TE Vwgh Erkenntnis 1998/5/26 98/04/0016

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Veröffentlicht am 26.05.1998
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §2 Abs4 impl;
GewO 1973 §2 Abs4 Z1 impl;
GewO 1994 §2 Abs1 Z1;
GewO 1994 §2 Abs4 Z4 litb;
GewO 1994 §2 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Baur als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Urban, über die Beschwerde der E AG in W, vertreten durch Dr. U, Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. Dezember 1997, Zl. 317.799/7-III/4/97, betreffend Verfahren gemäß § 348 Abs. 1 GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 9. Dezember 1997 stellte der Bundesminister aus Anlaß eines gegen das alleinige Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin wegen des Verdachtes der Übertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 und Z. 3 (zweiter Fall) GewO 1994 in Verbindung mit § 9 VStG eingeleiteten Strafverfahrens gemäß § 348 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 sowie § 2 Abs. 2 Z. 1 und 2 GewO 1994 fest, daß auf den Betrieb der auf näher bezeichneten Grundstücken gelegenen Kompostieranlage der Beschwerdeführerin im Zeitraum vom 1. Oktober 1994 bis 18. Mai 1995 die Bestimmungen der Gewerbeordnung anwendbar waren. In der Begründung dieses Bescheides ging der Bundesminister (durch Übernahme der entsprechenden Ausführungen des erstbehördlichen Bescheides) u. a. davon aus, bei der Beschwerdeführerin handle es sich um eine Aktiengesellschaft mit einem Grundkapital von S 3,9 Mio. Der Jahresabschluß zum 31. Dezember 1994 weise Umsatzerlöse von S 4,8 Mio. und sonstige betriebliche Erträge in der Höhe von S 170.000,-- aus, schließe aber mit einem Bilanzverlust von S 3,7 Mio. In dem in Rede stehenden Betrieb würden mit Ausnahme eines Traktors und eines Mist-/Kompoststreuers keinerlei für die Landwirtschaft typische Maschinen wie z.B. Pflüge, Sä- und Erntemaschinen oder ähnliches verwendet, wohl hingegen in erster Linie für Gewerbebetriebe typische Maschinen, wie eine Brückenwaage für dreiachsige Lkw, drei Radlader, zwei Umsetzmaschinen für Kompost, Schredder und Siebe für Abfälle etc. Der vorhandene Traktor werde nicht primär für landwirtschaftliche Tätigkeiten, wie z.B. ackern, säen oder ernten, sondern ausschließlich für den Bereich der Kompostierungsanlage verwendet. Fünf von sechs Arbeitnehmern seien ausschließlich für die Tätigkeit des Kompostierens eingesetzt. Lediglich ein Arbeitnehmer bewirtschafte mit den allerdings in seinem Privateigentum stehenden landwirtschaftlichen Maschinen nebenbei die landwirtschaftlichen Flächen der Beschwerdeführerin. Von diesen Feststellungen ausgehend führte der Bundesminister weiter aus, auch von der Beschwerdeführerin werde nicht bestritten, daß sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht der Erzielung eines Ertrages tätig sei. Der Bundesminister verkenne ferner nicht, daß der Abbau organischer Substanzen zu Kompost auf die Wirkung von Mikroorganismen zurückzuführen sei, die in naturwissenschaftlicher Hinsicht als Pflanzen bzw. Tiere (und Pilze) einzustufen seien. Daß eine mikrobielle Verfahrensweise nicht ipso facto schon einen Anwendungsfall der Land- und Forstwirtschaft begründe, ergebe sich freilich aus dem Umstand, daß derartige Verfahrensweisen auch einer Mehrzahl von gewerblichen Berufen eigentümlich seien, ohne daß diese als dem Anwendungsbereich der Gewerbeordnung auf Grund einer Subsumtion unter die Land- und Forstwirtschaft entzogen anzusehen wären. Das Sammeln und Kompostieren von fremden kompostierbaren Abfällen werde im § 2 Abs. 4 Z. 4 lit. b GewO 1994 ausdrücklich als Nebengewerbe qualifiziert. Es handle sich hiebei um eine lex specialis im Verhältnis zum Ausnahmetatbestand der Land- und Forstwirtschaft, sodaß für ein (rein) landwirtschaftliches Sammeln und Kompostieren fremder organischer Abfälle kein Raum bleibe. Einer Subsumtion unter das Nebengewerbe gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1994 (Verarbeitung und Bearbeitung hauptsächlich des eigenen Naturproduktes) stehe der Umstand entgegen, daß es nach der Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte dafür gebe, daß aus dem Betrieb der Beschwerdeführerin selbst organische Abfälle in relevantem Ausmaß anfielen. Im übrigen handle es sich beim Ausgangsmaterial der in Rede stehenden Kompostierung in beträchtlichem Ausmaß nicht um landwirtschaftliche Substanzen (Klärschlamm) und es könne auch nicht von