TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 W137 2228477-1

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Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W137 2228477-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1092260510 / 191042115, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (BF) ist afghanischer Staatsangehöriger. Er stellte in Österreich erstmalig am 25.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde erstinstanzlich vollständig abgewiesen und mit einer Rückkehrentscheidung in den Herkunftsstaat verbunden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.07.2018, W255 2188195-1/8E, zur Gänze abgewiesen.

2. Am 18.06.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Asylfolgeantrag, der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) mit Bescheid vom 11.08.2019 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden ist.

Die dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.09.2019, W270 2188195-2/3E, als unbegründet abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 08.12.2019 eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht. Mit Beschluss des VfGH vom 16.12.2019 wurde dem Antrag, dieser Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge gegeben.

3. Bereits mit Bescheid vom 14.10.2019, Zahl 1092260510 / 191042115, ordnete das Bundesamt über den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG an. Noch am selben Tag wurde das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats (HRZ) eingeleitet. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15.10.2019 durch persönliche Übernahme zugestellt.

4. Am 17.10.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen insgesamt dritten Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Noch am selben Tag hielt das Bundesamt die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG mittels Aktenvermerk fest. Am 24.10.2019 übermittelte der Verein XXXX eine Vertretungsvollmacht (samt Zustellvollmacht) bezüglich des Beschwerdeführers. Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 25.10.2019 des Bundesamtes wurde der faktische Abschiebeschutz im zweiten Asylfolgeverfahren gemäß § 12a AsylG aberkannt. Am selben Tag wurde der Beschwerdeführer auch der afghanischen Botschaft zur Identitätsprüfung vorgeführt. Die Entscheidung bezüglich §12a AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 04.11.2019, W263 2188195-3/4E, aus formalen Gründen ersatzlos behoben.

5. Mit Schreiben vom 02.12.2019 ersuchte der Beschwerdeführer das Bundesamt, ihn gegen gelinderes Mittel aus der Schubhaft zu entlassen. Dem kam das Bundesamt (ohne formale Entscheidung) nicht nach.

6. Am 11.02.2020 langte der Verfahrensakt zur ersten amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 22 Abs. 4 BFA-VG beim Bundesverwaltungsgericht ein. In einer Stellungnahme vom 13.02.2020 führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass im zweiten Folgeverfahren zunächst die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes abgewartet worden sei. Zwischenzeitlich seien aber weitere Einvernahmen erfolgt und es werde die Entscheidung in den nächsten Tagen ergehen. Bei dem Schreiben vom 02.01.2020 habe es sich um keine Schubhaftbeschwerde gehandelt.

Darüber hinaus verwies das Bundesamt auf die Straffälligkeit des Beschwerdeführers und seinen Aufenthalt im Verborgenen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Betreffend den Beschwerdeführer liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare Rückkehrentscheidung hinsichtlich seines Herkunftsstaates Afghanistan vor. Dem Beschwerdeführer kommt im Zusammenhang mit der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (im ersten Asylfolgeverfahren) kein faktischer Abschiebeschutz zu. Zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung lag eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. Die Zusage Afghanistans zur Ausstellung eines Heimreisezertifikats liegt ebenfalls vor. Derzeit kommt dem Beschwerde im zweiten Asylfolgeverfahren ein faktischer Abschiebeschutz zu. Dieses Verfahren steht kurz vor dem erstinstanzlichen Abschluss.

Der Beschwerdeführer war in Österreich seit Jänner 2018 nur noch sporadisch gemeldet; von 22.08.2018 bis 18.07.2019 verfügte er über keine Meldeadresse im Bundesgebiet. Zuletzt war er ab 09.09.2019 lediglich "obdachlos" gemeldet. Der Beschwerdeführer hält sich seit knapp viereinhalb Jahren im Bundesgebiet auf. Er ist wegen gewalttätiger Übergriffe gegen seine Ex-Frau und die gemeinsame Tochter vorbestraft und erhielt in diesem Zusammenhang auch Kontaktverbote. Das Bundesamt hat die gesetzlich vorgesehene Verhältnismäßigkeitsprüfung durchgeführt und entsprechende Aktenvermerke verfasst.

Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat besteht; ein HRZ wurde bereits zugesagt. Nach Wegfall des faktischen Abschiebeschutzes im zweiten Asylfolgeverfahren besteht kein Hindernis für eine Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Das Eintreten dieser Situation binnen weniger Wochen ist jedenfalls realistisch. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft beträgt damit nicht mehr als einige Wochen, allenfalls wenige Monate.

