TE Vwgh Erkenntnis 2020/1/23 Ra 2019/07/0093

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Veröffentlicht am 23.01.2020
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Index

L69304 Wasserversorgung Oberösterreich
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich
001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AbwasserentsorgungsG OÖ 2001
AVG §45 Abs2
AVG §46
AVG §52
AVG §56
AVG §59 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg
WasserversorgungsG OÖ 2015 §5
WasserversorgungsG OÖ 2015 §5 Abs1
WasserversorgungsG OÖ 2015 §5 Abs5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser, Mag. Haunold und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der CH in W, vertreten durch die K M R Rechtsanwaltssocietät Dr. Longin Josef Kempf, Dr. Josef Maier in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. Juli 2019, Zl. LVwG-152071/10/DM/MH - 152072/2, betreffend Pflicht zum Anschluss an die öffentliche Wasserversorgung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Marktgemeinde W, vertreten durch die Holter-Wildfellner Rechtsanwälte GmbH in 4710 Grieskirchen, Uferstraße 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit einem an die Revisionswerberin und ihren Ehemann Josef H. adressierten Bescheid vom 10. September 2018 trug die belangte Behörde diesen gemäß § 5 Abs. 5 Oö. Wasserversorgungsgesetz 2015 (Oö. WVG 2015) auf, binnen sechs Monaten ab Rechtskraft dieses Bescheids ihre „Liegenschaft Grundstück Nr. 833 EZ 509 KG (W.), welche im Anschlusspflichtbereich der öffentlichen Wasserversorgungsanlage der Marktgemeinde (W.) liegt, an die öffentliche Wasserversorgungsanlage (...) anzuschließen und die dazu erforderlichen Einrichtungen: Hausanschlussleitung von der Versorgungsleitung im Güterweg (H.) bis zur Übergabestelle (Wasserzähler) im Objekt (H.1) herzustellen.“

2        Dieser Bescheid wurde nachweislich nur der Revisionswerberin zugestellt.

3        Die Revisionswerberin und Josef H. erhoben dagegen in einem gemeinsamen Schriftsatz vom 10. Oktober 2018 Beschwerde.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung die Beschwerde der Revisionswerberin als unbegründet ab und jene des Josef H. als unzulässig zurück. In beiden Fällen erklärte es die Revision für nicht zulässig.

5        Es stellte fest, die Revisionswerberin und ihr Ehemann seien je Hälfteeigentümer des verfahrensgegenständlichen Objektes Nr. 833, KG W.

6        Der zu erwartende Wasserbedarf dieses Objektes könne von der gemeindeeigenen Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden. Die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem auf den Erdboden projizierten, am weitesten Richtung Versorgungsleitung vorspringenden Teil des Objektes (Messpunkt) und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Strang der Versorgungsleitung der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage betrage weniger als 50 Meter.

7        Der verfahrensgegenständliche Strang der „Gemeinde-Wasserversorgungsleitung“ sei mit Bescheid vom 10. Oktober 1977 wasserrechtlich bewilligt und mit Bescheid vom 17. Dezember 1992 wasserrechtlich überprüft worden.

8        Vom Brunnen H. führe über die Ortschaft M. eine Transportleitung nach H., welche beim Objekt H. Nr. 2 Richtung Nordosten zur Aufbereitungsanlage S. verlaufe. Ab der Liegenschaft H. Nr. 2 führe eine Versorgungsleitung Richtung Osten (Ortszentrum) und damit an dem verfahrensgegenständlichen Objekt vorbei.

9        Dazu führte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend aus, die Lage des verfahrensgegenständlichen Objektes und dessen Abstand zum Strang der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage hätten im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens unstrittig festgestellt werden können. Die Revisionswerberin bestreite in diesem Zusammenhang lediglich die Qualifikation dieses Stranges als Versorgungsleitung.