einem Produkt, sondern lediglich von einem (zu entsorgenden) Abfallstoff gesprochen werden. Eine Ausnahme vom Anwendungsbereich der Gewerbeordnung könnte allenfalls noch im Hinblick auf das Nebengewerbe gemäß § 2 Abs. 4 Z. 4 lit. b GewO 1994 (Sammeln und Kompostieren von fremden, kompostierbaren Abfällen mit den in der Land- und Forstwirtschaft üblichen Methoden) in Betracht kommen. Die von der Beschwerdeführerin praktizierte Methode der Kompostierung sei (aus näher dargestellten Gründen) als in der Land- und Forstwirtschaft üblich anzusehen. Die Beschwerdeführerin betreibe auch eine Landwirtschaft. Aus den Bestimmungen des § 2 Abs. 4 Z. 1 und Z. 4 GewO 1994 ergebe sich, daß nicht alle dort genannten Tätigkeiten das Kriterium der wirtschaftlichen Unterordnung gemäß § 2 Abs. 4 Z. 1 leg. cit. erfüllen müßten, um als Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft anerkannt zu werden. Es müsse aber das aus dem Wesensgehalt des Begriffes "Nebengewerbe" abzuleitende Erfordernis der engen organisatorischen Verbundenheit und wirtschaftlichen Unterordnung im Sinne eines auf die Erfordernisse der eigenen Landwirtschaft Ausgerichtet-Seins gegeben sein. Dies könne unter dem Gesichtspunkt des Betriebes einer Kompostieranlage sowohl im Hinblick auf den Anfall eigenen organischen Abfalls als auch bezüglich des Düngerbedarfes gegeben sein. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, die Kompostanlage diene ausschließlich der Deckung des eigenen Düngemittelbedarfes, wäre - bei Zutreffen - grundsätzlich geeignet, diese Voraussetzungen zu erfüllen. Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerin biete die Gewerbeordnung aber im gegebenen Zusammenhang keine Rechtsgrundlage, "Ungleichgewichtsphasen" im Zuge des Betriebsaufbaues zu berücksichtigen. Aber selbst bei Akzeptanz einer "Anlaufphase" wäre für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen. Sie habe nämlich selbst die Monatskapazität dieser Anlage mit 1500 Tonnen bekanntgegeben. Nach ihren Angaben seien im Jahr 1994 an organischen Abfällen 3849 Tonnen übernommen und 170 Tonnen Kompost aufgebracht worden. Aus anderen Angaben des Vorstandes der Beschwerdeführerin ergebe sich aber eine Jahresabfallmenge von 8000 bis 9600 Tonnen. Zufolge der mit Schriftsatz vom 15. Dezember 1995 vorgelegten Stoffbilanz seien in diesem Jahr 12.423,28 Tonnen organische Abfälle angeliefert und 1915,4 Tonnen Kompost-Erde-Gemisch abtransportiert worden. Die Beschwerdeführerin gehe in diesem Zusammenhang von einem durchschnittlichen Rotteverlust von 40 % aus, was bedeute, daß einer Tonne Rohmaterial 600 kg Kompost entsprächen. Der Jahresbericht für das Jahr 1996 weise einen Materialeingang von 14.270 Tonnen und eine Kompostausbringung von 256,7 Tonnen aus. Es stünden somit im Jahr 1994 einer Komposterzeugung von 2309 bis 5760 Tonnen ein Kompostausgang von 170 Tonnen, für das Jahr 1995 einer Komposterzeugung von 7454 Tonnen ein Kompostausgang von 864 Tonnen und für das Jahr 1996 einer Komposterzeugung von 8832 Tonnen ein Kompostausgang von 257 Tonnen gegenüber. Nach den eigenen Angaben habe die Beschwerdeführerin zum 30. November 1995 über zu bewirtschaftende Flächen im Ausmaß von 290 ha verfügt. Gehe man entsprechend dem durch einen wasserrechtlichen Bescheid grundgelegten Kompostausbringungsschlüssel von einer zulässigen Ausbringungsmenge von 30 t pro ha aus, so wäre im Jahr 1996 eine Ausbringung in der Größenordnung von 8700 Tonnen zulässig gewesen, womit im Zuge des von der Beschwerdeführerin behaupteten Betriebsaufbaues zu diesem Zeitpunkt das Gleichgewicht zwischen landwirtschaftlich genutzter Fläche und Kompostanfall eingetreten wäre. Dennoch seien im Jahr 1996 lediglich 257 Tonnen Kompost, sohin 2,9 % der erzeugten Menge, auch tatsächlich ausgebracht worden. In Anbetracht dieser Größenrelation könne dahingestellt bleiben, ob es sich bei den Kompostausbringungen um eine landwirtschaftlich indizierte Düngung und nicht eine bloße Maßnahme der Kompostbeseitigung handle und ob die Beschwerdeführerin auf den bezüglichen Grundstücken tatsächlich selbst Landwirtschaft betrieben habe. Die Kompostproduktion der Beschwerdeführerin in den Jahren 1994 bis 1996 betrage sohin ein Vielfaches der Menge, die durch Ausbringung in der eigenen Landwirtschaft tatsächlich einer Entsorgung als Dünger zugeführt worden sei, wobei überdies noch zu berücksichtigen sei, daß die Anlage die angestrebte Sollkapazität (18.000 Tonnen Abfälle; dies entspreche

