TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/7 W209 2215930-1

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Veröffentlicht am 07.01.2020
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Entscheidungsdatum

07.01.2020

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W209 2215930-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse, Landesstelle Burgenland) vom 14.12.2018, GZ: BE 46/2018, betreffend Haftung gemäß § 67 Abs. 10 in Verbindung mit § 83 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) für auf dem Betragskonto der XXXX GmbH in XXXX , XXXX , unberichtigt aushaftende Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von €

1.417,48 zuzüglich der bis 19.11.2018 aufgelaufenen Verzugszinsen in Höhe von € 152,22 sowie der ab 20.11.2018 auflaufenden Verzugszinsen in Höhe von 3,38 % p.a. aus € 1.417,48 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Schreiben vom 17.09.2018 teilte die belangte Behörde (im Folgenden: BGKK) dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX GmbH (im Folgenden: Primärschuldnerin) offene Dienstnehmer-Beitragsanteile für die Beitragszeiträume September 2015 bis Dezember 2015, April 2016 bis Juni 2016 und August 2018 und GPLA-Beiträge sowie Verzugszinsen in Höhe von insgesamt € 8.410,36 unberichtigt aushaften würden und der Beschwerdeführer infolge schuldhafter Verletzung der ihm als Vertreter auferlegten Pflichten für diesen Rückstand hafte. Für die Vorlage von Unterlagen, die gegen seine Haftung sprächen, wurde eine Frist von drei Wochen eingeräumt. Auf dieses Schreiben erfolgte seitens des Beschwerdeführers keine Reaktion.

2. Mit beschwerdegegenständlichem Bescheid vom 14.12.2018 wurde der Beschwerdeführer sodann als ehemaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG verpflichtet, der BGKK binnen 15 Tagen nach Zustellung des Bescheides die auf dem Beitragskonto der Primärschuldnerin unberichtigt aushaftenden Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von € 1.417,48 zuzüglich der bis 19.11.2018 verrechneten Verzugszinsen in der Höhe von € 152,22, somit einen Betrag von insgesamt € 1.569,70, zuzüglich der ab 20.11.2018 auflaufenden Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG ergebenden Höhe, das seien derzeit 3,38 % aus € 1.417,48, bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen. Begründend führte die BGKK zusammengefasst aus, dass es im Rahmen der Konkursabschlussprüfung zu einer Nachverrechnung von Sozialversicherungsbeiträgen samt Nebengebühren gekommen sei. Der Rückstand betrage gegenwärtig €

768,78. Über das Vermögen der Primärschuldnerin sei ein Konkursverfahren eröffnet worden, das nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben worden sei, womit die Uneinbringlichkeit der Forderung unzweifelhaft feststehe. Der Verwaltungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 12.01.2016, Ra 2014/08/0028, ausgeführt, dass eine kausale schuldhafte Pflichtverletzung auch dann vorliege, wenn der Vertreter keine Gründe anzugeben vermag, dass ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war. Es wäre somit am Beschwerdeführers gelegen, die Gründe darzulegen und entsprechende Beweisanbote zu erstatten, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden dürfe. Der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren keine Stellungnahme abgegeben, weswegen von der Kausalität der festgestellten Meldepflichtverletzungen für die Uneinbringlichkeit auszugehen sei. Nach Abzug der vom Insolvenz-Entgelt-Fonds geleisteten Zahlungen hafte der Beschwerdeführer darüber hinaus auch für nicht abgeführte Dienstnehmer-Beitragsanteile in Höhe von insgesamt € 648,70 betreffend die Beitragszeiträume September 2015 bis Dezember 2015 und April 2016 bis Juni 2016. Dass er verpflichtet gewesen wäre, die Dienstnehmeranteile abzuführen, ergebe sich aus dem Umstand, dass er (den im Bescheid namentlich angeführten) Dienstnehmern in den angeführten Zeiträumen Gehälter ausbezahlt habe. Da die Pflichtverletzungen des Vertreters dafür ursächlich seien, dass der Sozialversicherungsträger die Beitragszahlungen nicht ordnungsgemäß erhalten habe, habe der Vertreter als wirtschaftliches Äquivalent für die verspätete Zahlung auch die Verzugszinsen zu tragen. Die bis 19.11.2018 aufgelaufenen gesetzlichen Verzugszinsen würden € 152,22 betragen. Für die rückständigen Beiträge für den Beitragszeitraum April 2016 hafte der Beschwerdeführer mangels Pflichtverletzung nicht, weil die Beiträge erst nach Eröffnung des Konkursverfahrens fällig geworden seien und den Beschwerdeführer daher - neben den Meldepflichten und die Verpflichtung zur Abfuhr der einbehaltenen Dienstnehmer-Beitragsanteile - insbesondere auch nicht mehr die Verpflichtung zur Gläubigergleichbehandlung gemäß § 58 Abs. 5 ASVG getroffen habe.

