TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/15 W197 2181810-4

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Veröffentlicht am 15.11.2019
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Entscheidungsdatum

15.11.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W197 2181810-4/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Elmar SAMSINGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Malawi, alias XXXX , geboren am XXXX ,

Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX , geboren am XXXX ,

Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Malawi, vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.11.2019, Zahl 720792204-191110957 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der Schubhaftbescheid vom 06.11.2019 sowie die Anhaltung von XXXX , geboren am XXXX ,

Staatsangehörigkeit Malawi, alias XXXX , geboren am XXXX ,

Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX , geboren am XXXX ,

Staatsangehörigkeit Nigeria, alias XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Malawi, in Schubhaft für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 3 BFA-VG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

III. Der Bund hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV dem Beschwerdeführer den Verfahrensaufwand in Höhe von € 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag, den Beschwerdeführer von der Eingabegebühr zu befreien, wird als unzulässig zurückgewiesen.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang (Feststellungen):

1.1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste ungeklärten Datums illegal ins Bundesgebiet ein. Seine Identität steht nicht fest. Der BF trat im Asylverfahren unter verschiedenen Aliasidentitäten auf, indem er verschiedene Namen, Geburtsdaten und Nationalitäten - Nigeria und Malawi - behauptete.

1.2. Der Beschwerdeführer stellte am 25.03.2002 einen Asylantrag, den das Bundesasylamt den mit Bescheid vom 11.11.2003 gemäß § 7 AsylG 1997 abwies. Zugleich wurde ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Malawi gemäß § 8 AsylG 1997 zulässig sei. Mit Erkenntnis vom 15.12.2009 wies der Asylgerichtshof die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuerlichen Bescheides an das Bundesasylamt zurück.

1.3. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX 2004 wurde der BF wegen Verstoßes gegen das Suchtmittelgesetz zu einer zwölfmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wovon acht Monate unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden.

1.4. Die Bundespolizeidirektion XXXX erließ gegen den BF mit Bescheid vom 23.02.2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot. Da der BF untergetaucht war, musste ihm der Bescheid durch Hinterlegung zugestellt werden.

1.5. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX 2008 wurde der Beschwerdeführer neuerlich nach dem Suchtmittelgesetz und wegen eines Urkundendelikts zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwölf Monaten verurteilt. Der BF hatte einen gefälschten slowakischen Reisepass erworben und verwendete, um seine wahre Identität zu verschleiern.

1.6. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 14.04.2010 wurde der Beschwerdeführer zum dritten Mal wegen Verbrechens nach dem Suchtmittelgesetz und erstmals wegen versuchten Wiederstands gegen die Staatsgewalt zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt.

1.7. Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 18.05.2010 den Asylantrag gemäß § 7 AsylG 1997 ab, erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 1997 für zulässig und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Nigeria aus.

1.8. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies der Asylgerichthof mit Erkenntnis vom 30.06.2010 als unbegründet ab.

1.9. Die Bundespolizeidirektion XXXX suchte sowohl am 11.04.2011 als auch am 29.12.2011 um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei der nigerianischen Botschaft. Der Beschwerdeführer gab bei den Vorführterminen am 23.03.2012 und am 01.06.2012 gegenüber der nigerianischen Botschaft an, Staatsangehöriger von Malawi zu sein. Die Botschaft von Malawi teilte am 20.06.2012 mit, dass der Beschwerdeführer in Folge des Telefoninterviews am 03.05.2011 nicht malawischer Staatsangehöriger, sondern wahrscheinlich Staatsangehöriger von Nigeria oder Ghana sei.

1.10. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion XXXX vom 06.03.2012 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 77 FPG das gelinderer Mittel der angeordneten Unterkunftnahme und periodischen Meldeverpflichtung zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Der Beschwerdeführer ist ab dem 15.03.2012 seinen Verpflichtungen aus einem gelinderen Mittel nicht mehr nachgekommen und untergetaucht.

