TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/14 LVwG-AV-108/001-2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.02.2020
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Entscheidungsdatum

14.02.2020

Norm

BAO §92
AWG NÖ 1992 §24
AWG NÖ 1992 §27

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter Hofrat Mag. Hubmayr über die Beschwerde des A und der B vom 4. November 2019 gegen den Berufungsbescheid des Verbandsvorstandes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 24. Oktober 2019, GZ. ***, betreffend die Festsetzung der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr sowie der jährlichen Abfallwirtschaftsabgabe ab 1. Juni 2019 für das Grundstück *** in ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben. Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird abgeändert und hat wie folgt zu lauten: „Der Berufung wird Folge gegeben. Der Abgabenbescheid des Verbandsobmanns des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 29. Mai 2019, GZ: ***, wird aufgehoben.“

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1.   Sachverhalt

Mit Abgabenbescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes für Abgabeneinhebung und Umweltschutz im Bezirk *** vom 29. Jänner 2018, GZ: ***, wurde Herrn A und Frau B (in der Folge: Beschwerdeführer) für die gegenständliche Liegenschaft *** in *** die jährliche Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe ab 1. Jänner 2018 im Gesamtbetrag von € 377,85 festgesetzt. Der Berechnung wurden eine Wohnung („Abfallnutzungseinheit“) auf dem Grundstück, ein Restmüllbehälter mit 240 l bei 13 Abfuhren, zwei Restmüllbehälter mit je 120 l mit 13 Abfuhren, ein Behälter Bio mit 120 l bei 41 Abfuhren sowie ein Behälter Altpapier mit 240 l bei 7 Abfuhren zugrunde gelegt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Mit Abgabenbescheid vom 29. Mai 2019, GZ: ***, setzte der Verbandsobmann für das gegenständliche Grundstück die jährliche Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe ab 1. Juni 2019 im Gesamtbetrag von € 524,05 neu fest. Der Berechnung zugrunde gelegt wurden zwei Wohneinheiten, ein in seiner Gesamtheit als Wohneinheit geltender Betrieb (Gasthaus), ein Restmüllbehälter mit 240 l bei 13 Abfuhren, zwei Restmüllbehälter mit je 120 l mit 13 Abfuhren, ein Behälter Bio mit 120 l bei 41 Abfuhren sowie ein Behälter Altpapier mit 240 l bei 7 Abfuhren.

In der gegen diesen Abgabenbescheid erhobenen Berufung führten die Beschwerdeführer aus, es werde kein privater Müll im Haus produziert, da keine private Küche bestehe.

Der Vorstand des Gemeindeverbandes wies mit Bescheid vom 24. Oktober 2019 die Berufung als unbegründet ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich. Begründend wurde im Wesentlichen dazu ausgeführt, dass aufgrund der Änderungen des zweiten Abschnittes im NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 von Amts wegen Ermittlungen im gesamten Einzugsbereich des Gemeindeverbandes durchgeführt worden seien. Ziel dieses Verfahrens sei die Feststellung, ob bestehende Betriebe von den Änderungen des NÖ Abfallwirtschaftsgesetz betroffen seien und, bejahendenfalls, der Gemeindeverband entsprechend den gesetzlichen Vorgaben ein spezifisches Verfahren weiterzuführen habe.

Zu diesem Zweck seien Abfragen im elektronischen Gewerbeinformationssystem Austria erfolgt. In diesem Register scheine auf dem gegenständlichen Grundstück der Betrieb eines Gastgewerbes lautend auf C OG auf. Die daraufhin durchgeführten Erhebungen hätten ergeben, dass auf der Liegenschaft 2 Wohneinheiten und ein Betrieb – Gasthaus – erfasst seien.

Laut Einheitswertbescheid des Finanzamtes seien die Beschwerdeführer Eigentümer dieser Liegenschaft. Aufgrund dieses Ermittlungsergebnisses sei Abfallwirtschaftsgebühr und –abgabe für das verfahrensgegenständliche Grundstück neu festgesetzt worden.

Aufgrund der Änderungen des zweiten Abschnittes des NÖ Abfallwirtschaftsgesetzes iVm §§ 114 und 115 der BAO sei der Gemeindeverband verpflichtet, Erhebungen zur Ermittlung der tatsächlichen Verhältnisse im Einzugsgebiet des Verbandes durchzuführen. Von diesen Erhebungen sei auch die verfahrensgegenständliche Liegenschaft betroffen.

Die Ermittlungen hätten ergeben, dass auf dem gegenständlichen Grundstück zwei Wohnungseinheiten und ein Betrieb vorhanden seien. Es sei daher mit Abgabenbescheid vom 29. Mai 2019 der Abgabenbescheid vom 29. Jänner 2013 (gemeint wohl: 2018) ersetzt und die Anzahl der für die Berechnung des Bereitstellungsbetrages essentiellen Nutzungseinheiten (für Wohnungen auf „2“ und zusätzlich um eine Nutzungseinheit „Betrieb Gasthaus“) erhöht worden.