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer binnen offener Rechtsmittelfrist Beschwerde, die er - soweit beschwerderelevant - damit begründete, dass er ab der Konkurseröffnung keinen Zugang mehr zu den Geschäftsunterlagen gehabt habe. Er habe vom Masseverwalter die Auskunft erhalten, dass alle Unterlagen vernichtet worden seien, weswegen er die Richtigkeit der von der BGKK relevierten fehlenden Zahlungen nicht überprüfen könne. Von Beginn des Insolvenzverfahrens bis zur Schließung des Unternehmens habe er - mit Ausnahme seines eigenen - alle Gehälter ausbezahlt. Für die Buchhaltung und die Lohnverrechnung habe er ein Buchhaltungsbüro beauftragt. Er sei davon ausgegangen, dass dieses Büro alle Gesetze kenne und diese auch einhalte.

4. Weil die Beschwerde nicht anführe, in welchem Recht sich der Beschwerdeführer verletzt erachtet bzw. auf welche Gründe sich die Beschwerde stützt, und kein konkretes Begehren enthalte, wurde dem Beschwerdeführer seitens der BGKK ein Auftrag zur Verbesserung erteilt. In der Folge langte fristgerecht ein weiteres als Beschwerde bezeichnetes Schreiben des Beschwerdeführers ein, in dem er sein Vorbringen, er habe keinen Zugriff auf die Geschäftsunterlagen mehr gehabt und ein Buchhaltungsbüro mit der Lohnverrechnung beauftragt, wiederholte und ergänzend vorbrachte, dass er als Geschäftsführer nicht alle Einzelheiten der Lohnverrechnung kennen müsse und hier der Vertrauensgrundsatz gelte.

5. Am 13.03.2019 legte die BGKK die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. In einer beigefügten Stellungnahme führte sie aus, dass die verbesserte Beschwerde zwar nunmehr ein Begehren enthalte, nicht aber die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides stützt. Soweit der Beschwerdeführer angeführt habe, er habe sich zur Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge eines Lohnverrechnungs- und Buchhaltungsbüros bedient, was seine Haftung ausschließe, so sei dem entgegenzuhalten, dass der Geschäftsführer auch dann, wenn er sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen einer Steuerberatungskanzlei bedient, dazu verpflichtet bleibe, für die ordnungsgemäße Erstattung der Meldungen Sorge zu tragen und sich gegebenenfalls von der ordnungsmäßen Durchführung der gebotenen Meldungen zu überzeugen (VwGH 15.03.2005, 2003/08/0053). Ein Meldepflichtiger müsse sich ein allfälliges Verschulden der Kanzlei, bei welcher die Buchführung erfolgt ist und der auch der Verkehr mit der Gebietskrankenkasse oblag, zurechnen lassen (VwGH 25.05.2011, 2010/08/0076). Den Ausführungen, er habe die Richtigkeit der von der BGKK festgestellten fehlenden Zahlungen nicht überprüfen können, da der Masseverwalter sämtliche Unterlagen bei der Räumung des Betriebsgeländes entsorgt habe, sei entgegenzuhalten, dass es jedem Vertreter schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar sei, sich jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht ermöglichen. Betreffend ein Zurückbehaltungsrecht an (Anm.: Kopien von) Geschäftsunterlagen werde auf die Ausführungen von Told, Zum Entlastungsbeweis bei der Managerhaftung, wbl 2012, 181 ff., verwiesen.

6. Mit Parteiengehör vom 29.10.2019 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht die Äußerung der BGKK dem Beschwerdeführer zur Stellungnahme. Im Rahmen der hierfür gewährten Frist langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer war seit 27.03.2014 selbständig vertretungsbefugter Geschäftsführer der Primärschuldnerin (FN XXXX a).

Mit zu XXXX ergangenem Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 14.08.2018 wurde das am 07.07.2016 über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben.

Die Primärschuldnerin schuldete der BGKK zum 19.11.2018 noch Beiträge samt Nebengebühren in Höhe von € 768,78, die aufgrund von Meldepflichtverletzungen uneinbringlich geworden sind.

Nach Abzug der vom Insolvenz-Entgelt-Fonds geleisteten Zahlungen wurden vom Beschwerdeführer für die Beitragszeiträume September 2015 bis Dezember 2015 und April 2016 bis Juni 2016 Dienstnehmer-Beitragsanteile in Höhe von insgesamt € 648,70 einbehalten und nicht an die BGKK abgeführt.