1.11. Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wies die Landespolizeidirektion XXXX mit Bescheid vom 25.09.2012 als unzulässig zurück.

1.12. Der BF ist seit 10.03.2014 ist er in Österreich nicht mehr amtlich gemeldet. Da er untertauchte, war der BF für die Behörden nicht greifbar. Der BF wurde erst am 26.12.2017 auf Grund einer Zufallskontrolle beim unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet betreten, und gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 BFA-VG festgenommen und der Behörde vorgeführt.

1.13. Mit Mandatsbescheid vom 26.12.2017 verhängte die Behörde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung. Hinsichtlich des Schubhaftbescheides verweigerte der BF die Unterschriftsleistung zur Bestätigung der Übergabe.

1.14. Die gegen diesen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 11.01.2018 als unbegründet ab und stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

1.15. Die gegen die Anhaltung in Schubhaft ab 22.01.2018 erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 06.02.2018 als unbegründet ab und stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen.

1.16. Die nigerianische Botschaft ersuchte am 12.01.2018 um Vorlage weiterer Dokumente im Verfahren zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer.

1.17. Das Bundesamt stellte am 22.01.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Malawi. Diese stimmte am 31.01.2018 der Ausstellung eines Heimreisezertifikates bei Übermittlung der Flugdaten zu. Das Bundesamt buchte am 02.02.2018 einen Flug nach Malawi für den 23.02.2018 und organisierte die Abschiebung.

1.18. Der Abschiebeversuch am 23.02.2018 scheiterte, da der BF sich seiner Abschiebung widersetzte, indem er sich weigerte, das Polizeianhaltezentrum zu verlassen. Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen und die Schubhaft wurde fortgesetzt.

1.19. Am 28.02.2018 buchte das Bundesamt neuerlich einen Flug nach Malawi für den 04.05.2018. Am 01.03.2018 suchte es um die Verlängerung des Heimreisezertifikates an. Am 04.05.2018 organisierte die Behörde die begleitete Abschiebung des Beschwerdeführers. Der BF widersetzte sich neuerlich gegen die Abschiebung, wobei er nicht davor zurückschreckte Gewalt gegen die amtshandelnden Beamten einzusetzen.

1.20 In der Folge wurde der BF festgenommen und nach Anordnung durch die Staatsanwaltschaft XXXX in die Justizanstalt XXXX eingeliefert und die Untersuchungshaft verhängt.

1.21. Mit Urteil des Landesgerichts XXXX v. XXXX 2019 wurden der BF neuerlich wegen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt gem. § 269 Abs. 1 StGB i.V.m. § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren verurteilt. Im Rahmen der Berufungsverhandlung im OLG XXXX wurde die Freiheitsstrafe auf 18 Monate herabgesetzt. Das Oberlandesgericht bestätigte den Ausspruch einer unbedingten Haftstrafe, aus spezial- und generalpräventiven Gründen, da die Verurteilung auf derselben schädlichen Neigung des BF beruhe, wegen mehrfacher Tatbegehung und einer fehlenden Verantwortungsübernahme des BF. Das OLG führte weiter aus, dass das Urteil auch signalisieren soll, dass derartige Widerstandhandlungen bei der zwingend erforderlichen Umsetzung fremdenpolizeilicher Maßnahmen - insbesondere bei einschlägigen Vorbelastung - empfindliche staatliche Reaktionen nach sich ziehen.

1.22. Am 04.11.2019 wurde der BF nach Entlassung aus der Strafhaft ins PAZ eingeliefert und am 05.11.2019 von der Behörde niederschriftlich einvernommen, wobei er angab, keine Meldeadresse zu besitzen und seinen Lebensunterhalt durch Schwarzarbeit gesichert zu haben. Im Gefängnis habe er sich € 800 erarbeitet. Er sei im Bundesgebiet nicht integriert, wolle nicht in den Herkunftsstaat Malawi zurückkehren und werde im Falle seiner Abschiebung nicht kooperieren.

