TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/28 W186 2188165-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.11.2019
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Entscheidungsdatum

28.11.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §34
BFA-VG §34 Abs3
BFA-VG §40
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46 Abs1 Z2
FPG §46 Abs1 Z3
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W186 2188169-1/9E

W186 2188179-1/8E

W186 2188161-1/8E

W186 2188176-1/8E

W186 2188173-1/8E

W186 2188165-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX , geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX und 6.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch RA Dr. Schmaus, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Festnahme am 20.01.2018 und die darauf gestützte Anhaltung bis 23.01.2018 und der Abschiebung am 23.01.2018, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die Festnahme vom 20.01.2018 sowie die Anhaltung von 20.01.2018 - 23.01.2018 gemäß § 22a Abs. 1 iVm 34 Abs. 3 BFA-VG iVm Art. 1 Abs. 3 PersFrG für rechtswidrig erklärt.

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters die Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. Die Beschwerde gegen die Abschiebung wird gemäß § § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG iVm § 46 Abs. 1 Z 2 und Z 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Der Erstbeschwerdeführer (BF1) ist Ehegatte der Zweitbeschwerdeführerin (BF2), beide sind Eltern der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer (BF3- BF6).

2. Die Beschwerdeführer (BF 1-6), Staatsangehörige der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, stellten am 28.10.2011 Anträge auf internationalen Schutz, nachdem sie zuvor gemeinsam unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist waren. Es wurde die russischen Inlandspässe und die russischen Geburtsurkunden der minderjährigen Kinder, sowie polnischen Asylkarten vorgelegt.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 27.08.2012, Zlen. 11 12.998-BAW, 11 12.999-BAW, 11 13.000-BAW, 11 13.001-BAW, 11 13.002-BAW und 11 13.003-BAW, wies das Bundesasylamt den Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 28.10.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurden die Anträge auf internationalen Schutz auch bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) und die Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Die Beschwerden gegen die Bescheide vom 27.08.2012 wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.09.2014, Zlen. W147 1429272-1, W147 1429273-1, W147 1429274-1, W147 1429275-1, W147 1429276-1 und W147 1429277-1 gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 75 Abs. 20 AsylG 2005 wurden die Verfahren insoweit zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

3. Mit den Bescheiden des BFA vom 16.02.2015 wurden den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG wurden gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Die Beschwerde gegen die Bescheide des BFA vom 16.02.2015 wurden mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2015, Zlen. W226 2103039-1/10E, W226 2103044-1/8E, W226 2103041-1/3E, W226 2103037-1/3E, W226 2103035-1/3E, W226 2103043-1/5E gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm. § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, § 52 Abs. 9 FPG, § 46 FPG sowie § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

Es wurde daraufhin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) erhoben, deren Behandlung der VfGH mit Beschluss vom 10.06.2016 (GZ: E 2452-2457/2015-13) abgelehnt hat.

Am 02.02.2016 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme der BF1 und BF2 und diese wurden auf die verpflichtende Ausreise hingewiesen. Gleichzeitig wurde auch ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates eingeleitet und die Beschwerdeführer auf die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr hingewiesen.

4. Am 18.08.2016 brachten die Beschwerdeführer Anträge auf einen humanitären Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ein.

Am 16.11.2017 wurden die Beschwerdeführer von den russischen Behörden identifiziert und der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 21.12.2017 wurde den BF gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, sich bis zu ihrer Ausreise durchgängig in der Betreuungsstelle Schwechat Unterkunft zu nehmen.

Die BF kamen dieser Aufforderung nach, und bezogen unmittelbar das Quartier nahe dem Flughafen Schwechat.

Aufgrund der Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 vom 18.08.2016 wurde der BF1 am 03.01.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Aufgrund der Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 vom 18.08.2016 wurde auch die BF2 am 03.01.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Mit Schreiben vom 19.01.2018 übermittelte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführer eine Stellungnahme, in welcher im Wesentlichen die persönliche Situation der Beschwerdeführer eingehend beschrieben wurden, die unternommenen Integrationsschritte der BF3 bis BF6 im Rahmen der Schulbesuche angeführt wurden, deren überwiegende Sozialisation in Österreich aufgrund des langen Aufenthaltes behauptet wurde, der Gesundheitszustand der BF2 eingehend erläutert wurde und auch das Engagement des BF1 bei der "Wiener Tafel", dessen erworbene Sprachkenntnisse in Deutsch und dessen Arbeitsmotivation und Leistungsbereitschaft beschrieben wurde und die strafrechtliche Unbescholtenheit der Familie, sowie deren Bildungsaffinität und vorbildlichste Integration vorgebracht wurden. Darüber hinaus seien die Bindungen der BF zum Herkunftsland aufgrund der jahrelangen Abwesenheit als erloschen zu bezeichnen.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.01.2018, , wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 MRK vom 18.08.2016 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen sie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.), sowie gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG idgF die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG idgF. gegen die Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

Eine gegen die Bescheide vom 26.01.2018 erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 15.03.2018, Zlen W247 2103039-2/4E, W247 2103044-2/4E, W247 2103041-2/4E, W247 2103037-2/4E, W247 2103035-2/4E und W247 2103043-2/4E, als unbegründet ab. Die Behandlung einer dagegen erhobenen Beschwerde lehnte der Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11.06.2018 ab. Unter einem wurde auch der Verfahrenshilfeantrag abgewiesen.

Das Bundesamt erließ am 19.01.2018 Festnahmeaufträge gegen die BF, wonach diese gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zum Zwecke der Abschiebung ab 20.01.2018 15 Uhr, festzunehmen und anschließend in das SPK Schwechat zu überstellen seien. Es bestehe ein Abschiebetermin für den 23.01.2018 um 12:00 Uhr.