Die Gebührenberechnung zur Ermittlung der Abfallwirtschaftsgebühr des Gemeindeverbandes bestehe laut Abfallwirtschaftsverordnung des Gemeindeverbandes aus einem Behandlungs- und einem Bereitstellungsanteil. Während der Behandlungsanteil auf die Größe und die Entleerungsfrequenz des auf dem Grundstück verwendeten Restmüllbehälters abziele, werde der Bereitstellungsanteil aufgrund der Anzahl der auf dem Grundstück befindlichen Wohnungen (Nutzungseinheiten) ermittelt. Als Wohnung hätten auch Betriebe, Anstalten oder sonstige Einrichtungen, die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind, zu gelten. Basierend auf dem durchgeführten Ermittlungsverfahren würden sich auf dem gegenständlichen Grundstück zwei Wohneinheiten und ein Betrieb befinden. Es sei daher der angefochtene Abgabenbescheid auf Basis der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu erlassen und sohin spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Gegen den Bescheid des Vorstandes des Gemeindeverbandes vom 24. Oktober 2019 richtet sich die nunmehrige Beschwerde vom 4. November 2019. Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass keine zwei Wohnungen und ein Betrieb vorhanden seien. Nach dem Hochwasser von 2002 hätte lediglich eine kleine Wohnung ohne Küche renoviert werden können. Es werde daher beantragt, eine neue Abgabenberechnung vorzunehmen.

Die Beschwerde wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vom Gemeindeverband unter Anschluss des bezughabenden Abgabenaktes am 23. Jänner 2020 zur Entscheidung vorgelegt.

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Gemeindeverband vorgelegten Verwaltungsakt einschließlich der Beschwerde.

2.   Rechtslage:

2.1.     Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

(2) Durch die Aufhebung des angefochtenen Bescheides tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hat.

(3) Im Verfahren betreffend Bescheide, die Erkenntnisse (Abs. 1) abändern, aufheben oder ersetzen, sind die Abgabenbehörden an die für das Erkenntnis maßgebliche, dort dargelegte Rechtsanschauung gebunden. Dies gilt auch dann, wenn das Erkenntnis einen kürzeren Zeitraum als der spätere Bescheid umfasst.

2.2.     NÖ Abfallwirtschaftsgesetz:

§ 24 Berechnung der Abfallwirtschaftsgebühr

(1) Die Abfallwirtschaftsgebühr besteht jedenfalls aus

-        einem Anteil für die Erfassung und Behandlung von Abfall.

Überdies darf die Gemeinde festlegen, daß ein Teil der Abfallwirtschaftsgebühr als

-        Anteil für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft eingehoben wird.

(2) Die Höhe der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr ist wie folgt zu errechnen:

1.       Anteil für die Erfassung und Behandlung von Abfall (Behandlungsanteil):

a.       Bei Verwendung von Müllbehältern für eine wiederkehrende Benützung (Tonnen) ist die Grundgebühr für einen Müllbehälter mit der Anzahl der aufgestellten Müllbehälter und mit der Zahl der Abfuhrtermine oder mit der Zahl der tatsächlichen Abfuhren zu vervielfachen.

b.       Bei Verwendung von Müllbehältern für eine einmalige Benützung (Säcke) ist die Grundgebühr mit der Zahl der jährlich zugeteilten Müllbehälter zu vervielfachen.

c.       Bei der Festsetzung der Grundgebühr sind Kriterien wie der Rauminhalt der Müllbehälter, das Gewicht, das Volumen und die Art des Abfalls etc. zu berücksichtigen, wobei auf die Grundsätze der Abfallwirtschaft (§ 1 Abs. 2) und die Interessen der Verwaltungsökonomie Bedacht zu nehmen ist.

Die Grundgebühr kann festgesetzt werden

-        für jede Art von Müllbehältern oder

-        nur für Restmüllbehälter. Werden in diesem Fall auch andere Müllbehälter (z. B. Altpapier- und Altglasbehälter) zur Verfügung gestellt, so kann dies bei der Festsetzung der Grundgebühr für den Restmüllbehälter durch Zu/Abschläge entsprechend berücksichtigt werden (gestaffelte Grundgebühr).

d.       Für den Sonderbereich (§ 3 Z 11) ist eine um 10% reduzierte Grundgebühr festzusetzen.