1.23. Mit Mandatsbescheid vom 06. 11. 2019 wurde über den BF über gemäß § 76 Absatz 2 Ziffer 1 FPG iVm § 57 Absatz 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt. Die Behörde sah Fluchtgefahr im Sinne von § 76 Abs. 3 Z. 1 und 9, Sicherungsbedarf und Verhältnismäßigkeit als vorliegend an. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände sah die Behörde die Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht gegeben. Der Bescheid wurde dem BF persönlich zugestellt, von seiner Haftfähigkeit wurde ausgegangen.

1.24. Gegen den Mandatsbescheid, die Anordnung der Schubhaft und die fortdauernde Anhaltung erhob der Rechtsvertreter des BF mit der Begründung Beschwerde, dass die Behörde ihre Entscheidung auf eine falsche Rechtsgrundlage gestellt hat, dass der BF nicht nach Nigeria abschiebbar sei, dass die Behörde nicht schon während der Strafhaft Vorsorge getroffen hat, die Abschiebung des BF nach seiner Entlassung zu organisieren und die Schubhaft damit unverhältnismäßig sei, dass hinsichtlich Malawi keine Refoulementprüfung stattgefunden habe und die Ausweisungsentscheidung nach Nigeria heute nicht mehr als Titel für eine Abschiebung in Betracht komme, da diese vor neun Jahren erlassen wurde. Zudem bestehe keine Fluchtgefahr und die Behörde hätte mit der Vorschreibung eines gelinderen Mittels das Auslangen finden können. Beantragt wurde der Beschwerde kostenpflichtig Folge zu geben, Barauslagen zu ersetzen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.

1.25. Die Behörde legte die Akten vor und verwies im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid und das bisherige Verfahren. Ergänzend brachte die Behörde vor, dass für den BF ein HRZ bei der Botschaft von Malawi in Berlin am 29.08.2019 beantragt wurde. Am 11.11.2019 wurde vom zuständigen Referenten mit der HRZ-Abteilung erneut Kontakt aufgenommen und bezüglich des HRZ nachgefragt. Ein Termin für die Abschiebung ist aufgrund dessen, dass es für eine Flugbuchung einer HRZ-Zustimmung bedarf, nicht fixiert.

1.26. In dem mittels Aktenvermerk festgehaltene Telefonat des erkennenden Richters mit dem bescheiderlassenden Referent gab dieser an:

Es ist richtig, dass der BF im Asylbescheid als nigerianischer StA festgestellt wurde. Eine Rückkehrentscheidung betreffend Nigeria bzw. Malawi wurde seitens der Behörde bislang nicht als erforderlich gesehen. Die Schubhaft wurde ausschließlich zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Richtig sei, dass seit der Anfrage an die nigerianische Vertretungsbehörde vom 12.01.2018 keinerlei Kontakt bezüglich der Ausstellung eines HRZ mit der nigerianischen Botschaft gepflogen wurde. Die nigerianische Botschaft hatte seinerzeit die Übermittlung von Unterlagen an gefordert. Ob die nigerianische Botschaft tatsächlich ein HRZ ausstellen wird, steht im vorliegendem Fall nicht fest.

Der Referent war selbst erstaunt, dass Malawi im Hinblick auf den Akteninhalt ein HRZ ausgestellt hat. Der Referent hat bei der zuständigen Abteilung der Behörde im September und November 2019 ersucht, bei der malawischen Vertretungsbehörde in Berlin zu urgieren. Offenbar ist bislang keine Antwort eingelangt.

1.27. Wegen Entscheidungsreife der Sache konnte von der Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung abgesehen werde.

II. Feststellungen

2.1. Die im Verfahrensgang als Feststellungen formulierten Punkte werden als solche der Entscheidung zu Grunde gelegt.

2.2. Die Identität des BF steht nicht fest. Der BF trat im Asylverfahren unter verschiedener Identitäten auf, indem er insbesondere verschiedener Nationalitäten - Nigeria und Malawi - annahm. Im Verfahren wurde die nigerianische StA des BF angenommen.

