TE Vwgh Erkenntnis 1991/2/26 90/04/0147

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Veröffentlicht am 26.02.1991
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Index

50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1973 §2 Abs1 Z2;
GewO 1973 §2 Abs3 Z2;
GewO 1973 §2 Abs4 Z1;
GewO 1973 §2 Abs4 Z2;
GewO 1973 §2 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Dr. Puntigam, über die Beschwerde des N gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. April 1990, Zl. Ge-44.597/1-1990/Pö/Lb, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 9.690,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 20. November 1989 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in den Monaten Juli bis September 1989 im Standort X Nr. 31 von ihm gekaufte Schafe für den Weiterverkauf geschlachtet, ohne im Besitz einer hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung für das Fleischerhandwerk gewesen zu sein. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 94 Z. 16 GewO 1973 begangen. Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 9.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe neun Tage) verhängt.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Amtstierarzt habe anläßlich eines Lokalaugenscheines am 13. Juli 1989 festgestellt, daß der Beschwerdeführer im Standort X Nr. 31 eine Unterbringungsmöglichkeit für ca. insgesamt 300 Schafe, einen Schlachtraum und einen Kühlraum mit drei Rohrbahnen, die mit 80 Stück Schlachtkörpern von Schafen beschickt werden könnten, besitze. Zum Zeitpunkt des Lokalaugenscheines seien im Kühlraum ca. 15 bis 20 geschlachtete Schafe polnischer Herkunft gehangen. Laut Amtstierarzt könnten in einem freistehenden holzschuppenartigen Gebäude in der Nähe des Wohnsitzes des Beschwerdeführers maximal weitere 100 bis 150 Tiere untergebracht werden. Die Überprüfung der Räumlichkeiten durch den Amtstierarzt sei deshalb durchgeführt worden, weil der Beschwerdeführer beabsichtigt habe, ca. 1.500 Stück Schafe aus Ungarn zu importieren. Wie aus dem Erhebungsbericht der Gendarmerie vom 14. September 1989 hervorgehe, habe im Schlachtraum selbst kein Betrieb geherrscht, jedoch seien im Kühlraum ein geschlachtetes Lamm und einige Kisten mit vakuumverpacktem Lammfleich gelagert gewesen. Etwa 100 Schafe hätten in einiger Entfernung vom Haus in einer Halde geweidet. Laut Erhebungsbericht der Gendarmerie habe der Beschwerdeführer zum Sachverhalt angegeben, daß er jährlich Lämmer in ihm derzeit unbekannter Stückzahl zum Mästen kaufe. Diese Lämmer würden ca. zwei Monate gemästet und dann geschlagen werden. Das Fleisch würde hauptsächlich an den Großhandel und an ein bestimmtes Unternehmen, welches das Fleisch zu verschiedenen Wurstprodukten verarbeite, verkauft werden. Der Beschwerdeführer kaufe laut seinen eigenen Angaben die Schafe hauptsächlich aus dem Raum Salzburg, aber zu einem kleinen Teil auch aus dem Ausland. Vom Import der 1.500 Schafe aus Ungarn habe er Abstand genommen. Aus den Erhebungsergebnissen sei somit ersichtlich, daß der Beschwerdeführer auf Grund der vorhandenen Anlage bzw. Räumlichkeiten im angegebenen Standort einen Schlachtbetrieb für Schafe führe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen Gewerbeberechtigung für das Fleischerhandwerk zu sein.

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 3. April 1990 wurde die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung abgewiesen und das erstbehördliche Straferkenntnis bestätigt. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe selbst nicht behauptet, neben der Schafmästung auch andere landwirtschaftliche Tätigkeiten zu verrichten. Diese Tätigkeit der Schaftierhaltung müßte daher gegenüber der Schlachtung der Tiere wirtschaftlich übergeordnet sein. Nach den vorliegenden Erhebungsergebnissen habe der Beschwerdeführer aber die Schlachtung aller oder eines Großteils der von ihm gehaltenen Tiere selbst vorgenommen und die Schlachtkörper in einen Kühlraum im gegenständlichen Standort, der mit 80 Stück geschlachteten Tieren beschickt werden könne, verbracht. Die Tierhaltung trete daher wirtschaftlich zurück, da der Beschwerdeführer sein Einkommen jedenfalls vorwiegend aus der gewerblichen Tätigkeit der Tierschlachtung beziehe. Im Hinblick auf diesen im Verwaltungsstrafverfahren nicht bestrittenen Sachverhalt habe der Beschwerdeführer daher mangels einer entsprechenden Gewerbeberechtigung für das Fleischerhandwerk dieses Gewerbe unbefugt ausgeübt. Die im Straferkenntnis ausgesprochene Strafe sei daher gemäß § 366 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 zu Recht verhängt worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die vorliegende Beschwerde enthält folgende Erklärung über

den Beschwerdepunkt:

"Durch den angefochtenen Verwaltungsakt ist der Beschwerdeführer in seinen Rechten, als Landwirt nicht der Gewerbeordnung 1973 unterworfen zu sein, verletzt. Er ist insbesondere in seinen Rechten auf Nichtanwendung der Gewerbeordnung gemäß § 2 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 "(richtig wohl "Abs. 3")" Z. 2 und Abs. 1 Z. 2 in Verbindung mit Abs. 4 verletzt."

Der Beschwerdeführer trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, die Schlachtung und Ausschrotung selbst gezogener oder selbst gemästeter Nutztiere stelle bei Zutreffen der in § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 aufgestellten Voraussetzungen ein land- und forstwirtschaftliches Nebengewerbe dar. Die Schlachtung und Ausschrotung selbst gezogener Haustiere durch den Landwirt sei als Nebengewerbe der landwirtschaftlichen Produktion anzusehen, wenn sich diese Tätigkeit als Ausfluß der Hauptbeschäftigung (des Betriebes der Landwirtschaft) darstelle und im Verhältnis zu dieser an Umfang und wirtschaftlicher Bedeutung geringfügig sei. Nicht das Verhältnis des Ertrages aus der Ausschrotung zum Ertrag aus der Mast, sondern das Verhältnis des erstgenannten Ertrages zum Gesamtertrag der Landwirtschaft sei für die Qualifikation als landwirtschaftliches Nebengewerbe maßgebend. Aufgrund einer nach Auffassung des Beschwerdeführers unzutreffenden Rechtsansicht habe es die belangte Behörde unterlassen, zu diesen von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien Sachverhaltsfeststellungen zu treffen. Nach dem von der belangten Behörde als entscheidungswesentlich erachteten Sachverhalt seien am 11. September 1989 im Kühlraum ein geschlachtetes Lamm und einige Kisten mit vakuumverpacktem Lammfleisch gelagert gewesen. Schlachtung und Zerlegung selbst gezogener oder selbst gemästeter Schafe stellten Verarbeitung und Bearbeitung im Sinne des § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 dar. Fleisch in Teilstücken werde ebenfalls in der Regel von Land- und Forstwirten auf den Markt gebracht. Gerade in letzter Zeit erführen die in den Städten abgehaltenen Bauernmärkte großen Zustrom. Es werde dort Fleisch in Teilstücken feilgeboten.

Damit komme aber der Frage der Verhältnismäßigkeit, d.h. der wirtschaftlichen Unterordnung, große Bedeutung zu. Um daher dieses Kriterium mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit überprüfen zu können, hätte das Verhältnis des Ertrages aus der Ausschrotung dem Gesamtertrag der Landwirtschaft gegenübergestellt werden müssen. Offenbar aufgrund abweichender Rechtsansicht habe die belangte Behörde hiezu keine Feststellungen getroffen.

Darüber hinaus seien auch Schlachtung und Verkauf von Mastvieh in größerem Umfange von der Gewerbeordnung 1973 ausgenommen, wie sich aus § 4 Abs. 3 Z. 2 GewO 1973 ergebe. Nach den im Verwaltungsstrafverfahren getroffenen Feststellungen würden im landwirtschaftlichen Betrieb des Beschwerdeführers Schafe gemästet. Es gehöre zum Begriff von Mastvieh, daß dieses zur Gewinnung von Fleisch gehalten und der Schlachtung zugeführt werde. Das Gesetz unterscheide in § 2 Abs. 3 Z. 2 GewO 1973 weiter zwischen Mästung und Gewinnung tierischer Erzeugnisse. Fleisch sei ein tierisches Erzeugnis und könne nur durch Schlachtung gewonnen werden. Gegenüber dem Begriff "Mästung" müsse in bezug auf Fleisch die Schlachtung hinzukommen, damit man von "Gewinnung eines tierischen Erzeugnisses" sprechen könne. Das Fleisch sei nach dem klaren Wortlaut des Gesetzes keinesfalls von den tierischen Erzeugnissen ausgenommen.