Unter einem wurde am 19.01.2018 ebenfalls ein Abschiebeauftrag gegen die BF erlassen, wonach diese am 23.01.2018, 12 Uhr, auf dem Luftweg nach Moskau abgeschoben werden wollen.

Die BF wurden am 20.01.2018 festgenommen und in das Terminal 240 des Flughafen Wien Schwechat verbracht.

Die BF führten am 21.01.2018 ein Gespräch mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter durch.

Die BF befanden sich seit 20.01.2018 in einer Zurückbeförderungszone und nützen die dortigen Wohnmöglichkeiten.

Die BF wurden am 23.01.2018 nach Moskau auf dem Luftweg abgeschoben.

Mit Schriftsatz vom 05.03.2018, hg. eingelangt am selben Tag, erhoben die BF durch ihren im Spruch angeführten rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung, sowie gegen die Abschiebung. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge feststellen, dass die Festnahme und die darauffolgende Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgten, feststellen, dass die BF in ihrem Recht auf Kontakt zu einem Rechtsbeistand verletzt wurden, feststellen, dass die Zwangsmaßnahmen in menschenunwürdiger Weise erfolgten, feststellen, dass die Abschiebung in rechtswidriger Weise erfolgte, die BF von der Eingabegebühr befreien, sowie feststellen, dass den BF Aufwendungen gemäß der VwG-Aufwandersatzverordnung zu ersetzen sind.

Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

"Die BF erachten sich durch die in Rede stehenden Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt, nämlich die Festnahme und die Anhaltung wie auch die Abschiebung sowohl in ihren einfachgesetzlichen Rechten, etwa im Hinblick auf §§ 40 iVm 34 BFA-VG bzw. § 9 BFA-VG, wie auch in ihren verfassungs- und europarechtlich garantierten Rechten, insbesondere betreffend B-VG über die Rechte der Kinder, B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit, Art 5 und 8 EMRK wie auch Art 6, 7, 24 und 47 GRC sowie Art 5, 8, 12, 13 und 15 Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) verletzt. Die belangte Behörde hat die eben angeführten einfach- bzw. grundrechtlichen Bestimmungen nicht nur inhaltlich verkannt, sondern hat ebenso verfahrensrechtliche Vorschriften grob missachtet.

Das Bundesamt hat es in Folge des gravierend mangelhaft geführten Verfahrens verabsäumt, sich mit den tatsächlichen Umständen des Sachverhalts auseinanderzusetzen und - soweit erkennbar - ohne den grundrechtlichen Vorgaben entsprechende Abwägung die Festnahme und Anhaltung wie auch die Abschiebung der teils minderjährigen BF veranlasst. Hierbei hat die belangte Behörde gleich in mehrfacher Hinsicht die Rechte der BF grob missachtet.

Zunächst ist festzuhalten, dass - wie weiter unten ausgeführt, auch nach Ansicht der belangten Behörde (sic!) - im gegenständlichen Verfahren keine rechtswirksame, d.h. durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorlag, welche die Grundlage für eine Abschiebung und eine damit diese vorbereitende Haft darstellen könnten.

Es ist offenkundig, dass Zweck des Festnahmeauftrages wie auch jener der in Folge durchgeführten Festnahme die nachfolgende Durchführung der Abschiebung am 23.01.2018 darstellte. In diesem Sinne heißt im Festnahmeauftrag vom 19.01.2018 denn auch wörtlich, dass diese "zum Zwecke der Abschiebung festzunehmen" sind. Rechtsgrundlage bildete demnach §§ 34 Abs 3 Z 3 iVm 40 Abs 1 Z 1 BFA-VG.

Im Anwendungsbereich des § 40 BFA-VG darf als notorisch vorausgesetzt werden, dass die Festnahme und Anhaltung als Haft iSd B-VG über den Schutz der persönlichen Freiheit zu qualifizieren sind, zumal eine Allseitigkeit der Bewegungseinschränkung vorliegt. Folglich hat ebenso eine Subsumtion unter einem der Eingriffstatbestände des Art 2 Abs 1 PersFrB-VG zu erfolgen. Durch den expliziten Verweis auf die Abschiebung im Rahmen des Festnahmeauftrages kann kein Zweifel daran bestehen, dass der zugrundeliegende Eingriffstatbestand nach Z 7 leg cit, d.h. zur beabsichtigten Ausweisung, vorliegt.

In Analogie zur Judikatur betreffend Schubhaft ist folglich davon auszugehen, dass im Rahmen der verwaltungsbehördlichen Haftprüfung zwar nicht die (Un-)Zulässigkeit der Abschiebung Prüfungsmaßstab ist, dennoch ein durchsetzbarer Titel als Grundvoraussetzung vorzuliegen hat. Eine Abschiebung, Festnahme wie auch Anhaltung stellt sich somit dann als rechtswidrig dar, wenn das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme noch nicht beendet ist, noch keine durchsetzbare Entscheidung vorliegt oder die aufenthaltsbeendende Maßnahme aufgrund einer geänderten Beurteilungsgrundlage ihre Wirksamkeit verloren hat. Dies wäre etwa bei einer entscheidungsrelevanten Änderung des Privat- und Familienlebens gegeben (im Hinblick auf Art 8 EMRK bzw. Art 7 GRC) oder wenn sich die Verhältnisse im Zielland seit einer abweisenden asylrechtlichen Entscheidung verfahrensmaßgeblich geändert haben.

