TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/23 W154 2175391-1

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Entscheidungsdatum

23.01.2020

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35 Abs2

Spruch

W154 2175391-1/15E

Schriftliche Ausfertigung des am 09.11.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX und XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gem. GmbH, pA WATTGASSE 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zl: 1069550605/171205678, und gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 27.10.2017, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.11.2017 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG stattgegeben und der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2017, Zl: 1069550605/171205678, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 27.10.2017 bis 09.11.2017 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 1.659,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 19.05.2015 unter dem Namen XXXX , dem Geburtsdatum XXXX und der Staatsangehörigkeit Nigerias einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Zuge einer Personendurchsuchung des Beschwerdeführers stellten die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes den in Italien ausgestellten nigerianischen Reisepass des Beschwerdeführers, lautend auf XXXX , geboren am XXXX , sicher.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.09.2017, Zl.: IFA 1088909907 Verfahren: 151433501, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise gewährte die belangte Behörde nicht (Spruchpunkt IV.) und erkannte sie einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Des Weiteren erließ sie gegen den Beschwerdeführer darüber hinaus ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.) und stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 21.08.2017 verloren hat (Spruchpunkt VII.).

Gegen diese Entscheidung erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.10.2017, GZ I411 2171962-1/4E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis IV. sowie VII. als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich Spruchpunkt VI. wurde der Beschwerde insofern stattgegeben, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes auf 6 Jahre herabgesetzt wurde.

4. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.08.2017 zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt und drei Monate bedingt, verurteilt. Am 27.10.2017 wurde der Beschwerdeführer aus der Strafhaft entlassen und aufgrund der Bestimmungen des BFA-VG festgenommen und der belangten Behörde vorgeführt. Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag zur Prüfung der Voraussetzungen zur Anordnung der Schubhaft einvernommen.

5. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge: BFA) wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Die belangte Behörde stütze die Fluchtgefahr in ihrem Bescheid dabei auf § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9 FPG.

6. Gegen den Bescheid, die Schubhaftanordnung sowie die fortdauernde Anhaltung in Schubhaft erhob der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers am 03.11.2017 Beschwerde. Dabei ging die Beschwerde von fehlender Fluchtgefahr aus und rügte des Weiteren die Nichtanwendung eines gelinderen Mittels.

In der Beschwerde wurde beantragt, den angefochtenen Bescheid zu beheben, die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären und auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung nicht vorlägen. Darüber hinaus wurde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung sowie Kosten- und Barauslagenersatz beantragt.

7. Am 06.11.2017 legte die belangte Behörde die Verwaltungsakten vor. Eine Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen wurde nicht erstattet.

8. Das Bundesverwaltungsgericht führte im verfahrensgegenständlichen Schubhaftbeschwerdeverfahren am 09.11.2017 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer im Beisein seines bevollmächtigten Rechtsvertreters teilnahmen. Die belangte Behörde teilte am 07.11.2017 schriftlich mit, an der mündlichen Verhandlung nicht teilzunehmen.

In der Verhandlung wurde im Wesentlichen auf den Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Österreich Bezug genommen und seitens des Rechtsvertreters auf den nachweislich in Italien gültigen Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers hingewiesen. Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung seine Bereitschaft, freiwillig nach Italien zurückzukehren, ausdrücklich bekundet.

Im Anschluss an die mündliche Verhandlung erfolgte die mündliche Verkündung des Erkenntnisses.

9. Mit Schreiben vom 10.11.2017 beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung des am 09.11.2017 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist volljährig, nigerianischer Staatsbürger und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 01.09.2017, Zl.: IFA 1088909907 Verfahren: 151433501, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise gewährte die belangte Behörde nicht (Spruchpunkt IV.) und erkannte sie einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Des Weiteren erließ sie gegen den Beschwerdeführer darüber hinaus ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.) und stellte sie fest, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 21.08.2017 verloren hat (Spruchpunkt VII.). Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.10.2017, GZ I411 2171962-1/4E, wurde die gegen den angeführten Bescheid erhobene Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis IV. sowie VII. als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich Spruchpunkt VI. wurde der Beschwerde insofern stattgegeben, dass die Dauer des befristeten Einreiseverbotes auf 6 Jahre herabgesetzt wurde.