Nach dieser Interpretation gehöre zur Landwirtschaft das Halten von Schafen sowohl zur Mästung als auch zur Gewinnung von Fleisch, weshalb die Masttiere geschlachtet werden müßten. Duden, Band VIII, "Die sinn- und sachverwandten Wörter", führe beim Stichwort "Hervorbringung" als Synonyme an: "Erzeugnis, Produkt". Das Gesetz behandle Fleisch als tierisches Produkt. Beispielsweise sei auf § 3 Abs. 4 erster Satz des Viehwirtschaftsgesetzes hinzuweisen:

"Verordnungen nach Abs. 2 sind nur hinsichtlich solcher Schlachttiere und tierischer Produkte zu erlassen, die auf dem betreffenden Richtmarkt regelmäßig in Mengen umgesetzt werden, denen Einfluß auf die überörtliche Preisbildung zukommt."

Nach der Richtmarkt-Verordnung, BGBl. Nr. 422/1977, i.d.F. der Verordnungen BGBl. Nr. 269/1979 und BGBl. Nr. 111/1984, werde zwischen Schlachttieren (§ 3) und Fleisch (§ 4) unterschieden. Wenn das Viehwirtschaftsgesetz daher einerseits Schlachttiere und andererseits tierische Produkte auseinanderhalte und auf die Richtmarkt-Verordnung verweise, so könne daraus nur der Schluß gezogen werden, daß das Gesetz Fleisch als tierisches Produkt bezeichne. Da unter Produkt und Erzeugnis dasselbe verstanden werde, sei Fleisch auch ein tierisches Erzeugnis im Sinne des § 2 Abs. 3 Z. 2 GewO 1973. Das Halten von Nutztieren zur Gewinnung von Fleisch durch Schlachtung scheine daher nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 3 Z. 2 von der Gewerbeordnung 1973 ausgenommen zu sein. Gegenüber der bloßen Schlachtung von Masttieren zur Gewinnung von Fleisch umfasse das Fleischerhandwerk einen wesentlich weiteren Tätigkeitsbereich.

Gemäß § 366 Abs. 1 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer (Z. 1) ein Anmeldungsgewerbe (§ 5 Z. 1) ausübt, ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung erlangt zu haben.

Nach § 2 Abs. 1 Z. 1 GewO 1973 ist dieses Bundesgesetz auf die Land- und Forstwirtschaft (Abs. 2 und 3) nicht anzuwenden. Ferner ist es nach § 2 Abs. 1 Z. 2 auf Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft (Abs. 4) nicht anzuwenden.

Im Grunde des § 2 Abs. 3 Z. 2 leg.cit. gehört zur Land- und Forstwirtschaft im Sinne diese Bundesgesetzes (Abs. 1 Z. 1) das Halten von Nutztieren zur Zucht, Mästung oder Gewinnung tierischer Erzeugnisse.

Nach § 2 Abs. 4 leg.cit. sind unter Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft im Sinne dieses Bundesgesetzes u.a. zu verstehen: (Z. 1) die Verarbeitung und Bearbeitung hauptsächlich des eigenen Naturproduktes bis zur Erzielung eines Erzeugnisses, wie es von Land- und Forstwirten in der Regel auf den Markt gebracht wird, soweit die Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung gegenüber der Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes wirtschaftlich untergeordnet bleibt .....

Die Z. 2 bis 7 des § 2 Abs. 4 GewO 1973 enthalten weitere dem Begriff "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft" zuzuordnende Tatbestände.