Es sei in diesem Zusammenhang auch explizit auf die Judikatur des VwGH verwiesen, welcher wiederholt wie folgt festgestellt hat: "Eine Ausweisung (nunmehr Rückkehrentscheidung) verliert ihre Wirksamkeit, wenn sich die Beurteilungsgrundlagen im Hinblick auf die Interessenabwägung nach Art. 8 MRK (nunmehr iVm § 9 Abs. 2 BFA-VG 2014) maßgeblich zu Gunsten des Fremden geändert haben; gegebenenfalls erwiese sich eine Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung wegen des Fehlens eines durchsetzbaren Titels für die Außerlandesbringung als rechtswidrig (Hinweis E 20. Oktober 2016, Ra 2015/21/0091 und Ro 2015/21/0031)." (VwGH 29.06.2017, Ro 2016/21/0007; Hervorhebung hinzugefügt)

Entsprechend der nach Abschiebung erfolgten inhaltlichen Abweisung der Anträge gemäß § 55 AsylG geht die belangte Behörde ganz offensichtlich selbst davon aus, dass die am 29.10.2015 rechtskräftig erlassene Rückkehrentscheidungen nicht mehr rechtswirksam sind und das Privat- und Familienleben der BF folglich einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen ist. Dies ergibt sich ebenso aus dem klaren Gesetzeswortlaut, demnach ein Antrag nach § 55 AsylG zurückzuweisen ist, wenn gegen eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhalts nicht vorliegt.

Auf die Änderungen des entscheidungsrelevanten Sachverhalts seit Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen vom 29.10.2015 (somit vor beinahe 2 1/2 Jahren) zu Gunsten der BF wurde in der Stellungnahme vom 19.01.2018 explizit und ausführlich eingegangen und die entsprechenden Ausführungen durch die Vorlage eines umfangreichen Konvoluts an Beweis- und Bescheinigungsmitteln nachgewiesen (insgesamt im Umfang von 98 [!] Seiten). Es sei in diesem Zusammenhang abermals darauf hingewiesen, dass die Stellungnahme fristgerecht am 19.01.2018 um 15:42 bei der belangten Behörde eingelangt ist. Dennoch wurde der Festnahmeauftrag noch vor Einlangen der Stellungnahme im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung am 19.01.2018 um 13:48 erlassen. Die entsprechenden entscheidungsrelevanten Erwägungen wurden somit von Seiten der belangten Behörde den verfahrensgegenständlichen Akten unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt trotz entsprechender Möglichkeit und Pflicht hierzu nicht zu Grunde gelegt.

Es sei in diesem Zusammenhang auch explizit auf die Rückführungsrichtlinie (RL 2008/115/EG) verwiesen, welche als Grundlage für Zwangsmaßnahmen eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung zwingend voraussetzt. Entsprechend einer unionsrechtskonformen Interpretation muss auch die Haft eine zur Vollstreckung der Rückkehrentscheidung erforderliche "Maßnahme" oder "Zwangsmaßnahme" iSd Art 8 Abs 1 der RL darstellen. Eine entsprechende durchsetzbare Rückkehrentscheidung ist jedoch bis zur Erlassung der Rückkehrentscheidung am 31.01.2018 jedenfalls nicht vorgelegen.

Die Festnahme, Anhaltung und Abschiebung der BF erweisen sich vielmehr sowohl im Rahmen einer verfassungs- wie auch europarechtskonformen Interpretation als rechtswidrig.

Zumal es sich bei der Festnahme wie auch Anhaltung um massive Eingriffe in das Recht auf persönliche Freiheit handelt, hat die Anordnung eine entsprechender Maßnahmen stets das Ergebnis einer alle Aspekte beachtenden Interessensabwägung zu sein. Ein solche ist jedoch allem Anschein nach im gegenständlichen Verfahren gänzlich unterlassen worden.

Bloß der Vollständigkeit halber sei betont, dass das (erste und einzige) Asylverfahren betreffend die BF bereits 4 Jahre gedauert hat, wobei die BF ihrer Mitwirkungspflicht stets nachgekommen sind.

Die überlange Dauer des Verfahrens kann ihnen also nicht zum Nachteil ausgelegt werden. Dass der Instanzenzug beschritten wurde, kann den BF selbstverständlich ebenso wenig vorgeworfen werden.

Vielmehr stellt dies ein (den Rechtsstaat konstituierendes) Grundrecht dar und ist es umgekehrt die Pflicht der Republik Österreich, adäquate Strukturen zur Verfügung zu stellen, die Verfahrensführung innerhalb angemessener Frist zu ermöglichen. Um den Rahmen dieses Schriftsatzes nicht zu sprengen, darf an dieser Stelle auf die hierzu ergangene höchstgerichtliche Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (welche als amtsbekannt vorausgesetzt wird) verwiesen werden (siehe etwa VfSlg 19.203/2010; 19.357/2011).

Weiters haben sich die BF niemals dem Verfahren entzogen oder waren unbekannten Aufenthaltes. Der Behörde war der Aufenthaltsort der BF somit stets bekannt.

Dem Akt der belangten Behörde ist letztlich kein rechtskonformer Grund zu entnehmen, welche die Vermutung rechtfertigen würde, dass die BF sich der Abschiebung in den 3 Tagen vor dem ihnen zudem unbekannten Abschiebetermin entziehen würden. Abermals sei an dieser Stelle auch auf die gänzliche Verkennung der Rechtslage in Bezug auf eine (vermeintliche) Verletzung der Wohnsitzauflage durch die Weigerung - trotz laufendem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK - freiwillig zurückzukehren. Die BF kamen vielmehr nachweislich der Verpflichtung aus der Wohnsitzauflage innerhalb offener Frist nach. Es wäre folglich eine Direktabschiebung aus der Betreuungsstelle Schwechat jedenfalls ohne Weiteres möglich gewesen.