10.800 Tonnen Kompost) noch nicht erreicht habe. Aus welchen Gründen in der Landwirtschaft der Beschwerdeführerin kein entsprechender Kompostbedarf bestehe, sei im gegebenen Zusammenhang nicht entscheidungswesentlich. Daß die Kapazität der Kompostieranlage auch nur im entferntesten am Düngemittelbedarf der Landwirtschaft der Beschwerdeführerin orientiert wäre, müsse für die Jahre 1994 bis 1996 auf Grund der Stoffbilanzen ausgeschlossen werden, sodaß das für die Annahme eines Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft wesentliche Kriterium einer engen organisatorischen Verbundenheit und wirtschaftlichen Unterordnung gegenüber dem landwirtschaftlichen Betrieb nicht gegeben sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin in dem Recht auf die Feststellung, daß auf den Betrieb der in Rede stehenden Kompostieranlage die Bestimmungen der Gewerbeordnung nicht anwendbar sind, verletzt. In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes macht die Beschwerdeführerin zunächst geltend, sie habe einen Antrag im Sinne des § 358 Abs. 1 GewO 1994 gestellt, es möge festgestellt werden, daß die von ihr betriebene Anlage (Erdwerk) nicht der behördlichen Genehmigungspflicht im Sinne des § 74 GewO 1994 unterliege. Über diesen Antrag spreche der angefochtene Bescheid wegen seiner Einschränkung auf einen bestimmten Zeitraum nur teilweise ab, weshalb das Verfahren mangelhaft sei. Entgegen der Rechtsansicht der belangten Behörde handle es sich bei der Erzeugung der notwendigen Düngemittel durch Kompostierung sehr wohl um einen Zwischenschritt zur Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte. Dem Gesetzgeber sei offenkundig durchaus klar, daß die Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse sehr häufig betriebsinterne Zwischenschritte, wie z.B. die Herstellung naturnahen Düngers durch den seit Jahrhunderten traditionellen Misthaufen voraussetze. Er habe daher die Formel "Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte" durch den Begriff "Hervorbringung" ergänzt, was zwecklos wäre, wenn nicht derartige Zwischenschritte einzubeziehen wären. Eine Zerlegung des landwirtschaftlichen Produktionsprozesses in Einzelschritte und die Beurteilung dieser Einzelschritte jeweils als Gewerbe führe im Ergebnis dazu, daß ein land- und forstwirtschaftlicher Produktionsprozeß überhaupt nicht existiere und jede Art von Betätigung in dieser Richtung der Gewerbeordnung unterläge. Tatsächlich müsse der land- und forstwirtschaftliche Produktionsprozeß als Einheit gesehen werden, die eben auch die Eigenherstellung von Düngemitteln umfasse. Für eine Mengenüberlegung bleibe in diesem Zusammenhang kein Raum. Daß die Beschwerdeführerin den Kompost nicht im Wege des traditionellen Misthaufens, sondern mit zeitgemäßen Methoden herstelle, ändere an diesem Ergebnis nichts. Zutreffend stelle die belangte Behörde in diesem Zusammenhang fest, die Beschwerdeführerin betreibe eine Landwirtschaft und es könne der praktizierten Kompostiermethode in verfahrenstechnischer Hinsicht die Üblichkeit in der Land- und Forstwirtschaft nicht abgesprochen werden. Da die belangte Behörde aus dieser Feststellung nicht die richtigen