Die Tatbestände der Z. 1 bis 7 des § 2 Abs. 4 leg.cit. enthalten nicht insgesamt eine Definition des Begriffes "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft", vielmehr sind in den Z. 1 bis 7 des § 2 Abs. 4 leg.cit. lediglich die Typen jener Tätigkeiten angeführt, die unter den Begriff "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft" fallen. Dieser Begriff enthält indes über die Merkmale der ausdrücklich vorgesehenen einzelnen Tätigkeitstypen hinaus noch weitere Begriffsmerkmale, die allerdings nicht in Form einer ausdrücklichen Legaldefinition in die Gewerbeordnung 1973 Eingang gefunden haben (siehe hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1982, Zl. 81/04/0244). Dem Begriff "Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft" wohnen, unabhängig von der Typisierung der einzelnen nebengewerblichen Tätigkeiten im Sinne der Z. 1 bis 7 des § 2 Abs. 4 GewO 1973, die Begriffsmerkmale einer mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform und der Unterordnung der gewerblichen Tätigkeit gegenüber der Land- und Forstwirtschaft inne.

Das Kriterium der mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform macht im Einzelfall Feststellungen darüber erforderlich, inwiefern die von einem Land- bzw. Forstwirt ausgeübten Tätigkeiten, die an sich dem Typus eines Nebengewerbes nach den Z. 1 bis 7 des § 2 Abs. 4 GewO 1973 entsprechen, mit dem land- bzw. forstwirtschaftlichen Betrieb organisatorisch verflochten sind, wobei sich eine absolute Grenze der Unterstellbarkeit solcher Tätigkeiten unter den Begriff des "Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft" dort ergibt, wo die Ausübung der betreffenden Tätigkeiten dem Erscheinungsbild eines Betriebes entspricht, wie er in Ansehung der jeweils in Frage stehenden Tätigkeiten von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft geführt wird.

In Ansehung von Tätigkeiten, deren Zuordnung zu dem in der Z. 1 des § 2 Abs. 4 GewO 1973 angeführten Tätigkeitstypus in Betracht kommt, ist - wie bei den anderen Typen der Nebengewerbe der Land- und Forstwirtschaft - vom Begriffsmerkmal der mit der Land- und Forstwirtschaft organisatorisch eng verbundenen Erscheinungsform auszugehen.

Was diesen Tätigkeitstypus nach der Z. 1 des § 2 Abs. 4 GewO 1973 anlangt, ist allerdings nicht auf das allgemeine Begriffsmerkmal der Unterordnung gegenüber der Land- und Forstwirtschaft zurückzugreifen. Die Tätigkeiten, deren Zuordnung zum Typus nach § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 in Frage steht, sind vielmehr an dem in dieser Gesetzesstelle diesbezüglich ausdrücklich vorgesehenen Tatbestandselement "soweit die Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung gegenüber der Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes wirtschaftlich untergeordnet bleibt" zu messen.

Zufolge dieses Tatbestandsmerkmales des wirtschaftlich-untergeordnet-Bleibens ist eine vergleichende Gegenüberstellung zwischen der jeweils ausgeübten Tätigkeit der Erzeugung des Naturproduktes und der Tätigkeit der Verarbeitung und Bearbeitung vorzunehmen. Bei einem solchen Vergleich ist in jedem Einzelfall auf alle wirtschaftlichen Merkmale der betreffenden Tätigkeiten, insbesondere auf das Ausmaß der Wertschöpfung, auf die Höhe des Ertrages und der Kosten und auf den Aufwand an Arbeitskräften und an Arbeitszeit, Bedacht zu nehmen.

Der § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 bezieht sich auf die Erzeugung des Naturproduktes und auf dessen Verarbeitung und Bearbeitung. Im normativen Gefüge des § 2 Abs. 4 Z. 1 leg.cit. ist unter dem "Naturprodukt" nicht das Einzelstück des nach der konkreten Lage jeweils in Betracht kommenen "Naturproduktes" zu verstehen. In die zufolge des Tatbestandselementes des wirtschaftlich-untergeordnet-Bleibens erforderliche vergleichende Gegenüberstellung sind somit solche Naturprodukte, die nicht Gegenstand jener Ver- bzw. Bearbeitung sind, deren Qualifikation am Maßstab der zitierten Gesetzesstelle im jeweiligen Einzelfall geprüft wird, nicht einzubeziehen. Der Vergleich ist vielmehr nur auf "das Naturprodukt" abzustellen, das in der einen Wirtschaftsphase den Gegenstand der land- und forstwirtschaftlichen Erzeugungstätigkeit und in der anderen Wirtschaftsphase den Gegenstand der Ver- bzw. Bearbeitung bildet.