In der herrschenden Rechtsprechung zur Schubhaft nimmt bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes auch der Grad der sozialen Verankerung einen zentralen Stellenwert ein und ist entsprechend zu würdigen. Maßgeblich für die Beurteilung der Verankerung ist auch die Dauer des bisherigen Aufenthaltes wie auch die soziale Integration. Es darf in diesem Zusammenhang abermals auf die am 19.01.2018 in Vorlage gebrachte Stellungnahme verwiesen werden wie auch auf die Beschwerde vom 28.02.2018 verwiesen werden. Zu beachten wäre weiters gewesen, dass die (teils schulpflichtigen) Kinder bis zur verpflichtenden Unterkunftnahme in Schwechat die Schule besuchten.

Dem Festnahmeauftrag ist als einzige Feststellung wörtlich zu entnehmen:

"Für die Erlassung des Festnahmeauftrags war maßgebend, dass gegen den Genannten eine durchführbare Rückkehrentscheidung besteht." (S. 2 der gleichlautenden Festnahmeaufträge)

Das Vorliegen einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist jedoch für sich genommen kein Grund von einem Sicherungsbedarf auszugehen. Es darf in diesem Zusammenhang auf die höchstgerichtliche Judikatur verwiesen werden, dass die fehlende Ausreisewilligkeit für sich genommen kein Grund für die Verhängung der Schubhaft ist (VwGH 05.07.2011, 2010/21/0032).

Durch die eben beschriebene Vorgehensweise hat das BFA entgegen sowohl grund- wie auch unionsrechtlicher Vorgaben eine notwendige Einzelfallabwägung unterlassen wie auch das bestehende Sorgfaltsgebot missachtet.

Es sei abermals an dieser Stelle an die Vorgaben der Rückführungsrichtlinie erinnert, so heißt es im Erwägungsgrund 16:

"Das Mittel der Inhaftnahme für die Zwecke der Abschiebung sollte nur begrenzt zum Einsatz kommen und sollte im Hinblick auf die eingesetzten Mittel und die angestrebten Ziele dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unterliegen. Eine Inhaftnahme ist nur gerechtfertigt, um die Rückkehr vorzubereiten oder die Abschiebung durchzuführen und wenn weniger intensive Zwangsmaß nahmen ihren Zweck nicht erfüllen."

Und noch einmal gemäß Art 15 Abs 1 Rückführungsrichtlinie: "Sofern in dem konkreten Fall keine anderen ausreichenden, jedoch weniger intensiven Zwangsmaßnahmen wirksam angewandt werden können, dürfen die Mitgliedstaaten Drittstaatsangehörige, gegen die ein Rückkehrverfahren anhängig ist, nur in Haft nehmen, um deren Rückkehr vorzubereiten und/oder die Abschiebung durchzuführen, und zwar insbesondere dann, wenn

a) Fluchtgefahr besteht oder

b) die betreffenden Drittstaatsangehörigen die Vorbereitung der Rückkehr oder das Abschiebungsverfahren umgehen oder behindern."

Weiters sei in diesem Zusammenhang an die Judikatur des VwGH erinnert, der in herrschender Rechtsprechung die Notwendigkeit einer Einzelfallabwägung wie auch das Fehlen zumutbarer und ausreichender gelinderer Mittel (wie etwa die aufrechte Wohnsitzauflage) als unbedingte Voraussetzungen für die Anordnung feststellte.

Weiters sei festgehalten, dass das BFA den Normgehalt des BVG-Kinderrechte offenkundig gleich gänzlich verkennt. Besagter verfassungsrechtlicher Normbestand wird in den den Maßnahmen zugrundeliegenden Aktenteilen nicht einmal mit einem Wort erwähnt! Nach Art 1 BVG-Kinderrechte (wie auch Art 24 GRC) ist allen Kinder betreffenden Maßnahmen das Wohl des Kindes stets als vorrangige Erwägung zu beachten.

Sowohl die Festnahme durch Uniformierte und die Hafterfahrungen stellen für die (teils unmündigen) Kinder noch weitaus dramatischere und gegebenenfalls traumatische Erfahrungen als für Erwachsene dar.

Das Bundesamt setzte sich mit der Wohn- und Familiensituation der BF wie auch des stets vorangig zu beachtenden Kindeswohls - soweit ersichtlich - in keiner Weise auseinander.

Im gegenständlichen Verfahren wurde jedenfalls gänzlich verabsäumt sich mit dem gegenständlichen Sachverhalt auseinanderzusetzen und diesen entsprechend der Verfahrensverpflichtung zu ermitteln. Es wurden keine Ermittlungstätigkeiten (wie etwa eine Befragung der BF) durchgeführt. Hierdurch wurde ebenso das Recht auf Parteiengehör verletzt. Letztlich wurde auf Basis von aktenwidrigen Feststellungen Schlussfolgerungen gezogen und sind diese dem Festnahmeauftrag nur sehr mangelhaft zu entnehmen. Das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes basiert zusammenfassend auf gänzlich inadäquaten Ergebnissen.

Das Verfahren wurde somit nicht nur mit Rechtswidrigkeit des Inhalts, sondern ebenso infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Die Akte verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt sind folglich ebenso aus diesem Grund als rechtswidrig anzusehen.

