TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/31 G314 1233371-2

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Veröffentlicht am 31.01.2020
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Entscheidungsdatum

31.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
FPG §70

Spruch

G314 1233371-2/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des kosovarischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.07.2018,Zl. XXXX, zu Recht:

A) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger des Kosovo, reiste am 11.10.2002 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX.10.2002 gemäß § 7 AsylG 1997 abgewiesen wurde; weiters wurde festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF in seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 06.04.2011 als unbegründet abgewiesen. Am 28.03.2013 kehrte der BF nach einer Anhaltung in Schubhaft freiwillig in den Kosovo zurück.

Am XXXX heiratete er im Kosovo eine in XXXX lebende slowakische Staatsangehörige und reiste daraufhin neuerlich nach Österreich, wo er seit August 2013 durchgehend mit Hauptwohnsitz gemeldet ist. Mit XXXX.2014 wurde ihm eine Aufenthaltskarte (mit Gültigkeit bis XXXX.2019) ausgestellt. Er war zunächst - unterbrochen durch Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs - als Fassadenbauer unselbständig erwerbstätig und ist seit Juli 2017 als unbeschränkt haftender Gesellschafter der XXXX selbständig erwerbstätig. Er beherrscht die deutsche Sprache und legte eine Prüfung für das Niveau A2 ab. Zwei seiner Brüder sowie Cousinen und Cousins halten sich ebenfalls in Österreich auf, seine Eltern und weitere Brüder leben im Kosovo.

Seit Jänner 2015 lebt der BF getrennt von seiner slowakischen Ehefrau. Mit seit XXXX.2015 rechtskräftigem Urteil eines kosovarischen Gerichts wurde die Ehe geschieden. Davon setzte der BF die Niederlassungsbehörde am XXXX.2016 in Kenntnis. Das am XXXX.2016 von der Niederlassungsbehörde informierte Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den BF mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet aus und erteilte ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG einen einmonatigen Durchsetzungsaufschub.

Am XXXX.2016 hatte der BF im Kosovo eine kosovarische Staatsangehörige geheiratet. Diese reist am XXXX.2019 hochschwanger in das Bundesgebiet ein. Sie beantragte internationalen Schutz, weil sie mit dem BF zusammenleben wolle und ihr Kind nicht ohne seinen Vater aufwachsen solle. Der gemeinsame Sohn kam am XXXX zur Welt.

Mit Bescheiden vom XXXX.04.2019 wurden die Anträge der Ehefrau des BF und ihres Sohnes auf internationalen Schutz vom BFA vollinhaltlich abgewiesen; gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG nicht erteilt würden, und es wurden gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG Rückkehrentscheidungen sowie gemäß § 53 Abs 1 und 2 FPG einjährige Einreiseverbote erlassen; gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung in den Kosovo zulässig sei; eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt und einer Beschwerde wurde jeweils die aufschiebende Wirkung aberkannt. Der nur gegen die Rückkehrentscheidungen und die damit verbundenen Aussprüche sowie die Einreiseverbote erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) insoweit statt, als es die Einreiseverbote ersatzlos behob; im Übrigen wurden die Beschwerden abgewiesen (vgl. dazu auch VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0186, 0187).

Mit dem Erkenntnis vom 13.05.2019, G314 1233371-2/4E, wies das BVwG die Beschwerde des BF gegen den angefochtenen Bescheid als unbegründet ab. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hob dieses Erkenntnis aufgrund der außerordentlichen Revision des BF wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit auf (VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0185).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Gerichtsakt des BVwG.

Die Feststellungen basieren auf den vom BVwG im Erkenntnis vom 13.05.2019, G314 1233371-2/4E, getroffenen Sachverhaltsannahmen, denen die Revision nicht substantiiert entgegentrat und die auch der VwGH seiner Entscheidung zugrunde legte. Seither eingetretene, für diese Entscheidung relevante Änderungen des Sachverhalts sind nicht zutage getreten.

Rechtliche Beurteilung:

Da das Erkenntnis des BVwG vom 13.05.2019, G314 1233371-2/4E, vom VwGH aufgehoben wurde, tritt die Rechtssache gemäß § 42 Abs 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieser Entscheidung befunden hat. Die Herstellung des der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustands erfolgt durch die Erlassung dieser Ersatzentscheidung des BVwG (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 1407 ff).

Nach der Rechtsansicht des VwGH zur Interessenabwägung gemäß Art 8 EMRK ist bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn er die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, wurden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen. Diese Grundsätze gelten auch für Fälle eines einmalig für wenige Monate unterbrochenen Inlandsaufenthaltes.

Beim BF ist demnach von einem insgesamt mehr als sechzehnjährigen, nur für weniger als fünf Monate unterbrochenen Inlandsaufenthalt auszugehen. Davon, dass er sich in dieser Zeit sozial und beruflich überhaupt nicht integriert hat, kann angesichts seiner mehrjährigen Erwerbstätigkeit keine Rede sein. Sein Aufenthalt war auch weit überwiegend - zunächst während seines außerordentlich langen Asylverfahrens (dessen Dauer offenbar nicht ihm zuzurechnen war) und sodann auf Grund seines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts - rechtmäßig. Dabei fällt nicht entscheidend ins Gewicht, dass er seine Ehescheidung entgegen § 54 Abs 6 NAG erst mit einer Verzögerung von einigen Monaten gemeldet hat, zumal das daran anschließende Verfahren vor dem BFA bis zur Erlassung der erstinstanzlichen Ausweisung nahezu zwei Jahre und das Verfahren vor dem BVwG im ersten Rechtsgang weitere (rund) neun Monate gedauert hat. Wegen des Überwiegens der durch Art 8 EMRK geschützten privaten Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich ist somit gemäß § 9 BFA-VG von einer Unzulässigkeit der Ausweisung auszugehen.

Da die Ausweisung nicht zu Recht erfolgte, bedingt dies auch die Gegenstandslosigkeit des dem BF gewährten Durchsetzungsaufschubs. In Stattgebung der Beschwerde ist der angefochtene Bescheid daher - entsprechend der Rechtsanschauung des VwGH - ersatzlos zu beheben.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und sich seit der Entscheidung des BVwG im ersten Rechtsgang nicht entscheidungswesentlich geändert hat, unterbleibt eine mündliche Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil das BVwG aufgrund der Bindung an die für das Erkenntnis des VwGH vom 19.12.2019, Ra 2019/21/0185, ausschlaggebenden Entscheidungsgründe keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Rechtsanschauung des VwGH,
Voraussetzungen, Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.1233371.2.00

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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