2.       Anteil für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft (Bereitstellungsanteil):

Der Anteil für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft ist das Produkt aus der Anzahl der Wohnungen pro Grundstück mal einem Bereitstellungsbetrag. Als Wohnung gelten auch Betriebe, Anstalten und sonstige Einrichtungen, die in die öffentliche Müllabfuhr einbezogen sind. Der Bereitstellungsbetrag darf so festgesetzt werden, daß der voraussichtliche Jahresertrag des Anteils für die Bereitstellung von Einrichtungen für die Abfallwirtschaft an der Abfallwirtschaftsgebühr höchstens 40 % des Jahresaufwandes (Abs. 4) beträgt.

(3) Der voraussichtliche Jahresertrag der Abfallwirtschaftsgebühr und die Summe der Erträgnisse aus der Erfassung und Behandlung von Abfällen dürfen den voraussichtlichen doppelten Jahresaufwand der Abfallwirtschaft nicht überschreiten. Förderungen des Landes bzw. des Bundes sind zu berücksichtigen.

(4) Jahresaufwand der Abfallwirtschaft

Voraussichtliches jährliches Erfordernis für

1.       die Erfassung und Behandlung von Abfall,

2.       die Tilgung der Errichtungs- und Rekultivierungskosten sämtlicher Einrichtungen für die Abfallwirtschaft unter Berücksichtigung einer nach der Art der Einrichtung zu erwartenden Lebensdauer,

3.       die Zinsen von Darlehen, die zur Finanzierung der Errichtungs- und Rekultivierungskosten sämtlicher Einrichtungen für die Abfallwirtschaft aufgenommen worden sind,

4.       die Bildung einer Erneuerungsrücklage im notwendigen Ausmaß für sämtliche Einrichtungen der Abfallwirtschaft.

§ 26 Abgabenschuldner

(1) Die Abfallwirtschaftsgebühr und die Abfallwirtschaftsabgabe ist von den Eigentümern der im Pflichtbereich gelegenen Grundstücke, bei deren widmungsgemäßer Verwendung mit Abfallanfall gerechnet werden kann, zu entrichten.

§ 27 Entstehen des Abgabenanspruches, Fälligkeit

(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe entsteht ab dem Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der Abfallwirtschaftsverordnung. Werden Müllbehälter zugeteilt, so entsteht der Abgabenanspruch erst mit dem auf die Erlassung des Bescheides über die Festsetzung der Anzahl der aufzustellenden oder anzubringenden Müllbehälter nächstfolgenden Monatsersten.

(2) Der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfallwirtschaftsgebühr und der Abfallwirtschaftsabgabe ist in der Abfallwirtschaftsverordnung (§ 28) festzusetzen. Die behördlich festgesetzte Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe ist bis zur Erlassung einer neuen Abgabenentscheidung in unveränderter Höhe zu entrichten. Die Abfallwirtschaftsgebühr und die Abfallwirtschaftsabgabe sind auch dann zu entrichten, wenn die Müllbehälter nicht oder nicht ständig benützt werden. Dies gilt nicht für den Fall, daß der Behandlungsanteil nach der Zahl der tatsächlichen Abfuhren berechnet wird.

3.   Erwägungen:

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer in zweiter Instanz durch Bestätigung des erstinstanzlichen Abgabenbescheides die jährliche Abfallwirtschaftsgebühr sowie die jährliche Abfallwirtschaftsabgabe ab 1. Juni 2019 neu festgesetzt.

Allerdings wurde bereits zuvor mit Bescheid des Verbandsobmannes des Gemeindeverbandes vom 29. Jänner 2018 dem Beschwerdeführer für das selbe Grundstück mit Wirksamkeit am 1. Jänner 2018 die jährliche Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe festgesetzt.

Gemäß § 27 Abs. 2 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 sind die im Abgabenbescheid festgesetzte Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe bis zur Erlassung eines neuen Abgabenbescheides in unveränderter Höhe zu entrichten.

Bereits der Bescheid vom 29. Jänner 2018 begründete eine entschiedene Sache, die einer späteren neuerlichen Abgabenfestsetzung für das selbe Grundstück bei unveränderter Sach- und Rechtslage jedenfalls entgegensteht. Die Festsetzung gilt auch für die Folgejahre solange, bis sich die Bemessungsgrundlagen ändern. Dies kann sein eine Änderung entweder des zugeteilten Behältervolumens, der Grundgebühr oder – im Hinblick auf die Berechnung des Bereitstellungsanteiles der Abfallwirtschaftsgebühr – die Anzahl der Wohnungen auf dem Grundstück.

Nun ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, dass auf dem gegenständlichen Grundstück keine Änderung hinsichtlich der dort befindlichen Wohnungen erfolgt ist. Auch die Ausübung des Gastgewerbes wurde auf dem gegenständlichen Grundstück bereits bei Erlassung des Abgabenbescheides vom 29. Jänner 2018 ausgeübt. Mit diesem Bescheid wurde den Beschwerdeführern für das gegenständliche Grundstück die Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe vorgeschrieben.