Gänzliches Unterlassen von Ermittlungstätigkeiten

Wie bereits angesprochen, hat es das Bundesamt gänzlich verabsäumt das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes zu prüfen und gegebenenfalls einen solchen zu begründen. Des Weiteren hat es das Bundesamt offenkundig unterlassen zu prüfen, ob ein durchsetzbarer Titel für die Abschiebung bzw. die darauffolgende Festnahme und Anhaltung überhaupt vorhanden war. Das Unterlassen einer entsprechenden Prüfung ist insbesondere dahingehend nicht nachvollziehbar, als dieselbe Behörde das Verfahren zur Erlassung einer aktuellen Rückkehrentscheidung geführt hat. Gänzlich unberücksichtigt blieben zudem verfassungsrechtliche Erwägungen zum Privat- und Familienleben wie auch zum Kindeswohlvorrang.

Das Bundesamt hat durch das vollständige Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeiten die BF letztlich um ein rechtsstaatliches Verfahren gebracht. Bei Durchführung eines entsprechenden verfassungskonformen Verfahrens wäre das Bundesamt zu einem anderen, für die BF günstigeren Ergebnis gelangt, nämlich dass ein durchsetzbarer Titel zum damaligen Zeitpunkt jedenfalls nicht vorgelegen hat. Es wäre folglich zu de Ergebnis gelangt, dass die Abschiebung und damit auch die vorangehende Festnahme und Anhaltung rechtswidrig ist.

Zudem wäre bei ausreichender Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles die belangte Behörde zu dem Ergebnis gelangt, dass ein Sicherungsbedarf aufgrund der herausragenden sozialen Verankerung der Familie wie auch dem Umstand, dass diese stets ihrer Mitwirkungspflicht nachgekommen sind, nicht anzunehmen ist.

Durch das gänzliche Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in entscheidenden Punkten und dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, wie auch dem Außer-AchtLassen des konkreten Sachverhaltes liegt ein willkürliches Verhalten, das in die Verfassungssphäre eingreift (so etwa in VfGH 27.06.2012, U 151/12; siehe bereits auch in VfSlg. 15.451/1999, 15.743/2000, 16.354/2001, 16.383/2001).

Die gesetzten Maßnahmen erscheinen folglich ebenso aus diesem Grund als rechtswidrig.

Unverhältnismäßigkeit der Festnahme und Anhaltung

Art 1 Abs 3 B-VG zum Schutz der persönlichen Freiheit sieht vor, dass jede Haftverhängung unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist. Entsprechend sind auch die Bestimmungen des §§ 34 und 40 FPG im Lichte des aus dem Bundesverfassungsgesetz vom 29.11.1988 über den Schutz der persönlichen Freiheit erfließenden unmittelbar anwendbaren Gebots der Verhältnismäßigkeit auszulegen. Nichts anderes gilt entsprechend der Rückführungsrichtlinie.

Die Festnahme wird von Seiten der belangten Behörde ausschließlich damit begründet, dass gegen die BF eine (vermeintlich) durchführbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde. Diese schlichte (und tatsachenwidrige) Feststellung kann eine verfassungs- und unionsrechtlich verpflichtende Verhältnismäßigkeitsprüfung selbstverständlich nicht ersetzen. Es sei auch in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass die BF am 19.01.2018 fristgerecht eine Stellungnahme zum Bestehen eines schützenswerten Privat- und Familienlebens und in diesem Zusammenhang auch mit Erwägungen zum Kindeswohl eingebracht haben. Nicht nur in der erwähnten Stellungnahme, sondern ebenso in der der belangten Behörde vorliegenden Vorstellung gegen die Mandatsbescheide zur Wohnsitzauflage wurde die spezifische Situation der BF gegenüber der belangten Behörde dargelegt. Dennoch blieben die Erwägungen offenkundig gänzlich unbeachtet, jedenfalls im bisherigen Verfahren - soweit ersichtlich - unerwähnt.

Es sei bei der Frage der Verhältnismäßigkeit auch daran erinnert, dass die Verhängung der Schubhaft gegenüber unmündigen Minderjährigen aufgrund des erheblichen Eingriffs wie auch die damit einhergehenden Verletzungen in grundrechtliche Positionen mittlerweile generell unzulässig ist. Dass die belangte Behörde dennoch die Festnahme der teils unmündigen BF mit gleich mehreren uniformierten Beamten in der Unterkunft der BF anordnete, welche den BF umgehend die Telefone - entsprechend des Auftrags - abnahmen, sodass dem minderjährigen BF nur die Möglichkeit blieb in einem letzten Hilferuf die Unterstützerin XXXX mit den Worten " XXXX " über die Festnahme zu verständigen, erscheint gänzlich außerhalb jeglicher Relation und ist somit als unverhältnismäßig zu qualifizieren.

Das Bundesamt hat es jedenfalls unterlassen, eine individuelle Prüfung zur Frage der Verhältnismäßigkeit im gegenständlichen Fall durchzuführen, weshalb der Auftrag zur Festnahme, die Festnahme und Anhaltung der BF als rechtswidrig zu qualifizieren sind.

Zur Nichtanwendung eines gelinderen Mittels

Ebenso ergibt sich der Vorrang der Anwendung gelinderer Mittel sowohl direkt aus verfassungs- wie auch unionsrechtlichen Erwägungen. Es sei in diesem Zusammenhang auch auf die Judikatur des EGMR verwiesen. So wurde der Freiheitsentzug bei fehlender Überprüfung, ob gelindere Mittel für die Erreichung des Sicherungszweckes ausreichend gewesen wären, als willkürlich qualifiziert (EGMR

02.10.2008, 34.082/2002, Rusu/Österreich).

