TE Vwgh Erkenntnis 2014/7/24 2013/07/0154

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Veröffentlicht am 24.07.2014
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;
95/05 Normen Zeitzählung;

Norm

ABGB §6;
ABGB §914;
AVG §52;
B-VG Art18 Abs2;
NormenG 1971 §6 Abs1 litb;
VwGG §63 Abs1;
VwRallg;
WRG 1959 §111 Abs3;
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §12 Abs2;
WRG 1959 §12a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bumberger, die Hofrätin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. N. Bachler, Dr. Lukasser und Mag. Haunold als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Pitsch, über die Beschwerde der A in H, vertreten durch Mag. Anton Wurzinger, Rechtsanwalt in 8403 Lebring, Stangersdorf Gewerbegebiet 110/9, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 1. Juli 2013, Zl. UW.4.1.6/0257-I/5/2013, betreffend Bewilligung und Überprüfung nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (mitbeteiligte Partei:

Gemeinde G, vertreten durch Dr. Josef Faulend-Klauser, Dr. Christoph Klauser, Rechtsanwälte in 8530 Deutschlandsberg, Kirchengasse 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 19. Jänner 2010 an den Landeshauptmann von Steiermark (im Folgenden: LH) beantragte die mitbeteiligte Partei (im Folgenden: MP) die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb der Kanalisation im Bereich der "Assingergründe".

Bereits mit Eingabe vom 30. September 2009 hatte die Beschwerdeführerin u.a. vorgebracht, dass es durch das bereits bestehende Kanalsystem mehrfach zu einem Rückstau von ungeklärten Abwässern im Keller ihres Wohnhauses, Grst. Nr. 236/6, KG P., gekommen sei.

Mit Bescheid des LH vom 3. Mai 2010 wurde unter Spruchabschnitt I. der MP die nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung für die Errichtung und den Betrieb von Kanalanlagen im Bereich der "Assingergründe" unter Vorschreibung von Auflagen erteilt und im Spruchabschnitt II. festgestellt, dass die Kanalisationsanlage bereits in Übereinstimmung mit der im Spruchabschnitt I. erteilten Bewilligung zur Ausführung gelangt ist.

Unter Spruchabschnitt I. des Bescheides des LH wurde eine im Rahmen der am selben Tag (3. Mai 2010) durchgeführten wasserrechtlichen Verhandlung zwischen dem Vertreter der MP und der Beschwerdeführerin geschlossene Vereinbarung beurkundet. Darin heißt es:

"Beurkundung

Das im Zuge der wasserrechtlichen Verhandlung am 3. Mai 2010 zwischen der Grundeigentümerin (Beschwerdeführerin) und der (MP) getroffene Übereinkommen wird gemäß § 111 Abs. 3 WRG hiermit wie folgt beurkundet:

ÜBEREINKOMMEN:

(Die Beschwerdeführerin) ist Grundeigentümerin der Liegenschaft 236/6 und Miteigentümerin des Weggrundstückes Nr. 236/8, je KG (P.).

Sie stimmt der Inanspruchnahme der vorgenannten Grundstücke durch Verlegung des Kanalstranges zwischen den Schachtpunkten PI 3 bis PI 3.2.1 gemäß Projekt der (...) unter der Voraussetzung zu, dass durch entsprechende Maßnahmen ein Rückstau aus dem Kanalsystem in das Wohnhaus verhindert wird. Dies soll in der Form erfolgen, dass entweder durch Einbau einer dem Stand der Technik entsprechenden doppelten Rückstauklappe das Eindringen von Wasser aus dem Kanalsystem verhindert wird (= Variante 1) oder die Abflussleitung im Kellerbereich so verlegt wird, dass eine gesicherte Ausleitung auch unter Druck oberhalb der Rückstauebene des öffentlichen Kanalsystems erfolgen kann (= Variante 2). Die Entscheidung, welche der beiden Varianten ausgeführt werden soll, wird der (MP) bis spätestens 10. Mai 2010 durch (die Beschwerdeführerin) bekanntgegeben.

Die (MP) verpflichtet sich, die von (der Beschwerdeführerin) bekanntgegebene Variante auf Kosten der Gemeinde umzusetzen und für die Durchführung ein hierzu befugtes Installationsunternehmen zu übergeben. Die Umsetzung der Maßnahme hat im Einvernehmen mit (der Beschwerdeführerin) zu erfolgen.

Bgm. (...) eh.

(Beschwerdeführerin) eh."

Aufgrund einer Berufung der Beschwerdeführerin wurde unter Spruchteil I. des Bescheides der belangten Behörde vom 31. August 2010 die im Bescheid des LH vom 3. Mai 2010 vorgenommene Beurkundung des Übereinkommens gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben und unter Spruchteil II. im Übrigen die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen. Die Behebung der Beurkundung wurde im Wesentlich damit begründet, dass ein Antrag der Beschwerdeführerin und der MP auf Beurkundung nicht vorgelegen sei.

Gegen den Spruchteil II. dieses Bescheids erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof. Darin führte sie u.a. aus, die belangte Behörde habe es unterlassen, das getroffene Übereinkommen gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 unter dem Gesichtspunkt der Realisierungsvorsorge zu prüfen und festzustellen, dass das Übereinkommen nicht ausreiche, um eine wasserrechtliche Bewilligung der Kanalanlage zu gewähren.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2012, Zl. 2010/07/0184, wurde der Spruchteil II. des Bescheides der belangten Behörde vom 31. August 2010 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof führte dazu im Wesentlichen aus, dass die verfahrensgegenständliche Vereinbarung, unabhängig davon, ob sie gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 beurkundet worden sei, zivilrechtliche Wirkung entfalte. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde bedeute dies jedoch nicht, dass damit eine Beurteilung der Wirksamkeit des zwischen der Beschwerdeführerin und der MP geschlossenen Übereinkommens - gegen dieses habe die Beschwerdeführerin u.a. eingewendet, dass die beiden genannten Lösungsmöglichkeiten für das Rückstauproblem gegen die "Steierische Bauordnung" verstießen und gesetzwidrig seien - durch die belangte Behörde unterbleiben könne. Die belangte Behörde habe eine Beurteilung unterlassen, ob der Eingriff in ein fremdes Recht durch die Zustimmung der Berechtigten gedeckt sei oder ob bestehende Rechte verletzt würden. Daraus ergebe sich, dass die Wasserrechtsbehörde u.a. zu beurteilen habe, ob ein Privatrechtstitel den Eingriff in ein bestehendes Recht im Sinne des § 12 Abs. 1 und 2 WRG 1959 zulasse bzw. ob die von der Berechtigten abgegebene Zustimmungserklärung für einen solchen Eingriff volle Rechtswirksamkeit entfalte und durchsetzbar sei.

Im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens wurde von einem wasserbautechnischen und einem bautechnischen Amtssachverständige folgende gemeinsame gutachterliche Stellungnahme vom 16. November 2012 erstattet:

"Zu 1.) Entspricht im vorliegenden Fall der Einbau einer dem Stand der Technik entsprechenden doppelten Rückstauklappe (= Variante 1) den Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes und sonstiger relevanter Normen für die Herstellung eines Hausanschlusses?

Dazu ist auszuführen, dass das Steiermärkische Baugesetz für den Hausanschluss an den öffentlichen Kanal keine konkreten technischen Vorgaben enthält. Die für das Baurecht verbindliche OIB-Richtlinie 3 (Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz) normiert lediglich, dass Anlagen zur Sammlung und Entsorgung von Abwässern so zu planen sind, dass weder die Gesundheit von Menschen, noch die Umwelt beeinträchtigt werden. In diesem Zusammenhang wird beispielweise die Verhinderung von Rückstau in Bauwerke angeführt. Auf nähere technische Anforderungen wird nicht eingegangen.

Aufgrund der Tatsache, dass die Herstellung einer vollkommen rückstaufreien öffentlichen Kanalisation unwirtschaftlich ist, ist es für die Herstellung von Hausanschlüssen erforderlich Gegenmaßnahmen gegen das Eindringen von Wässern aus dem öffentlichen Kanal vorzuschreiben. Einerseits geschieht dies in Form von Vorgaben für die Höhenlage der Anschlussstelle oberhalb der zu erwartenden Rückstauebene. Sofern dies nicht möglich ist, erfolgt dies andererseits durch Einsatz von technischen Maßnahmen wie Rückstauverschlüssen. Nachdem dieses Problem nicht ausgeschlossen werden kann, haben sich Techniker in Normenausschüssen damit beschäftigt und entsprechende technische Vorgaben dafür festgeschrieben. Im Speziellen findet man technische Planungs-, Ausführungs- und Prüfungsvorgaben und Anforderungen in einzelnen herausgegebenen Normen wie der ÖNORM B 2501 und der ÖNORM EN 13564-1. Durch die Verwendung von Rückstauverschlüssen der Typen 2 bis 5 (lt. ÖNORM EN 13564-1) wird der Stand der Technik erreicht, wobei anzuführen ist, dass unter der Variante 1 aufgrund der vorliegenden planlichen Darstellung eine Ausführung 'in horizontalen Leitungen mit zwei selbsttätigen Verschlüssen mit Notverschluss' zu verstehen sein wird.

Zu 2.) Ist die Umsetzung von 'Variante 1' geeignet das Eindringen von Wasser aus dem Kanalsystem zu verhindern?

Rückstauverschlüsse (Rückstauklappen) werden grundsätzlich für diesen Zweck gebaut und eingesetzt. Die einwandfreie Funktion solcher Bauteile hängt einerseits vom fachkundigen Einbau und andererseits von der unbedingt notwendigen Wartung ab.

Zu 3.) Entspricht im vorliegenden Fall die Verlegung der Abflussleitung im Kellerbereich, wodurch eine gesicherte Ausleitung auch unter Druck oberhalb der Rückstauebene des öffentlichen Kanalsystems erfolgen kann (=Variante 2) den Bestimmungen des Steiermärkischen Baugesetzes und sonstiger relevanter Normen für die Herstellung eines Hausanschlusses?

Wie oben ausgeführt enthält das Steiermärkische Baugesetz für den Hausanschluss an den öffentlichen Kanal keine technischen Vorgaben. Derartige technische Planungs- Ausführungs- und Prüfungsvorgaben und Anforderungen sind wie erwähnt in einzelnen herausgegebenen Normen wie der ÖNORM B 2501 und der ÖNORM EN 13564- 1 zu finden, die den Stand der Technik wiedergeben.

Die Herstellung des Hausanschlusses oberhalb der Rückstauebene (bei ebenen Straßen mit 10 cm über dem Straßenniveau bzw. der Gehsteigoberkante lt. ÖNORM B 2501) verhindert gesichert das Eindringen von Abwasser über den Kanal in das Objekt."

Die Beschwerdeführerin nahm mit Schreiben vom 3. Juni 2013 zu diesem Gutachten Stellung und führte im Wesentlichen aus, dass die Installation der Abwasserleitungen ihres Wohnhauses von einem Baumeister durchgeführt worden sei und daher bei der Herstellung des Hausanschlusses die Bestimmungen der ÖNORM B 2501 beachtet worden seien. Ferner beziehe sich die ÖNORM EN 13564-1 auf Rückstauverschlüsse, die nur für Räume mit untergeordneter Nutzung zugelassen seien. Der Keller der Beschwerdeführerin sei jedoch nicht als Raum mit untergeordneter Nutzung zu qualifizieren, weil sich dort eine Wärmepumpe, ein Stromverteilerkasten sowie eine Einrichtung für die Lagerung von Lebensmitteln befänden. Aus diesem Grund seien die Voraussetzungen für die Verwendung eines Rückstauverschlusses nach ÖNORM EN 13564-1 nicht gegeben und stelle ein Rückstauverschluss auch keine sichere Abwehr gegen einen Kanalrückfluss dar. Im Weiteren sei fraglich, ob für die Installation derartiger Gerätschaften ausreichend Platz vorhanden sei. Da der Rückstauverschluss mit einem Notstromaggregat zu versehen sei, würden sich auch die Kosten auf eine empfindliche Höhe belaufen. Die beste und sicherste Lösung wäre die Errichtung einer Kleinkläranlage der Firma T.

Die MP äußerte sich im Rahmen des Parteiengehörs nicht zum Gutachten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 1. Juli 2013 wurde die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des LH vom 3. Mai 2010 erhobene Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG abgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde u.a. aus, aus den fachlichen Ausführungen der Amtssachverständigen gehe deutlich hervor, dass die beiden Lösungsvarianten (Verwendung von Rückstauverschlüssen; Herstellung des Hausanschlusses oberhalb der Rückstauebene) den einschlägigen Normen für die Herstellung eines Hausanschlusses sowie dem Stand der Technik entsprächen und geeignet seien, das Eindringen von Abwasser aus dem Kanalsystem in das Bauwerk der Beschwerdeführerin zu verhindern. Durch das Vorbringen der Beschwerdeführerin werde das von der Behörde eingeholte Gutachten nicht entkräftet, weil ein mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht im Widerspruch stehendes Gutachten in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden könne. Das eingeholte Gutachten sei widerspruchsfrei, in sich schlüssig und mängelfrei. Da die Beschwerdeführerin dem schlüssigen Gutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten sei, sei von Amts wegen auch kein Ergänzungsgutachten einzuholen gewesen und könne den Ausführungen der Amtssachverständigen damit vollinhaltlich gefolgt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde (ergänzt durch eine von der Beschwerdeführerin selbst eingebrachte Eingabe) an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde und die MP beantragten in ihren Gegenschriften jeweils die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Auf den vorliegenden, mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdefall sind nach § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden.

Die Beschwerdeführerin macht geltend, dass es die belangte Behörde nun abermals unterlassen habe, die getroffene Vereinbarung gemäß § 111 Abs. 3 WRG 1959 unter dem Gesichtspunkt der Realisierungsvorsorge, insbesondere hinsichtlich des Nichtvorliegens einer untergeordneten Räumlichkeit zu prüfen. Das Übereinkommen sei daher nicht ausreichend, um die vorgenommene uneingeschränkte Verleihung der beantragten wasserrechtlichen Bewilligung der Kanalanlage zu erlauben. Im Übrigen liege keine vollständige Einigung über den Rechtseingriff vor und beruhe auch das Übereinkommen auf keiner Willenseinigung der Beteiligten.

In seinem Erkenntnis vom 24. Mai 2012, Zl. 2010/07/0184, hat der Verwaltungsgerichtshof im Sinne seiner ständigen Judikatur für den Fall, dass durch ein bewilligungspflichtiges Vorhaben bestehende Rechte iSd § 12 Abs. 2 WRG 1959 betroffen sind, dargelegt, dass eine wasserrechtliche Bewilligung auch dann zu erteilen ist, wenn zwar kein beurkundungsfähiges Übereinkommen vorliegt, sich der Konsenswerber jedoch mit dem Inhaber des der Verwirklichung des Projekts entgegenstehenden fremden Rechts geeinigt hat. Die in der mündlichen Verhandlung von einem Grundeigentümer abgegebene Erklärung, der projektgemäßen Einwirkung auf sein Grundeigentum gegen Gewährung einer Gegenleistung zuzustimmen, und die Annahme dieser Erklärung durch den Projektsherrn berechtigen die Wasserrechtsbehörde zu dem Schluss, dass insofern eine projektsbedingte Verletzung eines Eigentumsrechts nicht gegeben ist.

Eine derartige Einigung wurde im verfahrensgegenständlichen Fall in der mündlichen Verhandlung vom 3. Mai 2010 getroffen. Von der Beschwerdeführerin wurde im Berufungsverfahren auch nicht bestritten, dass das zunächst im erstinstanzlichen Bescheid dargestellte Übereinkommen den dort festgestellten Wortlaut aufweist.

Die Beschwerdeführerin bringt nun vor, die im Übereinkommen vom 3. Mai 2010 vorgeschlagenen Varianten - der Einbau einer Rückstauklappe oder das höhere Verlegen des Abflussrohres oberhalb der Rückstauebene - widersprächen sowohl dem Steiermärkischen Baugesetz als auch den Normen betreffend den Anschluss an ein öffentliches Kanalnetz. Die einschlägige ÖNORM EN 13564-1 beziehe sich auf Rückstauverschlüsse, die nur für Räume mit untergeordneter Nutzung zugelassen seien, was jedoch für den Keller der Beschwerdeführerin aufgrund einer darin befindlichen Wärmepumpe, einem Stromverteilerkasten sowie Einrichtungen für die Lagerung von Lebensmitteln nicht zutreffe. Es wäre somit nicht Aufgabe der belangten Behörde gewesen, ein Ergänzungsgutachten einzuholen, sondern festzuhalten, für welche Anwendungsgebiete die zitierte Norm gelte, und die rechtlichen Schlüsse aus dem Sachverhalt zu ziehen. Die belangte Behörde hätte unter dem Gesichtspunkt der Realisierungsvorsorge zu prüfen gehabt, ob in gegenständlicher Angelegenheit Räume von untergeordneter Nutzung betroffen seien.

Zu diesem Vorbringen ist zunächst festzuhalten, dass es bei der Auslegung eines zwischen den Parteien eines wasserrechtlichen Verfahrens getroffenen Übereinkommens - unabhängig von dessen Beurkundung - Aufgabe der Behörde ist, den Inhalt der Vereinbarung zu erforschen. Hierbei ist gemäß § 914 ABGB dann, wenn ein Vertrag oder eine Erklärung ausgelegt wird, nicht zu erforschen, welchen subjektiven, dem Partner nicht erkennbaren Willen die erklärende Partei hatte, sondern nur, wie der andere Vertragsteil die Erklärung verstehen musste (vgl. hg. Erkenntnis vom 26. April 2013, Zl. 2011/07/0196).

Die Absicht beider Parteien im gegenständlichen Verfahren war es, eine Einigung bezüglich der projektgemäßen Einwirkung auf das Grundeigentum der Beschwerdeführerin dahingehend herzustellen, dass durch entsprechende, auf Kosten der MP durchzuführende Maßnahmen ein Rückstau aus dem Kanalsystem in das Wohnhaus der Beschwerdeführerin verhindert wird. Ein auf Konsens beruhendes rechtskräftiges Übereinkommen, welches einen Eingriff in ein bestehendes Recht iSd § 12 Abs. 1 und 2 WRG 1959 gestattet, liegt somit dann vor, wenn die im Übereinkommen festgesetzten Maßnahmen (Varianten 1 und 2) mit dem Stand der Technik iSd § 12a WRG 1959 vereinbar sind und damit einen Rückstau aus dem Kanalsystem in das Wohnhaus der Beschwerdeführerin verhindern.

Im gegenständlichen Fall wurde im fortgesetzten Berufungsverfahren von der belangten Behörde ein Sachverständigengutachten eingeholt, welches sich u.a. auch auf ÖNORMEN stützte.

Bei einer ÖNORM handelt es sich um eine unverbindliche Empfehlung des Normungsinstitutes, der nur dann normative Wirkung zukommt, wenn sie der Gesetzgeber (unter Umständen mittels Verordnungserlassung) als verbindlich erklärt. Das Fehlen einer solchen normativen Wirkung einer ÖNORM hindert nicht, dass diese als einschlägiges Regelwerk und objektiviertes, generelles Gutachten von einem Sachverständigen als Grundlage in seinem Gutachten etwa für die Beurteilung des Standes der Technik herangezogen werden kann (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 2013, Zl. 2012/05/0187, mwN).

In dem von der belangten Behörde eingeholten Gutachten wurde zunächst dargelegt, dass das Steiermärkische Baugesetz für den Hausanschluss an den öffentlichen Kanal keine konkreten technischen Vorgaben enthalte und die für das Baurecht verbindliche OIB-Richtlinie 3 (Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz) lediglich normiere, dass Anlagen zur Sammlung und Entsorgung von Abwässern so zu planen seien, dass weder die Gesundheit von Menschen noch die Umwelt beeinträchtigt werden. In weiterer Folge führten die Amtssachverständigen u.a. aus, dass durch die Verwendung von Rückstauverschlüssen der Typen 2 bis 5 (lt. ÖNORM EN 13564-1) der Stand der Technik erreicht werde. Ferner ist dem Gutachten zu entnehmen, dass sowohl Rückstauverschlüsse (bei fachkundigem Einbau und Wartung) als auch die Herstellung des Hausanschlusses oberhalb der Rückstauebene das Eindringen von Abwasser in das Objekt verhinderten.

Diesem vor dem Hintergrund des konkreten Einzelfalles erstatteten, von der belangten Behörde in nicht zu beanstandender Weis als schlüssig und vollständig beurteilten Gutachten ist die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Sie vermochte durch ihr im Verfahren vor der belangten Behörde erstattetes Vorbringen auch keine Unschlüssigkeit des Amtssachverständigengutachtens aufzuzeigen. Die nun mit der Beschwerde vorgelegte, von der Beschwerdeführerin in Auftrag gegebene fachtechnische Stellungnahme des DI S. vom August 2013, in der u.a. ausgeführt wird, dass ein Rückstauverschluss (gemäß ÖNORM EN 12056-4) dann eingesetzt werden könne, wenn (u.a.) die Räume von untergeordneter Nutzung seien, ist wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahrens geltenden Neuerungsverbotes unbeachtlich.

Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin ihr Vorbringen bezüglich der Variante 2 des Übereinkommens zur Verhinderung des Rückstaus in ihr Wohnhaus, welche laut Sachverständigengutachten gesichert das Eindringen von Abwasser über den Kanal in das Objekt verhindere, in keiner Weise konkretisierte.

Schließlich bemängelt die Beschwerdeführerin in ihrer "Ergänzung zur Bescheidbeschwerde", dass die belangte Behörde zur Erlassung des mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheides vom 1. Juli 2013 wiederum die Berufung vom 20. Mai 2010 "verwendet" habe, obwohl über diese Berufung bereits "im abgeschlossenen Verfahren" befunden worden sei; dies ohne Anweisung des Verwaltungsgerichtshofes an die Unterbehörde, ohne neuen Antrag und Verhandlung.

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde gemäß Art. 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG idF BGBl. Nr. 470/1995 verpflichtet, in dem betreffenden Fall mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Die Herstellung des der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes geschieht, wenn zu seiner Verwirklichung ein Bescheid notwendig ist, durch Erlassung eines neuen Bescheides, der der vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochenen Rechtsansicht entspricht, ansonsten durch Herstellung des der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Zustandes durch andere, der Behörde zu Gebote stehende Mittel (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. April 2006, Zl. 2003/16/0506).

Nach Erlassung des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2012, Zl. 2010/07/0184, hatte die belangte Behörde erneut über die von der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des LH vom 3. Mai 2010 erhobene Berufung zu entscheiden. Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Ansicht war für die Durchführung des fortgesetzten Verfahrens weder ein Antrag noch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich. Die belangte Behörde ist ihrer Verpflichtung zur weiteren Ermittlungstätigkeit durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens nachgekommen, zu welchem der Beschwerdeführerin Parteiengehör eingeräumt wurde.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG konnte von der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 79 Abs. 11 VwGG und § 3 der VwGH-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 518/2013 idF BGBl. II Nr. 8/2014, iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455.

Wien, am 24. Juli 2014

Schlagworte

Rechtsgrundsätze Allgemein Anwendbarkeit zivilrechtlicher Bestimmungen Verträge und Vereinbarungen im öffentlichen Recht VwRallg6/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2014:2013070154.X00

Im RIS seit

14.10.2014

Zuletzt aktualisiert am

09.01.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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