10       Die belangte Behörde gründe ihre Feststellungen über das Vorliegen einer Versorgungsleitung auf die Stellungnahme von DI B. vom 30. Jänner 2018. Demnach würden beide Verbindungsleitungen zwischen dem Brunnen H. und dem Brunnen P. zur Aufbereitungsanlage in S. als Transportleitungen definiert, wobei auf die technische Funktion der Leitung im Versorgungssystem abgestellt werde. Die parallel dazu verlaufenden Leitungen sowie die übrigen Leitungen im Verteilernetz der Wasserversorgungsanlage seien nach ihrer technischen Funktion Versorgungsleitungen.

11       Ergänzend dazu habe der Vertreter der belangten Behörde in der mündlichen Verhandlung glaubhaft und nachvollziehbar ausgeführt, dass „die Transportleitung von (H.) zur Aufbereitungsanlage (S.) verläuft und ab der Liegenschaft (H. Nr. 2) Richtung Osten in Richtung Ortszentrum, vorbei am verfahrensgegenständlichen Objekt der (Revisionswerberin), als Versorgungsleitung.“

12       Der verfahrensgegenständliche Strang der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage sei wasserrechtlich bewilligt und überprüft. Den unsubstantiierten Angaben der Revisionswerberin stehe das Ermittlungsergebnis der belangten Behörde gegenüber, das auf Angaben eines Amtssachverständigen beruhe und seitens des Verwaltungsgerichts nachvollzogen werden könne. Im Hinblick auf das Vorliegen einer Versorgungsleitung betreffend den verfahrensgegenständlichen Strang könne das Ermittlungsergebnis der belangten Behörde daher nicht bemängelt werden.

13       In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht daraus, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 lägen im hier zu beurteilenden Einzelfall vor. Einerseits könne der zu erwartende Wasserbedarf des gegenständlichen Objektes durch die gemeindeeigene Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden, andererseits liege dieses Objekt innerhalb des gesetzlich näher bestimmten 50 Meter-Anschlussbereichs.

14       Aus dem vorgelegten Verfahrensakt sowie den Bewilligungs- und Kollaudierungsbescheiden ergäben sich keine Hinweise auf das Vorliegen einer Transportleitung, sodass die Anschlusspflicht gemäß § 5 Oö. WVG 2015 bestehe. Es sei daher spruchgemäß zu entscheiden.

15       Die Zurückweisung der Beschwerde des Josef H. wurde schließlich damit begründet, dass der Bescheid mangels Zustellung ihm gegenüber nicht ergangen sei. Dessen Beschwerde sei daher mangels Parteistellung und einer damit verbundenen Beschwerdelegitimation als unzulässig zurückzuweisen.

16       Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

17       Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

18       § 5 des Landesgesetzes über die Wasserversorgung im Land Oberösterreich (Oö. Wasserversorgungsgesetz 2015 - Oö. WVG 2015), LGBl. Nr. 35/2015, lautet:

§ 5

Anschluss- und Bezugspflicht

(1) Für Objekte besteht Anschlusspflicht an eine Gemeinde-Wasserversorgungsanlage, wenn

1.der zu erwartende Wasserbedarf dieser Objekte von dieser öffentlichen Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden kann, und

2.die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem auf den Erdboden projizierten am weitesten Richtung Versorgungsleitung vorspringenden Teil des Objektes (Messpunkt) und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Strang der Versorgungsleitung der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage nicht mehr als 50 Meter beträgt.

(2) Die Anschlusspflicht hat die Wirkung, dass der Bedarf an Trink- und Nutzwasser in den Objekten ausschließlich aus der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage gedeckt werden kann. Die Anschlusspflicht ist mit einer Bezugspflicht verbunden, sofern nicht gemäß § 7 eine Ausnahme davon gewährt werden kann.