Die Möglichkeit der Verhängung des gelinderen Mittels wurde vom belangten Organ keiner ernsthaften Prüfung unterzogen. Der Festnahmeauftrag als einzige Darlegung der rechtlichen wie auch tatsächlichen Gründe der Haft wie auch zur Beurteilung der Rechtskonformität des Vorgehens enthält keinen Hinweis, dass gelindere Mittel überhaupt in die Prüfung miteinbezogen wurden. Insbesondere im Hinblick darauf, dass die BF der Wohnsitzauflage in unmittelbarer Nachbarschaft zum Flughafen nachgekommen sind und diese auch nicht verletzt haben, ist kein Grund erkennbar, weshalb der Sicherungszweck, nämlich die Abschiebung, nicht auch mit der Verhängung (bzw. Aufrechterhaltung) des gelinderen Mittels erreicht hätte werden können.

Die Festnahme und Anhaltung erscheint auch aus diesem Grund rechtswidrig.

6. Verletzung des Rechts auf Kontakt mit dem Rechtsbeistand wie auch im Zuge dessen auf Information

Nach Art 4 Abs 7 PersFrB-VG besteht das Recht auf Verständigung eines Rechtsbeistandes ohne Aufschub. Einfachgesetzlich besteht aufgrund des Verweises auf die Bestimmungen der § 36 Abs 4 VStG und § 47 SPG das Recht auf Verständigung einer/eines Angehörigen bzw. eines Rechtsbeistandes.

Als Rechtsbeistand ist jedenfalls der ausgewiesene Vertreter zu verstehen. Dennoch war es dem einschreitenden Rechtsanwalt erst nach erheblicher Intervention möglich Kontakt zu den BF aufzunehmen.

Bloß der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass unter die Legaldefinition des Rechtsbeistandes nach § 10 AVG ebenso die jahrelange Begleiterin der BF XXXX zu zählen ist, sodass auch mit jener die Kontaktaufnahme selbstverständlich aus grundrechtlichen Erwägungen zu gestatten gewesen wäre.

Die BF erachten sich folglich auch in ihren Rechten nach § 41 BFA-VG bzw. nach Art 4 Abs 7 PersFrBVG verletzt.

Verletzung des Rechts auf Information

In Fortsetzung des rechtswidrigen Vorgehens im gegenständlichen Verfahren wurde der ausgewiesene Vertreter erst nach Abschiebung der BF über die Gründe der Festnahme durch die Einsichtnahme in die Akten informiert.

Neben den grundrechtlichen Verfahrensgarantien nach Art 4 Abs 6 PersFrB-VG und Art 5 Abs 2 EMRK sei in diesem Zusammenhang auch an Art 15 Abs 2 Rückführungsrichtlinie erinnert, hier heißt es unter anderem: "Die Inhaftnahme wird schriftlich unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Gründe angeordnet."

Im Zuge eines Besuches im Polizeianhaltezentrum Schwechat am 21.01.2018 ersuchte der ausgewiesene Vertreter um Ausfolgung bzw. die Möglichkeit der Anfertigung einer Ablichtung der Entscheidung bzw. Anordnung, welche der Festnahme und Anhaltung der Familie zu Grunde liegt, aus den Effekten seiner Mandanten.

Wie bereits im Sachverhalt angeführt, wurde seitens des Polizeianhaltezentrums mit dem Journaldienst des BFA Rücksprache gehalten und sodann die Einsichtnahme bzw. Möglichkeit der Anfertigung einer Ablichtung verweigert. Eine nachfolgende Rücksprache des Vertreters mit dem Journaldienst führte zu keinem anderen Ergebnis. Er wurde an den zuständigen Referenten verwiesen, welcher zu den normalen Amtsstunden erreichbar wäre.

Anschließend erfolgte am 22.01.2018 auch der schriftliche Antrag auf Ausfolgung der Durchschrift der Festnahmeaufträge bzw. der schriftlichen Anordnung unter Angabe der sachlichen und rechtlichen Gründe von Seiten des ausgewiesenen Vertreters.

Die Gewährung von Akteneinsicht nach Beendigung und Abschiebung der BF kann das Recht auf Information wie letztlich auch Vertretung nicht ersetzen.

Die BF erachten sich demnach auch in ihren Rechten nach § 41 BFA-VG iVm Art 15 Abs 2 Rückführungsrichtlinie bzw. nach Art 4 Abs 6 PersFrB-VG wie auch Art 5 Abs 2 EMRK verletzt.

Menschenunwürdige Umsetzung der Zwangsmaßnahmen

Des Weiteren ist darauf einzugehen, dass in § 41 FPG ebenso auf § 47 SPG verwiesen wird, demnach sind die Festnahme und Anhaltung unter Achtung der Menschenwürde und möglichst schonend vorzunehmen.

Ebenso sei an dieser Stelle an die verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art 1 Abs 4 PersFrB-VG verwiesen: "Wer festgenommen oder angehalten wird, ist unter Achtung der Menschenwürde und mit möglichster Schonung der Person zu behandeln und darf nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die dem Zweck der Anhaltung angemessen oder zur Wahrung von Sicherheit und Ordnung am Ort seiner Anhaltung notwendig sind." zudem sei an diese Stelle auf Art 1 BVG-Kinderrechte (wie auch Art 24 GRC vorsieht) hingewiesen, demnach in allen Kinder betreffenden Maßnahmen das Wohl des Kindes stets als vorrangige Erwägung zu beachten ist.

Die Festnahme durch uniformierte Polizisten wie auch die zwangsweise Abschiebung aus der Anhaltung und zwar ohne die Möglichkeit sich persönlich von den Freund_innen in Österreich verabschieden zu können, achtet weder die Menschenwürde noch stellt es einen kindgerechten Umgang dar.