Mit Bescheid des BFA vom 27.10.2017 wurde gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach Nigeria angeordnet.

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines bis 01.02.2018 gültigen italienischen Aufenthaltstitels.

Der Beschwerdeführer hat seine Bereitschaft, freiwillig nach Italien auszureisen, explizit zum Ausdruck gebracht.

2. Beweiswürdigung:

Dass der Beschwerdeführer nigerianischer und nicht österreichischer Staatsbürger und volljährig ist, ergibt sich aus dem im Verfahrensakt einliegenden nigerianischen Reisepass.

Die Feststellungen zum rechtlichen Status des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus dem vorliegenden Verfahrensakt.

Aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Schubhaftbescheid geht hervorgeht, dass die belangte Behörde die Anordnung der Schubhaft im bekämpften Bescheid erkennbar auf die Sicherung der Abschiebung nach Nigeria gestützt hat.

Die Feststellung zum bestehenden Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers in Italien ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 03.08.2017.

Die Bereitschaft des Beschwerdeführers, freiwillig nach Italien auszureisen, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A) I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

3.1.2. Im vorliegenden Fall kann nach Ansicht des erkennenden Gerichts der Sicherungszweck des § 76 Abs. 2 FPG nicht realisiert werden, weshalb der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid stattgegeben wird. Dem Beschwerdeführer wurde in Italien ein Aufenthaltstitel bis 01.02.2018 erteilt (siehe dazu das Schreiben des italienischen Innenministeriums vom 03.08.2017). Wenn die belangte Behörde der angeordneten Schubhaft zur "Sicherung der Abschiebung" den Bescheid des BFA vom 01.09.2017, respektive das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.10.2017, mit dem die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für zulässig erklärt wird, zugrunde legt, übersieht sie, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat in einem eklatanten Spannungsverhältnis zur Entscheidung eines anderen Vertragsstaates steht. Dem wäre schon auf Grundlage des § 14 BFA-VG Rechnung zu tragen gewesen. Dass der Beschwerdeführer nicht nach Nigeria abgeschoben werden wollte, sondern bereit ist, freiwillig nach Italien auszureisen, hat er explizit der Behörde gegenüber bereits in seiner Vernehmung vom 27.10.2017 und in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 09.11.2017 zum Ausdruck gebracht, was auf Grundlage des Abkommens zwischen der Bundesregierung der Republik Österreich und der Regierung der Italienischen Republik über die Übernahme von Personen an der Grenze, BGBl. III Nr. 160/1998, auch durchaus möglich gewesen wäre. Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines gültigen nigerianischen Reisepasses. Warum die belangte Behörde diese Möglichkeit in ihrer Entscheidung nicht in Betracht gezogen hat, begründete sie weder im bekämpften Bescheid noch in einer Stellungnahme anlässlich der Beschwerdeeinbringung noch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 27.10.2017 bis 09.11.2017 für rechtswidrig zu erklären.

Zu Spruchpunkt A) II. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

2. Da der Beschwerdeführer aktuell in Schubhaft angehalten wird, war auch über die Fortsetzung der Schubhaft innerhalb einer Woche abzusprechen.

Nach dem oben Gesagten erweist sich auch die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft als rechtswidrig.

3. Es war daher auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen.

Zu Spruchpunkt A) III. (Kostenbegehren):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Der belangten Behörde gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, der Beschwerdeführer hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz.

Zu Spruchpunkt B) (Un)zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt A) zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, freiwillige Ausreise, Mitgliedstaat,
Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W154.2175391.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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