(3) Die zum Anschluss erforderlichen Einrichtungen des anschlusspflichtigen Objektes sind bei Neubauten vor deren erstmaliger Benützung und bei bestehenden Objekten innerhalb von sechs Monaten nach Fertigstellung der öffentlichen Versorgungsleitung herzustellen. Die Veranlassung der Herstellung obliegt der Eigentümerin bzw. dem Eigentümer des anschlusspflichtigen Objektes, die bzw. der auch die Kosten für die Herstellung und die Instandhaltung dieser Einrichtungen zu tragen hat.

(4) Im Rahmen des Anschlusses an die Gemeinde-Wasserversorgungsanlage ist sicherzustellen, dass es zu keinen Verbindungen zwischen allenfalls weiter bestehenden eigenen Wasserversorgungsanlagen und dem öffentlichen Leitungsnetz kommen kann.

(5) Kommt die Eigentümerin bzw. der Eigentümer eines Objektes ihrer bzw. seiner Verpflichtung nach Abs. 3 nicht nach, hat die Behörde mit Bescheid die Herstellung der für den Anschluss erforderlichen Einrichtungen binnen angemessener Frist vorzuschreiben. Sofern die bzw. der zum Anschluss Verpflichtete eine eigene Wasserversorgungsanlage betreibt, sind gleichzeitig auch jene Auflagen und Bedingungen vorzuschreiben, unter denen eine Weiterverwendung dieser Anlage gemäß Abs. 4 zulässig ist. In diesem Bescheid ist auf die Möglichkeit der Gewährung einer Ausnahme von der Anschlusspflicht nach den Bestimmungen des § 6 hinzuweisen. Ohne Anführung dieses Hinweises findet kein Ablauf der Frist zur Stellung des Antrags nach § 6 Abs. 2 statt.“

19       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

20       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

21       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

22       In der Zulässigkeitsbegründung bringt die Revisionswerberin vor, wenn schon der Verwaltungsgerichtshof in seiner Judikatur davon ausgehe, dass von einer Wasserversorgungsanlage erst dann gesprochen werden könne, wenn ein entsprechender wasserrechtlicher Überprüfungsbescheid vorliege bzw. die konsensgemäße Herstellung einer solchen Anlage entsprechend dargetan worden sei (Hinweis auf VwGH 13.11.1990, 90/07/0051, und 17.11.1981, 81/07/0133), so setze dies konsequenterweise voraus, dass die Anlage der wasserrechtlichen Bewilligung entsprechen müsse und demzufolge für die Beurteilung der Anschlussverpflichtung die wasserrechtliche Bewilligung maßgebend sei. Daraus ergebe sich, dass sich die Beurteilung der Verpflichtung zum Anschluss an eine Wasserleitung an der wasserrechtlichen Bewilligung zu orientieren habe und daher insoweit eine Bindung an die Bewilligung bestehe.

23       Darüber hinaus liege zur konkreten Rechtsfrage, „ob eine solche Bindung an die Beurteilung der Wasserleitung in einem wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid und/oder wasserrechtlichen Überprüfungsbescheid im Sinne des § 121 WRG (offenbar gemeint: besteht), - soweit überblickbar - keine Judikatur des VwGH vor, sondern nur die oben zitierte Judikatur (...)“.

24       Aus dieser Judikatur sei abzuleiten, dass bei der Beurteilung des Bestehens einer Anschlusspflicht ausschließlich auf den wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid abzustellen sei, auch „was die Kategorie der wasserrechtlich bewilligten Leitung betrifft, wie sie wasserrechtlich genehmigt worden ist.“

25       Nach dem insofern unstrittigen Sachverhalt wurde der Marktgemeinde W. mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 10. Oktober 1977 die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung der gegenständlichen Wasserversorgungsanlage - konkret zur Grundwasserentnahme auf dem Grundstück Nr. 710, KG H., in Erweiterung ihrer systematischen Ortswasserversorgungsanlage sowie zur Errichtung und zum Betrieb der hiezu dienenden Anlagen („Brunnen [H.] mit Anschlussleitung“) - erteilt. Diese Wasserversorgungsanlage wurde nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts mit Bescheid des Landeshauptmanns von Oberösterreich vom 17. Dezember 1992 kollaudiert.

26       Bereits aus diesem Grund ist für die Revisionswerberin aus den zitierten hg. Entscheidungen nichts zu gewinnen, lagen diesen doch Sachverhalte zu Grunde, nach denen die wasserrechtliche Kollaudierung einer Wasserversorgungsanlage (VwGH 17.11.1981, 81/07/0133) bzw. eines Bauabschnitts einer solchen Anlage (VwGH 13.11.1990, 90/07/0051) nach § 121 WRG 1959 noch nicht stattgefunden hatte und aus diesem Grund eine Anschlusspflicht verneint worden war. Aus der von der Revisionswerberin herangezogenen Verhandlungsschrift vom 3. Oktober 1977, die einen - gemäß den seinem Spruch vorangestellten Ausführungen - ergänzenden Bestandteil des Bescheids vom 10. Oktober 1977 darstellt, ergibt sich aber, dass der am Objekt der Revisionswerberin vorbeiführende Wasserleitungsstrang (der darin ausdrücklich als „Versorgungsleitung“ bezeichnet wird) bereits damals Teil der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage, die mit Bescheid vom 17. Dezember 1992 kollaudiert wurde, war. Somit kann im vorliegenden Fall nicht vom Fehlen eines Kollaudierungsbescheids nach § 121 WRG 1959 für diesen Strang ausgegangen werden.

27       Die Aussage, dass sich die Beurteilung der Verpflichtung zum Anschluss an eine konkrete Wasserleitung am wasserrechtlichen Bewilligungsbescheid der Wasserversorgungsanlage zu orientieren habe und daher insoweit eine Bindung an die Bewilligung bestehe, ist aus den zitierten Entscheidungen nicht abzuleiten. Ebenso wenig ergibt sich daraus, dass bereits ein wasserrechtlicher Bewilligungsbescheid die Kategorien der einzelnen Wasserleitungen einer Wasserversorgungslage festzulegen hätte und dass eine solche Kategorisierung für Verfahren nach dem Oö. WVG 2015 bindend wäre. Dem Verwaltungsgericht ist daher die ihm von der Revisionswerberin in Zusammenhang mit der von ihr aufgeworfenen Rechtsfrage unterstellte „grobe Fehlbeurteilung“ nicht vorzuwerfen.

28       Die Revisionswerberin bringt weiters vor, die Beurteilung der Kategorisierung des fraglichen Wasserleitungsstrangs als Versorgungsleitung widerspreche der Begriffsdefinition der durch die ÖNORM B 2538 ergänzten ÖNORM EN 805, die nach den Materialien zum Oö. WVG 2015 zwingend heranzuziehen sei.

29       Nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 besteht für Objekte Anschlusspflicht an eine Gemeinde-Wasserversorgungsanlage, wenn der zu erwartende Wasserbedarf dieser Objekte von dieser öffentlichen Wasserversorgungsanlage voll befriedigt werden kann und die kürzeste, in Luftlinie gemessene Entfernung zwischen dem auf den Erdboden projizierten, am weitesten Richtung Versorgungsleitung vorspringenden Teil des Objektes (Messpunkt) und dem für den Anschluss in Betracht kommenden Strang der Versorgungsleitung der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage nicht mehr als 50 Meter beträgt. Der Wortlaut des § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 knüpft daher die Anschlusspflicht an das Vorhandensein einer Versorgungsleitung innerhalb eines bestimmten Anschlussbereichs. Eine Anschlusspflicht an eine Transportleitung besteht - wie die Revisionswerberin zutreffend vorbringt - nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn ausnahmsweise bereits einzelne Verbraucherinnen und Verbraucher direkt an eine solche angeschlossen sind (vgl. dazu AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 5).

30       Das Oö. WVG 2015 definiert die Begriffe „Versorgungsleitung“ und „Transportleitung“ nicht. Die Materialien des Gesetzes verweisen jedoch zur Abgrenzung der verschiedenen Kategorien von Wasserleitungen auf die Begriffsdefinitionen der durch die ÖNORM B 2538 ergänzten ÖNORM EN 805 (vgl. erneut AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 5).

31       Bei einer ÖNORM handelt es sich um eine unverbindliche Empfehlung des Normungsinstitutes, der nur dann normative Wirkung zukommt, wenn sie der Gesetzgeber (unter Umständen mittels Verordnungserlassung) als verbindlich erklärt. Das Fehlen einer solchen normativen Wirkung einer ÖNORM hindert aber nicht, dass diese als einschlägiges Regelwerk und objektiviertes, generelles Gutachten von einem Sachverständigen als Grundlage in seinem Gutachten etwa für die Beurteilung des Standes der Technik herangezogen werden kann (vgl. VwGH 24.7.2014, 2013/07/0154, und 20.11.2014, 2011/07/0244 und 0248 bis 0251, jeweils mwN).

32       Das Verwaltungsgericht stützt seine Feststellungen (unter anderem) auf die bereits dem Bescheid der belangten Behörde zu Grunde liegenden gutachterlichen Ausführungen des Amtssachverständigen DI B. vom 30. Jänner 2018. Dieser zog zur technischen Beschreibung des Leitungssystems der gegenständlichen Gemeinde-Wasserversorgungsanlage die ÖNORMEN B 2538 und EN 805 (sowie einschlägige Fachliteratur) heran. Daran anknüpfend und unter Berücksichtigung eines Lageplans des Versorgungsnetzes der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage der Marktgemeinde W. führte er zusammengefasst aus, dass zwar die Zuleitungen von den Brunnen P. und H. zur Aufbereitungsanlage in S. ihrer technischen Funktion nach Transportleitungen darstellten, jedoch die jeweils parallel dazu verlaufenden Wasserleitungen Versorgungsleitungen darstellten.

33       Die Revisionswerberin zeigt nicht schlüssig auf, dass sich das Verwaltungsgericht mit seinen darauf gestützten Feststellungen in einen „Widerspruch“ verstrickt hätte, stellte dieses doch erkennbar fest, dass es sich bei dem am Objekt der Revisionswerberin vorbeiführenden Wasserleitungsstrang um eine Versorgungsleitung handelt.

34       Aus den Ausführungen des Amtssachverständigen DI B. vom 30. Jänner 2018, den Ergebnissen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 2. Juli 2019 und den in den Akten einliegenden Plänen ergibt sich nämlich schlüssig und nachvollziehbar: Ab dem Knotenpunkt beim Objekt H. Nr. 2 ist die verfahrensgegenständliche Leitung mit einem Durchmesser von DN 125, die Richtung Osten zum Ortszentrum beim Objekt der Revisionswerberin vorbeiführt, eine Versorgungsleitung. Dieser für den Revisionsfall maßgebende Teil des Versorgungsnetzes ist von den übrigen Leitungen im Verteilernetz - nämlich den Zuleitungen von den Brunnen P. und H. zur Aufbereitungsanlage in S. (Transportleitungen) und den jeweils parallel dazu verlaufenden Versorgungsleitungen - zu unterscheiden.

35       Entgegen dem Vorbringen der Revisionswerberin ist aus der technischen Beurteilung des Amtssachverständigen zudem abzuleiten, dass die Dimensionierung einer Wasserleitung mit einem Durchmesser von DN 125 gerade für die Kategorisierung als Versorgungsleitung spricht. Aus dem auch vom Amtssachverständigen herangezogenen Lageplan des Verteilungsnetzes der Gemeinde-Wasserversorgungsanlage ergibt sich, dass der am Objekt der Revisionswerberin vorbeiführende Wasserleitungsstrang eine solche Dimensionierung aufweist.

36       Lediglich im Fall eines unschlüssigen Gutachtens ist vom Verwaltungsgericht ein anderer Sachverständiger heranzuziehen. Wollte die Revisionswerberin aber in dem Fall, dass sich das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Revisionsfall - auf ein schlüssiges und nachvollziehbares Amtssachverständigengutachten stützt, noch ein weiteres Gutachten einbezogen wissen, wäre es an ihr gelegen, selbst ein Gutachten zu beschaffen und dieses dem Verwaltungsgericht vorzulegen (vgl. VwGH 16.2.2018, Ra 2018/07/0341, mwN).

37       Weiters bringt die Revisionswerberin vor, ihr sei unter gravierender Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht einmal die Möglichkeit eingeräumt worden, der Stellungnahme des DI B. auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, weil sie erst „in der Verhandlung“ damit überrascht und die Stellungnahme nie zugestellt worden sei.

38       Damit macht die Revisionswerberin einen Verfahrensmangel geltend. Die Zulässigkeit einer Revision im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel setzt aber die Relevanz des Verfahrensmangels für das Verfahrensergebnis voraus. Nähere Ausführungen zur Relevanz dieses möglichen Verfahrensmangels finden sich in der Revision aber nicht (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/07/0476, mwN).

39       Insoweit zeigt die Revisionswerberin mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

40       Zuletzt bringt sie vor, es existiere keine hg. Rechtsprechung zu der Frage, ob der Auftrag nach § 5 Oö. WVG 2015, der als verwaltungspolizeilicher Auftrag zu qualifizieren sei, an alle Miteigentümer eines anzuschließenden Objektes im Rahmen eines einheitlichen Bescheids zu ergehen habe. Davon sei auszugehen, insbesondere in Hinblick darauf, dass ein solcher Auftrag nur gemeinsam von allen Miteigentümern erfüllt werden und daher auch nur dann vollstreckt werden könne, wenn er an alle Miteigentümer ergangen sei. Die Entscheidung VwGH 24.4.1997, 95/06/0132, stehe dieser Ansicht nicht entgegen.

41       Aus diesem Grund erweist sich die Revision als zulässig. Sie ist jedoch nicht berechtigt.

42       Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist unter „Verwaltungspolizei“ die Setzung und Vollziehung von Vorschriften der besonderen Polizei einzelner Verwaltungsgebiete zu verstehen, die nicht ausschließlich polizeilichen Charakter haben, sondern darüber hinaus und sogar vorzugsweise den Zweck der Förderung des Wohles des einzelnen und des Gemeinschaftslebens verfolgen, mögen sie auch vielfach geeignet sein, sonst allenfalls zu befürchtende Störungen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit hintanzuhalten. Zum Wesen der Verwaltungspolizei gehört es demnach, dass sie nicht bloß prohibitiv, sondern auch konstruktiv ist. Die prohibitive Wirkung kann sich im Gegensatz zur Sicherheitspolizei nur gegen besondere, der konkreten Verwaltungsmaterie zuzuordnende Gefahren wenden. Es kann dies eine Gefahr sein, die primär nur innerhalb dieser Verwaltungsmaterie existent wird; es kann aber auch eine Gefahr sein, die nicht auf diese Verwaltungsmaterie beschränkt ist, jedoch durch den Gegenstand der verwaltungspolizeilichen Regelung eine Spezifikation erfährt, die sie zu einer für die Materie allein typischen Abart macht (vgl. VfSlg. 3201/1957, 5910/1969, 6262/1970).

43       Nach den Materialien zum Oö. WVG 2015 ist der Anschlusszwang nach § 5 leg. cit. im öffentlichen Interesse erforderlich, weil an die Stelle einer Unzahl kleiner, nicht geschützter oder nicht zu schützender, unkontrollierbarer und nicht einwandfreier Wasserversorgungsanlagen große gemeinsame Wasserversorgungsanlagen treten sollen, die infolge entsprechender Schutzmaßnahmen und sanitärer Überwachung die Gewähr dafür bieten, dass die Bevölkerung mit dem erforderlichen einwandfreien Trink- und Nutzwasser versorgt wird. Zu diesem Zweck sollen säumige Anschlusspflichtige mit einem nach § 5 Abs. 5 Oö. WVG 2015 zu erlassenden Leistungsbescheid zur Herstellung eines Anschlusses gezwungen werden können. Ein vorheriges Feststellungsverfahren bzw. die Erlassung eines Feststellungsbescheids über die Anschlusspflicht ist hingegen nicht vorgesehen (vgl. AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 8 und 11).

44       Der Gesetzgeber bezweckt mit dem Auftrag nach § 5 Abs. 5 Oö WVG 2015 also die Herstellung einer gesicherten und einwandfreien Wasserversorgung für die Bevölkerung einer Gemeinde sowohl in prohibitiver wie auch konstruktiver Hinsicht. Der mit dem Auftrag verbundene Zwang verfolgt somit auch den Zweck der Förderung des Wohles des einzelnen und des Gemeinschaftslebens. Der Auftrag nach § 5 Abs. 5 Oö WVG 2015 hat nach den obigen Ausführungen daher verwaltungspolizeilichen Charakter. Dafür spricht im Übrigen auch, dass das Oö. WVG 2015 im Hinblick auf die Durchsetzung der Anschlussverpflichtung an die Bestimmungen des Oö. Abwasserentsorgungsgesetzes 2001, die ihrerseits verwaltungspolizeilichen Charakter haben (vgl. dazu AB 997/2001 BlgLT 25. GP 3), angeglichen wurde (vgl. AB 1372/2015 BlgLT 27. GP 1).

45       Ein verwaltungspolizeilicher Auftrag, der sich grundsätzlich an alle Miteigentümer eines der Anschlusspflicht nach § 5 Abs. 1 Oö. WVG 2015 unterliegenden Objektes zu richten hat, muss nicht in einem einheitlichen Bescheid gegen alle Miteigentümer erlassen werden und kann rechtmäßig (auch) an einzelne Miteigentümer ergehen. Es besteht lediglich ein Vollstreckungshindernis, solange der Bescheid nicht gegenüber allen Miteigentümern rechtskräftig ist (vgl. zu bau- bzw. wasserpolizeilichen Aufträgen VwGH 26.9.2017, Ra 2017/06/0154; 28.5.1991, 87/07/0136; 26.2.1991, 90/07/0147).

46       Die Rechtsansicht der Revisionswerberin, dass ein Auftrag nach § 5 Abs. 5 Oö. WVG 2015 an alle Miteigentümer eines anzuschließenden Objektes im Rahmen eines einheitlichen Bescheids zu ergehen habe, ist daher nicht zutreffend. Sie verkennt in diesem Zusammenhang zudem, dass der Auftragsbescheid der belangten Behörde vom 10. September 2018 ohnehin an alle Miteigentümer des gegenständlichen Objektes gerichtet ist. Die mangelnde Zustellung an den Ehemann bewirkt nach dem Gesagten jedoch nicht die Rechtswidrigkeit dieses Bescheids gegenüber der Revisionswerberin, sondern allenfalls ein im gegenständlichen Fall nicht zu behandelndes Vollstreckungshindernis.

47       In der von der Revisionswerberin ins Treffen geführten hg. Entscheidung VwGH 24.4.1997, 95/06/0132, ging es lediglich um die Frage der Parteistellung eines Miteigentümers im Berufungsverfahren. Diese Frage wird von ihr jedoch nicht aufgeworfen und wurde in Hinblick auf die ebenso nicht gegenständliche Beschwerdelegitimation ihres Ehemanns bereits vom Verwaltungsgericht beantwortet.

48       Die Revision erweist sich daher im Ergebnis als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

49       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013, in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 23. Jänner 2020

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Beweismittel Sachverständigengutachten Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Trennbarkeit gesonderter Abspruch Vorliegen eines Gutachtens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019070093.L00

Im RIS seit

03.05.2021

Zuletzt aktualisiert am

03.05.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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