Der Beschwerdeführer ist nur eingeschränkt vertrauenswürdig. Er ist in Österreich beruflich nicht integriert, spricht nur wenig Deutsch und verfügt über lediglich geringe soziale Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Familiäre Anknüpfungspunkte sind nur in sehr geringer Form gegeben. Zudem verfügt er über keine gesicherte Unterkunft und ist mittellos. Der Beschwerdeführer ist grundsätzlich gesund und arbeitsfähig sowie jedenfalls haftfähig.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zu den Asyl(folge)verfahren des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Aktenlage im gegenständlichen Verfahren sowie den einschlägigen Gerichtsakten bezüglich der angeführten (rechtskräftig abgeschlossenen) Beschwerdeverfahren. Die Feststellungen bezüglich der (fehlenden) Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem rezenten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.2. Die Feststellungen zur strafrechtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und zu den gerichtlich auferlegten Kontaktverboten ergeben sich ebenfalls aus der Aktenlage, insbesondere dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts zum ersten Asylfolgeverfahren (oben I.2.). Die Aktenvermerke sind im gegenständlichen Verwaltungsakt enthalten.

2.3. Hinweise für das Fehlen einer realistischen Möglichkeit der Rücküberstellung sind nicht hervorgekommen. Vielmehr liegen zum gegenständlichen Entscheidungszeitpunkt eine Zusage zur HRZ-Ausstellung und ist der Abschluss des zweiten Asylfolgeverfahrens mit dem gleichen Ergebnis wie im ersten jedenfalls realistisch. Abschiebungen nach Afghanistan sind auch grundsätzlich zulässig und finden regelmäßig statt. Im verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren wurde dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zudem nicht Folge gegeben, womit dieses Verfahren einer Effektuierung der Rückkehrentscheidung nicht entgegensteht.

2.4. Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers und seiner Vermögenslage ergeben sich aus der Aktenlage. Die geminderte Vertrauenswürdigkeit ergibt sich aus dem zuletzt mehrmonatigen Aufenthalt im Verborgenen. Dieser sowie die folgende Obdachlosenmeldung sprechen auch gegen eine substanzielle soziale Integration, wobei integrative Elemente (insbesondere Freundschaften) hier jedenfalls vorliegen. Hingegen sind familiäre Anknüpfungspunkte (Tochter und Ex-Gattin) unstrittig, werden aber durch die erwiesene Gewalttätigkeit des Beschwerdeführers gegen eben diese Familienangehörigen (strafrechtliche Verurteilung; gerichtliche Kontaktverbote) in hohem Maße entwertet. Hinweise für ein Fehlen der Haftfähigkeit oder gröbere gesundheitliche Probleme sind im Verfahren nicht hervorgetreten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 - FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

"§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde."

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 15.10.2019 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 - FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

f) wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz "liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da "bestimmte Tatsachen", nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1 und 3 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich als grundsätzlich nachvollziehbar. Insbesondere hat der Beschwerdeführer das Kriterium der Ziffer 1 des § 76 Abs. 3 FPG durch bewusstes Entziehen vor einem behördlichen Zugriff - durch mehrmonatigen Aufenthalt im Verborgenen - erfüllt.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts deutlich reduzierter persönlicher Vertrauenswürdigkeit kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die mit der Erlangung eines Heimreisezertifikats verbundene Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist zumutbar, zumal er sich dem Zugriff der Behörden entzogen hatte. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen würden, sind nicht zu erkennen.

Die nunmehr noch zu erwartende Anhaltedauer liegt bei einigen Wochen, allenfalls wenigen Monaten. Dies liegt deutlich unter der höchstzulässigen Anhaltedauer liegt und ist unter Berücksichtigung des Vorverhaltens des Beschwerdeführers jedenfalls auch verhältnismäßig. Zudem hegt auch der Verfassungsgerichtshof effektiv keine Bedenken gegen die Abschiebung des Beschwerdeführers vor seiner Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit dem ersten Asylfolgeverfahren.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

4. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bis zur gegenständlichen Entscheidung auf Basis des Aktenvermerks gemäß § 76 Abs. 6 FPG angehalten worden ist. Dieser hat mit seiner Übergabe an den Beschwerdeführer § 76 Abs. 2 Z 2 FPG als Rechtsgrundlage der Anhaltung abgelöst.

5. Das ausdrücklich an das Bundesamt gerichtete Ersuchen vom 02.01.2020 betreffend die Entlassung aus der Schubhaft kann nicht als (falsch eingebrachte) Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft gedeutet werden. Das Schreiben zeigt auch im Wortlaut kein Element einer Beschwerde (also insbesondere das Vorbringen einer Rechtswidrigkeit) und ersucht lediglich um eine Maßnahme, die von der Behörde autonom jederzeit verfügt werden kann.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Folgeantrag, Fortsetzung der Schubhaft,
Mittellosigkeit, Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Sicherungsbedarf,
strafrechtliche Verurteilung, Überprüfung, Untertauchen,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2228477.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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