2.3. Nachdem sein Asylvorbringen auch im Rechtsmittelverfahren rechtskräftig als erfunden und sohin unglaubwürdig gewertet wurde, weigerte sich der BF über die Jahre trotz Verpflichtung freiwillig in den Herkunftsstaat auszureisen. Vielmehr tauchte er unter und war für die Behörde nicht greifbar. Seiner Abschiebung widersetzte er sich mehrfach, auch unter Gewaltanwendung. Er zeigte auch bei der Erlangung von HRZ keinerlei Kooperationsbereitschaft, als er vor den Vertretungsbehörden versuchte, seine Nationalität zu verschleiern.

2.4. Der BF ist im Bundesgebiet nicht integriert, er sichert seinen Lebensunterhalt offenbar zum Teil durch kriminelle Handlungen, wofür er auch nach dem Suchtmittelgesetz mehrfach verurteilt wurde sowie durch Schwarzarbeit. Der BF besitz keine gesicherte Unterkunft, an der er sich den Behörden zu seiner Außerlandesbringung bereithalten wird, hielt sich im Bundesgebiet lange Zeit unangemeldet auf und befolgte das im gewährte gelinderer Mittel der angeordneten Unterkunftnahme nicht sondern tauchte unter.

2.5. Die mehrfachen Vorstrafen nach dem SMG und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt, die Aufnahme von Schwarzarbeit und sein illegaler Aufenthalt im Bundesgebiet belegen, dass der BF gänzlich vertrauensunwürdig ist und dass er nicht bereit ist, sich an die Rechtsordnung zu halte. Auf Grund seines bisherigen Verhaltens steht fest, dass der BF nicht in den Herkunftsstaat zurückkehren will, er im Falle seiner Abschiebung nicht mit den Behörden kooperieren und alles daran setzen wird, seine Abschiebung zu verhindern. Im Falle seiner Freilassung ist sohin mit Sicherheit davon auszugehen, dass der BF sofort untertauchen und seinen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet fortsetzen wird.

2.6. Es besteht ein hohes öffentliches Interesse, rechtsgrundlos in Österreich aufhältige Fremde außer Landes zu bringen.

2.7. Die Behörde hat die Abschiebung des BF nach Nigeria nicht rechtzeitig und zielführend organisiert, als sie sich bei der nigerianischen Botschaft nicht nachhaltig um die Ausstellung HRZ bemüht. Zudem steht nicht fest, dass im vorliegenden Fall, nicht zuletz im Hinblick auf die unklage STA des BF und seine lange Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet in vertretbarer Zeit überhaupt ein HRZ erlangt werden kann. Der Abschiebung nach Malawi mangelt es an einer tragfähigen Rückkehrentscheidung.

III. Beweiswürdigung

3.1. Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde, dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts und der erhobenen Beschwerde.

3.2. Auf Grund der Angaben des bescheiderlassenden Referenten steht fest, dass die Behörde sich nicht rechtzeitig und mit dem gehörigen Nachdruck um die Erlassung eines HRZ von Nigeria bemüht hat, wobei auch nicht feststeht, ob im vorliegenden Fall überhaupt ein HRZ erlangt werden kann. Der Abschiebung nach Malawi mangelt es an einer tragfähigen Rückkehrentscheidung.

IV. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Gemäß § 76 Abs. 4 FPG ist die Schubhaft mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft.

4.1.2. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).

4.1.3. Gemäß §76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendeten Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gem. § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist oder 2. diese zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder die Abschiebung notwendig ist, sofern Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 und 2. Dublin-Verordnung vorliegen. Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

4.1.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig. Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein.

