschieden worden sei und sein gegenständlicher Antrag wegen bereits entschiedener Sache zurückzuweisen sei. Der Fremde erklärte, im Irak werde gäbe es das Gerücht, dass er beim IS sei. Er habe 2011 seine Heimat verlassen und in der Türkei gelebt.

7. In weiterer Folge hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenüber dem Fremden am 17.12.2019 mit mündlich verkündetem Bescheid den faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG iVm § 12a Abs. 2 AsylG auf und legte sie die Entscheidung der zuständigen Gerichtsabteilung I421 des Bundesverwaltungsgerichts am 19.12.2019 samt dem Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller ist Staatsangehöriger des Irak, sunnitischen Glaubens und Angehöriger der turkmenischen Volksgruppe. Er stammt aus Tal Afar im Nordwesten des Irak, wo er im elterlichen Landwirtschaftsbetrieb mitarbeitete. Von 2008 bis Mitte 2011 hielt sich der Antragsteller in der autonomen Region Kurdistan auf und lebte in weiterer Folge in der Türkei, wo er auch Asyl beantragte; im April 2015 verließ er die Türkei in Richtung Österreich.

Im Irak leben seine Mutter, seine acht Brüder sowie zwei Schwestern, wobei sich diese zurzeit noch in einem Flüchtlingslager aufhalten. Mit seiner Familie steht der Antragsteller regelmäßig in telefonischem Kontakt. Sein Vater verstarb bereits im Jahr 2008.

In Österreich hat der Antragsteller hat keinen engeren Freundes- oder Verwandtenkreis.

Der erste Asylantrag, den er damit begründete, dass der er XXXX abgewiesen und über ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht eine dagegen erhobene Beschwerde in den hier wesentlichen Punkten als unbegründet abwies, ist diese Entscheidung in Rechtskraft erwachsen.

Von Ende November 2018 bis 20.11.2019 hielt sich der Fremde in Deutschland, Frankreich und Belgien auf.

Die maßgebliche Lage im Irak hat sich seit rechtskräftig beendetem Vorverfahren nicht entscheidungswesentlich negativ für den Fremden geändert.

Der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz des Fremden wird voraussichtlich abzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der festgestellte maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der Verwaltungsakte der belangten Behörde sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Des Weiteren wurden ergänzend Auskünfte aus dem Strafregister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Betreuungsinformationssystem über die Grundversorgung (GVS) eingeholt.

Die Feststellungen zu seiner Person, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Glaubenszugehörigkeit sowie seiner Muttersprache leiten sich aus seinen glaubhaften Angaben im Verfahren seines vorangegangenen ersten Asylverfahrens ab. Die Identität des Fremden erweist sich durch den von ihm vorgelegten Personalaus- und Staatsbürgerschaftsnachweis als geklärt.

Dass der Fremde gesund ist, bestätigte er zuletzt in seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2019. In Zusammenschau mit seinem Alter leitet sich daraus die Feststellung seiner Arbeitsfähigkeit ab.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen im Irak, insbesondere seiner Schul- und nicht vorhandenen Berufsausbildung, dem bisherigen Verdienst seines Lebensunterhaltes, seinem Aufenthalt bis zu seiner Ausreise sowie die Feststellungen zu seinen familiären Situation und den vorhandenen familiären Anknüpfungspunkten im Irak gründen sich einerseits aus seinen getätigten glaubhaften Angaben im Verfahren seines vorangegangenen ersten Asylantrages in Zusammenschau mit den diesbezüglich glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren vom 17.12.2019.

Die Angaben zum vorangegangenen Asylverfahren des Fremden und dessen rechtskräftiger negativer Abschluss ergeben sich aus dem Verwaltungsakt der belangten Behörde und der Einsichtnahme in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister. Den Aufenthalt in Deutschland, Frankreich und Belgien bestätigte der Fremde in seiner niederschriftlichen Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.

Dass sich die maßgebliche Lage im Irak hat sich seit rechtskräftig beendetem Vorverfahren entscheidungswesentlich negativ geändert hat, gründet auf den aktuellen Länderberichten (Stand 30.10.2019), die dem Fremden bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Kenntnis gebracht wurde. Der Fremde trat weder den Länderberichten, noch den Quellen explizit entgegen und führte aus, dass Turkmenen im Irak unterdrück würden.

Die Feststellung, dass der gegenständliche Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen sein wird, begründet sich vor allem darin, dass sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat (vgl. VwGH 18.09.2019, Ra 2019/18/0338). Berücksichtigt man die Angaben des Fremden aus seinem abgeschlossen ersten Asylantrag mit seinen Angaben im gegenständlichen Folgeantrag resultiert daraus, dass die Fluchtmotive ident sind. Dies ergibt sich zunächst aus dem Erstbefragungsprotokoll vom 20.11.2019, wenn er nach Vorhalt seines bereits rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens auf die Frage, weshalb er nunmehr einen neuerlichen Asylantrag stelle, wie folgt ausführt: "Die alten Asylgründe bleiben aufrecht. Zusätzlich kommt noch hinzu, dass sich das schiitische Machtgefüge im Irak ausgebreitet hat. Sogar meine Eltern wurden daraufhin von den Schiiten verfolgt. Die Unterdrückung der Turkmenen wurde seither stärker, da wir ohnehin schon eine Minderheit im Irak waren aber dazu kommt noch, dass wir auch Sunniten sind. Das sind alle meine Flucht- und Asylgründe. Weitere Gründe gibt es nicht."

Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 17.12.2019, erklärte er: "Ich habe nicht gesagt, dass meine Eltern verfolgt sind und es stimmt, mein Vater wurde 2008 getötet. ... Als ich in der Türkei gelebt habe, gab es das Gerücht, dass ich in einem Trainingslager des IS war. Meine Eltern waren in einem Flüchtlingslager in Tel Afar. Sie sind seit 2009 wieder zurück und ihnen wurde gesagt, dass ich beim IS gekämpft habe." Auf Vorhalt, das Vorbringen in Bezug auf den IS sei nie Teil seines Fluchtvorbringens gewesen, erklärte der Antragsteller, es sei neu. Au Vorhalt, das könne nicht neu sein, weil er nicht im Heimatland gewesen sei, erklärte der Antragsteller, es sei 2017 gewesen. Zu diesen Ausführungen, dass ein Gerücht bestehe, wonach er für den IS gekämpft habe, ist anzumerken, dass diese Behauptung keinen glaubhaften Kern aufweist und es sich hierbei um ein gesteigertes Vorbringen handelt. Die Angaben des Antragstellers dazu (AS 139 ff) sind zudem widersprüchlich und unkonkret, er vermach auch nicht plausibel und nachvollziehbar zu erklären, warum er das nicht bei seiner Erstbefragung angegeben hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zur Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Gemäß § 12a Abs. 2 AsylG, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden unter nachstehenden Voraussetzungen aufheben, wenn der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt hat und kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG vorliegt:

1. Gegen den Antragsteller besteht eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG,

2. der Antrag ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung würde keine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für den Antragsteller als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen.

Als Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG ist jeder einem bereits rechtskräftig erledigten Antrag nachfolgender weiterer Antrag zu qualifizieren. Im gegebenen Fall hat der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG gestellt.

Im gegenständlichen Verfahren sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG gegeben:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.01.2018 wurde der erste Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Irak rechtskräftig negativ entschieden. Dem Fremden droht keine asylrelevante Verfolgung im Irak. Mit selbigem Bescheid hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auch rechtskräftig einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.04.2018, GZ: L503 2184957-1/8E in den vorgenannten Spruchpunkten als unbegründet ab. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

Beim gegenständlichen Antrag des Fremden auf internationalen Schutz vom 20.11.2019 handelt es sich somit um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG und liegt auch kein Fall des § 12a Abs. 1 AsylG vor.

Der gegenständliche Folgeantrag vom 20.11.2019 ist voraussichtlich zurückzuweisen, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist: Eine allfällige Sachverhaltsänderung wurde in der Ersteinvernahme nicht behauptet. Das nunmehrige Vorbringen, dass das Gerücht kursiere, der Antragsteller habe für den IS gekämpft, wird als Steigerung und als solches als unglaubhaft gewertet. Auch ist dieses Vorbringen so unkonkret, widersprüchlich und lässt sich daraus kein nachvollziehbarer Konnex zu einer asylrelevanten Verfolgung ableiten. Zudem gab der Fremde bei der Erstbefragung an, dieselben Fluchtgründe zu haben wie im vorangegangenen rechtskräftig negativ entschiedenen Asylverfahren, von einer dem vorgenannten nunmehr behaupteten Gerücht, machte er aber keine Erwähnung.

Aus den Länderberichten ergibt sich, dass auch im Hinblick auf die allgemeine Situation im Herkunftsstaat keine maßgebliche Änderung der Lage im Vergleich zum vorangegangenen Bescheid eingetreten ist.

Ein auf das AsylG gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise - für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status - auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG aus:

Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U1533/10; VwGH 19.2.2009, 2008/01/0344 mwN).

Auch diesbezüglich wurden keine Sachverhaltsänderungen vorgebracht.

Die Abschiebung würde auch keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK darstellen:

Auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr in den Irak die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und er in die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre (zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059), gibt es im vorliegenden Fall keinen Anhaltspunkt. Der Fremde ist volljährig, gesund und erwerbsfähig. Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte. Außerdem besteht ganz allgemein im Irak derzeit keine solche extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und Nr. 13 zu EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass bezogen auf den Fremden ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK erschlossenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht.

Eine Gefährdung iSd Protokolle Nr. 6 oder 13 zur EMRK wird vom Fremden nicht vorgebracht. Im Hinblick auf Art. 8 EMRK hat der Fremde angegeben, in Österreich keine Familie oder familienähnliche Lebensgemeinschaft zu haben. Eine besondere Aufenthaltsverfestigung kann angesichts seines Aufenthalts in Österreich nicht angenommen werden. Es kann daher auch keine Verletzung seines Rechts auf Privat- oder Familienleben durch eine Abschiebung festgestellt werden.

Auf Grund der aktuellen Länderberichte kann nicht festgestellt werden, dass dem Fremden als Zivilperson durch die Rückkehr in den Irak eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit in Folge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes erwachsen würde.

Da somit alle Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG erfüllt sind, ist spruchgemäß festzustellen, dass der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes vom 17.12.2019 rechtmäßig ist und die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes vorliegen.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache und zur Beurteilung "gesteigerten" Vorbringens in Folgeverfahren. Weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, Folgeantrag,
Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real risk, reale
Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I421.2184957.2.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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