TE Vwgh Erkenntnis 1998/6/23 94/08/0044

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.1998
beobachten
merken

Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litf;
AlVG 1977 §12 Abs4;
B-VG Art130 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Böhm, über die Beschwerde des GK in G, vertreten durch Dr. Harold Schmid, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Kalchberggasse 8, gegen den aufgrund eines Beschlusses des Unterausschusses des zuständigen Verwaltungsausschusses ausgefertigten Bescheid des Landesarbeitsamtes Steiermark vom 21. Jänner 1994, Zl. IVc 7022 B-Dr.Puy/S, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte am 8. November 1993 beim Arbeitsamt Graz die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er sei vom 1. Juni bis 31. Oktober 1993 als Reiseleiter beschäftigt gewesen; das Beschäftigungsverhältnis habe durch Zeitablauf geendet. Seit dem Sommersemester 1989 sei er an der Karl-Franzens-Universität Graz als ordentlicher Hörer der Rechtswissenschaften inskribiert.

Mit Bescheid vom 7. Dezember 1993 gab das Arbeitsamt dem Antrag gemäß § 7 Z. 1 in Verbindung mit § 12 Abs. 1 und 3 lit. f AlVG "mangels Arbeitslosigkeit" mit der Begründung keine Folge, daß der Beschwerdeführer ordentlicher Hörer der genannten Universität sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Darin brachte er im wesentlichen vor, daß ihm im Jahre 1992 sehr wohl "Arbeitslosigkeit attestiert" worden sei, da er ständig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Gerade der Beruf eines Reiseleiters unterliege spezifischen saisonalen Schwankungen, und es sei daher geradezu denkunmöglich, in gewissen Destinationen auch im Winter zu arbeiten. Mit dem Studium der Rechtswissenschaften unterziehe er sich einer nicht gerade kostengünstigen Weiterbildung, um danach dem Arbeitsmarkt qualifizierter als jetzt zur Verfügung zu stehen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der Bescheid des Arbeitsamtes bestätigt. Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer auch für das Wintersemester 1993/94 eine Bestätigung über die Inskription der Studienrichtung Rechtswissenschaften vorgelegt. Bisher sei der Beschwerdeführer nach seinen Angaben vom 6. September 1989 bis 31. Jänner 1990 und vom 2. Juli bis 3. August 1990 in einer Hausverwaltung bzw. als Handelsarbeiter beschäftigt gewesen; als Reiseleiter sei er vom 23. März bis 28. April 1992, vom 1. Juli bis 31. Oktober 1992 und vom 1. Juni bis 31. Oktober 1993 beschäftigt gewesen. Infolge der kurzen Beschäftigungen, die sich hauptsächlich auf die vorlesungsfreie Zeit erstreckten, könne beim Beschwerdeführer nicht davon gesprochen werden, daß er dem Studium bereits während des Dienstverhältnisses, das der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen sei, oblegen sei. Das Dienstverhältnis als Reiseleiter sei vielmehr von einer geringen Dauer und entspreche nicht den vom Gesetzgeber ab 1. Jänner 1994 vorgeschriebenen Bedingungen. Bei einer Ausbildung zum Juristen fehle auch das arbeitsmarktpolitische Interesse, da von einem entsprechend dringenden Bedarf am Arbeitsmarkt nicht gesprochen werden könne. Da somit kein berücksichtigungswürdiger Umstand im Sinne des § 12 Abs. 4 AlVG gegeben sei, könne von Arbeitslosigkeit gemäß § 12 Abs. 3 lit. f nicht gesprochen werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Bestimmungen des § 12 Abs. 3 lit. f und Abs. 4 AlVG in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 817/1993, lauten:

"§ 12.(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

...

f) wer in einer Schule oder in einem geregelten Lehrgang - so als ordentlicher Hörer einer Hochschule, als Schüler einer Fachschule oder einer mittleren Lehranstalt - ausgebildet wird oder, ohne daß ein Dienstverhältnis vorliegt, sich einer praktischen Ausbildung unterzieht.

(4) Von den Bestimmungen des Abs. 3 lit. f kann das Arbeitsamt in berücksichtigungswürdigen Fällen Ausnahmen zulassen, insbesondere, wenn der Arbeitslose dem Studium oder der praktischen Ausbildung bereits während des Dienstverhältnisses, das der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen ist, oblag."