Seit damals haben sich die Bemessungsgrundlagen nicht mehr verändert.

Auch die Rechtslage hat sich nicht geändert, da die abgabenrechtliche Bestimmung des § 24 Abs. 2 Z 2 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz durch die letzte Novelle zum NÖ Abfallwirtschaftsgesetz 1992 nicht abgeändert wurde. Die Bestimmung sah bereits vor der Einführung des § 11 Abs. 6a NÖ Abfallwirtschaftsgesetz eine Einteilung in Haushalte (Wohnungen im engeren Sinn) sowie Betriebe, Anstalten und sonstige Einrichtungen (Wohnungen im weiteren Sinn) vor. Wenn daher die erhebungsberechtigte Stelle in der Abfallwirtschaftsverordnung die Einhebung eines Bereitstellungsanteiles vorgesehen hat, waren Betriebe, Anstalten und sonstige Einrichtungen als Wohnungen (im weiteren Sinn) bei der Festsetzung der Abfallwirtschaftsgebühr zu berücksichtigen, auch wenn hierfür keine Zuteilung von Müllbehältnissen vorgenommen wurde. Die Zuteilung von Müllbehältern und eine daraus resultierende Festsetzung des Behandlungsanteiles (§ 24 Abs. 1 Z 1 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz) hat grundsätzlich keine Auswirkung auf die Anzahl der Wohnungen (im engeren und weiteren Sinn). Die Zuteilung von Müllbehältnissen erfolgt jeweils für das Grundstück (§ 9 Abs. 1 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz). Dabei werden nicht Behälter im eigentlichen Sinn, sondern vielmehr ein Jahresvolumen zugeteilt, mit welchem der erfahrungsgemäß anfallende Müll erfasst werden kann. Dieses Volumen teilt sich auf bestimmte Behälter und Abfuhrtermine auf (§ 11 Abs. 6 und 6a NÖ Abfallwirtschaftsgesetz). Bei der Anzahl der Müllbehälter ist damit nicht ausschlaggebend, ob auf einem Grundstück eine oder mehrere Wohnungen im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 2 NÖ Abfallwirtschaftsgesetz vorhanden sind.

Auch die Abfallwirtschaftsverordnung vom 4. Dezember 2017, in Kraft getreten am 1. Jänner 2018, und die darin festgesetzten Gebührensätze, welche bereits dem Bescheid des Verbandsobmannes vom 29. Jänner 2018 zugrunde gelegt wurden, haben sich nicht verändert.

Dieser Bescheid des Verbandsobmannes vom 29. Jänner 2018 gehört damit dem Rechtsbestand an, ist in Rechtskraft erwachsen und entfaltet bei unveränderter Sach- und Rechtslage sowohl für die Abgabenbehörde als auch für die Beschwerdeführer Bindungswirkung. Die Rechtskraft bewirkt bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache. Maßgebliche Wirkungen eines rechtskräftigen Bescheides sind dessen Unwiederholbarkeit und dessen Unabänderbarkeit. Parteien und Behörden haben den Bescheidinhalt als maßgeblich zu betrachten („res iudicata ius facit inter partes“). Die Unwiederholbarkeitswirkung verbietet, dass über die mit dem Bescheid rechtskräftig erledigte Sache neuerlich entschieden wird (VwGH 2006/12/0066). Der nunmehrigen neuerlichen Festsetzung der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe für die selben Abgabenschuldner und das selbe Grundstück steht bei unveränderten Verhältnissen das Rechtshindernis der entschiedenen Sache entgegen.

Durch die Abweisung der Berufung mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Verbandsvorstandes vom 24. Oktober 2019 hat dieser den Spruch des erstinstanzlichen Abgabenbescheides vom 29. Mai 2019 unverändert übernommen (vgl. etwa VwGH 90/13/0282).

Damit hat auch die Berufungsbehörde eine neuerliche Bemessung der jährlichen Abfallwirtschaftsgebühr und Abfallwirtschaftsabgabe vorgenommen. Der Verbandsvorstand als Berufungsbehörde hat somit über eine mit Bescheid des Verbandsobmannes vom 29. Jänner 2018 bereits rechtskräftig entschiedene Sache neuerlich entschieden und seine Entscheidung mit Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit belastet. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.   Zur Nichtdurchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung:

Diese Entscheidung konnte gemäß § 274 Abs.1 BAO unter Entfall der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung getroffen werden. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde von den Beschwerdeführern im Rahmen der Beschwerde nicht beantragt und ist aus dem vorgelegten Verwaltungsakt ersichtlich, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt.

5.   Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen liegen jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Abfallwirtschaft; Verfahrensrecht; res iudicata; Abgabenfestsetzung; Neufestsetzung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.108.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.03.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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