Dem § 2 Abs. 3 Z. 2 GewO 1973 ist kein für den Beschwerdeführer sprechender normativer Gehalt zu entnehmen. Diese Regelung bezieht sich auf das Halten von Nutztieren zu bestimmten Zwecken. Im gegebenen Zusammenhang gehört nur das Halten von Nutztieren zur Landwirtschaft. Tätigkeiten, die über das Halten der Nutztiere hinaus dem Zweck der Gewinnung tierischer Erzeugnisse dienen, sind von der Umschreibung des Bereiches der Land- und Forstwirtschaft in § 2 Abs. 3 Z. 2 GewO 1973 nicht erfaßt.

Auch mit seinem Hinweis auf den in § 2 Abs. 4 Z. 1 GewO 1973 enthaltenen Tatbestand "wie es von Land- und Forstwirten in der Regel auf den Markt gebracht wird" vermag der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun, weil der angefochtene Bescheid nicht auf diesen Tatbestand gestützt wurde.

Gleichwohl ist der vorliegenden Beschwerde Erfolg beschieden.

Entgegen der dargestellten Rechtslage unterließ es die belangte Behörde, Feststellungen darüber zu treffen, in welchem organisatorischen Verhältnis im Falle des Beschwerdeführers die Tätigkeit des Haltens von Schafen und die Tätigkeit des Schlachtens stehen. Solcherart wurde nicht aufgezeigt, ob im Verhältnis zwischen diesen Tätigkeiten im vorliegenden Fall von einer organisatorischen Verflechtung oder von organisatorischer Trennung zu sprechen sei. Die von der belangten Behörde (in Verbindung mit dem erstbehördlichen Straferkenntnis) getroffenen Feststellungen über das Bestehen eines Schlachtraumes und eines Kühlraumes mit drei Rohrbahnen, die mit 80 Stück Schlachtkörpern von Schafen beschickt werden könnten, und die Betriebsweise, die darin bestehe, daß die Lämmer ca. zwei Monate gemästet und dann geschlagen würden, bringen auch nicht zum Ausdruck, ob und gegebenenfalls inwiefern der Tätigkeitsbereich des Beschwerdeführers in Ansehung des Schlachtens dem Erscheinungsbild eines Betriebes entspricht, wie er von einem Gewerbetreibenden losgelöst von der Land- und Forstwirtschaft geführt wird. Was das bloße Bestehen eines Schlachtraumes und eines mit den Merkmalen der drei Rohrbahnen und der Beschickungsmöglichkeit mit 80 Stück Schlachtkörpern von Schafen umschriebenen Kühlraumes anlangt, wurde zwar ein Anknüpfungspunkt für die Ausübung von Tätigkeiten angegeben, ohne daß jedoch ersichtlich gemacht worden wäre, in welchem Umfang - bezogen auf den Zeitaufwand und den Einsatz von Arbeitskräften - der Beschwerdeführer Tätigkeiten, die die Merkmale der Gewerbsmäßigkeit aufgewiesen hätten, ausgeübt habe.

Der von der belangten Behörde als maßgebend erachtete Umstand, daß der Beschwerdeführer sein Einkommen jedenfalls vorwiegend aus der gewerblichen Tätigkeit der Tierschlachtung beziehe, berechtigte nicht auch schon zu der Schlußfolgerung, daß die Tierhaltung des Beschwerdeführers wirtschaftlich zurücktrete, weil die belangte Behörde die durch die Masttierhaltung erzielte Wertschöpfung - mochte diese auch nicht aus einem durch Verkauf lebender Tiere erzielten Preis ablesbar, sondern nur durch Vergleichswerte ermittelbar gewesen sein - völlig vernachlässigte.

Dem angefochtenen Bescheid kann weiters weder entnommen werden, welche Kosten einerseits die Tierhaltung und andererseits die Schlachtung verursacht, noch ist ihm ein Vergleich des jeweiligen Aufwandes an Arbeitszeit bzw. ein Arbeitskräftevergleich zu entnehmen.

Im angefochtenen Bescheid wurden somit in Verkennung der Rechtslage wesentliche Feststellungen für die Beurteilung der Frage nach der Subsumierbarkeit der dem Beschwerdeführer als strafbar zur Last gelegten Tätigkeit unter den Begriff des "Nebengewerbes der Land- und Forstwirtschaft" nicht getroffen. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1990040147.X00

Im RIS seit

22.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.07.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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