Folglich erachten sich die BF ebenso in ihrem Recht nach §§ 41 FPG iVm 47 SPG sowie nach Art 1 Abs 4 PersFrB-VG verletzt."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die unbescholtenen BF sind Staatsangehörige der Russischen Föderation. Ihre Identität steht fest. Sie stellten am 28.10.2011 ihre ersten und einzigen Anträge auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Im Zuge ihrer Asylantragsstellung legten sie russische Inlandsreisepässe und Geburtsurkunden der minderjährigen Kinder (BF 3-6) vor.

Das Bundesasylamt wies die Anträge auf internationalen Schutz mit Bescheiden vom 27.08.2012 als unbegründet ab und wies die BF aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation aus. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.09.2014 als unbegründet abgewiesen. Die Verfahren wurden zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die Erkenntnisse erwuchsen in den übrigen Spruchteilen in Rechtskraft.

Das Bundesamt erteilten den BF mit Bescheiden vom 16.02.2015 keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen und erließ gegen die BF eine Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation. Unter einem stellte es fest, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG zulässig ist und legte die Frist für die freiwillige Ausreise der BF mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

Das Bundesverwaltungsgericht wies eine dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnissen vom 21.10.2015 als unbegründet ab. Der Verfassungsgerichtshof lehnte eine hiergegen erhobene Beschwerde mit Beschluss vom 10.06.2016 ab.

Die BF stellten am 18.08.2016 jeweils Anträge auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005.

Die BF wurden am 16.11.2017 von den russischen Behörden identifiziert und der Ausstellung eines Heimreisezertifikates zugestimmt.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes vom 21.12.2017 wurde den BF gemäß § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, sich bis zu ihrer Ausreise durchgängig in der Betreuungsstelle Schwechat Unterkunft zu nehmen.

Die BF kamen dieser Aufforderung nach und bezogen unmittelbar das Quartier nahe dem Flughafen Schwechat.

Das Bundesamt wies mit Bescheiden vom 16.01.2018 die Anträge der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 ab, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig ist. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 15.03.2018 als unbegründet ab.

Die BF traten seit ihrer Asylantragsstellung im Bundesgebiet durchgehend melderechtlich in Erscheinung.

Sie sind strafrechtlich unbescholten und lebten von Leistungen aus der Grundversorgung im Bundesgebiet. Die Kinder besucht im Bundesgebiet jeweils die Schule (Neue Mittelschule).

Das Bundesamt erließ am 19.01.2018 Festnahmeaufträge gegen die BF, wonach diese gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG zum Zwecke der Abschiebung ab 20.01.2018 15 Uhr, an ihrer Wohnadresse festzunehmen und anschließend in das SPK Schwechat zu überstellen seien. Es bestehe ein Abschiebetermin für den 23.01.2018 um 12:00 Uhr.

Unter einem wurde am 19.01.2018 ebenfalls ein Abschiebeauftrag gegen die BF erlassen, wonach diese am 23.01.2018, 12 Uhr, auf dem Luftweg nach Moskau abgeschoben werden wollen.

Die BF wurden am 20.01.2018 an ihrer Wohnadresse im Flüchtlingsquartier festgenommen und in das Terminal 240 des Flughafen Wien Schwechat verbracht.

Die BF führten am 21.01.2018 ein Gespräch mit ihrem rechtsfreundlichen Vertreter durch.

Die BF befanden sich seit 20.01.2018 in einer Zurückbeförderungszone und nützen die dortigen Wohnmöglichkeiten.

Die BF wurden am 23.01.2018 nach Moskau auf dem Luftweg abgeschoben.

Die BF waren haftfähig.

Sie befand sich von 20.01.2018 bis 23.01.2018 in Verwaltungsverwahrungshaft und wurden am 23.01.2018 um 12:00 Uhr in die Russische Föderation abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes und der hg. Akten des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Rechtsgrundlage der Festnahme ergibt sich aus dem in den Akten einliegenden Festnahmeauftrag.

Die Feststellung zur Erlassung eines Abschiebeauftrages resultiert ebenso aus dem in den Verwaltungsakten einliegenden Abschiebeauftrag.

Die Feststellung zur Festnahme der BF am 20.01.2018 resultieren aus dem Bericht der LPD Niederösterreich vom 20.01.2018.

Die Abschiebung der BF am 23.01.2018 ergibt sich aus den jeweiligen IZR-Auszügen.

Die Angaben zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit resultieren aus aktuellen Strafregisterauszügen.

Die Angaben zur durchgehenden aufrechten Meldung der BF, insbesondere der Unterkunftnahme in der Betreuungsstelle Schwechat, beruht aus einem Auszug aus dem ZMR der BF.

Die Angaben zum Schulbesuch der Kinder beruhen aus dem Gerichtsakt zu den Zlen. W247 2103039-2, W247 2103044-2, W247 2103041-2, W247 2103037-2, W247 2103035-2, W247 2103043-2 und den vorgelegten Stellungnahmen des rechtsfreundlichen Vertreters der BF.

Die Angabe zur Haftfähigkeit ergibt sich aus dem Umstand, dass aus dem Verwaltungsakt kein Indiz für eine gegenteilige Annahme erkannt werden konnte. Der Gesundheitszustand der BF 2 (Zl. 2188179-1) wurde bereits in den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.09.2014 und vom 21.10.2015 einer genauen Beurteilung unterzogen. Die BF2 leidet an keinen chronischen oder lebensbedrohlichen Krankheiten, welche dergestalt sind, dass sie einer Rückkehr der BF2 in den Herkunftsstaat entgegenstehen. Der Gesundheitszustand der BF 2 wurde bereits in den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.09.2014 und vom 21.10.2015 einer einhergehenden Beurteilung unterzogen und hat die gegenständliche Beschwerde bezüglich des Gesundheitszustandes der BF 2 kein Vorbringen erstattet.