Zuzüglich der bis 19.11.208 aufgelaufenen Verzugszinsen in Höhe von € 152,22 betrug der Rückstand somit € 1.569,70.

2. Beweiswürdigung:

Die Organstellung des Beschwerdeführers als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin im oben angeführten Zeitraum ergibt sich aus dem Firmenbuch und wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten.

Die Zahlungsunfähigkeit der Primärschuldnerin ergibt sich aus dem oben angeführten Beschluss des Landesgerichts St. Pölten.

Der Haftungsbetrag ergeht aus dem angefochtenen Bescheid und blieb der Höhe nach unbestritten.

Da dem Beschwerdeführer die Unterlassung gesetzlicher Meldeverpflichtungen vorgeworfen wurde, wäre es an ihm gelegen gewesen, Behauptungen über Tatsachen aufzustellen, aus denen er ohne sein Verschulden an der Erfüllung dieser gesetzlichen Verpflichtungen gehindert gewesen wäre (§ 1298 ABGB; vgl. VwGH 26.05.2004, 2001/08/0209, mwN). Sein Vorbringen, er habe keinen Zugang zu den Geschäftsunterlagen gehabt bzw. er habe auf das von ihm beauftragte Buchhaltungsbüro vertraut, wird diesen Vorgaben nicht gerecht, wie der rechtlichen Beurteilung weiter unten zu entnehmen ist.

Die Nichtabfuhr der Dienstnehmeranteile in den oben angeführten Zeiträumen wurde in der Beschwerde selbst eingeräumt, indem der Beschwerdeführer angab, dass er bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens - mit Ausnahme seines eigenen - alle Löhne und Gehälter ausbezahlt hat. Daraus ist zum einen zu schließen, dass die Dienstnehmeranteile für die im Bescheid bezeichneten Dienstnehmer einbehalten wurden. Zum anderen ergeht daraus auch, dass die Abfuhr der einbehaltenen Dienstnehmeranteile grundsätzlich möglich gewesen wäre. Dass der Beschwerdeführer die Dienstnehmeranteile entgegen den Feststellungen der BGKK abgeführt hat, wurde von ihm weder behauptet noch ergeben sich aus den Verwaltungsakten Anhaltspunkte dafür.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 414 Abs. 1 ASVG kann gegen Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind.

Da über eine Sache nach § 410 Abs. 1 Z 4 (Haftung für Beitragsschulden gemäß § 67 ASVG) entschieden wird und auch nicht eine Angelegenheit gemäß § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG als Vorfrage zu beurteilen ist, liegt im gegenständlichen Beschwerdeverfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Vorliegend gelangen folgende maßgebende Rechtsvorschriften zur Anwendung:

§ 67 ASVG in der hier maßgebenden Fassung des BGBl. I Nr. 86/2013:

"Haftung für Beitragsschuldigkeiten

§ 67. (1) bis (9) [...]

(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend."

§ 83 ASVG in der hier maßgebenden Fassung BGBl. Nr. 588/1991:

"Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze

§ 83. Die Bestimmungen über Eintreibung und Sicherung, Haftung, Verjährung und Rückforderung von Beiträgen gelten entsprechend für Verzugszinsen und Verwaltungskostenersätze bei zwangsweiser Eintreibung."

§ 153c StGB in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 112/2015:

"Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung

§ 153c. (1) Wer als Dienstgeber Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger vorenthält, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 720 Tagessätzen zu bestrafen.

(2) Trifft die Pflicht zur Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung eine juristische Person oder eine Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so ist Abs. 1 auf alle natürlichen Personen anzuwenden, die dem zur Vertretung befugten Organ angehören. Dieses Organ ist berechtigt, die Verantwortung für die Einzahlung dieser Beiträge einzelnen oder mehreren Organmitgliedern aufzuerlegen; ist dies der Fall, findet Abs. 1 nur auf sie Anwendung.

(3) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn er bis zum Schluss der Verhandlung

1. die ausstehenden Beiträge zur Gänze einzahlt oder

2. sich dem berechtigten Sozialversicherungsträger gegenüber vertraglich zur Nachentrichtung der ausstehenden Beiträge binnen einer bestimmten Zeit verpflichtet.

(4) Die Strafbarkeit lebt wieder auf, wenn der Täter seine nach Abs. 3 Z 2 eingegangene Verpflichtung nicht einhält."