rechtlichen Schlüsse gezogen habe, sei eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens gegeben. Die Frage des Vorliegens eines landwirtschaftlichen Nebengewerbes habe im gesamten Verfahren unverhältnismäßige Gewichtung erfahren, obwohl die Beschwerdeführerin immer betont habe, die Herstellung von Kompost nicht für den Verkauf, sondern ausschließlich als Urproduktion, also als interne Verarbeitungsstufe des eigenen landwirtschaftlichen Prozesses zur Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte zu betreiben. Tatsächlich liege ganz einfach Landwirtschaft im eigentlichen Sinn mit modernen Methoden vor. Folge man der Argumentation des angefochtenen Bescheides, wäre die Neubegründung und der schrittweise Aufbau eines landwirtschaftlichen Betriebes unmöglich. Es werde nämlich niemals möglich sein, im Zuge des schrittweisen Aufbaues eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft mit modernen Methoden der Düngerherstellung in jeder Phase jene Mengen zu verarbeiten, die den angewendeten Kriterien des Begriffes "Nebengewerbe" entsprächen. Im vorliegenden Fall sei die Absicht darauf gerichtet, den Eigengrund, aber auch die zugepachteten Flächen schrittweise zu erhöhen. Da hiefür Kauf- bzw. Pachtgelegenheiten erforderlich seien und die Betriebsführung nicht vorhersehen könne, in welchem Ausmaß geeignete Liegenschaften zum Ankauf oder zur Verpachtung heranstehen würden, müsse damit gerechnet werden, daß die diesbezüglichen Vorausberechnungen und Pläne nicht in jeder Phase realisierbar sind. Es liege im Wesen des Aufbaues eines Betriebes auch der Land- und Forstwirtschaft, daß es zu vorübergehenden Ungleichgewichtslagen kommen könne, wie dies auch bei jeder anderen unternehmerischen Tätigkeit der Fall sei. Auch Fehleinschätzungen der für die nahe Zukunft jeweils erwartbaren Kauf- bzw. Pachtgelegenheiten für agrarische Flächen müßten jeder wirtschaftlichen Erfahrung nach auch dem Betriebsinhaber eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zugebilligt werden. Die Auffassung der belangten Behörde, die Gewerbeordnung biete keine Rechtsgrundlagen, solche Ungleichgewichtsphasen im Zuge des Betriebsaufbaues zu berücksichtigen, beruhe auf einer Enge der Interpretation des Gesetzestextes, die praktisch dazu führe, daß der Aufbau eines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes, der mit zeitgemäßen Methoden zu arbeiten versuche, unmöglich wäre. Es liege auf der Hand, daß diese Einstellung von der historischen Erfahrung einer schrumpfenden Landwirtschaft geprägt sei, der der Gedanke des Neuaufbaues eines Betriebes unvorstellbar und geradezu fremd geworden sei. Spreche man aber Betrieben der Land- und Forstwirtschaft diese Eigenschaft a priori ab, weil nicht vom ersten Tag an ererbte Flächen in jenem Ausmaß zur Verfügung stünden, die der Düngerproduktionsanlage im Sinne der Darlegungen zur Frage des landwirtschaftlichen Nebengewerbes entsprächen, verstehe man Landwirtschaft eben nur unter einem quasi feudalen Gesichtspunkt und raube damit einem noch heute wesentlichen Wirtschaftszweig die für die Land- und Forstwirtschaft typische Rechtsgrundlage und damit auch Entwicklungsmöglichkeit.

Gemäß § 1 Abs. 1 GewO 1994 gilt dieses Bundesgesetz, soweit nicht die §§ 2 bis 4 anderes bestimmen, für alle gewerbsmäßig ausgeübten und nicht gesetzlich verbotenen Tätigkeiten.

Nach § 2 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. ist dieses Bundesgesetz auf die Land- und Forstwirtschaft (Abs. 2 und 3) nicht anzuwenden. Nach der Z. 2 dieser Gesetzesstelle gilt dies auch für die Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft (Abs. 4).

Gemäß § 2 Abs. 3 Z. 1 GewO 1994 - die Z. 2 und 3 dieser Gesetzesstelle kommen hier nicht in Betracht - gehören zur Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes die Hervorbringung und Gewinnung pflanzlicher Erzeugnisse mit Hilfe der Naturkräfte, einschließlich des Wein- und Obstbaues, des Gartenbaues und der Baumschulen.

Unter Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes sind gemäß § 2 Abs. 4 Z. 4 lit. b leg. cit. auch Dienstleistungen zur Verwertung von organischen Abfällen (Sammeln und Kompostieren von fremden, kompostierbaren Abfällen mit den in der Land- und Forstwirtschaft üblichen Methoden) zu verstehen.

Mit Rücksicht auf diesen Wortlaut des Gesetzes bildet das Sammeln und Kompostieren von fremden, kompostierbaren Abfällen - sofern einerseits die Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit nach § 1 Abs. 2 GewO 1994 und andererseits die die Nebengewerblichkeit begründende enge organisatorische Verbundenheit mit einer Land- und Forstwirtschaft gegeben sind - ein Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. unabhängig vom Schicksal des Endproduktes dieser Tätigkeit, d.h. unabhängig davon, ob der durch diese Tätigkeit gewonnene Kompost in der eigenen Landwirtschaft verwendet oder anderen Zwecken zugeführt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich daher zunächst der Rechtsansicht der Beschwerdeführerin nicht anzuschließen, das in Rede stehende gewerbliche Handeln bilde dann eine Tätigkeit im Rahmen der (eigentlichen) Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994, wenn, wie sie es für den vorliegenden Fall behauptet, das Endprodukt zur Gänze im eigenen land- oder forstwirtschaftlichen Betrieb eingesetzt wird.

Wie die belangte Behörde unter Berufung auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zutreffend dargelegt hat, fallen die in den Z. 1 bis 8 des § 2 Abs. 4 GewO 1994 angeführten Tätigkeiten nicht schlechthin unter den Begriff eines Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. Es sind dort vielmehr lediglich die Typen jener Tätigkeiten angeführt, die unter den Begriff "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft" fallen können. Unabhängig von der Typisierung der einzelnen nebengewerblichen Tätigkeiten wohnen diesem Begriff ferner auch die Begriffsmerkmale einer mit der Landwirtschaft oder Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform und der Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der Landwirtschaft oder Forstwirtschaft inne (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1991, Zl. 90/04/0147).

Der Verwaltungsgerichtshof vermag sich allerdings nicht der Rechtsansicht der belangten Behörde anzuschließen, eine solche enge organisatorische Verbundenheit mit einer Land- oder Forstwirtschaft wäre im Falle des § 2 Abs. 4 Z. 4 lit. b GewO 1994 nur dann gegeben, wenn das dabei gewonnene Endprodukt zur Gänze der Deckung des Düngemittelbedarfes des land- oder forstwirtschaftlichen Betriebes dient. Die Frage nach der organisatorisch engen Verbundenheit der fraglichen Tätigkeit mit der Land- oder Forstwirtschaft ist nämlich nicht eine solche nach der Art der Verwendung des Endproduktes, sondern eine solche nach der Verzahnung der betrieblichen Vorgänge, die einerseits der zu prüfenden nebengewerblichen Tätigkeit und andererseits dem Betrieb der eigentlichen Land- oder Forstwirtschaft dienen. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang festgestellt hat, macht daher die im Rechtsbereich zu treffende Beurteilung, ob eine solche organisatorisch enge Verbundenheit gegeben ist, im Einzelfall Feststellungen darüber erforderlich, inwiefern die von einem Landwirt bzw. Forstwirt ausgeübten Tätigkeiten, die an sich dem Typus eines Nebengewerbes nach den Z. 1 bis 8 des § 2 Abs. 4 GewO 1994 entsprechen, mit dem landwirtschaftlichen bzw. forstwirtschaftlichen Betrieb organisatorisch verflochten sind. Dabei ergibt sich aber eine absolute Grenze der Unterstellbarkeit solcher Tätigkeiten unter den Begriff des "Nebengewerbes der Land- oder Forstwirtschaft" dort, wo die Ausübung der betreffenden Tätigkeiten dem Erscheinungsbild eines Betriebes entspricht, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeiten von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- oder Forstwirtschaft geführt wird (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Oktober 1991, Zl. 90/04/0147).

Um schließlich das weitere für das Vorliegen eines land- oder forstwirtschaftlichen Nebengewerbes erforderliche Tatbestandselement des Wirtschaftlich-untergeordnet-Bleibens beurteilen zu können, ist eine vergleichende Gegenüberstellung zwischen der jeweils ausgeübten Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes und der Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung vorzunehmen. Bei einem solchen Vergleich ist in jedem Einzelfall auf alle wirtschaftlichen Merkmale der betreffenden Tätigkeiten, insbesondere auf das Ausmaß der Wertschöpfung, auf die Höhe des Ertrages und der Kosten und auf den Aufwand an Arbeitskräften und an Arbeitszeit Bedacht zu nehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1995, Zl. 93/04/0251).

Da es die belangte Behörde in Verkennung dieser Rechtslage unterließ, die erforderlichen Feststellungen zu treffen, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998040016.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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