3. Rechtliche Beurteilung

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerden zuständig.

Zu Spruchteil A)

3.1. Spruchpunkt I. - Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung von 20.01.2018 bis 23.01.2018

3.1.1 Absatz 1 des mit "Festnahme" betitelten § 40 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 lautete:

"(1) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

Die BF wurden von Angehörigen der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 20.01.2018 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festgenommen.

Der mit "Festnahmeauftrag" betitelte § 34 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 145/2017 lautete:

"§ 34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.

(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn

1. das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder

2. der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben."

3.2.2. Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrunde liegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).

Das Bundesamt erließ am 19.01.2018 einen Festnahmeauftrag gegen die BF gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG. Diese Voraussetzungen lagen im gegenständlichen Fall zum Zeitpunkt der Festnahme vor, weil gegen die BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorlag und unter einem am 19.01.2018 ein Abschiebeauftrag betreffend eine Flugabschiebung am 23.01.2018, 12:00 Uhr erlassen wurde.

3.2.3. Die Beschwerde bringt im Wesentlichen vor, es habe eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gefehlt. Aufgrund der nach der Abschiebung erfolgten inhaltlichen Abweisung der Anträge gemäß § 55 AsylG 2005 durch die belangte Behörde gehe diese offensichtlich davon aus, dass die am 29.10.2015 rechtskräftig erlassenen Rückkehrentscheidung nicht mehr rechtswirksam seien und das Privat- und Familienleben einer neuerlichen Prüfung zu unterziehen gewesen sei.

Dem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Rechtslage zum Zeitpunkt der Setzung der Akte verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Betracht zu ziehen ist. Zum in Frage stehenden Zeitpunkt am 20.01.2018 bzw. bei Erlassung des Festnahmeauftrages am 19.01.2018 lag gegen die BF unmissverständlich eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung aufgrund der Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2015 vor.

Im Verfahren gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG ist die Frage der Rechtmäßigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme keiner Prüfung zu unterziehen (VwGH 27.03.2007, 2007/21/0019; 31.08.2006, 2004/21/0138), ebenso wenig die Rechtmäßigkeit der Abschiebung. Beachtlich ist vielmehr im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit von Festnahme und Anhaltung, ob die belangte Behörde bei Setzung dieser Maßnahme realistischer Weise mit der tatsächlichen Durchführung der Abschiebung rechnen durfte.

Die BF kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nach Abweisung ihrer Beschwerden gegen die Rückkehrentscheidungen durch die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2015 nicht nach, sondern verblieben im Bundesgebiet.

Auch die Stellung ihrer Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels am 18.08.2016 änderten nichts an der Tatsache, dass die BF sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten:

§ 58 Abs. 13 AsylG 2005 normiert, dass Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 AsylG 2005 der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegenstehen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.

Ebenso sieht § 16 Abs. 5 BFA-VG mit Verweis auf § 58 Abs. 13 AsylG vor, dass einer Beschwerde gegen eine Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem 7. Hauptstück des AsylG 2005 oder ein diesbezüglicher Vorlageantrag kein Aufenthalts- oder Bleiberecht begründen.

Die BF waren daher zum Zeitpunkt der Erlassung des Festnahmeauftrages und dem Vollzug der Festnahme ihrer Ausreisverpflichtung nicht nachgekommen und unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben.

Ihren Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels begründeten kein Aufenthalts- oder Bleiberecht und es standen ihre Anträge auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen nicht entgegen und entfalteten keine aufschiebende Wirkung (vgl. § 58 Abs. 13 AsylG 2005). Zum Zeitpunkt der Festnahme bestand gegen die BF eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.

Die gültigen Reisepässe der BF lagen den Behörden vor und die Behörden organisierten bereits am 19.01.2018 die Abschiebung der BF per Luftweg nach Moskau am 23.01.2018.

Es ist daher - auch vor dem Hintergrund der tatsächlich erfolgten Abschiebung innerhalb der für die Anhaltung im Rahmen der Festnahme vorgesehenen Höchstfrist - der belangten Behörde nicht vorzuwerfen, wenn sie davon ausging, dass die Abschiebung tatsächlich in Frage kam und innerhalb der vorgesehenen Frist bewerkstelligt werden konnte (vgl. zur Schubhaft VwGH 26.09.2007, 2007/21/0253; 23.10.2008, 2006/21/0128; 11.06.2013, 2013/21/0024).

3.2.4. Die Festnahme und Anhaltung der Beschwerdeführer waren hingegen nicht notwendig:

Unstrittig ist, dass die BF seit der Rechtskraft der Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 21.10.2015 binnen 14 Tagen zur Ausreise verpflichtet gewesen sind. Ebenso unstrittig ist, dass die BF dieser rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht nachkamen und sich somit jahrelang unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhielten.

Auf Grund des Umstandes, dass die BF hingegen seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet und ihrer Asylantragsstellung im Jahr 2011 die ganze Zeit über behördlich gemeldet waren, unbescholten sind und die BF 3-6 im Bundesgebiet jahrelang die Schule besuchten, konnte die belangte Behörde jedoch nicht davon ausgehen, dass die Festnahme und knapp 72 Stunden dauernde Anhaltung der BF in Verwaltungsverwahrungshaft notwendig war.

Dieser Umstand wird auch durch die Befolgung der Wohnsitzauflage der BF unterstrichen und es auch vor diesem Hintergrund die Festnahme und Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft nicht notwendig.

Art. 1 Abs. 3 PersFrG darf die persönliche Freiheit jeweils nur entzogen werden, wenn und soweit dies nicht zum Zweck der Maßnahme außer Verhältnis steht.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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