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

§ 67 Abs. 10 ASVG zufolge haften u.a. die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Voraussetzung für den Eintritt der Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ist, dass die betreffenden Sozialversicherungsbeiträge beim Primärschuldner uneinbringlich sind. Erst wenn dies feststeht, ist auf die Prüfung der für die Haftung nach dieser Bestimmung maßgebenden weiteren, an die Person des allenfalls Haftungspflichtigen geknüpften Voraussetzungen einzugehen (VwGH 16.09.1991, 91/15/0028; 09.02.1982, 81/14/0072).

Mit Beschluss des Landesgerichts St. Pölten vom 14.08.2018 wurde das am 07.07.2016 über das Vermögen der Primärschuldnerin eröffnete Insolvenzverfahren nach Verteilung an die Massegläubiger aufgehoben. Damit sind die darüberhinausgehenden Beitragsschulden der Gesellschaft uneinbringlich.

Der Geschäftsführer einer GmbH haftet (u.a.) für nicht abgeführte, aber einbehaltene Dienstnehmeranteile bzw. für Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen zurückzuführen sind, im Ausmaß der Uneinbringlichkeit dieser Beiträge grundsätzlich zur Gänze (VwGH 27.11.2014, 2012/08/0216).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (vgl. VwGH 26.05.2004, 2001/08/0043; 26.01.2005, 2002/08/0213; 25.05.2011, 2008/08/0169).

Wie der Beweiswürdigung zu entnehmen ist, wurden vom Beschwerdeführer weder die ihm zur Last gelegten Meldepflichtverletzungen noch die Einbehaltung und Nichtabfuhr der Dienstnehmer-Beitragsanteile in den im angefochtenen Bescheid genannten Zeiträumen substantiiert bestritten, sodass im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung von der Haftung des Beschwerdeführers für die darauf zurückzuführenden Beitragsausfälle auszugehen ist.

Soweit der Beschwerdeführer (iSd § 9 Abs. 1 Z 3 VwGVG) vorbrachte, er habe mit der Lohnverrechnung ein Buchhaltungsbüro beauftragt und er sei davon ausgegangen, dass dieses den gesetzlichen Pflichten nachkommt, ist dem zu erwidern, dass sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muss; er hat den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten. Ein Meldepflichtiger, der nicht über alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verfügt, ist nicht schon deshalb exkulpiert, weil er sich mit der strittigen Frage ohnedies, wenn auch nur auf Grund seiner eingeschränkten Kenntnisse, auseinandergesetzt hat und dementsprechend vorgegangen ist. Einen solchen Meldepflichtigen trifft vielmehr grundsätzlich eine Erkundigungspflicht. Im Rahmen dieser Erkundigungspflicht ist der Meldepflichtige gehalten, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde bzw. bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewissheit zu verschaffen. Der Meldepflichtige ist also nur dann entschuldigt, wenn die zur Beurteilung im Einzelfall notwendigen Kenntnisse nicht zu dem einem Meldepflichtigen zu unterstellenden Grundwissen gehören und er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen, und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Dienstgeber auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der Gebietskrankenkasse, auf ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung oder auf sonstige verlässliche Auskünfte sachkundiger Personen oder Institutionen zu stützen vermag (vgl. VwGH 25.05.2011, 2009/08/0234).

Vor diesem Hintergrund ist der Beschwerdeführer aufgrund des Umstandes, dass er sich für die Lohnverrechnung eines Lohnverrechnungsbüros bedient hat, nicht exkulpiert (vgl. VwGH 27.11.2014, 2012/08/0216).

Gleiches gilt für den von ihm behaupteten mangelnden Zugriff auf die Buchhaltungs- und Lohnverrechnungsunterlagen, zumal es dem Beschwerdeführer auch für den Fall, dass diese Unterlagen - entgegen der gesetzlichen Aufbewahrungspflicht - tatsächlich vom Masseverwalter vernichtet worden wären, zumutbar gewesen wäre, entsprechende Kopien anzufertigen und diese aufzubewahren.

Da der von der BGKK ermittelte Rückstand (zum 19.11.2018) der Höhe nach unbestritten blieb, ist im Ergebnis festzuhalten, dass der Ausspruch über die Haftung für die aufgrund von Meldepflichtverletzungen uneinbringlich gewordenen Beiträge sowie für die einbehaltenen und nicht abgeführten Dienstnehmeranteile sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht erfolgte.

Die Haftung umfasst im Hinblick auf §§ 58 Abs. 5 und 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Abs. 1 ASVG (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038). Dementsprechend erfolgte auch der Ausspruch über die Haftung für die aufgelaufenen und noch auflaufenden Verzugszinsen zu Recht, weswegen die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Beitragsrückstand, Geschäftsführer, Haftung, Nachweismangel,
Pflichtverletzung, Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W209.2215930.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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