4.1.5. Die Behörde hat im gegenständlichen Fall Die Schubhaft ausschließlich zur Sicherung der Abschiebung verhängt, wobei im angefochtenen Bescheid als Rechtsgrundlage § 76 Abs. 1 Z. 1 FPG angenommen wurde. Die Behörde hätte jedoch als Rechtsgrundlage § 76 Abs.1 Z. 2. FPG heranziehen müssen. Nach der Judikatur des VwGH kommt eine Sanierung eines Schubhaftbescheides, die durch Änderung der Rechtsgrundlage auf einen Austausch der tatsächlich verhängten Schubhaft gegen jene, die das BVwG für richtig erachtet, hinausläuft, nicht in Betracht. Schubhaft und Anhaltung in Schubhaft waren sohin rechtswidrig.

4.2. Zu Spruchpunkt A. II. - Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

4.2.1. Die Verhängung der Schubhaft darf stets nur ultima ratio sein. Dem entspricht nicht nur die in § 80 Abs. 1 FrPolG 2005 ausdrücklich festgehaltene behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauere, vielmehr ist daraus auch abzuleiten, dass die Behörde (das BFA) schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so wäre die Schubhaft unverhältnismäßig. Demzufolge erweist sich die Verhängung von Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft regelmäßig als unverhältnismäßig, wenn die Fremdenpolizeibehörde (das BFA) auch zum absehbaren Ende einer Strafhaft hin mit der (versuchten) Beschaffung eines Heimreisezertifikats untätig bleibt. Das muss auch auf den Fortsetzungsausspruch durchschlagen. Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre nachvollziehbar zu begründen

Auf Grund der getroffenen Feststellung und ihrer rechtlichen Würdigung ergibt sich, dass die die Behörde diesem Erfordernis bei der Beschaffung eines HRZ von Nigeria nicht entsprochen hat und sohin die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht vorliegen.

4.2.2. Die gegenüber dem in Österreich aufhältigen Fremden ergangene asylrechtliche Ausweisung nach Nigeria aus dem Jahr 2006 war formell noch aufrecht. Sie galt gemäß § 75 Abs. 23 AsylG 2005 nach dem Inkrafttreten des FNG 2014, als aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstückes des FrPolG 2005, also als Rückkehrentscheidung. Angesichts des besonders langen Inlandsaufenthalts wäre nach der Judikatur des VwGH zu prüfen gewesen, ob sich die Beurteilungsgrundlagen im Hinblick auf die Interessenabwägung nach Art. 8 MRK (nunmehr in Verbindung mit § 9 BFA-VG 2014) so maßgeblich geändert hatten, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme ihre Wirksamkeit verloren hat Gegebenenfalls wäre die Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung schon wegen des Fehlens eines durchsetzbaren Titels für die Außerlandesbringung rechtswidrig gewesen. Dies gilt auch für eine allfällige Abschiebung nach Malawi.

3.3. Zu Spruchpunkt A. IV und V. - Kostenbegehren

3.3.1. Da der Beschwerdeführer in allen Punkten vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen allein der Ersatz der verzeichneten Schriftsatzaufwand zu

3.3.2. Mangels gesetzlicher Bestimmungen war der Antrag des BF auf Befreiung der Entrichtung von Eingabegebühr bzw. dessen Refundierung zurückzuweisen. Dass die Eingabegebühr das Recht des Beschwerdeführers auf Zugang zu Gericht beschneidet, trifft im Hinblick auf die geringe Höher nicht zu. Dieser Gebührensatz kann keineswegs als prohibitiv hoch angesehen werden. Der BF hat die Eingabegebühr entrichtet und diesbezüglich keine Verfahrenshilfe beantragt.

3.4. Zu Spruchpunkt B - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Wie ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in allen Spruchpunkten nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltsdauer, Kostenersatz, Rechtsgrundlage, Rechtswidrigkeit,
Rückkehrentscheidung, Schubhaft, Staatsangehörigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W197.2181810.4.00

Zuletzt aktualisiert am

06.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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