Voraussetzung für eine positive Ausübung des dem Arbeitsamt in § 12 Abs. 4 AlVG eingeräumten Ermessens ist das Vorliegen eines in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilenden "berücksichtigungswürdigen Falles" (vgl. z.B. die Erkenntnisse vom 30. Mai 1985, Zl. 85/08/0058, und vom 19. Mai 1992, Zl. 91/08/0189).

Als einen solchen berücksichtigungswürdigen Fall bezeichnet es das Gesetz, wenn der Arbeitslose "dem Studium ... bereits während des Dienstverhältnisses, das der Arbeitslosigkeit unmittelbar vorangegangen ist, oblag". Unter Bedachtnahme auf die sonst bestehende unwiderlegliche Vermutung einer fehlenden Vermittelbarkeit eines in Ausbildung stehenden Arbeitslosen liegt diesem Beispielsfall erkennbar die Überlegung zugrunde, daß ein solcher Arbeitsloser durch die Parallelität von Studium und Beschäftigung bewiesen hat, daß er imstande ist, das Studium neben der Beschäftigung zu betreiben und daher die sonst bestehende unwiderlegliche Vermutung einer fehlenden Vermittelbarkeit bzw. (da die Arbeitswilligkeit nicht nur auf die Vermittelbarkeit, sondern auch auf die aktive Arbeitssuche des Arbeitslosen abstellt) eines Bemühens um eine neue Beschäftigung ungerechtfertigt ist. Wenn das Arbeitsamt in einem solchen Fall das ihm eingeräumte Ermessen positiv ausübt, so besteht im allgemeinen nicht die Gefahr, daß die zuerkannte Leistung der Arbeitslosenversicherung - systemwidrig - dazu dient, das Studium zu finanzieren, sondern wird mit ihm nach Maßgabe der Bestimmungen des AlVG nur weitgehend der Entgeltausfall nach Verlust der Beschäftigung bis zur Wiedererlangung einer solchen, um die sich der Arbeitslose und das Arbeitsamt bemühen müssen, abgegolten (vgl. das Erkenntnis vom 5. September 1995, Zl. 94/08/0033).

Wenn die belangte Behörde vor dem Hintergrund dieser Rechtslage im Hinblick auf die im wesentlichen zur Zeit der Hauptferien ausgeübten Beschäftigungen des Beschwerdeführers ungeachtet des formalen Zutreffens des im § 12 Abs. 4 AlVG angeführten Beispielsfalles dennoch - entsprechend dem Sinn dieses Beispielsfalles und der Ausnahmebestimmung überhaupt - von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch gemacht hat, so liegt darin nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes kein von ihm aufzugreifender Ermessensfehler.

Im vorliegenden Fall war darüber hinaus die individuelle Situation des Beschwerdeführers einerseits und die Lage auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere die regionale Situation, andererseits zu würdigen.

Diesbezüglich hat der Beschwerdeführer lediglich in seiner Berufung die Auffassung vertreten, daß er nach Absolvierung seines Studiums "dem Arbeitsmarkt qualifizierter als jetzt zur Verfügung" stehen werde. Damit hat der Beschwerdeführer aber nicht dargetan, daß es ihm nur unter der Voraussetzung des Abschlusses des gegenwärtigen Studiums möglich gewesen wäre, wiederum eine Beschäftigung zu finden. Daß die angestrebte Berufsausübung unter dem Gesichtspunkt der arbeitsmarktpolitischen Situation besondere Effekte erzielen würde, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet. Bei dieser Sachlage ist die belangte Behörde daher zu Recht davon ausgegangen, daß von der Beendigung des Studiums kein arbeitsmarktpolitisch günstiger und zu begrüßenswerter Effekt ausgehe (vgl. etwa das Erkenntnis vom 19. September 1989, Zl. 88/08/0165). Daraus folgt, daß es nicht rechtswidrig ist, wenn die belangte Behörde angenommen hat, daß die Voraussetzungen für die Ausübung des im § 12 Abs. 4 AlVG eingeräumten Ermessens im Beschwerdefall nicht gegeben sind.

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ermessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1994080044.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten